Protocol of the Session on June 18, 2008

Diese Thematik haben wir hier im Landtag schon mehrfach besprochen. In der Zwischenzeit scheint ja Konsens zu bestehen. Immerhin gibt es einen entsprechenden Bundesratsbeschluss zur Erhöhung des Regelsatzes für das Essen. Nur geändert hat sich in der Praxis bisher leider nichts.

Mit unserem Gesetz würde das Mittagessen zum Bestandteil der Schulpflicht für alle Kinder werden, was wohl der wirkungsvollste Schutz gegen eine Anrechnung auf den gegenwärtig viel zu niedrigen Bedarfssatz der Kinder darstellt.

Ich komme zum dritten Aspekt. Landauf, landab stöhnen die Menschen über die wachsenden Belastungen durch steigende Lebensmittel- und Energiepreise. All das belastet Familien mit Kindern besonders stark. Eine Übernahme der Beiträge für Mittagessen durch das Land sollte für alle Eltern eine Entlastung sein, auch und gerade für diejenigen, die mit ihrem Einkommen knapp über der Hartz-IV-Grenze liegen.

Der Gesetzentwurf entlastet alle Familien mit Kindern und sichert dabei, dass die aufgewandten öffentlichen Mittel in jedem Fall unmittelbar dem Kind zugute kommen. Dies ist für das Wohlbefinden der Kinder, für ihre gesunde Ernährung und ihr gesundes Aufwachsen wichtiger als alle Aufklärungskampagnen zusammen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Selbstverständlich müssen die fast 200 Millionen Euro im Haushalt aufgebracht werden. Dazu werden wir, wie gehabt, im Doppelhaushalt unsere Finanzierungsvorschläge vorlegen. Die Finanzierung wird einen Schwerpunkt in unserem alternativen Haushaltsansatz bilden. Zu diesen Umschichtungen sind wir alle gemeinsam in der Lage. Es handelt sich dabei um gut eingesetztes Geld, zumal die Mittel, wenn sie, wie erwartet, zum drastischen Ansteigen der Teilnahme an der Mittagsversorgung führen, einen nicht unerheblichen Beschäftigungseffekt haben.

In Deutschland sollte es wie in vielen anderen europäischen Ländern selbstverständlich werden, dass das Schulmittagessen zum Tagesablauf in der Schule gehört

und kostenfrei angeboten wird. In Finnland ist dies schon seit über 50 Jahren Normalität. Das gute Abschneiden Finnlands bei PISA hat unter anderem auch etwas damit zu tun.

Herr Neubert, kommen Sie bitte zum Schluss!

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir freuen uns auf die Diskussion im Landtag. Wir fordern all diejenigen, die in den letzten Wochen und Monaten ein kostenloses Mittagessen in dieser oder jener Form gefordert haben, auf, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen. Wir brauchen keine Wiederholung alberner Rituale. Es gereicht niemandem zur Ehre, hier oder anderswo wortreich für ein kostenloses Mittagessen zu werben, es dann jedoch bei der entscheidenden Abstimmung aus Koalitionsdisziplin unter irgendeinem Vorwand abzulehnen. Sparen Sie sich das!

Bitte zum Schluss kommen!

Wenn Sie Verbesserungsvorschläge zu unserem Gesetz haben oder Akzente setzen wollen, bringen Sie die Änderungsanträge zum Gesetzentwurf ein! Wir werden damit konstruktiv umgehen. Letztlich sind wir gemeinsam in der Pflicht gegenüber den Kindern. Lassen Sie uns gemeinsam in dieser Form einen großen Schritt vorankommen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Das war die Einbringung. Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend –, an den Ausschuss für Schule und Sport und an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer diesen Empfehlungen folgt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Somit ist die Überweisung beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 11

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen und zur Gewährleistung der Gleichstellung, gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/12532, Gesetzentwurf der Linksfraktion

Herr Wehner, Linksfraktion, hat für die einreichende Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Arbeit, Bildung und Solidarität – das haben wir heute gehört – sind die neuen Schlagwörter der sächsischen Politik.

Für mich heißt das: Arbeit, Bildung und Solidarität sind für alle in Sachsen lebenden Bürgerinnen und Bürger von Bedeutung. Gut, lasst uns anfangen! Kommt, lasst uns ein Denkmal für die Leute bauen, die wahrscheinlich keines bekommen, für diejenigen, die sich oftmals nicht getrauen, sich aber nicht mit Mittelmaß begnügen! Gestalten wir die Rahmenbedingungen für die über 500 000 im Freistaat Sachsen lebenden Menschen mit Behinderung um!

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir Sie einladen, einen weiteren wesentlichen Schritt zur Beseitigung von Benachteiligungen der Menschen mit Behinderung zu unternehmen. Das ist ein Gesetz, das Menschen mit Behinderung die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gewährleisten und tatsächlich eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen soll.

Die bisherigen Regelungen haben den Betroffenen nicht wirklich geholfen. Behindertenverbände hatten kritisiert, dass die im Freistaat geltenden Regelungen nicht ausreichend seien. Sie passen auch nicht mehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den veränderten Bedingungen in Sachsen zusammen, die sich aus der Neuordnung der Kreise und kreisfreien Städte und aus dem Verwaltungsneuordnungsgesetz ergeben.

Meine Damen und Herren! Es geht um Teilhabe und es geht um Selbstbestimmung. Dazu braucht es Barrierefreiheit und Nachteilsausgleiche. Die Fürsorge wird nicht abgeschafft, sondern sie erhält eine neue Qualität.

Ich höre schon Ihren Einwand, dass man bestimmte Verhaltensweisen nicht per Gesetz verordnen kann. Das möchte ich gar nicht bestreiten. Dennoch: Solange die Barrieren in den Köpfen vorhanden sind, solange sich noch nicht alle an der Sicherung der Teilhabe beteiligen, so lange wird es noch gesetzlicher Regelungen bedürfen – deshalb das Gesetz der Linksfraktion.

In Artikel 2 schlagen wir Ihnen vor, ein neues Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung unter dem Titel „Gesetz zur Gleichstellung, gleichberechtigten Teilhabe und Integration von Menschen mit Behinderung“ im Freistaat zu verabschieden, das insbesondere folgende Maßnahmen vorsieht:

Wir wollen ein allgemeines Verbot der Benachteiligung und Diskriminierung von Menschen mit Behinderung.

Wir wollen, dass die Belange von Frauen mit Behinderung besonders berücksichtigt werden.

Wir wollen die öffentlichen Stellen verpflichten, die Ziele des Gesetzes und deren Verwirklichung aktiv zu fördern.

Wir wollen, dass die besonderen Belange von Menschen mit Behinderung bei der Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken berücksichtigt werden.

Wir wollen die barrierefreie Gestaltung der Informationstechnik, das Recht der Menschen mit Behinderung zur Benutzung der Gebärdensprache und anderer geeigneter Kommunikationsformen nicht nur auf der Ebene der Landesbehörden, sondern auch auf der Ebene der kommunalen Behörden verwirklicht sehen.

Meine Damen und Herren! Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr ist eine bedeutende Vorschrift in dem Gesetzentwurf. Wieder aufgegriffen wurde das Klagerecht anerkannter Behindertenvereine und -verbände. Die Regelungen für das Amt einer oder eines Sächsischen Behindertenbeauftragten und der Institution des Landesbehindertenbeirates wurden neu formuliert. Hier sind wir insbesondere der Ansicht, dass die Aufgaben eines Sächsischen Behindertenbeauftragten nicht ehrenamtlich erledigt werden können und diese Aufgaben näher am Landesparlament angesiedelt sein und hauptamtlich geführt werden müssen.

Ebenso erachten wir eine periodische Berichtspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag zur Lage der Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen als unabdingbar.

Meine Damen und Herren! Wir schlagen Ihnen ferner vor, einen entsprechenden Ausgleich zur Verfügung zu stellen, wenn unter bestimmten Gegebenheiten und aus zwingenden und gerechtfertigten Gründen eine Benachteiligung von Menschen mit Behinderung nicht zu vermeiden ist.

Diese Ausgleichsbeeinträchtigung spezifischer Nachteile soll sich am konkreten individuellen Bedarf orientieren. Meine Damen und Herren, für eine moderne Gesellschaft, wie wir sie im Freistaat Sachsen erleben, sollte es Bedürfnis sein, jedem, der am gesellschaftlichen Leben aktiv teilhaben will, dieses Recht nicht durch Barrieren zu verwehren.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Mit den im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen wird den seit Langem nachdrücklich erhobenen Forde

rungen vieler Menschen mit Behinderungen, ihrer Organisationen, Vereinigungen, Selbsthilfegruppen und Angehörigen sowie der Wohlfahrtsverbände im Freistaat Sachsen entsprochen.

Unsere Fraktion geht mit dem vorgelegten Entwurf des Gesetzes einen folgerichtigen Schritt auf dem Wege zur Beseitigung von Benachteiligung der Menschen mit Behinderung hin zur Sicherung der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und der Ermöglichung einer selbstbestimmten Lebensführung.

Meine Damen und Herren! Nach der Verfassung des Freistaates Sachsen besteht eine Verpflichtung für die Gemeinschaft, alte Menschen und Menschen mit Behinderung zu unterstützen und auf die Gleichwertigkeit ihrer Lebensbedingungen hinzuwirken. Mit der Einfügung des Satzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in Artikel 1 des Entwurfes mit der Überschrift „Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen“ soll auf die Beseitigung noch vorhandener Ungleichbehandlungen von Menschen mit Behinderung mit Nachdruck hingewirkt werden. Dieser Grundsatz wurde bereits am 15. November 1994 mit der Grundgesetzänderung als Benachteiligungsverbot in den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. Es ist nicht verständlich, dass wir dieses gleichwertige Grundrecht und diesen Grundrechtsschutz in der Verfassung des Freistaates Sachsen immer noch nicht verankert wiederfinden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Ich freue mich schon jetzt auf die Diskussion in den Ausschüssen und bitte Sie, verehrter Herr Präsident, den Gesetzentwurf – federführend – an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend und mitberatend an den Haushalts- und Finanzausschuss, den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sowie an den Innenausschuss zu überweisen.

An der Sicherung der Teilhabe behinderter Menschen müssen alle mitwirken. Das ist ein hoher Anspruch. Arbeit, Bildung und Solidarität für alle in Sachsen lebenden Bürgerinnen und Bürger, das ist unser neues Motto. Lasst uns also an die Verwirklichung herangehen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war die einreichende Fraktion, vertreten durch Herrn Wehner. Herr Wehner hat darum gebeten, den Innenausschuss zusätzlich mit aufzunehmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Dann nenne ich noch einmal die vier Ausschüsse, an die wir jetzt überweisen wollen: Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend –, Haushalts- und Finanzausschuss, Innenausschuss und Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit sind die Überweisungen beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 12

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Kinder- und Jugendrechtsgesetz – SächsKJRG)

Drucksache 4/12533, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Frau Herrmann, bitte.