Protocol of the Session on June 18, 2008

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin sehr wohl der Auffassung, dass dieses Gesetz im Innenausschuss sehr sorgfältig beraten wurde. Ich danke auch den anderen beteiligten Ausschüssen, sodass damit das Gesetz rechtzeitig in Kraft treten kann.

Der Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrages der Regierungsfraktionen, den ich persönlich ausdrücklich befürworte, sieht redaktionelle wie gestaltende Änderungen des Sächsischen Wahlgesetzes vor. Ich möchte nur auf zwei Aspekte eingehen.

In der Tat gehe ich davon aus, dass wir die Begründungspflicht bei der Briefwahl zu Recht gecancelt haben. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die Bürger durch dieses Herausstreichen des Nennens des Grundes sehr viel mehr von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch machen können. Über die Gründe für einen möglichen Anstieg der Briefwahl hat sich Herr Bandmann bereits geäußert, sodass ich mir das schenken möchte.

Zur Wahlkreiseinteilung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir gehen sehr deutlich bewusst den Schritt Nummer eins für die nächste Legislaturperiode, indem wir nur die tatsächlich notwendigen Veränderungen vornehmen. Das bedeutet, dass wir an das Bundeswahlgesetz anknüpfen, und wie dort sollen dann auch in Sachsen die Bevölkerungszahlen um nicht mehr als 25 % statt der bisher 33 1/3 % vom Durchschnitt der Wahlkreise abweichen. Ab einer Abweichung von 15 % – bisher sind es 25 % – ist zu prüfen, ob eine Neuaufteilung sinnvoll ist.

Mit dieser Änderung tragen wir dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichheit der Wahl – was auch den möglichst gleichen Erfolgswert aller abgegebenen Wählerstimmen erfordert – in stärkerem Maße Rechnung. Diese strengeren Grundsätze werden allerdings erst in der übernächsten Legislaturperiode greifen. Die mit diesem Gesetz vorzunehmenden Änderungen der Wahlkreise folgen noch der alten Systematik.

Wir greifen nur dort ein, wo es verfassungsrechtlich unumgänglich ist. Das ist im Sinne der Kontinuität sinnvoll und verfassungsrechtlich zulässig.

Der Hintergrund ist – ich habe das auch ausführlich im Innenausschuss erläutert, Herr Lichdi –, zunächst die Auswirkungen der am 1. August dieses Jahres in Kraft tretenden Gebiets- und Funktionalreform auf Gemeindestrukturen und Bevölkerungsentwicklung abzuwarten und auszuwerten. Erst danach können wir eine Neueinteilung vornehmen, die eine Aussicht auf einen möglichst langen Bestand der neu zu bildenden Wahlkreise garantiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für dieses Gesetz waren vielfältige Kriterien zu berücksichtigen und zu wichten. Dies gilt ganz besonders für die Wahlkreiseinteilung. Ich bin überzeugt, dass wir dabei eine gute und verfassungsgemäße Lösung gefunden haben. Ich bitte das Hohe Haus, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Danke schön. – Gibt es daraufhin noch einmal Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, damit nähern wir uns der Abstimmung. Entsprechend der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über diesen Gesetzent

wurf, so wie es der Ausschuss vorgeschlagen hat, abzustimmen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit ist aufgerufen das Vierte Gesetz zur Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes, Drucksache 4/11715, Gesetzentwurf der Staatsregierung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 4/12494.

Wir haben eine Überschrift, Artikel 1, Artikel 2, Artikel 3 und Anlagen. Wer diesem Gesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer stimmt nicht zu? – Danke. Wer enthält sich? – Bei Enthaltungen und Gegenstimmen ist dieser mit Mehrheit angenommen worden, meine Damen und Herren. Damit ist die 2. Beratung abgeschlossen.

Da es keine Änderungen gab, eröffne ich die 3. Beratung. Es liegt kein Wunsch zur allgemeinen Aussprache vor. Oder doch? – Nein. Dann frage ich jetzt: Wer dem Gesetzentwurf so, wie wir ihn soeben in der 2. Beratung beschlossen haben, zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer stimmt nicht zu? – Danke. Wer enthält sich? – Gleiches Abstimmungsverhalten wie bei der 2. Lesung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Damit ist dieses Gesetz mehrheitlich beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu einer Reihe von 1. Lesungen und ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Sicherung der kostenfreien Mittagsversorgung in sächsischen Kindertageseinrichtungen und Schulen (Sächsisches Mittagsversorgungsgesetz – SächsMittagVersG)

Drucksache 4/12531, Gesetzentwurf der Linksfraktion

Die einreichende Fraktion hat das Wort. Bitte schön, Herr Neubert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der neuen Regierung beginnt heute zweifellos eine neue Etappe Sachsens. Es liegt in unserer Hand, ob heute nur Köpfe ausgetauscht worden sind oder ob tatsächlich ein Neuanfang bei der gemeinsamen Lösung der dringenden Probleme Sachsens gelingt.

Dazu würde auch gehören, dass endlich die Impulse aus dem Land, aus der Bevölkerung und aus der Opposition aufgegriffen werden, weil das zum Nutzen aller in Sachsen ist.

Die Gemeinde Boxberg zahlt gegenwärtig das Schulessen für 220 Schüler aus der Gemeindekasse.

(Rita Henke, CDU: Sie müssen sagen, warum!)

Auch die Kinder im Kindergarten und in der Krippe – ich komme dazu – der Gemeinde bekommen ihr Essen kostenlos. Seit der Gemeinderat diesen für Sachsen

vorbildlichen Beschluss fasste, hat sich die Zahl der Essenteilnehmer in Boxberg verdreifacht; ein wahrhaft gutes Beispiel für Sachsen.

Der realistische Blick sagt aber auch: Ein generell kostenloses Mittagessen übersteigt natürlich die finanziellen Möglichkeiten der meisten Kommunen. Boxberg ist insofern eine Ausnahme. Damit das kostenlose Mittagessen in Sachsen nicht die Ausnahme bleibt, haben wir Ihnen heute diesen Gesetzentwurf vorgelegt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass auf einen speziellen Aspekt unseres Gesetzentwurfes noch einmal besonders verweisen. Unser Entwurf enthält ein Gesetz zum kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kindertagesstätten. Das ist nicht zufällig so, sondern hat etwas damit zu tun, dass DIE LINKE Kindertagesstätten und Schulen schon lange als zusammengehörige Bestandteile eines Bildungssystems begreift.

Vieles, was für Kinder hätte getan werden können, ist in den vergangenen Jahren auch an dem unsäglichen ministeriellen Ressortdenken und an Kompetenzstreitigkeiten

gescheitert. Dies scheint auch der neue Ministerpräsident erkannt zu haben. So jedenfalls werte ich die vorgesehene Zusammenführung von Kindertagesstätten und Schulen in einem Ministerium. Wir waren Ihnen, Herr Ministerpräsident, ein paar Schritte voraus. Das Beweisstück ist dieser Gesetzentwurf.

Sehr geehrte Damen und Herren! Warum halten wir ein kostenfreies Mittagessen in Kitas und Schulen für erforderlich? Die Zahl der Kinder, die nicht mehr am Schulmittagessen teilnehmen, ist sehr hoch. Mehr als die Hälfte der Grundschülerinnen und Grundschüler nehmen in der Schule oder im Hort keine warme Mahlzeit zu sich. In Mittelschulen und Gymnasien sind es über 80 %. Das ergibt sich aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage von uns zur Kinderarmut in Sachsen.

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Seit dem Inkrafttreten von Hartz IV sind immer mehr Eltern nicht mehr in der Lage, das Essengeld zu bezahlen. Wir haben in Sachsen Schulessenspreise zwischen 1,40 Euro und 2,82 Euro. Zur Erinnerung: Für ein Kind stehen für den ganzen Tag nur 2,56 Euro laut Hartz-IV-Regelsatz für Nahrung und Getränke zur Verfügung.

Viele Schülerinnen und Schüler nehmen in der Schule oder danach keine vollwertige Mahlzeit zu sich, manche gar nichts oder – noch schlimmer – nur Fast Food. Lange Schulwege führen dazu, dass Kinder, die nicht in der Schule oder im Hort essen können, viele Stunden ohne eine ordentliche Mahlzeit auskommen müssen. Dies ist für die Entwicklung der Kinder mehr als ungünstig, um nicht zu sagen verheerend.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir als Fraktion DIE LINKE wollen, dass alle Kinder in Kindertagesstätten und Schulen die Möglichkeit haben, eine gesunde, warme Mittagsmahlzeit zu sich zu nehmen. Natürlich gab und gibt es dabei für uns Prioritäten.

So hatten wir im vorletzten Jahr bereits einen Gesetzentwurf zum kostenlosen Mittagessen für bedürftige Grundschüler in Grundschulen eingebracht. Das hätte ein Anfang und ein Einstieg sein können. Leider wurde es pauschal abgelehnt, übrigens auch von denen, die es jetzt fordern.

In zahlreichen Kommunen sind Gemeinde- und Stadträte inzwischen in gleicher Richtung tätig geworden. Mancherorts gibt es bereits das kostenlose Mittagessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien, so etwa in Auerbach, in Falkenstein, in Rodewisch, in Tannenbergsthal. In vielen anderen Gemeinden wurden inzwischen Prüfaufträge ausgelöst.

Dennoch gibt es Gründe, warum wir diese Woche im Landtag ein Gesetz zur generellen Kostenfreiheit einbringen. Die Diskussionen sind weitergegangen. Im Zuge des Ausbaus der Ganztagsschule könnte das gesunde Schulmittagessen Bestandteil der Schulkonzepte werden. Die Integration einer wirklich gemeinsamen Mahlzeit in den Schulalltag wäre ein nicht zu unterschätzender Bildungsaspekt.

Eine der interessantesten Fragen, die mir in diesem Zusammenhang von Skeptikern gestellt worden sind, war: Möchten denn überhaupt alle Kinder das Schulessen haben oder geht es vielleicht an ihren Bedürfnissen vorbei?

Diese Frage ist keineswegs abwegig. Im Gegenteil, wir nehmen sie sehr ernst.

Natürlich kennen Sie alle aus Ihrer Schulzeit das Phänomen, dass nach der letzten Schulstunde der Spielplatz oder die Freizeit am Nachmittag wesentlich verlockender war als der Duft von Weißkrauteintopf oder Grützwurst aus der Schulküche. Die pragmatische Lösung, die wir damals hin und wieder gewählt haben, dann einfach auf das Schulessen zu verzichten, bleibt jedoch die falsche, zumal bei Muttern am Sonnabend oder bei der Oma am Sonntag ganz selbstverständlich auch diese Speisen mit Genuss gegessen wurden. Der Grund ist neben der Qualität eine andere Esskultur am Familienmittagstisch.

Diese Esskultur gehört auch in die Schule. In Kitas ist sie größtenteils noch selbstverständlich vorhanden: die Kultur des gemeinsamen Essens, der gemeinsame Beginn des Essens nach einem Tischspruch, das Tischgespräch beim Essen und das gemeinsame Aufheben der Tafel ohne Hast.

(Zuruf von der CDU: Tischgebet?!)

Nicht Tischgebet, Tischspruch. Das ist vielleicht bei Ihnen üblich.

(Rita Henke, CDU: Tischgebet wäre besser!)

Besonders positiv wäre, wenn die Kinder des Öfteren auch in die Zubereitung einbezogen würden. Sie könnten so mehr Kenntnisse über gesundes Essen und dessen Zubereitung sowie positive Erfahrungen erlangen.

All das gehört zum gesunden Essen dazu. All das müssen oder sollen Kinder lernen. All das können sie aber nur lernen, wenn das gemeinsame Mittagessen in den Schulalltag integriert ist und zur Schule einfach dazugehört.

Dies setzt wiederum voraus, dass wirklich alle Kinder teilnehmen können. Werden Kinder ausgeschlossen, und zwar egal, aus welchem Grund – ob auf Wunsch der Eltern oder weshalb auch immer –, findet dieses gemeinsame Mittagessen nicht statt. Darum wollen wir für alle Kinder ein kostenloses Mittagessen.

Hinzu kommt ein zweiter Aspekt. Jede Regelung nur für bedürftige Kinder, auch wenn sie noch so unbürokratisch ist, bringt immer verwaltungsorganisatorische Aufgaben mit sich und kann nie das Problem vollständig lösen. Egal, wo man die Einkommensgrenze für den Anspruch ansetzt, es wird immer Kinder geben, deren Eltern knapp darüber liegen. Damit würden sie durch den Rost fallen.

Zwar halten wir die Probleme für nicht so dramatisch wie andere hier im Haus, die vor Jahresfrist bei der Diskussion über unseren Gesetzentwurf diese Probleme groß aufgeblasen haben, aber wir stellen uns der Diskussion.

Hinzu kommt: Die Spruchpraxis deutscher Gerichte bezüglich der Anrechnung von kostenlosem Essen auf die

Hartz-IV-Regelsätze ist höchst unterschiedlich. Wir wollen eine solche Anrechnung natürlich nicht und halten sie für rechtlich nicht zulässig, zumal Hartz IV keinen ausreichenden Verpflegungssatz für Kinder und Jugendliche enthält.

Diese Thematik haben wir hier im Landtag schon mehrfach besprochen. In der Zwischenzeit scheint ja Konsens zu bestehen. Immerhin gibt es einen entsprechenden Bundesratsbeschluss zur Erhöhung des Regelsatzes für das Essen. Nur geändert hat sich in der Praxis bisher leider nichts.