Protocol of the Session on March 9, 2005

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Antrag möchten die Koalitionsfraktionen die Zielgröße von rund 51 Milliarden Euro, die im Zusammenhang mit dem Solidarpakt II bis 2019 aus dem Korb II fließen sollen, gesetzlich verankert wissen. Selbstverständlich ist jedem, zumindest aus den neuen Bundesländern, sehr daran gelegen, dass der Transfer der Solidarpaktmittel zum so genannten Aufbau Ost in voller Höhe erfolgt. Für die 105 Milliarden Euro aus dem Korb I gibt es fest vereinbarte Auszahlungstranchen, doch über die Mittel aus dem zweiten Korb entscheidet die Bundesregierung mit. Mit großem Interesse nehme ich zur Kenntnis, dass just einer diesbezüglichen Zahlungszusage des SPD-Kanzlers – wie jüngst in Weißwasser geschehen – der sozialdemokratische Alterspräsident dieses Hauses mit seiner Unterzeichnung der vorliegenden Drucksache seinem Kanzler das Misstrauen seiner Landtagsfraktion ausspricht. Oder ist dieser parlamentarische Aktionismus als Schaufensterantrag zu werten, der auf das nächste Politbarometer ausgerichtet ist? Ich weiß es nicht und werde es wohl von Ihnen auch nicht erfahren.

Doch lassen Sie mich ungeachtet dessen die Thematik einmal näher betrachten. Hinter der Regelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs stand der Druck des Bundesverfassungsgerichtes, welches das Solidaritätsprinzip auch für die deutsche Finanzverfassung einforderte – was ich ausdrücklich begrüßen möchte. Im Gegenzug wurde auch eingefordert, gewissen Kriterien Genüge zu tun, da Solidarität nur auf gegenseitiger Kooperation beruhen kann.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Solidarpakt zu sehen. Wir mussten erfahren, dass in der Vergangenheit vielfach die Solidarpaktmittel zweckentfremdet eingesetzt wurden – wenn auch zugegebenermaßen nicht in Sachsen. Wenngleich dies auch löblich für den Freistaat

ist, behandeln wir hier dennoch einen Sachverhalt, dessen Tragweite über die Landesgrenzen hinausgeht. Wer Solidarität einfordert, darf sich meines Erachtens auch der Gesamtverantwortung nicht entziehen. Dies ist umso wichtiger unter dem Gesichtspunkt des Zusammenwachsens von Ost und West.

Aus diesen Gründen der Gesamtverantwortung neigt meine Fraktion eher dazu, dem Vorschlag des Sachverständigenrates in dieser Angelegenheit politisches Gehör zu schenken, der empfiehlt, die Zahlungen aus dem zweiten Korb an die korrekte Mittelverwendung aus Korb I zu knüpfen. Schließlich sollen ja die Solidarpaktmittel nicht nur in Sachsen investiv verwendet werden, während sie in den übrigen neuen Bundesländern häufig konsumtiv verbraucht werden.

Generell sehen wir uns aber grundsätzlich hinsichtlich des Umgangs mit den Korb-II-Mitteln mit eigenen Fragen konfrontiert, die vonseiten der Antragsteller unseres Erachtens noch nicht hinreichend geklärt wurden. Bei den Mitteln aus dem Korb II handelt es sich um die Gelder aus den EU-Strukturfonds, der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur – sprich: GA-Förderung – und der Investitionszulage.

Welche gesicherten Aussagen können wir denn gerade angesichts der EU-Osterweiterung über die künftige Entwicklung der EU-Strukturfonds treffen? Schließlich sprechen wir über den Zeitraum bis 2019. Schon jetzt deutete die EU-Kommission an, dass ostdeutsche Regionen künftig nicht mehr im derzeitigen Umfang gefördert werden. Hier stellt sich wieder einmal die Kardinalfrage, welchen Einfluss Deutschland als Hauptmittelzahler überhaupt geltend machen kann. Die Antragsteller überschätzen unter Umständen erneut die verbliebene Restsouveränität EU-Deutschlands. Der eigentliche Handlungsbedarf besteht zuvörderst mit Blick auf die EU-Ebene, um zielführend im Sinne der Antragsteller beim Bund vorstellig zu werden.

Auch der EU-Beihilferahmen für die GA-Förderung wird derzeit neu verhandelt. Wenn die Antragsteller die Ergebnisse bereits kennen, wäre es nett, wenn sie mir in Zukunft den Lottozettel ausfüllen würden. Für die an einen Rechtsanspruch geknüpfte Investitionszulage gibt es bislang keine Verlängerung über das Jahr 2006 hinaus. Können wir ohne eingehende Debatte zum Beispiel in den Fachausschüssen oder anlässlich einer Sachverständigenanhörung heute seriös und verantwortungsvoll beschließen, dem Bund gegebenenfalls eine Zusatzfinanzierung von Mitteln in unbestimmter Höhe abzuverlangen? Oder ist die Staatsregierung in der Lage, die angeführten Unwägbarkeiten in Brüssel aus dem Weg zu räumen, um auszuschließen, dass der Bund unvorhergesehen zuschießen muss? Letzteres wäre mehr als nur begrüßenswert.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden und betone nochmals: Ich negiere nicht die vielfältigen Nachholbedarfe in den neuen Bundesländern. Ich stelle keineswegs infrage, wie wertvoll auch die Mittel aus dem Korb II für den Freistaat Sachsen und den Aufbau Ost insgesamt sind. Ich hoffe sehr, mich auf das Versprechen des Bundeskanzlers auf einen vollständigen Mittelfluss verlassen

zu können, auch wenn dies zugegebenermaßen sehr, sehr schwer fällt.

Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass man sich in der Tat versucht fühlt, dem Antrag zuzustimmen – in dem Wunsch, dem Freistaat die Gelder verbindlich zu sichern und damit hoffentlich auch bezüglich der Folgewirkung alles richtig gemacht zu haben.

Unsere Fraktion hat es sich mit diesem Antrag wirklich nicht leicht gemacht. Uns stehen aber bislang für eine abschließende Entscheidung – ich betone nochmals: zum gegenwärtigen Zeitpunkt – noch zu viele ungeklärte Fragen im Raum, so dass sich meine Fraktion mit dem Ausdruck des Bedauern über einen schlecht vorbereiteten Schnellschuss von CDU und SPD der Stimme enthalten wird.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Für die FDP-Fraktion spricht Herr Abg. Morlok, bitte

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen bietet die Gelegenheit, sich auch mal für die Solidarität zu bedanken, die seitens der alten Bundesländer, der Bundesregierung in den vergangenen Jahren im Rahmen des Aufbaus Ost geleistet wurde und auch in Zukunft noch geleistet werden wird.

(Beifall bei der FDP, des Abg. Jürgen Petzold, CDU, und des Staatsministers Thomas Jurk)

Das muss bei dieser Gelegenheit auch einmal angesprochen werden.

Ein zweiter Punkt ist mir sehr wichtig – das ist in der Diskussion schon angesprochen worden –: dass die entsprechenden Mittel in der Vergangenheit im Freistaat Sachsen richtlinienkonform verwandt wurden. Dafür herzlichen Dank an diejenigen, die in diesem Zusammenhang Verantwortung tragen. Die Tatsache, dass man hier in Sachsen so gehandelt hat, wird dafür sorgen, dass wir uns in Sachsen zukünftig von der Entwicklung in den anderen neuen Bundesländern abkoppeln können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deswegen ist es aber auch sehr wichtig – und ich habe leider seitens der SPD eine Aufweichung der Linie erkennen müssen –, dass wir zukünftig diese Mittel absolut richtlinienkonform für investive Zwecke hier im Freistaat einsetzen, und da darf keine Luft herankommen. Dabei geht es nicht darum, ob wir das aufgrund der Haushaltslage vielleicht noch können. Für uns ist ganz klar: Wir müssen es tun, denn wir müssen die Voraussetzungen für eine bessere Zukunft in Sachsen schaffen. Wir vertrauen auf die Zusagen der Bundesregierung, die in diesem Zusammenhang gemacht wurden, und unterstützen gleichwohl eine gesetzliche Regelung. Wir halten allerdings den heutigen Antrag – auch das ist schon angesprochen worden – für überflüssig,

weil aufseiten der CDU – Herr Petzold, Sie haben es angeführt – am 31.01.2005 das Entsprechende bereits beschlossen wurde und die Verhandlungen ja wohl auch geführt werden. Von daher ist der Antrag eigentlich überflüssig; er schadet nicht, aber ob er etwas nützt, ist noch offen.

Der Antrag heißt „Vertrauen erhalten – Aufbau Ost sichern …“ Wer Solidarität fordert – und das tun wir mit dem heutigen Antrag –, der muss auch bereit sein, seine Hausaufgaben zu erledigen. Wie sieht es denn mit der Hausaufgabenerledigung hier im Freistaat aus? Ich hatte heute Morgen zum Frühstück Gelegenheit, die „Leipziger Volkszeitung“ zu lesen. Darin haben sich verschiedene Wirtschaftsverbände zu diesem Thema geäußert – ich zitiere aus der heutigen Ausgabe. Dort sagt Herr Dirschka, Handwerkskammerpräsident: „Wenn die Regierung so weitermacht, dann können wir hier bald dichtmachen.“ – Er meint die Staatsregierung. – „Von Sachpolitik keine Spur.“ Das Land sei – so Herr Dirschka – seit den Landtagswahlen nicht wieder aus dem Koma erwacht. – Das ist nicht die Auffassung einer böswilligen Oppositionsfraktion, wie Sie vielleicht meinen mögen – das ist die Auffassung des Handwerkskammerpräsidenten in Sachsen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: CDU-Mitglied!)

Dann muss man auch einmal kritisch nachfragen: Was haben Sie als Regierungsfraktionen denn bisher in diesem Landtag zum Thema Wirtschaftspolitik veranstaltet? Sie haben Berichtsanträge eingebracht, wonach die Staatsregierung berichten sollte, wie der Freistaat in irgendwelchen Rankings in irgendwelchen Medien abgeschlossen hat.

Das war Ihr Beitrag zum Thema „Wirtschaftspolitik“. Inhaltlich haben Sie als Regierungsfraktionen noch nichts eingebracht. Man könnte „fast nichts“ sagen, wenn man den Antrag „Tanktourismus“ durchgehen ließe, in dem Sie die Staatsregierung auffordern, durch geeignete Maßnahmen bei der Bundesregierung den Tanktourismus zu beenden, obwohl Sie von der CDU-Fraktion sehr wohl wissen, wie es wirklich geht. Das konnten Sie hier aber nicht beantragen, weil die SPD nicht mitgemacht hätte.

Da kann ich es schon verstehen, dass man im Rahmen der Wirtschaft kritisch ist. Ich kann auch verstehen, dass Herr Topf, IHK-Präsident aus Leipzig, in diesem Zusammenhang gesagt hat – ich zitiere –: „Würde sich die größte Regierungspartei wieder auf wirkliche Probleme konzentrieren, hätte sie keine Zeit mehr für Sandkastenspiele.“

Recht hat er, der Herr Topf! Das sollten Sie endlich zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist richtig: Wir müssen endlich die Hausaufgaben erledigen. Wir brauchen hier in Sachsen einen neuen Aufbruch. Das haben wir als FDP im Landtagswahlkampf deutlich gemacht. Wir haben auch hier im Parlament schon deutlich gemacht, was wir in diesem Zusammenhang für erforderlich erachten. Interessanterweise finden wir in dieser Veröffentlichung der „LVZ“ genau das, was wir Ihnen in diesem Hause bereits vorgeschla

gen haben. Hier heißt es: „Sachsen braucht einen Sonderweg!“

Sonderwirtschaftsregion Sachsen – das ist die Forderung der FDP. Ich kann die Staatsregierung nur aufrufen, diesen Weg endlich zu gehen. Ziele sind dabei geringere Steuern und höhere Flexibilität, zum Beispiel beim Kündigungsschutz. Genau diese Forderungen aus der Wirtschaft haben wir als FDP bereits in die Diskussion im Landtag eingebracht. Ich kann Sie, die Staatsregierung, nur auffordern: Gehen Sie diesen Weg, wie er Ihnen von der Wirtschaft vorgezeichnet wird, mit! Das ist der richtige Weg, um die Zukunftsfähigkeit Sachsens zu sichern und uns von der negativen Entwicklung in anderen Bundesländern abzukoppeln. Und er sichert uns auch zukünftig die Mittel aus dem Solidarpakt; denn wenn man erkennt, dass man vor Ort bestrebt ist, die Hausaufgaben zu erledigen, wird sicherlich auch weiterhin Solidarität geübt.

Vielen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abg. Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich es sehr begrüßen, dass die Koalition in Sachen Aufbau Ost einer Meinung ist. Ich würde mich freuen, wenn diese Gemeinsamkeit zwischen SPD und CDU von Dresden nach Berlin, in den Bundestag ausstrahlen würde und wir wirklich für die nächsten 15 Jahre Verlässlichkeit beim Aufbau Ost, die Sie hiermit beantragen – der Intention schließen wir uns im Kern an –, hinbekämen. Leider ist es mit Ihrem Antrag wie so oft im Leben: Gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut gemacht. Liebe Kollegen der Koalitionsfraktionen, Ihr Antrag geht am Ziel vorbei! Lassen Sie uns zunächst in die Vergangenheit schauen und nach 15 Jahren Aufbau Ost den Blick zurück werfen. Acht Jahre Schwarz-Gelb und bald sieben Jahre RotGrün in Berlin sowie unterschiedliche Regierungen in den Ländern – grundsätzlich gab es in all diesen Jahren über die Höhe der für den Aufbau Ost bereitzustellenden Mittel keinen Streit. Es bestand und besteht ein grundsätzlicher Konsens über die Grenzen der demokratischen Parteien hinweg, die Mittel für den Aufbau Ost in die Haushalte einzustellen. Warum, meine Damen und Herren, sollte sich daran in nächster Zeit etwas ändern? Alle Fraktionen im Deutschen Bundestag und auch der Kanzler haben ein Bekenntnis dazu abgelegt, die Mittel aus dem Solidarpakt II in der vollen Höhe von 156 Milliarden Euro bis zum Jahre 2019 abfließen zu lassen. Wenn CDU und SPD jetzt hier fordern, diese Zusage ihrer Partei- und Fraktionsspitzen durch eine gesetzliche Fixierung absichern zu lassen, könnte man das auch, wie schon erwähnt, als Misstrauen gegen ihre eigenen Kollegen auf der Bundesebene werten.

Zudem mangelt es Ihrem Antrag an haushaltspolitischer Solidität. Sie fordern eine hundertprozentige Absicherung über einen Zeitraum von 15 Haushaltsjahren. Ich möchte unseren Ministerpräsidenten mit seiner langen finanzpolitischen Erfahrung fragen: Wann in Ihrer langen

Karriere als Finanzpolitiker sind Sie eine Verpflichtungsermächtigung über die Dauer von 14 Jahren eingegangen, die in Ihrer Gesamthöhe zirka ein Drittel Ihres Jahresbudgets entspricht? Ich glaube, niemals!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem, meine Damen und Herren, steht Ihr Antrag im Widerspruch zu ihrer eigenen Politik; denn Sicherheit wollen zum Beispiel auch die sächsischen Kommunen. Sie wollen am Liebsten jetzt schon wissen, wie hoch in den nächsten zehn Jahren die Zuweisungen im Finanzausgleichsgesetz bemessen sind. Als verantwortlicher Haushaltspolitiker weisen Sie solche Zugriffe auf weit entfernte Haushalte stets mit der – richtigen! – Begründung zurück, dass über einen so langen Horizont keine Planungssicherheit gegeben werden könne. Was Sie den Städten, Gemeinden und Kreisen in Sachsen verweigern – gesetzlich zugesicherte Zusagen über Finanztransfers in einer Dekade –, können Sie jetzt nicht vom Bund fordern. Das ist nicht seriös.

Da wir Ihre gute Absicht sehen und in der Sache, der weiteren Sicherung des Aufbaus Ost, mit Ihnen einig sind, wird sich unsere Fraktion bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die erste Runde der Fraktionen.

Ich frage die Staatsregierung. – Einen kleinen Moment, Herr Dr. Metz! Herr Abg. Lämmel möchte vorher noch einmal für die CDU-Fraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Solidarpakt II“ ist ein sehr technischer Begriff, aber auch ein starkes Wort; denn Solidarität zu üben heißt, ein Gefühl der inneren Verbundenheit, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu besitzen. Wenn dieses Gefühl noch mit einem Pakt besiegelt wird, müssten die beiden Seiten, die den Pakt abschließen, eigentlich mit zufriedenen Gesichtern nach Hause gehen können. Meine Damen und Herren! Das erkämpfte Solidaritätsgefühl nach der deutschen Einheit hat auch das Zusammengehörigkeitsgefühl sofort wieder aufkommen lassen. Darum sind die Aufbauleistungen, die wir bis jetzt geschafft haben, überhaupt nur möglich gewesen.

Wenn man aber die Presse und die öffentliche Meinung im vergangenen halben Jahr verfolgt, dann scheint die Solidarität, das Zusammengehörigkeitsgefühl etwas zu erlahmen. Schlagzeilen wie „Jammertal Ostdeutschland“ oder „Milliardengrab Aufbau Ost“ sind nicht gerade dazu angetan, die Debatte über den Aufbau Ost zu versachlichen und vor allem – das ist eigentlich das Wichtige – zwischen den Entwicklungen in den einzelnen neuen Bundesländern zu differenzieren. In entsprechenden Artikeln und Kommentaren wird suggeriert, die Mittel aus dem Solidarpakt I und dem Solidarpakt II seien Geschenke des reichen Westens an den armen Osten. Das ist aber nicht so! Dazu möchte ich Ihnen einige Fakten nennen:

Vor kurzem ist im Vorabdruck in einer großen deutschen Tageszeitung das Buch „Supergau Deutsche Einheit“ erschienen. Das erste Kapitel beschreibt die Vermögensumverteilung nach dem Zweiten Weltkrieg, die Vermögensumverteilung von Ost nach West. Die Unterzeile des Kapitels heißt: „Wie die Ostdeutschen die Grundlagen für den Wohlstand im Westen legten“. Das muss man festhalten; denn die jetzt vereinbarten Solidarpaktmittel sind zur Überwindung der teilungsbedingten Nachteile Ost ausgezahlt worden. Zweitens zahlen die Bürger und die Firmen in Ostdeutschland den Solidarbeitrag auf Lohn-, Einkommenund Körperschaftsteuer genauso wie die Bürger und die Firmen in den alten Bundesländern. Damit tragen die Bürger und die Unternehmen in Ostdeutschland genauso zur Finanzierung des Aufbaus Ost bei wie die Bürger im Westen.

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Drittens. Die SAB veröffentlichte gestern ihre Bilanz. In 15 Jahren hat sie sieben Milliarden Euro für die Wirtschaftsförderung ausgegeben. Gucken wir einmal, wie viel in diesen 15 Jahren allein für die Subventionierung eines Industriezweigs in den alten Ländern, der Steinkohle, ausgegeben wurde. Sieben Milliarden in 15 Jahren – das ist gerade einmal das Anderthalbfache des Jahresbetrages an Subventionen für die Steinkohle. Schon hier kann man die völlige Ungleichgewichtung der Betrachtungsweisen nachweisen. Viertens. Die vielen Milliarden Euro für den Aufbau Ost waren letztlich – da muss man doch ehrlich sein – ein großes Konjunkturprogramm West. Viele der Mittel, die hier ausgegeben worden sind, landeten in den Kassen westdeutscher Unternehmen und haben dort Arbeitsplätze gesichert. Sie haben dort Gewinne regeneriert und auch noch zu Steuereinnahmen geführt. Fünftens. 15 Jahre Aufbau Ost – und schon wird von einem Fass ohne Boden philosophiert. Meine Damen und Herren! Sehen wir uns doch innerhalb der Europäischen Union um, wo dort die wirklichen Fässer ohne Boden sind. Ich habe mir einmal die letzte Statistik über das Bruttoinlandsprodukt in den einzelnen Regionen Europas angesehen. Da fällt Folgendes auf; nur ein Beispiel dafür: In Italien sind 15 Regionen des Landes mit insgesamt 17 Millionen Einwohnern – das ist die Größe Ostdeutschlands insgesamt – seit 1951 Entwicklungsregionen. Seit 1975 gibt es die Ziel-1-Gebiete, gibt es den Europäischen Fond für Regionalentwicklung. Seit 1971 sind diese Gebiete in Italien Ziel-1-Gebiete.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Wir sind es geblieben!)