(Caren Lay, Linksfraktion: Was wollen Sie denn eigentlich? – Jürgen Gansel, NPD: Informationen über den Verbleib der feinen Herrschaften! – Weitere Zurufe)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich hoffe, es geht Ihnen jetzt besser, Herr Gansel, nachdem Sie die Schimpfkanonade losgelassen haben. Dass Sie über hellseherische Fähigkeiten verfügen, ist mir nun völlig neu.
Nun zum Thema. Meine Damen und Herren, Illegalität ist ein zentrales Problem im weltweiten Geschehen der Gegenwart. Menschen ohne Aufenthaltsrecht und -duldung stellen eine Realität vor allem in den Großstädten dar. Es bedeutet in erster Linie Rechtlosigkeit auf allen Gebieten des täglichen Lebens. Illegale leben immer in der Angst, entdeckt zu werden; aber sie ziehen ein Leben in der Illegalität den oft dauerhaft bedrohten Lebensverhältnissen in der Legalität in ihren Heimatländern immer noch vor. Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, um ein Bleibe- bzw. Aufenthaltsrecht zu erhalten, aber keinen gültigen Pass oder ähnliche Nachweise vorlegen kann, hat es schwer, dies auch zu erhalten.
Aus der Perspektive der öffentlichen Sicherheit und Ordnung steht fest: Illegalität ist strafbar; denn wer sich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhält
(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und des Staatsministers Geert Mackenroth)
und keine Duldung besitzt, macht sich strafbar und hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung. Diese Sichtweise wird in der öffentlichen Meinung in den Mittelpunkt gestellt. Aber Illegalität ist vielschichtiger. Viele Menschen kommen aus Ländern, in denen Krieg oder Bürgerkrieg herrscht, die politische Betätigung eingeschränkt wird und die Grundrechte nicht in der Form gewährt werden, wie wir das in Deutschland kennen. Wieder andere suchen, persönlich oder wirtschaftlich, ihre Lebenssituation zu verbessern. So können Maßnahmen zur Verringerung von Illegalität nur eine begrenzte Wirkung entfalten. Menschen in Not werden immer versuchen, auch noch so hohe Hürden zu überwinden. Menschen in der Illegalität, Menschen ohne Papiere werden eine dauernde Herausforderung bleiben.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bedient die einseitige Sicht, schürt Ängste, konstruiert Feindbilder und bedient Vorurteile. Das sind die Beiträge der NPD-Fraktion zum Thema Ausländer und Asyl, und das ist nicht überraschend.
Meine Damen und Herren! Es gibt nicht 23 000 untergetauchte Asylbewerber in Sachsen. Sachverhaltsentstellungen, wie sie die NPD-Fraktion hier betreibt, sind völlig fehl am Platze. Seit 1990 sind über 110 000 Asylbewerber nach Sachsen gekommen. Von diesen sind 23 000 Personen, also alle diejenigen, die in den vergangenen 18 Jahren eine Ablehnung ihres Asylantrages erhielten, unbekannten Aufenthalts. Unbekannter Aufenthalt heißt nicht zwingend untergetaucht, heißt auch nicht zwingend illegal und heißt auch nicht zwingend kriminell. Bekannt ist der Aufenthalt von nahezu vier Fünfteln der 110 000 in Sachsen jemals registrierten Asylbewerber.
Mehrfacherfassungen waren in der Vergangenheit möglich, da ein Vergleich der Fingerabdrücke nicht durchgeführt werden konnte. Menschen sind in andere europäische Länder weitergereist, in denen sie sich einen Flüchtlingsstatus erhofften oder aber erhalten haben, so wie irakische Flüchtlinge in Schweden. Andere wiederum sind freiwillig ausgereist, ohne dass die Ausreise registriert oder erfasst wurde; denn so, wie Asylsuchende mit der Hoffnung nach Deutschland kamen, bleiben zu können, so haben sie es auch in anderen europäischen Staaten getan wegen der unterschiedlichen Handhabung in der Vergangenheit. Jetzt ist durch Brüssel geplant, eine einheitliche Entscheidungspraxis herzustellen. Ohne diese Weiterwanderung, die in der Vergangenheit festgestellt werden konnte, können solche Regelungen auch nicht entstehen.
Meine Damen und Herren! Wieder andere werden möglicherweise auch den Weg in die Illegalität angetreten haben, aber verlässliche Zahlen kann es hier naturgemäß nicht geben. Panikmache ist aber völlig fehl am Platz!
In den vergangenen Jahren kamen knapp 1 000 Personen nach Sachsen, um hier nach Asyl zu suchen. Das sind 0,02 % der sächsischen Bevölkerung. Das konterkariert das bewusst falsch gezeichnete Bild der NPD, dass „Asylbetrüger“ massenhaft in unser Land kämen. Umso wichtiger ist es, sachlich zu informieren. Genauso unerlässlich ist es, immer wieder deutlich zu machen, dass das Grundrecht auf Asyl zum Kernbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zählt.
Das zeigt nicht zuletzt die historische Erfahrung politischer Verfolgung zu Zeiten des Nationalsozialismus und der kommunistischen Diktatur.
Meine Damen und Herren! Deshalb ist Sorgsamkeit geboten, ist Information notwendig, um der populistischen Panikmache der NPD zu begegnen. Dieser Antrag kann nur abgelehnt werden.
(Lebhafter Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)
Gibt es weiteren Redebedarf? – Bei der Staatsregierung nicht. Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Entschuldigung, das Schlusswort. – Es wird kein Schlusswort mehr gewünscht.
Der Änderungsantrag wurde schon eingebracht. Deshalb lasse ich jetzt über den Änderungsantrag der NPDFraktion abstimmen. Wer diesem die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Wenige Stimmen dafür. Der Änderungsantrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe den Ursprungsantrag der NPD-Fraktion in der Drucksache 4/11416 auf. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, wenige Stimmen dafür. Damit wurde auch dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Damit haben wir die Tagesordnung abgearbeitet. Die nächste Sitzung wird am Mittwoch, dem 18. Juni 2008, 10:00 Uhr, stattfinden.