Protocol of the Session on May 30, 2008

Allerdings gehört nach meinem Verständnis zu einem verantwortungsbewussten parlamentarischen Handeln sich die Frage zu stellen, ob es wirklich sinnvoll ist, die Naturschutzverwaltungen nicht nur im Ministerium, sondern auch über die Regierungspräsidien bis hin zu den Landkreisen damit zu beschäftigen, diesen überbordenden Wissensdurst zu stillen. Etwas Augenmaß bei der Fragestellung würde den Naturschutzverwaltungen mehr Arbeitszeit lassen, um den Rückgang der biologischen Vielfalt mit konkreten Maßnahmen bekämpfen zu können.

(Beifall der Abg. Uta Windisch, CDU)

Kommen wir, der Jahreszeit entsprechend, noch einmal zum Thema Kuckuck. In der Kleinen Anfrage wird gefragt, welche Artenschutzmaßnahmen durchgeführt und welche Einflüsse von der Landwirtschaft ausgeübt werden, um den Bestand des Kuckucks zu stabilisieren. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel wird der Kuckuck immer wieder als Beispiel für besonders gefährdete Arten genannt. Auf Änderungen im Zugverhalten der Wirtsvögel und der Entwicklung der Nahrungsinsekten kann der Kuckuck als Langstreckenzieher, der erst spät aus seinem Winterquartier zurückkommt, kaum reagieren. Ich will der Beantwortung Ihrer Anfrage durch unsere Fachleute nicht weiter vorgreifen.

Machen wir uns nichts vor: Man weiß einfach noch zu wenig von den ökologischen Zusammenhängen in der Natur. Wir kennen nicht die genaue Artenzahl, nicht einmal in Sachsen, geschweige denn in der Welt. Damit will ich nicht den Rückgang der biologischen Vielfalt kleinreden – ganz im Gegenteil: Unsere Roten Listen sprechen eine deutliche Sprache. Wir müssen Lebensräume erhalten und entwickeln. Wir müssen gezielte Hilfsmaßnahmen bei hoch gefährdeten Arten vornehmen, aber die notwendigen Ziele müssen wir vor Ort – zur Not im Einzelfall – festlegen. Genau dies ist die Intention der Managementplanung und der anderen Instrumente, mit denen wir ein wirksames Netz „Natura 2000“ aufbauen. Davon profitiert unter anderem auch der Kuckuck. Allein mit abstrakten Absichtsbekundungen kommen wir nicht weiter.

Meine Damen und Herren der Bündnisgrünen! Im Kern Ihres Antrages fordern Sie eine Landesstrategie nach dem Vorbild der nationalen Strategie, den Beitritt zum „Countdown 2010“ und einen Bericht zum Umsetzungsstand des Netzes „Natura 2000“, der unter anderem den Erarbeitungsstand der Managementplanung enthält. Erlauben Sie, dass ich Zeit und Papier spare und Ihnen den Stand der Managementplanung gleich jetzt mitteile: Mit Stand Mai 2000 sind nunmehr 125 Pläne abgeschlossen. Wir in Sachsen sind weiter als alle anderen Bundesländer. Die nationale Strategie ist voll von Zielen, die in Maß und Zahl angegeben werden. Leider handelt es sich dabei oft um Sachverhalte, zu denen ganz einfach die Datengrundlage fehlt. Das Ziel, das Artensterben bis 2010 zu stoppen, ist nur eines davon. Bei dieser Art und Weise der Zielausformung geht mir die Strategie zu weit. Ich werde nicht versprechen, was niemand versprechen kann.

Im Übrigen frage ich mich, was nach 2010 geschieht. Ich habe die Sorge, dass hier eine gut gemeinte Absicht, nämlich Menschen zum Mitmachen zu bewegen, ins Gegenteil verkehrt wird. Unsere Kritik ändert nichts daran, dass wir die Ziele der nationalen Strategie grundsätzlich mittragen und an ihrer Umsetzung mitwirken werden.

Wir haben bereits Erhebliches geleistet und in den vergangenen Jahren 2002 bis 2007 insgesamt 141 Millionen Euro, EU- und Landesmittel, für den Naturschutz

ausgegeben. Aber wir dürfen nicht nachlassen. Wir werden auch zukünftig alles daransetzen, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten.

Herr Abg. Günther, ich komme Ihrem Vorschlag gern nach. Das haben wir bereits getan; Herr Kollege Clemen hat es dankenswerterweise ausgeführt: Wir haben auch Erfolge zu vermelden. Die Dynamik geht nicht nur in eine Richtung.

Durch die Verbesserung der Gewässergüte in zahlreichen sächsischen Fließgewässern haben sich gefährdete Arten vermehrt oder wieder eingefunden, wie die Wasseramsel oder die Grüne Keiljungfer. Und über die gezielte Wiedereinsetzung des Lachses im Elbesystem haben Sie ja bereits von Herrn Clemen einiges gehört.

Darüber hinaus ist der Wanderfalke heimisch geworden. Er brütet wieder regelmäßig in der Sächsischen Schweiz.

(Beifall des Abg. Helmut Gregert, CDU)

Er hat auch von gezielten Ansiedlungen und von unseren Artenschutzprojekten profitiert, meine Damen und Herren. Durch einen Zwischenruf meines Fraktionsvorsitzenden, Herrn Hähle, haben Sie auch erfahren, dass die Wölfe wieder heimisch geworden sind. Es gibt durchaus Positives zu vermelden. Dass die GRÜNEN das nicht positiv sehen, ist mir auch klar.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen jetzt nicht noch weitere Papiere in dem Umfang, wie sie die GRÜNEN fordern, sondern es ist Zeit zu handeln. Ganz aktuell sehe ich eine der wichtigsten Herausforderungen darin, dass die Naturschutzförderung nach der Richtlinie Natürliches Erbe für alle Förderkomplexe auch entsprechend in Gang kommt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aha!)

Ich verhehle nicht und habe das auch hier im Hohen Hause nicht getan, dass es beim Übergang zur neuen Förderperiode zu Schwierigkeiten gekommen ist.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Deshalb arbeiten wir mit Hochdruck an einer Lösung, um Biotoppflegemaßnahmen außerhalb der Agrarumweltmaßnahmen über eine Vergabe dieser Leistungen im laufenden Jahr zu ermöglichen. Ich gehe davon aus, dass die Leistungen im Juli ausgeschrieben und die Pflegemaßnahmen dann im September/Oktober realisiert werden können. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE fordert, dass die Förderanträge sofort ins Netz kommen sollen, was wir in einem sogenannten vereinfachten Verfahren zu bewilligen haben.

Meine Damen und Herren! Das ist ein klarer Verstoß gegen EU-Verfahren. Ein solcher Verstoß nützt weder Sachsen noch unserem gemeinsamen Anliegen, Biotoppflegemaßnahmen voranzubringen. Deswegen muss er abgelehnt werden.

Unsere Maßnahmen zum Erhalt der biologischen Vielfalt in den nächsten Jahren sind komplex in den Bereichen Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei

wirtschaft angelegt. In diesem Sinne erarbeiten wir derzeit unser Programm zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Freistaat Sachsen.

Ich gehe davon aus, dass wir dieses Programm Anfang kommenden Jahres vorlegen können. Das Programm wird zeigen, wie wir die nationale Strategie umsetzen werden. Wir befinden uns damit in Übereinstimmung mit dem Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion. Unser Weg ist klar. Im Mittelpunkt unseres Handelns steht das ökologische Netz „Natura 2000“.

Herr Staatsminister Wöller, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Elke Altmann, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Nein, jetzt nicht während der Ausführungen. Wir haben dann Gelegenheit, noch zu diskutieren.

Im Mittelpunkt unseres Handelns steht das ökologische Netz „Natura 2000“, das wir in einem funktionstüchtigen Zustand erhalten und optimieren wollen. Wir werden erstens die Sicherung der Natura-2000-Gebiete durch geeignete Instrumente vorantreiben; zweitens Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung von Lebensräumen und Populationen finanziell fördern; drittens die kooperative Managementplanung fortsetzen; viertens die Information und Beratung von Besuchern und Nutzern in den Gebieten vorantreiben sowie fünftens unser Monitoringsystem für Arten und Lebensraumtypen ausbauen.

Wir haben einen ersten Bericht über den Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen erstellt, der demnächst veröffentlicht wird.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aha!)

Unter dem Strich lässt sich sagen, dass die Zustände besser sind als erwartet, jedoch noch viel Arbeit vor uns liegt.

Im nächsten Bericht für den Zeitraum 2007 bis 2012, der dann auf den Daten unseres Monitoringnetzes basiert, werden wir sehen, wie erfolgreich unsere Bemühungen waren.

Flankierend zum europäischen Netz „Natura 2000“ werden wir das Ökokonto einführen und anwenden, ein Pilotprojekt zum Biotopverbund beginnen, weitere Projekte und Programme durchführen und damit landesweit bedeutsame Arten und Lebensräume erhalten und fördern.

Im Übrigen kennt weder die Natur noch die biologische Vielfalt Grenzen. Deswegen liegt mir sehr viel an der internationalen Zusammenarbeit. Wir haben in unserem Europabüro in Brüssel mit einer Konferenz zum europäischen Netzwerk für Biodiversität gemeinsam mit den polnischen und mit den tschechischen Partnern deutlich gemacht, wie wir damit in Zukunft umgehen wollen. Ich bedanke mich ausdrücklich für diese konstruktive Zu

sammenarbeit mit unseren beiden Nachbarländern Polen und Tschechien.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Es ist genug geredet worden. Lassen Sie uns die Zeit nutzen, um zu handeln. Biologische Vielfalt erhalten heißt Lebensgrundlagen sichern. „Es geht um die Kinder.“ Mit diesem Motto von Kästners „Konferenz der Tiere“ möchte ich schließen und Sie ersuchen, für den Antrag von CDU und SPD, das heißt für eine aktive Sicherung der biologischen Vielfalt, zu stimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Danke schön, Herr Minister. Gibt es daraufhin noch einmal den Bedarf nach einer allgemeinen Aussprache? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zu den Schlussworten. Es beginnt die CDU mit Prof. Mannsfeld.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Obwohl der Minister gerade aufgerufen hat, es sei doch eigentlich genug geredet worden, ist am Ende einer solchen Debatte sicherlich noch einmal ein kleines zusammenfassendes Wort notwendig; obwohl es eindeutig ist, dass hier Taten und Handlungen erforderlich sind.

Meine Damen und Herren! Der Ausweg aus der durchaus prekären Situation – das haben die Redebeiträge deutlich gemacht – kann keine aktionistische Herangehensweise sein. Der einzig Erfolg versprechende Weg ist es, noch besser zu verstehen, die Nutzungsprozesse mit den Erfordernissen der Artenerhaltung zu verzahnen, statt weitgehend wirkungslose Programme zu fordern.

Gut, man könnte sich in mancher Gegend und für die eine oder andere Tierart zum Beispiel Schongebiete vorstellen, damit sich Bestände erholen können. Aber das Ministerium kann nicht, wie gefordert, nun für Hunderte von Tier- und Pflanzenarten Erhaltungskonzepte entwerfen oder gar umsetzen.

Die Benennung der besonders ungünstigen Verhältnisse im Offenland, die ja nicht zu leugnen sind, veranlasst mich aber doch zu einer Feststellung, die sehr wichtig ist. Meine Damen und Herren, eine solche Aussage richtet sich nicht gegen die Landbewirtschafter, deren schwierige Situation man auch respektieren muss. Hier muss die Politik, zumal die europäische Agrarpolitik, Rahmenbedingungen schaffen, die den Bauern hinreichende Chancen zum Schutz der biologischen Vielfalt geben. Die Bemessung von Subventionen an der Fläche ist diesbezüglich die nachteiligste Form, um Arten zu erhalten. Lebens- und Rückzugsräume gehen immer mehr verloren, wenn die letzten Ackerrandstreifen, Hecken und kleinsten Splitterflächen intensiv genutzt werden.

Die in der Förderrichtlinie Natürliches Erbe aufgenommene Förderkategorie der naturschutzfachlichen Beratung der Landwirte halte ich für einen wichtigen und weitrei

chenden Ansatz zu diesen eben genannten besseren Chancen. Denn wir sollten bei all diesem durchaus kritischen Gesamtbild nicht vergessen, wie viele Projekte zum Arten- und Biotopschutz es gab und gibt.

Mein Kollege Clemen hat das zwar an einzelnen ausgewählten Beispielen – und der Minister hat sie ergänzt – schon gezeigt, aber an dieser Stelle, meine Damen und Herren, ist es mir regelrecht ein Bedürfnis, denen zu danken, die zu der positiven Entwicklung in Sachsen unter schwierigen Umständen die wirkungsvollsten Beiträge geleistet haben. Das ist für mich der ehrenamtliche Naturschutz in diesem Land und das sollten wir im Rahmen dieser Debatte würdigen und anerkennen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich denke, dass für die Gesamtbetrachtung – das ist vielleicht für viele Abgeordnete auch ein Anlass, sich an die Lektüre zu machen – die Erklärung der 16 deutschen Umweltminister vom 7. Mai zu nennen ist. Die „Mainzer Erklärung“ beinhaltet eigentlich den Handlungsrahmen, von dem Minister Wöller, quasi heruntergebrochen auf Sachsen, gesprochen hat.

Ich will zum Abschluss sagen, dass ich drei Schwerpunkte für besonders relevant halte: Das ist die Entwicklung und Sicherstellung des Biotopverbundsystems, es ist die abstrichlose Umsetzung von Managementplänen in den Natura-2000-Gebieten und es sind die Bemühungen – zumindest die intensiven Bemühungen darum! – um die Erhaltung unzerschnittener Lebensräume.

Meine Damen und Herren, das Ganze kostet natürlich Geld. Wir kennen die Summen, die aus Landesmitteln und aus europäischen Mitteln eingestellt werden. Aber ich denke, das Parlament wird sich auch angesichts seiner bevorstehenden Haushaltsdebatte an die heutigen Erörterungen erinnern können, wenn es Entscheidungen zu treffen hat.

Die Situation bei der Erhaltung des Naturkapitals als Teil, und zwar unersetzlichen Teil, unserer Kulturlandschaft ist von uns in vielen Beiträgen heute durchaus auch kritisch eingeschätzt worden. Aber die Nutzung und die Umsetzung der vorhandenen und der neuen Instrumente können doch wohl – die Hoffnung und die Zuversicht haben wir – stabilisierend bei der Arterhaltung wirken.

Obwohl beide Anträge, wenn Sie sie nebeneinander legen, scheinbar das gleiche Ziel haben, halte ich den Antrag der Koalitionsfraktionen als einzigen für politisch umsetzbar – und daran sollten wir unsere Entscheidungen messen –, sodass ich Sie um Zustimmung zur Drucksache 4/11671 bitte.

(Beifall bei der CDU und der SPD)