Protocol of the Session on May 30, 2008

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das haben wir gerade von Ihrem Vorredner gehört!)

An Zynismus wird diese Haltung aber noch von der PDS übertroffen. Dort wird Armut regelrecht zelebriert, wie wir es gerade wieder gehört haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz – Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Man spielt sich gern als Retter der Witwen und Waisen auf. Die Armut dient hier dazu, populistische Forderungen zu stellen und damit den Eindruck zu erwecken, dass man sich um die Armen kümmert. Dabei existiert keine einzige realistische Antwort darauf, wie Armut wirklich bekämpft werden kann.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Unzweifelhaft gibt es Armut in diesem Land. Dabei ist es für mich zweitrangig, ob wir die Armut bis zur dritten Kommastelle quantifizieren. Armut in all ihren Ausprägungen ist ein Grundübel, das es vielschichtig zu bekämpfen gilt.

(Caren Lay, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Diesen Kampf haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns seit über 145 Jahren auf die Fahnen geschrieben.

(Widerspruch bei der Linksfraktion)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nun kommt es darauf an, die richtigen Antworten in unserer Zeit zu finden.

Herr Dulig, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Unsere Antworten werde ich im zweiten Teil meiner Rede umreißen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berichterstattung über den Dritten Armuts- und Reichtumsbericht war binnen weniger Tage umfangreicher als der Bericht selbst. Die Empörung war groß, zum einen über den sozialen Zustand im Land, zum anderen darüber, dass der Bericht mit selektiver Datenverwendung sozialdemokratisch geschönt wurde; denn es scheint so, dass Bundesarbeitsminister Olaf Scholz offensichtlich nur jene Daten für die Kernaussagen seines Berichts heranzog, an die er glauben wollte – ganz nach der Weisheit Winston Churchills, keiner Statistik zu glauben, die man nicht selbst gefälscht habe.

So wurde dieser Armutsbericht in zweierlei Hinsicht zu einem Armutszeugnis. Seit Jahren findet ein sozialer

Niedergang statt, doch die verantwortliche Politik weigert sich, den wahren Zustand darüber offenzulegen. Sie belegt damit, dass es ihr am ernst zu nehmenden Willen fehlt, die soziale Frage in Deutschland überhaupt lösen zu wollen. Eine Politik der Wahrheit und Klarheit sieht anders aus. Schon der Umstand, dass Olaf Scholz sich noch vor der offiziellen Vorstellung seiner Eckdaten über die „Bild-Zeitung“ zum Armutsbericht äußert, zeigt, dass es nicht darum geht, eine offene gesellschaftliche Diskussion über den Armutszustand zu führen, sondern vielmehr eine Deutungshoheit über die Zahlen zu gewinnen. Die bittere Realität ließ es aber dennoch nicht zu, im Armutsbericht die sozialen Verwerfungen in Deutschland zu verheimlichen, auch wenn die Regierung mit Nebelkerzen in der Informationspolitik das wahre Ausmaß der sozialen Schieflage zu verschleiern versucht.

Ungeachtet der Tatsache, dass allein schon die Definition von Armut diskutiert werden müsste, ist es in höchstem Maße bemerkenswert, dass es bei der Zahl derer, die in Deutschland leben, eine Abweichung von über fünf Prozentpunkten zwischen der Angabe des SPD-Ministers und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gibt. Die Bundesregierung bediente sich der ihr genehmeren EU-Statistik und nicht mehr, wie bei den vorhergehenden Armutsberichten, der SOEP-Statistik, wenngleich in Fachkreisen bekannt ist, dass das EU-Verfahren nicht unumstritten ist. Aber was ist das letztendlich für eine groteske Zahlenspielerei, nur um die Statistik zu schönen und sich auf die Schulter zu klopfen!

Wichtiger als eine europäische Vergleichbarkeit nach fragwürdiger Methodik ist doch wohl eine vernünftige Lageanalyse auf der Basis der Vergleichbarkeit mit vorangegangenen Armutsberichten und daraus resultierenden Schlussfolgerungen. Doch gerade diese Vergleichbarkeit scheut die SPD offensichtlich, da hierdurch der Fluch der Agenda 2010 ungeschminkt sichtbar würde. Sogar unter dem Blickwinkel der regierungsamtlichen Schönfärberei bekommen wir bestätigt, worauf frühere Untersuchungen bereits aufmerksam machten, nämlich dass die soziale Schere zunehmend auseinanderklafft. Ob nun 13 % oder – schlimmer noch – nach DIW-Angaben 18,3 % unter der Armutsgrenze leben, beide Untersuchungen bestätigen einen negativen Trend. Es gibt nach beiden Untersuchungen zunehmend mehr Arme, und dies, obwohl aufgrund der Erweiterungspolitik der EU der zur statistischen Armutsfeststellung herangezogene Einkommensmittelwert sank. Wenn man dann noch hinzunimmt, dass im Gegensatz zur Entwicklung in den unteren Einkommensgruppen nur das oberste Einkommensfünftel Verbesserungen der Einkommenssituation aufweist, so dokumentiert das unzweifelhaft eine gesellschaftliche Entsolidarisierung.

Genau diese Entwicklung belegt das ordnungspolitische Versagen der Etablierten, deren Rahmenbedingungen erst das im Bericht ebenfalls beklagte Wuchern der Niedriglohnsektoren zuließen, die maßgebliche Ursache für das Armutsproblem sind. Immerhin muss sich inzwischen etwa jeder dritte Beschäftigte im Niedriglohnsektor

herumschlagen. Es ist auch bezeichnend, diese Entwicklung unter Beteiligung einer angeblich sozialdemokratischen Regierungspartei hinnehmen zu müssen; denn eines steht fest: Nach unserem Politikverständnis ist der Missstand, trotz Vollerwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft bestreiten zu können, unvereinbar mit der Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit.

(Beifall bei der NPD)

Dieses Übel „arm trotz Arbeit“ muss als traurige Realität im Armutsbericht eingestanden werden. Eines sollte dabei nicht in Vergessenheit geraten: Beschäftigung im Niedriglohnbereich ist nicht geeignet, einen Beitrag zum Erhalt unserer Sozialsysteme zu leisten. Das scheint von neoliberaler Seite gern übersehen zu werden. Das Sinken der Bruttolöhne – laut Armutsbericht zwischen 2002 und 2005 bei 4,7 % – darf nicht losgelöst von der Aufrechterhaltung unserer Sicherungssysteme betrachtet werden.

Zum Abschluss möchte ich noch auf einen Aspekt eingehen, der mich bei der Lektüre des Armutsberichts in der Wahrnehmung und vor allem bei der Bewertung der etablierten Politik erneut bestätigte. Während der gesamte Bericht den Problemkreis der Inflation gänzlich ausklammert, wird die Sorge um Integrations- und Migrationshintergründler geradezu inflationär bedient. Das zeigt einmal mehr als deutlich, wo das Establishment seine Prioritäten setzt und dass nationale Solidarität seitens der Globalisten und Multikulturalisten eben nicht zu erwarten ist.

Meine Damen und Herren! Wir von der NPD fordern eine Politik, die näher am Volk ist, und zwar am eigenen Volk. Sozial geht eben nur national.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Linksfraktion ist die Welt relativ einfach. Da gibt es schwarz und weiß und reich und arm und nichts dazwischen. Man muss eigentlich nur die Reichen ein bisschen auspressen und schon ist die Armut beseitigt.

Das beschreibt weder die Realität noch die unterschiedlichen Ursachen von Armut, meine Damen und Herren. Ich finde es auch bedauerlich, dass wir über eine Datenbasis von 2005 reden.

Und, Herr Hahn, Sie haben unrecht. Das Wirtschaftswachstum hat damals 0,9 % betragen. In den Jahren zuvor war es nicht besser. Wenn die Wirtschaftsentwicklung stagniert oder eine Rezession ist, dann trifft es zuerst die Ärmeren und Geringverdiener, nicht die Gutverdiener. Deshalb brauchen wir den Aufschwung, um Armut zu bekämpfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Es gibt verschiedene Ursachen von Armut. Das kann zeitweise als Student mal so sein. Wenn ich mir die heutige Armutsdefinition ansehe, war ich als Student arm. Ich wusste aber, das ist eine Zeit, in der man sich durchbeißen muss, weil man danach durch eine höhere Bildung auch ein höheres Einkommen erzielt.

Armut trifft natürlich auch alleinerziehende Mütter. Es kann Rentner treffen, Geringverdiener. Klar ist: Der Staat wird nie alle Risiken beseitigen können. Er ist dort in der Pflicht, wo sich Leute aus eigener Kraft nicht helfen können, wo sie von Schicksalsschlägen getroffen sind. Dort muss die Solidarität des Staates greifen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Aber unsere Vorstellung ist es auch nicht, auf Dauer Leute nur in den Sozialleistungen zu lassen. Wir wollen ihnen eine Chance geben, aus dem Armutsbereich auszubrechen, und wir wollen ihnen eine Chance zum Aufstieg geben.

Es gibt in diesem Land einen Grundkonsens – und ich glaube, der hält bis heute in Deutschland –, dass die Stärkeren den Bedürftigen helfen. Wichtig ist auch: Solidarität darf man nicht überstrapazieren.

Wenn ich mir anschaue, was die Linken auf dem jüngsten Bundesparteitag fordern: mal schnell 100 Milliarden Euro mehr.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Was?!)

Herr Lafontaine wollte oder will 100 Milliarden Euro mehr.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Schulden machen, umverteilen. Ich meine, ich weiß es nicht, vielleicht hat Herr Lafontaine in seiner luxuriösen Villa im Saarland eine Gelddruckmaschine im Keller. Da kann man natürlich all das Freibier für alle finanzieren.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Aber mit der Realität hat das sehr wenig zu tun.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben einen Bundeshaushalt. Ich glaube, fast jeder zweite Euro wird für Sozialleistungen ausgegeben. Es gibt wenige Länder weltweit, die einen höheren Anteil für ihr Sozialbudget haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Trotzdem kommt das Geld oft nicht bei den Bedürftigen an. Wir müssen uns auch fragen, ob die Zielgenauigkeit der Sozialpolitik in diesem Land überhaupt noch stimmt.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wer wie Sie bei den Sozialleistungen einfach nur draufsatteln will, der vergisst eines: Irgendwer muss das Geld nämlich erarbeiten oder man kann ganz bequem die