Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unterschiedlichen Definitionen für Leitbegriffe wie Demokratie, Volk, aber auch Familie werden zunehmend zum Problem im politischen Meinungsaustausch. Ich kann nur davor warnen, wie hier bei der Definition der Familie von der Natürlichkeit zur Beliebigkeit zu wechseln.
Kinder benötigen – meiner Meinung nach – beide Eltern, also Mutter und Vater oder Vater und Mutter, aber auch die Großeltern. Das sind feste Bezugspersonen und nicht beliebig wechselnde, nach den Egoismen der Erwachsenen zusammengesetzte Beziehungskonstellationen. Kinder, die das Besondere der Familie ausmachen, sind für die Eltern auch Verpflichtung zu eigener Betreuung und zu eigener Erziehung. Das kann auch ein optimal ausgebautes Betreuungsnetz von Kitas nicht ersetzen. Geht man jedoch den Weg von den natürlichen Familienstrukturen dahin, dass die Befriedigung der Lebensegoismen der Erwachsenen – der Eltern – über die Interessen der Kinder gestellt wird, dann geht man meiner Meinung nach einen Weg der Dekadenz. Dekadenz hat schon ganz andere Imperien zum Untergang gebracht – das möchte ich hier noch gesagt haben.
Wird von der GRÜNENFraktion noch das Wort gewünscht? Wird überhaupt noch das Wort von den Fraktionen gewünscht? – Ja bitte, Frau Schütz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Nicolaus, um noch einmal auf Sie einzugehen: Sie haben versucht, mittels Verordnung zur Finanzierung von zusätzlichem Personal im Schulvorbereitungsjahr viel auf den Weg zu bringen.
Die eine Kita-Leiterin hat uns geschrieben: Es würde ihnen auch nicht viel bringen, da es im Monat umgerechnet etwa drei Stunden mehr wären, für die wieder umfangreiche Büroarbeit notwendig wäre. Unsere Forderung ist, es nicht nur zu versuchen, sondern die Verankerung dieser Zeiten im Gesetz tatsächlich mit ehrlichem Engagement umzusetzen.
Wir brauchen eine Vereinfachung der Finanzierung und nicht die Extraberechnung für das Schulvorbereitungsjahr, für zusätzliches Personal, für die Vor- und Nachbereitungszeiten – ganz konkret im Gesetz verankert.
Sie sagten zusätzlich, wir würden nicht verstehen, was Familien sind. Familien sind für uns dort, wo Kinder leben. Dass diese natürlich erweitert werden mit Eltern und Großeltern, das erlebe ich zurzeit selbst. Ja, natürlich würde sonst eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurzeit überhaupt nicht mehr funktionieren. Das ist doch die große Frage, die wir uns hier stellen müssen.
Ich habe zudem auch vermisst, dass Sie keine Aussage darüber getroffen haben, wie wir mit der Problematik des Bedarfs an zusätzlichen Krippenplätzen umgehen wollen: Was wird passieren? Was kommt auf die regierungstragende Koalition zu diesem Thema zu? Das bewegt die Eltern vor Ort ganz konkret. Ich kann es aus meiner eigenen Erfahrung berichten: Mein Kind ist 2007 geboren und ist gerade ein Jahr alt geworden. Ich habe mit vielen jungen Müttern, jungen Eltern Kontakt. Darauf brauchen wir Antworten in diesem Land.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann Frau Staatsministerin Orosz, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mir noch nicht richtig im Klaren darüber, sehr geehrte Dame und sehr geehrte Herren der FDPFraktion als Antragsteller, ob ich die von Ihnen geführte Debatte als bedenklich oder als realitätsfern bezeichnen soll. Aber beides ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich.
Ich muss Ihnen sagen, allein das Verständnis, was die Aussage und die Wirkung einer Regierungserklärung ist, scheint Ihnen nicht bewusst zu sein. Eine Regierungserklärung ist immer eine Analyse und ein Ausblick. Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion, Sie haben sich heute mit einer Analyse befasst, die inzwischen zwei Jahre alt ist. Guten Tag, meine Damen und meine Herren!
Wir sind schon weiter. Ich darf Sie daran erinnern, dass ein solcher Ausblick auch an die Zeit einer Legislatur gebunden ist. Alles andere wäre unrealistisch. Wenn Sie sich im Land umschauen, meine Damen und Herren der FDP und auch der Linksfraktion, dann finde ich Ihre Beurteilung heute einfach bedauerlich. Bedauerlich deswegen, weil Sie das, was in den letzten zwei bis vier Jahren in Sachsen im Rahmen familienpolitischer Maßnahmen geschaffen worden ist, in Misskredit bringen. Dass Sie damit die vielen Tausend, die sich im Land dieser Aufgabe verschrieben haben, nicht wertschätzen, ist gleichfalls bedauerlich. Dagegen möchte ich mich hier ganz deutlich verwahren.
Für mich ist auch gar nicht nachvollziehbar, wie gerade die FDP, die sich immer wieder als die Partei für Wirtschaft, für Expansion und für Zukunft einsetzt,
Ich werde das in meinem Beitrag noch tun. Anscheinend sind Sie in das Wirtschaftsleben nicht so integriert, wie Sie es immer sagen, und wissen zudem auch gar nicht, was in der Wirtschaft passiert. Sonst wüssten Sie es nämlich besser – jawohl ich weiß, wovon ich rede, weil ich seit drei Jahren mit der sächsischen Wirtschaft hervorragend zusammenarbeite:
Ein Zeugnis dessen ist die vor wenigen Wochen gegründete Allianz mit der Wirtschaft. Herr Zastrow: Die Wirtschaft in Sachsen ist familienpolitisch schon weiter als Sie als FDP-Fraktion.
Ich sage Ihnen noch etwas – nur ein paar Stichworte, weil ich in der kurzen Zeit gar nicht alles sagen kann, was Sie anscheinend noch nicht wahrgenommen haben: Die Beratungsangebote, die Kitas, die Familienzentren, die Mehrgenerationenhäuser, all das ist in den letzten Jahren entstanden und wird sowohl durch die Landesregierung als auch durch die Kommunen finanziert. Auch das, was Sie über die Kommunen gesagt haben, Frau Schütz, schlägt dem Fass den Boden aus. Sie sollten sich einmal die tatsächlichen Zahlen anschauen.
Die Kommunen haben in den letzten Jahren Millionenbeträge in die Familien, in unterschiedliche Bereiche, investiert, sei es der Kita-Bereich, der Bereich der freiwilligen Leistungen, die Familienzentren, die Jugendarbeit oder vieles andere mehr.
Sich hier hinzustellen und zu sagen, dass wir hierbei Schlusslicht sind – das kann nur mit Realitätsverlust zu tun haben. Anders kann ich mir Ihre Argumente nicht erklären.
Meine Damen und Herren! Auch das Engagement der lokalen Bündnisse, ein Engagement von Menschen vor Ort aus allen Bereichen der Gesellschaft, die sich in der Tat das Thema Familienpolitik und die Realisierung der familienpolitischen Belange auf der Ebene der Kommunen auf die Fahnen geschrieben haben, einfach außen vor zu lassen und zu tun, als ob es nicht stattfindet – dafür fehlen mir teilweise wirklich die Worte! Ich bin dankbar, dass es diese Engagements gibt. Wir arbeiten mit diesen Engagements sehr gut zusammen und kommen gut voran.
Noch einmal, was die Regierungserklärung betrifft: Im Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren der FDP und der Linken, hat die Koalition einen Vorhabensplan, der in der Legislaturperiode noch abgearbeitet wird. Ich darf Sie auch schon darauf aufmerksam machen, dass wir sukzessive die Umsetzung von Maßnahmen einhalten und dass Sie in Vorbereitung der Diskussion zum Doppelhaushalt 2009/2010 von den weiteren und bereits angekündigten Maßnahmen informiert werden. Wir können mit Stolz behaupten, dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, in die Tat umsetzen.
Dabei will ich nicht verschweigen, dass Familienpolitik ja noch nicht allzu lange ein tatsächliches Thema in der Gesellschaft geworden ist und dass inzwischen zunehmend – ich hoffe, dass auch Sie bald dazugehören, meine Damen und Herren der FDP – verstanden wird, dass Familienpolitik eben nicht nur eine Aufgabe der Regierung, sondern der gesamten Gesellschaft ist. Wir müssen dafür sorgen – das ist auch Ihre Aufgabe als Abgeordnete –, dass die gesamte Gesellschaft diesen Mentalitätswechsel unterstützt und mit gestaltet.
Das sogenannte Bohren von dicken Brettern trifft – dabei bin ich selbstkritisch – auch für das Thema Familienpolitik zu. Natürlich können wir uns viele Dinge wünschen. Auch das noch einmal an die Adresse der FDP: Wenn ich von Ihnen höre, Frau Schütz, dass Sie Sachsen-Anhalt als Vorbild für Sachsen vorbringen, dann muss ich mich fragen: Wissen Sie denn, dass Sachsen-Anhalt das höchstverschuldete Land ist? Behaupten Sie etwa, dass ein Verschuldungsgrad, der den letzten Platz in Deutschland einnimmt, eine zukunftsfähige Familienpolitik garantiert? Ist es das, was Sie wollen?
Meine Damen und Herren! Familienpolitik ist eine Qualitätsaufgabe der Gesellschaft und hat in der Tat nicht nur etwas mit Geld zu tun, sondern spielt sich sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft ab. Das, meine Damen und Herren, müssen wir in unserer Verantwortung immer im Blick haben. Deshalb gilt es abzuwägen, ob wir das Füllhorn des Steuerzahlers ohne Plan, ohne Zukunfts
strategie und Visionen ausschütten oder ob wir ausbalancieren, welche Finanzierung dringend erforderlich ist und welche anderen Maßnahmen die Familienpolitik in Sachsen ergänzend unterstützen können.
Deshalb möchte ich noch auf einen Bereich eingehen, nämlich auf die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Dazu muss ich noch einmal deutlich sagen – und das mache ich nicht das erste Mal hier vor dem Hohen Hause –, dass die Erkenntnislage und die Bereitschaft, Familien in ihren Aufgaben zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass sich Familien überhaupt bilden können, dass junge Menschen bereit sind, Partnerschaften einzugehen und Kinder zu bekommen, von der Wirtschaft hier in Sachsen erkannt wurde. Dafür steht die sächsische Wirtschaft.
Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die sich aus meiner Sicht in den letzten Jahren sehr anerkennenswert etabliert haben, mit meinem Haus abgestimmt sind und gemeinsam durchgesetzt werden. Dafür bin ich allen Verbänden und Strukturen der Selbstverwaltung sehr dankbar, die im Rahmen der Wirtschaft agieren. Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei meinem Kollegen Thomas Jurk; denn wir haben diese Allianz, diese Partnerschaft, in den letzten drei Jahren gemeinsam begleitet und können schon heute von einem erfolgreichen Miteinander sprechen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen Blick in die Gesellschaft werfen. Auch das soll nicht von der politischen Verantwortung ablenken, zu der ich und auch die Koalition stehen. Aber – und da geht ein Stück weit der Ball an Sie, meine Damen und Herren, die Sie heute diese Debatte auf die Tagesordnung gesetzt haben – : Wir werden es nicht schaffen – egal mit welchen Leistungen und Maßnahmen –, eine erfolgreiche Familienpolitik zu machen, wenn wir es nicht bewerkstelligen, diese Notwendigkeit auch immer wieder in die Köpfe der Menschen hineinzubringen. Das heißt, auch hier müssen weiterhin dicke Bretter gebohrt werden.
Es geht nicht nur um die Arbeitgeber und Arbeitnehmer für familienfreundliche Unternehmen und familienfreundliche Personalpolitik, sondern auch um die Nachbarn, um die Bewohner eines Wohngebietes. Es geht um die Akzeptanz der Ferieneinrichtungen, von Gaststätten und auch Besuchern von Gaststätten, wenn Familien mit Kindern unterwegs sind. Es geht nach wie vor auch darum, wie in Deutschland immer noch Gerichte entscheiden, ob Kindereinrichtungen und Spielplätze gebaut werden oder ob das Missfallen der Anwohner bezüglich der Geräuschkulisse vorrangig berücksichtigt wird.
Solange das, meine Damen und Herren, in der Gesellschaft noch ein vordergründiges Argument gegen Familien mit Kindern ist, haben wir alle noch ausreichend Hausaufgaben zu machen.
Lassen Sie mich im Ausblick noch einmal deutlich machen: Wir werden das, was wir uns am Anfang der Legislaturperiode vorgenommen haben, mit dem Koalitionspartner weiterführen. Wir werden die Dinge, die zur Stabilität einer familienfreundlichen Gesellschaft in Sachsen begonnen worden sind, weiter ausbauen. Wir werden in der Tat den Anspruch, zum familienfreundlichsten Land in Deutschland zu werden, nicht vergessen, sondern weiterhin als Ziel im Auge behalten.