Protocol of the Session on April 18, 2008

Herr Seidel, einmal abgesehen von dem, was Sie in Ihrer persönlichen Anmerkung zum Schluss gesagt haben und worauf wir hoffentlich noch zurückkommen werden, haben Sie davon gesprochen, dass nicht die Landesebene die Planung übernehmen soll. Natürlich soll nicht alles auf Landesebene geregelt werden. Aber die Landesebene muss Abhilfe schaffen für die Probleme, die sie mit ihrer Politik geschaffen hat. Denn die gestiegenen Schülerbeförderungskosten haben mit Ihrer Schulschließungspolitik zu tun, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und SPD.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Vor allem mit gestiegenen Nahverkehrskosten!)

Die gestiegenen Nahverkehrskosten haben sicherlich auch etwas mit dem Rückgang der Einwohnerzahlen pro Einwohner zu tun. Gerade daran haben die Schülerbeförderungskosten einen wichtigen Anteil. Darauf komme ich noch zu sprechen.

(Staatsminister Steffen Flath: Das habe ich jetzt nicht verstanden!)

Dazu komme ich noch.

Danach gefragt, welche höheren Belastungen für Eltern und Kreise die Staatsregierung infolge der Aufhebung von Schulen kennt, Herr Flath, und welche politischen Handlungsmöglichkeiten sie sieht, meint sie, es gebe durchaus mehr Kosten durch die Schulschließungen. Aber sie schweigt zu den politischen Handlungsnotwendigkeiten.

Die Beiträge sind viel Geld für die Kreise und die Eltern, zumal bei mehreren Kindern.

Als in einer Kleinen Anfrage nach der Entwicklung der Elternbeiträge an den Beförderungskosten gefragt wurde, bekamen wir folgende, wenig amüsante Antwort: Grundlage für die Erfassung zum Beispiel der Elternbeiträge an den Fahrtkosten im Haushaltsansatz der Kommunen war das Finanz- und Personalstatistikgesetz. Zitat: „Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Finanz- und Personalstatistikgesetzes und weiterer Zusatzvereinbarungen wurde die Erhebung des Haushaltsansatzes der Kommunen ersatzlos gestrichen.“

Das ist natürlich auch eine Methode der Verschleierung der schlechten Haushaltslage, in die Ihre Politik die Gemeinden und Gebietskörperschaften gebracht hat. So haben wir nun keine Angaben über die Entwicklung der Elternbeiträge. So fehlt nicht nur Transparenz, sondern auch eine Möglichkeit, vonseiten der Landespolitik gegenzusteuern. Ich sage Ihnen ehrlich: Das ist nicht nur keine Methode, das ist auch keine Art im Umgang.

(Beifall der Abg. Bettina Simon, Linksfraktion)

Was wir aber sehen, ist: Die Summe der Elternbeiträge insgesamt hat sich gewaschen. Es würde sich wohl lohnen zu schauen, was das für die einzelnen Familien bedeutet, zumal mit mehreren Kindern. Darum erhoffe ich mir von dem im Antrag enthaltenen Bericht der Staatsregierung eine Aufschlüsselung über die realen Kosten pro Familie in den verschiedenen Kreisen nach Beförderungssatzung. Denn das fehlt bislang in den Antworten auf Anfragen.

Zum Stichwort Beförderungssatzung, meine Damen und Herren, möchte ich auf ein reales, wenn auch technisch klingendes Problem eingehen. Die Kreise erstatten – das ist Ihnen bekannt – die meisten Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule einer Schulart. Wahrscheinlich tun sie das aus Not, finanzieller Not, oder dem Wunsch, eine kreisliche Regelung für alle zu finden. Aber natürlich ist das Ungleichheit, wenn einige nur die zufällig nächstgelegene Schule besuchen, während andere für den Bildungserfolg ihrer Kinder durchaus das Ticket zur schulprofilmäßig günstigeren Schule oder besseren Schule bezahlen können. Hier muss das Land die finanzielle Ausstattung für die gleichen Chancen zur Verfügung stellen.

(Beifall bei Linksfraktion)

Nächster Punkt: Wie sieht es mit Härtefällen aus? Dass diese 20 bis 30 Euro Elternanteil in einem Budget von 345 Euro im Unterschied zu einem Familieneinkommen von etwa 3 300 Euro Netto schmerzhaft bis nicht bezahlbar sind, ist klar.

Ein Blick in die Statistik zeigt: Die meisten Kreise haben ihre Schulaufgaben in dieser Hinsicht gemacht. Erlass des Eigenanteils bei Vorlage des Nachweises über die Bewilligung von Leistungen nach SBG II und SGB X ist in der Hälfte der Kreise die Regel. Viele andere kennen Härtefallregelungen. Lediglich Einzelne fallen heraus. Da sehe ich Handlungsbedarf.

Die Stadt Görlitz zum Beispiel ermöglicht Familienpassinhabern, die Schülerkarte für ermäßigt 21 Euro statt 24 Euro zu kaufen.

Die Stadt Dresden gibt eine Befreiung bei besonders gelagerten Härtefällen. Zitat: „Also nicht für die Gruppe der Einkommensschwachen und Einkommenslosen generell.“ Zum Umgang damit erwarte ich also auch noch einige Ausführungen vonseiten des SMK.

Die angegebenen Durchschnittsfahrzeiten halten sich im Mittel gut an die Vorgaben im Landesentwicklungsplan. Dabei möchte ich anmerken – Sie wissen von der Kuh, die den im Mittel einen Meter tiefen Teich ohne viel Glück durchquerte –: Das Mittel sagt nichts über die Härten.

In unserem Wettbewerb zum langen Schulweg kamen Beförderungszeiten von über zwei Stunden heraus. Dabei habe ich noch nicht die Spitze herausgepickt. Das Mittel ist kein Grund sich auszuruhen.

Hier möchte ich den Landkreis Delitzsch hervorheben, der in einem umfassenden Konzept der Qualität seiner Schülerbeförderung anhand der Kriterien Beförderungszeit insgesamt und Umsteigewartezeiten nachgegangen ist. Dabei ist er sich auch der besonderen Härten für die Schüler aus Bataune auf dem Weg zur Grundschule Lausig bewusst geworden.

Dass in der Beförderungssatzung geregelt ist, dass eine Wartezeit von bis zu 60 Minuten angemessen sein soll, ist natürlich nicht nachvollziehbar. 60 Minuten – das stiehlt Lebenszeit und ist keine Beförderungsqualität.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Insofern kann ich nur und möchte an die zuständigen Kreise appellieren, ihre Verantwortung nicht pro forma abzuhandeln, sondern bewusst und im Interesse der Betroffenen mit dem Schülerverkehr umzugehen, ein Konzept ähnlich dem Delitzscher zu entwickeln, und an das Land, die Kreise, in dieser Form die Umsetzung zu unterstützen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Viele tun das bereits. Man muss sich der Chance bewusst sein. Wir wissen doch, dass der SchülerInnenverkehr eigentlich auch den kompletten öffentlichen Personennahverkehr in den ländlichen Regionen trägt oder stützt. Etwas für den SchülerInnenverkehr zu tun heißt, etwas für die Region zu tun; an Sie auf der Regierungsbank gewandt – wer auch immer Finanz- und wer Kultusminister sein wird; oder ich wende mich direkt an Herrn Tillich –: etwas für die Entwicklung des Landes zu tun.

Meine Damen und Herren! Auch mit einem neuen Regierungschef oder mit einem Ministerwechsel sind nicht plötzlich die Probleme vom Tisch, die das Regierungshandeln im Land verursacht hat. Eines davon sind die gestiegenen Fahrtkosten. Da muss gehandelt werden – durch Mehrzuweisungen vom Land, und zwar im FAG. Das gehört natürlich in die Haushaltsverhandlungen, Kollegen von der FDP. Da werden auch wir aktiv werden, weil es nicht sein kann, dass die steigenden Kosten die Selektivität des Schulwesens erhöhen.

In den Antworten zu unserem Wettbewerb schrieben vier Eltern unaufgefordert in den Anmerkungen, dass für sie die Fahrtkosten zur Schule und die Organisation umständlicher Wege ausschlaggebend für die Wahl der Schulart und des Schulstandorts gewesen sind – ein unhaltbarer Zustand!

Meine Damen und Herren! Wir stehen zum kostenfreien Schülerverkehr, weil nämlich der Schulbesuch ein Recht des Kindes ist, das unabhängig vom Einkommen der Eltern und steuerfinanziert entsprechend dem Einkommen der Menschen ermöglicht werden muss. Auch das hat mit Lernmittelfreiheit zu tun, mit Qualität im Schülerverkehr und damit, in den Familien und wieder für die Kinder eine entspanntere Lage im Umgang mit Fahrtkosten zu schaffen – für mehr Kuchenränder, ein größeres Stück vom Kuchen oder, wie manche sagen, die ganze Bäckerei, und zwar für alle Menschen.

Im Rahmen der Haushaltsverhandlungen zum Haushaltsgesetz, zum Haushaltsbegleitgesetz und zum FAG werden wir dieses Thema mit aller Vehemenz wieder aufnehmen, mit – wie wir eben gehört haben – einem hoffentlich größeren Konsens in allen Fraktionen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Pecher.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Frau Kollegin Bonk, ich möchte Ihnen in zwei Dingen gern widersprechen. Die Elternanteile an den Schülerbeförderungskosten – da weiß ich, wovon ich rede; mein Sohn ist in der 9. Klasse – sind mit Sicherheit nicht die Hauptbelastung, was die schulischen Kosten betrifft. Da sind wir ganz nah bei dem Thema Lernmittelfreiheit. Im Zwickauer Land zum Beispiel sind das ungefähr 120 Euro im Jahr, in Zwickau-Stadt ist die Schülerbeförderung frei, und Sie haben es ja selbst gesagt, dass die Kreise insbesondere bei sozialen Härtefällen meistens eine Regelung haben, dass dieser Eigenanteil überhaupt nicht anfällt. Es ist also nicht so, zumindest nicht in dieser Dramatik, wie Sie es geschildert haben. – Das zum Ersten.

Zweitens. Ich halte es schon für vernünftig, dass die Schülerbeförderung für die nächste Schule gilt und, wenn es darüber hinausgeht, sich die Eltern durchaus engagieren müssen, wenn sie eine andere Schule aussuchen. Denn es gibt nicht nur die nächste Schule, es gibt auch den

schulpädagogischen Ansatz, dass sie begründen können, warum sie eine weiter entfernte oder eine andere Schule nutzen wollen. Das ist auch möglich. Dann müssen sie auch nicht diese Mittel aufbringen. Es gibt hier schon zwei Prüfungsaspekte, die in den Satzungen durchaus vorhanden sind. Von der Stadt Zwickau weiß ich es ganz genau, vom Zwickauer Land weiß ich es auch. Dort können die Eltern es begründen und müssen die Schülerbeförderungskosten nicht vollständig selbst tragen.

Zum Antrag selbst. Richtig ist, dass die Schülerbeförderungskosten steigen. Wir haben im Haushaltsansatz rund 53 Millionen Euro drin, wahrscheinlich kommen wir bei 57 Millionen Euro heraus. Es handelt sich hier um ein Gesetz und es ist eine Pflichtaufgabe, dass der Freistaat die Mittel nach § 45a des Personenbeförderungsgesetzes bereitstellen muss. Da gibt es die bekannten drei Komponenten: die Anzahl der Schüler, die transportiert werden, der Entfernungskilometer und der Sollkostensatz, was das Unternehmen praktisch transportiert.

Wir haben die frappierende Situation zu verzeichnen, dass trotz sinkender Schülerzahlen die Kosten steigen, weil sich eben die Zahl der fahrenden Schüler dadurch erhöht hat, dass in den kleinen Gemeinden aufgrund der demografischen Entwicklung Schulen zusammengelegt wurden. Darauf muss man – wir werden es aufgreifen – genauer schauen: Wollen wir in Zukunft teuren Schülertransport bezahlen oder wollen wir das Geld lieber nehmen, um Schule zu bezahlen?

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Das, denke ich, werden wir uns genau anschauen. Es gibt mittlerweile den Ansatz zu sagen: Es wäre durchaus besser gewesen, anstatt in einem zügigen Verfahren – das ja vor zwei Jahren beginnend war – Schulen zu schließen, lieber zeitweilig Außenstellen bzw. Außenschulen aufrechtzuerhalten. Herr Minister, ich gestehe das gern zu. Fakt ist, dass es keine derartige Prüfung unter Beteiligung der ÖPNV-Träger gegeben hat, keine fiskalische Evaluierung, was letztendlich günstiger ist: die Außenstelle zu erhalten oder die Schüler zu transportieren.

Auch zurzeit kann das keiner ernsthaft beantworten; es ist nicht untersucht worden. Ich meine, dass es zumindest die Sache wert ist, sich das anzuschauen, und behaupte, dass es in dem einen oder anderen Bereich, insbesondere im ländlichen Raum, durchaus kostengünstiger ist, die Außenstelle einer Schule aufrechtzuerhalten, anstatt die Schüler über viele Kilometer zu transportieren.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Wir haben allerdings auch die Situation, dass sich durch die Mehrnutzung der Gymnasien, wie ich es jetzt einmal nennen will – was durchaus gewollt war –,

(Zuruf von der Linksfraktion: Königswartha!)

die Einzugsgebiete vergrößern und damit zugleich auch die Schülertransportkosten steigen.

Nichtsdestotrotz muss man sagen: In Sachsen ist der öffentliche Personennahverkehr und damit – als sein Bestandteil – der Schülerverkehr auf solide finanzielle Grundlagen gestellt. Es sind in diesen zwei Haushaltsjahren allein dafür zweimal 580 Millionen Euro bereitgestellt worden; die Regionalisierungsmittel konnten verstetigt werden. Wir sind dort auf einem guten Weg. Dazu, denke ich, brauchen wir keinen FDP-Antrag, der uns das noch einmal praktisch untersetzt. Ich persönlich habe dazu auch eine Kleine Anfrage gestellt.

Deshalb lehnen wir den Antrag ab.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die NPDFraktion Frau Abg. Schüßler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Antworten auf den Berichtsteil im vorliegenden Antrag haben wir als NPD-Fraktion schon im letzten Jahr angefordert, und zwar in den Drucksachen 4/7386 bis 4/7388. Ein Blick in die Parlamentsdokumentation hätte also genügt, um den größten Teil Ihrer Fragen zu beantworten, und das schon vor einem Jahr.

Dann, meine Damen und Herren, wäre Ihnen auch aufgefallen, dass jährlich mindestens 1,5 Millionen Euro aufgewendet werden müssen, um die Schüler in die Schulen zu bringen und vor allem zu begleiten. Dabei reisen täglich fast 150 000 Schülerinnen und Schüler zur Schule und am Nachmittag wieder nach Hause. Eine Kostenerstattung erfolgte trotz der politisch motivierten Schulschließungen durch die Sächsische Staatsregierung nicht, obwohl den Eltern damit die Mehraufwendungen aufgezwungen wurden. Unter dieser Koalition wird es wohl auch zukünftig keine Unterstützung für die Kommunen geben.

Der Elternanteil – es war bereits die Rede davon – beträgt zwischen 60 und maximal 682 Euro pro Schuljahr. Das Kernproblem liegt aber weniger in der Schülerbeförderung, sondern vielmehr in der Tatsache, dass diese wegen der erfolgten Schulschließungen überhaupt erst notwendig wird. Schulwegzeiten von täglich über zwei Stunden inklusive der Wartezeiten wegen schlechter Schulbusanbindung sind keine Seltenheit.