Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Das klang jetzt eher so, als wäre es ein Auftrag an Kai Pflaume, was Sie hier ausgesprochen haben, Herr Zastrow.
Aber kommen wir einmal zurück zur Debatte! Herr Dr. Hähle, Sie haben mir Spekulationen vorgeworfen. Das ist ja wirklich fett, muss ich sagen. Meine erste „Prophezeiung“ im Winter war, dass der MP Ostern weg ist. Nun lag Ostern in diesem Jahr recht früh, aber zurückgetreten ist er.
Die zweite „Prophezeiung“ bzw. Spekulation, die ich hatte, war: Die Bürgschaft ist nicht theoretisch, sie wird fällig. Da sind wir seit Weihnachten auch klüger. Die dritte Spekulation, die ich habe, ist: Es wird teurer als die 800 Millionen Euro. Zumindest Herr Jaschinski sieht das ähnlich.
Das Nächste, was Sie aufgeworfen haben, war das mit dem Respekt. Dazu kann ich Ihnen sagen, dass das keine Einbahnstraße ist; das gehört in die partnerschaftliche Beziehung. Ich habe die Haushaltspolitik gelobt, die Herr Milbradt hier gemacht hat. Sie alle waren darüber überrascht, weil Sie das nicht erwartet hatten, als es hier nach den Wahlen neu losging. Nun sehe ich fassungslos mit an, wie die ganze gute Arbeit den Bach hinuntergeht, und Sie denken, das wäre irgendwelches Getue von der Opposition.
Die Frage nach dem Respekt möchte ich einmal ganz in Ruhe erörtern. Ich denke, das ist wirklich eine Frage, dass es keine Einbahnstraße sein kann, und ich möchte hier über die Fakten sprechen. Ich habe keine Lust, stattdessen zwischen dem „Kommunistischen Manifest“ und dem guten alten „Knigge“ herumzustolpern, sondern ich würde ganz gern einmal die Legendenbildung der letzten Tage beleuchten.
Der rücktrittsentschlossene MP Milbradt hat am Montag gesagt, jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um sein Amt geordnet weiterzugeben. Da habe ich mich gefragt: der richtige Zeitpunkt – wofür? Für ihn selbst, um in Würde aus dem Amt zu scheiden, war der richtige Zeitpunkt
Für die Sache war es vielleicht der richtige Zeitpunkt, denn man konnte die Legende historisch absichern, dass inzwischen klar geworden sei: Das Schicksal der Sachsen LB ist das Schicksal vieler Banken in diesen Amerika-kriselnden Weltwirtschaftszeiten, keine sächsische Spezialität; und Milbradt war der Retter in der Not, weil er das marode Teil noch rechtzeitig an die offensichtlich außerordentlich dummen Schwaben verkaufen konnte,
so wie sich weiland vielleicht die sächsischen Möchtegern-Banker der Sachsen LB die faulen Kredite von den großen Investitionsbanken haben aufschwatzen lassen.
Aber egal, die tun einem ja nun auch leid. Was schlimmer wiegt, ist, dass „Finanzprofessor“ Milbradt es in den letzten Wochen geschafft hat, den Medien und der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, das Schicksal der Sachsen LB sei von außen besiegelt worden, es würde allen anderen Landes- und Privatbanken ebenfalls so gehen, und die Krise erschütterte die Welt.
Deshalb war also der richtige Zeitpunkt, sich aus der Schusslinie zu nehmen; denn er hatte seine Mission erfüllt. Wer sich nämlich die Zahlen genauer ansieht, erkennt schnell, dass die Sachsen LB im Verhältnis zu ihrer Bilanzsumme mit den Geschäften in Dublin ein hohes finanzielles Risiko eingegangen ist, das zehnmal höher lag als das der Bayern, die jetzt an 4 Milliarden Euro herumknuspern, zwanzigmal höher als das der Baden-Württemberger und dreißigmal höher als das der Hessen und Thüringer, der Helaba; und da wollen Sie mir erzählen, wir sind ein Opfer der Weltwirtschaftskrise geworden? Das ist alles Quatsch, das ist selbst verschuldet.
Meiner Meinung nach wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, Herr zukünftiger MP Tillich, Herrn Georg Milbradt zum Finanzminister zu machen, damit er die Suppe wieder auslöffelt, die er uns eingebrockt hat, um es einmal auf den Punkt zu bringen.
Ich würde ihm dieses Angebot machen. Sie finden ohnehin niemanden, der diese Arbeit übernehmen möchte.
Auf jeden Fall – um noch einmal den Genossen einen mitzugeben – hat die SPD auch den richtigen Zeitpunkt verpasst, um der Wahrheit Genüge zu tun. Sie bleiben eben lieber auf den Regierungsbänken hocken. Da muss es doch irgendeine Sitzheizung geben?! Auf jeden Fall setzen Sie die Koalition fort, deshalb ist jetzt, finde ich, der richtige Zeitpunkt, um Sie in politische Mithaftung zu nehmen. Es soll kein einziger Genosse mehr sagen, er habe nicht gewusst, was da gespielt wird und wofür er jetzt neu mit in die Verantwortung genommen wird, indem sich die SPD Neuwahlen verweigert und damit der CDU den Neuanfang ermöglicht.
Ich finde, es bleibt zu hoffen, dass der reguläre Wahltermin im nächsten Jahr der richtige Zeitpunkt sein wird, um den „Scheinheiligen“ von der SPD und den „Unheiligen“ von der CDU von den Sachsen die Quittung ausstellen zu lassen, weil Anstand und Moral in der Politik immer wieder ihren historischen Zeitpunkt finden – vielleicht in Zwanzig-Jahres-Abständen, das kann ja sein.
Wem diese Hoffnung nun zu gering erscheint, dem sei noch gesagt, dass ich der Meinung bin: Ab jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um das politische „Dauerfeuer“ auf diese Legendenbildner zu eröffnen.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Somit frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Mackenroth, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Ministerpräsident hat mich gebeten, ihn in der heutigen Aktuellen Debatte zu vertreten. Herr Prof. Milbradt begleitet heute die Bundeskanzlerin auf einem sehr lange geplanten Besuch im Freistaat Sachsen, bei dem er im Interesse des Landes nicht fehlen darf, und er lässt sich deshalb entschuldigen.
Dass die Opposition diese Entschuldigung nicht annimmt, wundert mich nicht. Es ändert jedoch nichts an der Sache. Ich bestelle ihm schöne Grüße von Ihnen.
Erstens. Zum Thema Landesbank erkenne ich derzeit wenig Neues. Wenn es eine neue Nachricht am letzten Wochenende gab, dann diejenige, dass sich nach Einschätzung des neuen Eigentümers der Sachsen LB die Obergrenze – Frau Hermenau hat es gesagt –, bis zu der die sächsische Bürgschaft schlimmstenfalls in Anspruch genommen wird, nunmehr auf 1,2 Milliarden Euro reduziert hat.
Die Staatsregierung hat nie bestritten, dass die Bürgschaft – jedenfalls teilweise – fällig werden kann, sonst wäre sie nicht gegeben worden. Bisher allerdings, und hierauf lege ich Wert, sind die aus Stuttgart zu uns gekommenen neuen Zahlen rein spekulativ. Bisher ist nicht ein Euro aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Wir hoffen alle, dass dies so bleibt.
Wenn Herr Jaschinski recht behält und sich eine mögliche tatsächliche Inanspruchnahme der Bürgschaft auf lediglich einen Bruchteil der bisher im Raum stehenden Obergrenzenbelastung belaufen sollte, wäre das entgegen manchen vorab verbreiteten Böswilligkeiten keine Katastrophe, sondern läge im Rahmen der von der Staatsregierung bereits getroffenen Vorsorgemaßnahmen.
Die EU richtet sich in ihren Terminplänen nicht nach sächsischen Wahlen. Die EU hat weder den Verkauf als solchen noch die Bürgschaft in Zweifel gestellt. Ein Nachtragshaushalt ist daher überhaupt nicht erforderlich.
Zum Thema Sachsen LB fordern einige weitere Aufklärung. Mit scheint, alle, an die der Ruf adressiert werden könnte, sind bereits bei der Arbeit. Das Gutachten von Ernst & Young liegt vor, der Untersuchungsausschuss wird weiterarbeiten, die sächsische Justiz wird mögliche straf- und/oder zivilrechtliche Konsequenzen zu gegebener Zeit zu beurteilen haben. Das ist ihre Aufgabe, und alle, die sich in der letzten Zeit darin gefallen haben, Vorverurteilungen in die Welt zu setzen, sollten die endgültigen Urteile abwarten. Politisch jedenfalls scheint mir die Sache entschieden und die Aufklärung geleistet.
Unser Ministerpräsident hat vor wenigen Tagen insgesamt 17 Stunden in aller Öffentlichkeit vor dem Untersuchungsausschuss ausgesagt und den Sachverhalt umfassend aufgeklärt, soweit ihm dies überhaupt möglich ist. Jedenfalls wurden ihm im Ausschuss keine weiteren Fragen gestellt. Auch nach den Angaben unseres früheren Staatssekretärs Habermann haben die Informationen aus der Sachsen LB, die Warnsignale hätten aufleuchten lassen können, die politische Ebene nicht erreicht.
Unterlassungen, meine Damen und Herren, führen nur dann zur Verantwortung, wenn mögliche Schadenseintritte auch vorhersehbar sind. Zum Thema Sachsen LB gibt es von unserem Ministerpräsidenten wirklich nichts Neues oder auch nur Ergänzendes mehr zu erklären. Wer jetzt weitere öffentliche Äußerungen fordert, hat im Ausschuss vergessen zu fragen, nicht zugehört oder möglicherweise sogar geschlafen. Der Schlaf der Gerechten wird es nicht gewesen sein.
Zweitens. In der heutigen Debatte reden wir weiter über den Ministerpräsidenten. Gemeint sind offenbar seine persönlichen Engagements bei der Sachsen LB. Lassen Sie mich differenzieren zwischen dem juristischen und dem politisch-moralischen Aspekt. Juristisch gibt es – dies scheint mir mittlerweile unstreitig – nichts gegen das Geschäft zu sagen. Zwischen 1993 und 1998 sind rund 46 Milliarden Euro in ostdeutsche Immobilienfonds investiert worden. Der Fonds, den Familie Milbradt gezeichnet hat, ist von der Deutschen Anlagen-Leasing aufgelegt und von der Sachsen LB intensiv beworben worden, weil die Sachsen LB ein Interesse an möglichst vielen Investoren hatte. Jedermann konnte diesen Fonds zeichnen.