Protocol of the Session on April 16, 2008

sondern es schafft zuverlässig mehr Bürokratie. Und darauf können die Bürger des Freistaates Sachsen, so glaube ich, gut und gern verzichten.

(Jürgen Gansel, NPD: Auf Kosten der Sicherheit!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Mir liegen vonseiten der Fraktionen bis auf Herrn Apfel keine weiteren Wortmeldungen vor. – Dann bitte, Herr Abg. Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Entgegen der Auffassung der Koalition, dass das Gesetz allein schon deshalb überflüssig sei, weil demnächst ein Bundesmeldegesetz folgen würde, sind wir der Auffassung, dass der heute vorliegende Gesetzentwurf sehr wohl zur rechten Zeit folgt. Denn es liegt auf der Hand, dass ein neues Meldegesetz in Sachsen auch eine starke Signalwirkung auf die Berliner Gesetzgebung haben könnte.

Erstaunlicherweise hört und liest man in den Medien nicht viel über die Missstände im Meldewesen, obwohl es regelrechte Notrufe zuständiger Stellen und Persönlichkeiten gibt.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Bei den Einwohnermeldeämtern geben sich zwar die Mitarbeiter auf direkte Nachfragen zugeknöpft, was natürlich nicht einfach an einer gewissen diskreten Zurückhaltung liegen mag.

Aber es gibt auch andere Stimmen, die weniger zurückhaltend sind. So stellte zum Beispiel Stefanie Vogelsang, Bezirksbürgermeisterin in Berlin, fest: „Dieses Meldegesetz stellt schlichtweg eine Gefährdung der Sicherheit unseres Landes dar.“ Vogelsang strebt zunächst eine Bundesratsinitiative an mit dem Ziel, das Melderechtsrahmengesetz zu ändern. Nach der Föderalismusreform geht es aber vielmehr darum, die absurde Lockerung des Melderechts in das 2009 erwartete neue Bundesmeldegesetz nicht zu übernehmen.

Das Fernsehmagazin „Fakt“ begleitete die Politikerin beim Ortstermin in Neukölln, bei dem sie anschaulich begründete: Schauen wir uns einmal dieses Haus an. Als wir das aufgrund von Anwohnerbeschwerden überprüft haben, haben wir etwa 20 bis 30 illegale Schwarzarbeiter von sonst woher gefunden, aber es waren dort auch über 100 Menschen gemeldet, die hier überhaupt nicht leben. So etwas darf nicht sein und so etwas müssen wir verhindern können. Da reicht das, was wir haben, nicht aus.

Das Beispiel ist zwar aus Berlin, aber es steht für unzählige Missstände dieser Art auch in Sachsen.

Weitere Kritik kommt von Michael Böhl vom Bund deutscher Kriminalbeamter. Zitat: „Die Änderung des Melderechtsrahmengesetzes stellt für uns als Kriminalisten und für die Polizei generell ein Problem dar, das zu katastrophalen Auswirkungen führen kann, wenn es sich

weiter nach oben entwickelt. Wir stellen in den letzten Jahren vermehrt fest, dass Straftäter diese Lücke ausnutzen, indem sie sich bei Bürgern anmelden, die davon nichts wissen und dadurch ihre Straftaten ausüben können.“

Wie geht die Politik mit diesen Sorgen um, meine Damen und Herren? Nicht sachgerecht, sondern nach politischer Opportunitätslage und parteitaktischem Kalkül, muss man leider antworten.

So kritisierte zum Beispiel die Berliner CDU das Berliner Meldegesetz 2006 der rot-roten Koalition, weil dieses ohne Berücksichtigung des inzwischen offensichtlichen Missbrauchs zu pauschal das Melderechtsrahmengesetz umsetzte. Angesichts der vermeintlichen Terrorgefahr forderte die Union eine Verschärfung des Gesetzes, vor allem um den Missbrauch durch Scheinanmeldungen zu unterbinden. Dies wies Innensenator Körting als unbegründet zurück.

In Sachsen hingegen legte die CDU-geführte Regierungskoalition eine Novelle zum Meldegesetz vor, die sich von der roten Gesetzgebungsänderung kaum unterschied. Die von der Berliner CDU betonten Sicherheitsaspekte kamen in der Debatte zur 2. Lesung des Änderungsgesetzes ausschließlich im NPD-Redebeitrag vor. Keine andere Fraktion sprach weder Sicherheitsaspekte im Allgemeinen noch spezielle Missbrauchsaspekte im Besonderen an.

Es gibt zwar sicher Unterschiede zwischen dem Schmelztiegel Berlin und den sächsischen Metropolen oder gar dem ländlichen Raum, aber in Zeiten der Globalisierung sind die grundsätzlichen und potenziellen Sicherheitsrisiken überall die gleichen. Wenn also die Berliner CDU und die sächsische CDU in einer solchen sicherheitsrelevanten Frage vollkommen konträre Standpunkte vertreten: Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit? Sieht es nicht vielmehr danach aus, dass nur nach parteipolitischen Gesichtspunkten entschieden wird und die Sicherheit der Bürger keine Rolle mehr spielt?

Im Unterschied dazu hat die NPD bereits in der Debatte zur Novelle des Meldegesetzes klar zur Sicherheitsfrage Stellung bezogen und entsprechende Bedenken geäußert. Heute sehen wir diese Sicherheitsbedenken bestätigt. Es geht also jetzt darum, die offenkundig gewordenen Sicherheitslücken zu schließen. Wenn Sachsen dies jetzt so umsetzt, dann wird damit nicht nur ein Mangel im sächsischen Melderecht abgestellt, sondern – und das ist noch wichtiger und ich wiederhole mich deshalb auch – eine für die angekündigte Bundesgesetzgebung entscheidende Weichenstellung vorgenommen.

Diese Chance, meine Damen und Herren, sollten wir uns nicht entgehen lassen. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Wird vonseiten der Staatsregierung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, artikelweise über den Gesetzentwurf

(Karl Nolle, SPD: Abzulehnen!)

abzustimmen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Ich rufe auf: Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Meldegesetzes. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der NPD-Fraktion. Wir beginnen mit der Überschrift. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen

Stimmen dafür wurde die Überschrift mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe auf Artikel 1. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Auch hier wieder gleiches Stimmverhalten: wenige Stimmen dafür, eine große Mehrheit dagegen und damit abgelehnt.

Ich rufe auf Artikel 2. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Auch hier wieder gleiches Stimmverhalten. Damit sind alle Artikel abgelehnt worden und es erübrigt sich eine Weiterbehandlung des Gesetzentwurfes.

Meine Damen und Herren! Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 4

Mir liegt inzwischen das Ergebnis der geheimen Wahl eines stellvertretenden Mitglieds des 1. Untersuchungsausschusses vor.

Abgegeben wurden 108 Stimmscheine. Ungültig waren zwei. Es wurde wie folgt abgestimmt: Herr Heinz Lehmann erhielt 58 Jastimmen, 41 Neinstimmen und 7 Enthaltungen. Damit hat Herr Heinz Lehmann die notwendigen mehr Ja- als Neinstimmen erhalten. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.

(Der Abg. Heinz Lehmann, CDU, nickt zustimmend.)

Damit ist dem Wahlvorschlag gefolgt. Ich gratuliere sehr herzlich zur Wahl und wünsche viel Erfolg.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 7

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zu einer bürgernahen Neuausrichtung der kommunalen Daseinvorsorge (SächsKoDaVoGes)

Drucksache 4/9244, Gesetzentwurf der Fraktion der NPD

Drucksache 4/11710, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die NPD-Fraktion als einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Herr Abg. Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die NPD-Fraktion den Erhalt der regionalen Vielfalt stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, indem dies als verbindliches Staatsziel in der Sächsischen Verfassung verankert wird. Darüber hinaus soll durch eine bürgernahe Neuausrichtung der kommunalen Daseinsvorsorge die Überlebensfähigkeit der betonten Regionen unmittelbar gestärkt werden.

Die Frage, ob jene Teile unseres Landes, die heute einer permanenten Schrumpfung und Entleerung ausgesetzt sind, als sozial, wirtschaftlich und kulturell durchwachse

ne Lebensräume erhalten bleiben sollen, gehört zu den elementaren Existenzfragen unseres Gemeinwesens. Es wird zwar viel über notwendige politische Maßnahmen infolge des sogenannten demografischen Wandels geredet. Dabei gerät aber aus dem Blickfeld, dass hinter diesem eher wissenschaftlich-trocken anmutenden und zudem verlogenen Terminus ein dramatischer Verfall unseres Landes und seiner Industrie- und Kulturräume steht.

Natürlich gilt dies in regional unterschiedlichem Maße, aber bei nüchterner Betrachtung sind alle sächsischen Regionen davon betroffen. Am besten schneiden noch die Metropolen Dresden, Leipzig und Chemnitz wegen der sogenannten Leuchtturmpolitik ab. Diese wird aber im Zuge des vor uns liegenden Desasters der Globalisierung einen herben, schmerzhaften Rückschlag erleben.

Bewusst unterschlagen die Systempolitiker die Aufgabe der ländlichen Gebiete mit ihren Gemeinden, Dörfern,

Unter- bis Mittelzentren durch die wirtschafts-, verwaltungs- und raumordnungspolitische Konzentration auf einige wenige Regionen. Öffentlich ziehen es die Verantwortlichen vor, von einem unabwendbaren Automatismus zu sprechen, seitdem für die Politik nur reaktive Anpassungen in Betracht gezogen werden. Überlegungen, wie diese Politik umgekehrt werden kann, finden auf der politischen Agenda nicht statt. Das gilt für den sozioökonomischen und somit auch kulturellen Verfall des ländlichen Raumes wie auch für den demografischen Verfall, der von der politischen Klasse betrügerischerweise als demografischer Wandel bezeichnet wird, als ob es sich um einen neuen, nachhaltigen Zustand handeln würde.

Damit will ich deutlich machen, dass bei der Abwägung zwischen verschiedenen politischen Maßnahmen der Erhalt unseres Landes in all seinen Teilen derzeit keinen Stellenwert besitzt, und zwar deswegen nicht, weil es eben kein Staatsziel ist. Genau deshalb will die NPD dies in der Verfassung manifestiert wissen.

Anlässlich der 2. Lesung zur Verwaltungs- und Funktionalreform stellte der Innenminister fest: „Die Notwendigkeit für die Verwaltungsreform ergibt sich aus der demografischen Entwicklung und aus der Veränderung der Zusammensetzung unserer Bevölkerung.“ Die Logik ist klar: Durch den Teufelskreis von Bevölkerungsrückgang und wirtschaftlichem Rückgang ergibt sich für den Innenminister ein Wirtschaftlichkeitsproblem der Verwaltung. Dadurch ist ein Staatsziel, nämlich die sparsame, effiziente Verwaltung, berührt. Da es kein konkurrierendes Staatsziel zum Erhalt der vom Verfall betroffenen Regionen gibt, fällt es den Systempolitikern leicht, sich für die Auflösung der Selbstverwaltung und die Einführung von im Durchschnitt etwa doppelt so großen Verwaltungseinheiten zu entscheiden.