Protocol of the Session on April 16, 2008

Einzelne Fraktionen haben noch Redezeiten. Die Linksfraktion verzichtet. Die SPD-Fraktion hat noch 3 Minuten. – Sie verzichtet ebenfalls; auch die NPD-Fraktion. Aber die Fraktion GRÜNE hat noch Redebedarf angemeldet. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn heute über die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft gesprochen wird, dann darf über die Folgen der intensiven Landwirtschaft für den Natur- und Artenschutz nicht geschwiegen werden, auch wenn es Ihnen in den Reihen der CDUFraktion nicht gefallen mag. Leider denken viele Landwirtschaftspolitiker die Belange des Natur- und Artenschutzes nicht systematisch mit, sodass die Ergebnisse entsprechend sind.

Das Zitat von Herrn Wöller über die Landwirte, die sich über den „Erhalt der Schöpfung sorgen“, wurde in dieser Debatte ja schon des Öfteren benutzt. Doch wie sieht es in Sachsen tatsächlich aus? Dazu möchte ich mit einem weiteren Zitat antworten: „Der Artenrückgang konnte trotz aller Vereinbarungen zwischen Bewirtschaftern und Staat auch nach 1990 bestenfalls partiell aufgehalten werden. Aus Sicht des Artenschutzes kommt man deshalb nicht um die Feststellung herum, dass mit jeder ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten, die natürlichen Lebensräume beeinträchtigt oder zerstört werden. Für die agrarischen Vorranggebiete gilt darüber hinaus, dass der industrialisierte Betrieb und die maschinengerecht hergerichtete, somit uniforme Ackerflur am Artenrückgang beteiligt sind.“

Meine Damen und Herren! Das sind keine Auszüge aus dem GRÜNEN-Parteiprogramm. Wie Kenner bereits wissen, erlaube ich mir, an den passenden Stellen stets aus dem Buch „Naturschutz im Spannungsfeld gesellschaftlicher Interessen“ zu zitieren, verfasst von keinem Geringeren als dem umweltpolitischen Sprecher der CDUFraktion, Herrn Prof. Mannsfeld, von dem auch dieses Zitat stammt. Herr Prof. Mannsfeld liegt mit seiner Einschätzung von der Verantwortung der sogenannten guten fachlichen Praxis als Hauptverursacher des Artenrückgangs durchaus richtig, auch wenn er seine Erkenntnisse als Sprecher in diesem Hause nicht wiederholt.

Meine Damen und Herren! Ich möchte den Artenrückgang der Agrarlandschaft mit einigen Zahlen für die Brutvögel untermauern, denn Brutvögel sind gute Indikatoren und dokumentieren als endständige Glieder der Nahrungskette das Aussterben und den rasanten Rückgang ganzer Artengruppen der Agrarlandschaft. So sind nach den Erhebungen des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten in den letzten Jahren das Braunkehlchen um 51 % und der Neuntöter um 35 % zurückgegangen. Das Rebhuhn ist aus vielen Teilen der Agrarlandschaft bereits verschwunden. Der ehemalige Charaktervogel der feuchten Wiesen und Äcker, der Kiebitz, stirbt demnächst aus, wenn die Entwicklung in der Landwirtschaft so weitergeht. Das besagen die Angaben – –

(Große Unruhe im Saal)

Frau Präsidentin, es ist äußerst laut und unangenehm, gerade aus der FDP-Fraktion.

Meine Damen und Herren! Der Redner hat sich mit Recht etwas mehr Ruhe erbeten. Ich bitte Sie um Respekt.

(Heinz Eggert, CDU: Was war mit dem Rebhuhn?)

Von den insgesamt 900 bis 1 600 Brutpaaren des Kiebitzes, die Mitte der Neunzigerjahre noch vorhanden waren, sind derzeit circa 400 bis 800 Brutpaare übrig geblieben.

Meine Damen und Herren! Ein aktuelles Arbeitspapier des Naturschutzbundes Sachsen verdeutlicht die Gefahr, die von der aktuellen Landwirtschaftsform in Sachsen ausgeht. Zitat: „Für Offenlandarten ist auch nach 1990 keine Stabilisierung eingetreten, sondern die Situation hat sich nach 1995 noch weiter verschärft. Das dürfte für die meisten Organismengruppen gelten. Im Zusammenhang mit der Erzeugung nachwachsender Rohstoffe, dem zunehmenden Anteil von Mais, Raps und anderem in enger Fruchtfolge mit hohen Dünger- und Biozitabgaben, hohem Massenertrag, frühen Ernteterminen sowie dem zunehmenden Einsatz genetisch veränderter Organismen bergen die Gefahr, die Situation weiter zu verschärfen.“

Meine Damen und Herren! Einige in diesem Hause haben am letzten Freitag an der Tagung der Landesstiftung

Natur und Umwelt teilgenommen. Eindrucksvoll wurden uns dabei die verzweifelten Versuche vorgestellt, die allerletzten Exemplare des Feldhamsters auf einer Flur nördlich von Leipzig zu erhalten. Auf der Tagung der Lann hat Prof. Haber, ein viel gesehener und gern eingeladener Gast, wiederum sein Modell der differenzierten Landnutzung vorgestellt. Wir brauchen für eine naturgemäße Landwirtschaft wieder mehr Vielfalt in der technisierten und monotonen Agrarsteppe. Wir brauchen Hecken, Tümpel, Raine und andere Kleinstrukturen. Die Schläge müssen kleiner und auf 30 Hektar begrenzt werden. 5 % der Fläche müssen als Klein- und Verbindungsstrukturen für die Natur reserviert werden. Brachstreifen müssen regelmäßig eingehalten werden.

Der Landwirtschaftsminister Wöller nennt an dieser Stelle gern die Förderung in der Richtlinie Agrarumweltmaßnahmen und Waldmehrung. Doch wir müssen uns eingestehen, dass es diese Förderung in den letzten Jahren nicht vermocht hat, den Verlust an Vielfalt und den Artenrückgang aufzuhalten; denn, meine Damen und Herren, diese Maßnahmen sind nach meinem Eindruck ohnehin eher Fördermaßnahmen für die Landwirtschaft unter dem Deckmantel des Naturschutzes als echte Naturförderung. Sie ist in ihrer Ausgestaltung in der neuen Periode noch weniger geeignet als in der letzten Periode. Diese Misere geht weiter. Wir wissen, die Richtlinie Nationales Erbe, die für die Biotoppflegemaßnahmen erforderlich ist, liegt zwar seit 01.01.2008 vor; leider liegen aber bis heute die möglichen zulässigen Förderantragsformulare noch nicht vor. Damit droht, dass breitflächig die Biotoppflegemaßnahmen nicht rechtzeitig einsetzen können und damit im Grunde die Art und Weise des Schutzes nicht stattfinden kann.

Herr Staatsminister Wöller, ich sage Ihnen ganz eindeutig, dass das handwerkliche Fehler sind, die Ihren Vorgängern nicht unterlaufen sind. Für den Artenschutz in der Agrarlandschaft im Freistaat Sachsen ist es kurz vor zwölf. Verstehen Sie sich nicht allein als Minister für den ländlichen Raum, sondern auch für den Naturschutz, den Artenschutz und die biologische Vielfalt. Ich fordere Sie auf, Sofortmaßnahmen für die Arten der Agrarlandschaft zu ergreifen und die Förderprogramme ins Laufen zu bringen. Ich denke, Sie sollten uns darüber schon im nächsten Plenum berichten, anstatt die sächsische Landwirtschaft in die Sackgasse der Globalisierung zu hetzen, wie Sie es heute in dieser Debatte versucht haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Gibt es noch Redebedarf von den Fraktionen, die noch Zeit übrig haben? – Das ist nicht der Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, dass der Tagesordnungspunkt abgeschlossen ist.

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 1

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, den Sprung in den Tagesordnungspunkt 1 zurück zu machen.

Es liegt inzwischen das Ergebnis der geheimen Wahl eines stellvertretenden Mitglieds für den 1. Untersuchungsausschuss vor. Es wurden 113 Stimmscheine abgegeben; es war keiner ungültig. Demzufolge schlüsseln sich die abgegebenen Stimmen auf folgendes Ergebnis auf: Herr Christian Piwarz erhielt 60 Jastimmen, 40 Neinstimmen und 13 Enthaltungen. Damit hat Herr Christian Piwarz die notwendigen mehr Ja- als Neinstimmen erhalten. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.

(Christian Piwarz, CDU: Ja!)

Danke schön. Damit ist der in dem Wahlvorschlag Genannte gewählt, und ich gratuliere Ihnen. Damit beenden wir den Tagesordnungspunkt 1.

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir nach der Mittagspause wieder mit Wahlen beginnen. Das in Punkt 1 begonnene Prozedere findet also seine Fortsetzung, und ich bitte Sie, pünktlich zu sein. Wir finden uns 14:15 Uhr wieder hier ein.

(Unterbrechung von 13:11 bis 14:15 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen unsere Beratung fort mit dem

Tagesordnungspunkt 3

Wahl eines Mitglieds des 1. Untersuchungsausschusses (gemäß § 4 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz)

Drucksache 4/11864 – zu Drucksache 4/1591 –, Wahlvorschlag der Fraktion der CDU

In der 17. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages wurde entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes die Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des 1. Untersuchungsausschusses durchgeführt. Die Verteilung der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder auf die Fraktionen erfolgt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes nach der Mitgliederzahl der Fraktionen, wobei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung das Verfahren nach d’Hondt zur Anwendung kommt.

Anders als bei den regulären Ausschüssen des Sächsischen Landtages sind gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und deren Stellvertreter vom Landtag nach den Vorschlägen der Fraktionen zu wählen. Dabei muss gemäß § 5 Abs. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes das Mitglied aus dem Kreis der stellvertretenden Mitglieder gewählt werden.

Meine Damen und Herren, Ihnen liegt der Wahlvorschlag der Fraktion der CDU in der Drucksache 4/11864 vor. Wir kommen jetzt zur Wahl. Die Wahl findet nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt. Allerdings kann stattdessen durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter widerspricht. Ich frage Sie daher, ob jemand widerspricht, dass durch Handzeichen abgestimmt wird. –

(Klarer Widerspruch bei der CDU)

Das ist der Fall.

Meine Damen und Herren, da es Widerspruch zur Abstimmung durch Handzeichen gegeben hat, kommen wir

nun zur Durchführung der geheimen Wahl. Hierzu berufe ich aus den Reihen der Schriftführer eine Wahlkommission mit folgenden Mitgliedern des Landtages: Frau Roth als Leiterin, Herrn Colditz, Frau Dr. Raatz, Frau Schüßler, Herrn Dr. Martens und Herrn Weichert. Damit es nach der Wahlhandlung zu keiner längeren Pause kommt, schlage ich Ihnen vor, in der Tagesordnung fortzufahren und das Ergebnis später bekannt zu geben. Ich übergebe das Wort an die Leiterin der Wahlkommission, Frau Roth.

Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten werden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und erhalten einen Stimmschein, auf dem entsprechend der angegebenen Drucksache der Kandidat als Mitglied für den 1. Untersuchungsausschuss aufgeführt ist. Sie können sich zu dem Kandidaten durch Ankreuzen in dem entsprechenden Feld mit Ja, Nein oder Enthaltung entscheiden. Der Kandidat ist gewählt, wenn er mehr Ja- als Neinstimmen hat. Wir beginnen mit der Wahl.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Habe ich jemanden nicht aufgerufen?

(Kurze Unterbrechung)

Meine Damen und Herren! Wir müssen mit unserer heutigen Tagesordnung die Übersicht behalten. Ich schlage Ihnen vor, dass wir den nächsten Tagesordnungspunkt behandeln, bis das Ergebnis der Auszählung vorliegt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes

Drucksache 4/11382, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD

Drucksache 4/11571, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Wir beginnen mit der CDU-Fraktion; Herr Prof. Bolick, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor 13 Monaten hat dieses Hohe Haus das Sächsische Ladenöffnungsgesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt, um infolge der Föderalismusreform die Öffnungszeiten des sächsischen Handels an Wochentagen sowie an Sonn- und Feiertagen zu regeln. Dem gingen umfangreiche Vorberatungen, Anhörungen und Gespräche mit Kammern, Verbänden, Sozialpartnern und Gewerbetreibenden voraus. Wenn wir einen solchen Aufwand auch bei der Festlegung der Öffnungszeiten von Unternehmen und anderen Einrichtungen betreiben müssten, kämen wir im Sächsischen Landtag wahrscheinlich nicht dazu, uns wirklich um die wirtschaftliche Entwicklung zu kümmern. Es war schon schwierig, das Gesetz unter Dach und Fach zu bringen. Ich bin froh, dass wir nicht noch mehr Gesetze dieser Art hier im Sächsischen Landtag erarbeiten müssen.

Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten – Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Verbände, Kammern, Kirchen, Verbraucher – war das Gesetzgebungsverfahren nicht sehr einfach. Auch die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in der Koalition haben eine zügige Verabschiedung nicht gerade vereinfacht. Das Gesetz stellt einen Kompromiss zwischen den beiden Koalitionsfraktionen dar. Kompromisse haben es nun einmal an sich, dass nicht jeder mit dem Ergebnis zufrieden ist.

Während wir uns eine stärkere Liberalisierung an Werktagen gewünscht hätten, um Bürokratie und Regulierungsdichte abzubauen, waren Arbeitnehmervertreter der Meinung, dass damit das Verkaufspersonal über Gebühr belastet werde. Ein Jahr Erfahrung mit dem Sächsischen Ladenöffnungsgesetz zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Öffnungszeiten wurden, wenn überhaupt, nur geringfügig ausgeweitet und teilweise – wegen ausbleibender Nutzung – sogar wieder zurückgenommen. Eine völlige Freigabe hätte aus unserer Sicht daran nichts geändert. Die herbeigeredeten Szenarien existieren nicht.