Protocol of the Session on March 7, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 103. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Ich habe zunächst die angenehme Aufgabe, Herrn Thomas Schmidt von der CDU-Fraktion ganz herzlich zum Geburtstag zu gratulieren. Alles Gute und Gottes Segen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Prof. Milbradt, Herr Flath, Frau Schöne-Firmenich, Frau de Haas, Frau Matthes, Herr Schön, Frau Köditz, Herr Eggert, Frau Henke, Frau Windisch, Frau Mattern, Herr Mirko Schmidt, Frau Klinger und Herr Hilker.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

(Unruhe im Saal)

Folgende Redezeiten sind durch das Präsidium festgelegt worden:

Meine Damen und Herren, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir bereits angefangen haben.

Folgende Redezeiten sind für die Tagesordnungspunkte 9 bis 14 vom Präsidium festgelegt worden: CDU 101 Minuten, Linksfraktion 77 Minuten, SPD 47 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 35 Minuten, fraktionslose MdL je 6 Minuten, Staatsregierung 77 Minuten.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung die Tagesordnungspunkte 3 bis 8, 3. Lesungen, zu streichen, da wir sie bereits vorgestern durchgeführt haben.

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung Ihrerseits noch Änderungs- und Ergänzungswünsche gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann ist diese Tagesordnung von Ihnen bestätigt.

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit gleich zum

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Keine Steuergeldverschwendung für SED-Denkmal – Karl-Marx-Erinnerungskult in Leipzig verhindern

Antrag der Fraktion der NPD

2. Aktuelle Debatte: Genpflanzen in Sachsen – Risiko für Mensch und Natur

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Verteilung der Gesamtredezeiten der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD

17 Minuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 17 Minuten, Staatsregierung 20 Minuten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Keine Steuergeldverschwendung für SED-Denkmal – Karl-Marx-Erinnerungskult in Leipzig verhindern

Antrag der Fraktion der NPD

Zunächst spricht die Fraktion der NPD, danach CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Herr Gansel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 30. Mai jährt sich zum 40. Mal der Tag der Sprengung der Paulinerkirche in Leipzig. Rote Kulturbarbarei führte zur Zerstörung eines 700 Jahre alten Denkmals, das alle Kriege heil überstanden hatte. Mit der Sprengung wurde ein Gotteshaus

zerstört, das Heimstatt für die evangelische Universitätsgemeinde, den Universitätschor, die katholische Propsteigemeinde und die Studentengemeinden war. Die Demonstrationen gegen die Sprengung der Paulinerkirche waren die größten politischen Unmutsbekundungen in der DDR zwischen dem 17. Juni 1953 und dem 9. Oktober 1989. Das Bekenntnis zu den kultur- und baugeschichtlichen Werken der Stadt Leipzig und gegen Staatswillkür haben nicht wenige der Protestierenden mit hohen Gefängnisstrafen oder mit der politisch motivierten Einweisung in die Psychiatrie bezahlt.

Genau an der Stelle, wo sich früher der Ostgiebel mit dem Altar des Sakralbaus befand, ließ die SED ein gigantisches 7 mal 14 Meter großes und 33 Tonnen schweres Bronzerelief namens „Aufbruch“ aufstellen. Dieses sollte in den Augen seiner Auftraggeber „Karl Marx und das revolutionäre, weltverändernde Wesen seiner Lehre“ darstellen. Die riesige Marx-Platte sollte das in Bronze gegossene Symbol des Sieges der Stalinisten über die Religion sein, der Geßlerhut eines Regimes, an dem kein Student vorbeikam, der an der Universität Leipzig eingeschrieben war.

Im August 2006 wurde das Marx-Relief im Zuge der Neugestaltung des Universitätsgeländes abmontiert, was allein schon 150 000 Euro kostete. Viele Leipziger, mit Ausnahme natürlich von Stasi-Mann Külow und seinem Genossenanhang, haben diese Demontage des RiesenMarx vor anderthalb Jahren als eine längst überfällige Befreiung von einer stalinistischen Altlast empfunden, wie sie vielerorts in Mitteldeutschland schon in der Wendezeit 1989/90 vollzogen wurde. Marx wurde abmontiert, Thälmann eingeschmolzen und Lenin an schrullige Sammler verkauft. Fast überall landeten die Helden der SED-Bonzokratie auf dem Schrottplatz der Geschichte.

Nur in Leipzig scheinen die Stadtoberen und die Universitätsleitung einen Narren an dem SED-Kitsch gefressen zu haben. Während sich die SPD im Streit um eine Zusammenarbeit mit den SED-Nachfolgern gerade selbst zerfleischt und in Umfragen zur politischen Glaubwürdigkeit regelrecht abstürzt, scheint es in Leipzig zwischen SPD und Linken aber längst eine geschichtspolitische rot-rote Koalition zu geben. Kein Wunder, wächst hier doch zusammen, was zusammengehört. 1946 schlossen sich in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands unseligen Angedenkens zusammen.

Die Karl-Marx-Nostalgiepflege im Leipzig des Jahres 2008 ist eine Spätfolge und gleichzeitig eine Neuauflage dieser roten Einheitsfront. Anstatt sich Zeit für eine längere Denkpause zu nehmen, um zu klären, was mit dem Monument passieren solle, wie es der Schriftsteller Erich Loest vorschlug, haben sich Universität, Stadt und Wissenschaftsministerium in geradezu atemloser Hast für eine Reinstallierung des zweifelhaften Denkmals starkgemacht und sich mit diesem Ansinnen zum Bedauern der NPD durchgesetzt.

Völlig gleichgültig ist den Karl-Marx-Liebhabern anscheinend, dass die Wiederaufstellung der Bronzetafel bei einer übergroßen Mehrheit der Leipziger Bürger auf entschiedene Ablehnung stößt. So stimmten bei einer TED-Umfrage von „Bild“ Leipzig 80,2 % der knapp 2 000 Anrufer bei der Frage „Marx einmotten oder wieder auf dem Uni-Campus aufstellen“ für die Beseitigung des roten Kitsches. Eine Zuschauerbefragung des MDRKulturmagazins „artour“ ergab eine Ablehnung von mehr als 70 % und selbst 50,37 % der von der „Leipziger Volkszeitung“ Befragten sprachen sich für die Variante „Einschmelzen oder Auslagern“ aus.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die Leipziger noch nicht von ihren Instinkten verlassen wurden und sich noch daran erinnern können, weshalb ihnen das Marx-Relief zu DDR-Zeiten vor die Nase gesetzt wurde, nämlich als Stein gewordene Drohung gegen das freie Wort in Universität und Gesellschaft. Dass für diesen Karl-MarxErinnerungskult ein Jahr vor dem 20. Jahrestag der friedlichen Volkserhebung auch noch 300 000 Euro Steuergeld gegen den erklärten Willen der Leipziger verpulvert werden, ist eine Geschmacklosigkeit sondergleichen. Und dass Ministerpräsident Milbradt zu führungsschwach ist, um seine Wissenschaftsministerin Stange, heute SPD, gestern SED, zurückzupfeifen, ist ein politisches Armutszeugnis. Wie schon beim peinlichen Herumeiern in Sachen Gedenkstättengesetz hat die CDU mit ihrem ausgebliebenen Widerstand gegen die Renaissance des Marx-Reliefs das Vertrauen der SED-Opfer im Freistaat verspielt.

Bitte zum Schluss kommen.

Während die CDU-Fraktion auch geschichts- und erinnerungspolitisch nach links rückt, wendet sich die NPDFraktion konsequent gegen historischen Gedächtnisverlust und linksgestrickte Geschichtsklitterung und wird damit ganz sicher den SED-Opferverbänden im Freistaat aus dem Herzen sprechen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Clemen, bitte.

Herr Gansel, anscheinend leidet auch Ihre Fraktion ein klein wenig an Gedächtnisverlust. Heute vor 75 Jahren haben Ihre Vorgänger Fritz Busch vom Dirigentenpult der Dresdner Staatskapelle vertrieben.

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD – Gelächter bei der NPD)

Daran, meine Damen und Herren, sollten Sie sich mal erinnern und uns nicht diese Debatten aufzwingen, obwohl wir selbst in der Lage sind, diese geschichtlichen Fragen zu lösen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von der Linksfraktion)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Wiederaufstellung des Karl-MarxReliefs ist ein Schlag ins Gesicht all der Leipziger, die im Jahr 1989 für die friedliche Revolution um den Leipziger Ring gezogen sind.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

So habe ich mich bereits am 29. Februar öffentlich geäußert, und, meine Damen und Herren, dazu stehe ich auch heute noch.

Das Marx-Relief „Aufbruch“ der Künstler Ruddigkeit, Schwabe und Kuhrt verherrlicht die Ideologie eines Mannes, der Folgendes formuliert hat: „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnungen. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.“ So, meine Damen und Herren, endet das programmatische Hauptwerk von Karl Marx „Manifest der Kommunistischen Partei“ von 1848.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: „Das Kapital“ ist Hauptwerk!)

Das Hauptwerk kann auch „Das Kapital“ sein, je nachdem, ob man es gesellschaftspolitisch oder wirtschaftspolitisch betrachtet, sehr geehrter Herr Porsch.

Aber in dieser Frage ist es ideologisch das Hauptwerk, und zwar aus folgendem Grund.

Auch wenn diese Gedanken später von Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, Jossif Wissiarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin, Mao Zedong und anderen Diktatoren des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt, zum Teil pervertiert und in ihrem Namen dann wiederum Millionen Menschen umgebracht wurden, so war es doch Karl Marx, der die Grundlagen all dieser abstrusen Theorien gelegt hat. Wollen Sie wirklich einem solchen Mann weiterhin an so prominenter Stelle in Leipzig, der Stadt der friedlichen Revolution, ein Ehrenmal setzen?