Protocol of the Session on March 6, 2008

Diesmal war Herr Böhmer sehr schnell mit Erklärungsmustern und damit Auslöser der jüngsten öffentlichen Debatte. Der Ministerpräsident des Landes SachsenAnhalt hat die aktuellen Fälle von Kindstötungen mit dem liberalen Abtreibungsrecht der DDR in Verbindung gebracht; eine absurde Argumentation.

Dieser Äußerung von Herrn Böhmer wollte man anscheinend auch in der sächsischen Union nicht nachstehen. Und wie meistens in solchen Fällen ist es Herr Staatsminister Flath, der am lautesten ins Horn bläst. Da gibt es dann erschreckenderweise auch kein inhaltliches Abrücken mehr durch die zuständige Sozialministerin Orosz.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Infolge der Äußerung von Herrn Flath nicht, Frau Orosz.

Sie nehmen nur harmlose Protokolltermine wahr, um bis zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Juni ja keinen Fehler zu machen.

(Zuruf von der Linksfraktion: Das ist der Fehler! – Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das ist leider nichts Neues. Wir kennen das bereits, als Herr Flath gegen die Kinderkrippen polemisierte. Dieses Mal verstieg er sich zu der Unterstellung, der Abbruch der Schwangerschaft sei für immer mehr Frauen ein Mittel der Familienplanung.

Herr Flath, die traditionelle, konservative Polemik gegen eine selbstbestimmte Schwangerschaft und gegen den Respekt vor der niemals einfachen Entscheidung von Frauen ist schon ärgerlich genug; wenn man diese dann aber auch noch in den Zusammenhang mit Kindstötungen bringt und subtil unterstellt, eine Kindstötung würde von den betroffenen Frauen einfach nur als eine etwas verspätete Maßnahme der Familienplanung betrachtet, als eine Art Erweiterung eines liberalen Abtreibungsrechts – das haben Sie nicht wörtlich so gesagt, aber das suggerieren Sie –, dann ist es einfach nur perfide.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Flath, im Unterschied zu Ihnen ist Herr Böhmer in der Zwischenzeit kräftig zurückgerudert und hat im sachsen-anhaltischen Landtag deutliche Selbstkritik geübt – die ich mir in der Form übrigens manchmal auch von der Sächsischen Staatsregierung wünschen würde –

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

und zumindest für die unsägliche Äußerung um Vergebung gebeten. Von Ihnen, Herr Flath, fehlt bis heute jede Entschuldigung. Es hilft auch nichts, wenn Sie in Nebensätzen Ihres Interviews durchaus ein paar gesellschaftliche Ursachen solcher Verbrechen benennen, denn die Lösungsvorschläge der Staatsregierung setzen ja gar nicht an den Notlagen an. Nein, es ist nur die übliche Symbolpolitik. Es wird für viel Geld ein Frühwarnsystem als Modell vorgestellt. Funktionierende Strukturen wie beispielsweise Kindertagesstätten werden jedoch in den Überlegungen vernachlässigt.

Die Jugendämter sind heute schon nicht in der Lage, allen eingehenden Warnungen, Frühwarnungen mit der gebotenen Nachhaltigkeit nachzugehen. Nach der Kreisgebietsreform werden die noch viel weiter von den Problemen entfernten Jugendämter weitaus weniger dazu in der Lage sein. Das ist schon absehbar.

Was in den letzten Jahren vernachlässigt wurde, ist frühe Hilfe oder überhaupt nur Hilfe für Kinder und Jugendliche. Was Jahr für Jahr zusammengestrichen worden ist, das sind die Mittel für ganz normale Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe. Zusammengestrichen wurden regelmäßig auch soziale Beratungsstellen verschiedenster Art. Beim Schutz der Kinder geht es eben nicht nur um Tötungs- und Misshandlungsdelikte, sondern auch um einen umfassenden Schutz und um eine umfassende Unterstützungsleistung.

Frau Schwarz, Frau Nicolaus, Sie haben über verbindliche Vorsorgeuntersuchungen gesprochen. Aber nach eigener Auskunft der Staatsregierung sind wir nicht einmal in der Lage, die gesetzlich vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchungen der Kinder zu gewährleisten. Die durchschnittliche Teilnahme beträgt im Kindergartenalter sachsenweit nur 75 %, in der 2. und 3. Klasse gar nur 62 %, im Regierungsbezirk Leipzig gerade einmal 38 %. Die Ursachen sind nicht etwa nachlässige Eltern, die durch ein Frühwarnsystem genauer beobachtet werden könnten. Nein, es fehlt schlicht und einfach an Ärzten, sodass in manchen Landkreisen diese Untersuchungen komplett entfallen. Angesichts dieser Tatsache wird auch eine für die Eltern verbindliche Regelung nichts am Dilemma eines wirksamen Kinderschutzes ändern.

Meine Damen und Herren der Koalition, tun Sie wenigstens da das Nötigste! Die Selbstbespiegelung im Landtag gehört jedoch nicht dazu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Debatte ist so allgemein gehalten, dass sich unwillkürlich einige Fragen auftun: Wovor sollen wir unsere Kinder schützen? Vor Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch? Vor Gewalt oder Pornografie im Fernsehen und auf der

Straße, wenn Kinder am Christopher Street Day fragen: „Mutti, was sind das für komische halbnackte Männer in Frauenkleidern?“ Oder vor Leistungsdruck, vor Zukunftsängsten? Oder sollten wir sie vielleicht sogar vor einem Übermaß an Toleranz und Weltoffenheit schützen?

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Und weiter: Wie sollen wir unsere Kinder bilden? Sollen wir sie auf ein Leben in einer globalisierten Leistungsgesellschaft vorbereiten, ellenbogenorientiert, flexibel, mobil, wurzel- und bindungslos? Herr Staatsminister Flath hat erst kürzlich in einem Interview sinngemäß beklagt, dass viele Eltern ihre Kinder keinem Leistungsdruck aussetzen möchten, und auch eine Studie der CDUnahen Adenauer-Stiftung weist auf den Verzicht auf „alte“ Erziehungsziele wie Gehorsam, Anpassung und Pflichtbewusstsein hin.

Der Punkt ist doch der: Was für ein Kinderbild haben wir? Wie stellen wir uns unsere Kinder vor? Was möchten wir mit unserer Erziehung erreichen? Ich meine, es wird viel zu häufig vergessen, dass in dem Wort „Erziehung“ das Wort „ziehen“ steckt – im Sinne von Einwirkung, Führung, Lenkung.

Pflichtbewusstsein und Leistungsbereitschaft sind in der Tat Ziele, die man weniger gern ausspricht als das so beliebige und daher beliebte Wort „Angebote“, das meiner Ansicht nach entweder überstrapaziert oder sinnentfremdet verwendet wird – oder beides.

Kommen wir noch einmal zum Schutz der Kinder zurück. Aus Sicht der Nationaldemokraten ist es überflüssig, besondere Rechte des Kindes in das Grundgesetz aufzunehmen. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen. Das wäre nur ein Stück beschriebenes Papier mehr. Um es einmal ganz drastisch zu formulieren: Kein einziges Kind weniger würde in einem Blumenkübel oder in einer Kühltruhe „entsorgt“ werden, weil irgendetwas irgendwo niedergeschrieben steht.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Diese unendlich bedauernswerten Kinder hatten allerdings auch überhaupt keine Chance, sich in irgendeiner Weise zu bilden. Nun, die Haltung meiner Partei zu Kindermördern und Kinderschändern ist hinlänglich bekannt und sollte inzwischen auch bei Ihnen angekommen sein: lebenslängliche Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung – ohne Wenn und Aber!

(Beifall bei der NPD)

Aber das Thema heißt ja „Kinder schützen – Kinder bilden“. Ich möchte deshalb noch einen Punkt ansprechen, der vor Kurzem von den Frauen in meiner Regionalgruppe heftig diskutiert wurde. Leider darf ich den Stein des Anstoßes hier nicht zeigen. Das ist schade. Aber stellen Sie sich bitte eine Schülerzeitung vor, finanziert unter anderem vom ESF, von der Bundeszentrale für politische Bildung und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Auf der Titelseite sieht man ein

lesbisches Paar, ein schwules Paar, ein Mädchen mit Kopftuch und einen Jungen im Kaftan, einen krassen Fall von Fettleibigkeit, kurz, alle nur denkbaren Problem- und Randgruppen sowie die Schlagzeile „Suchen Mitläufer“.

(Zurufe von der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Ich frage Sie ernsthaft: Was für eine Bildung soll das sein, und sollte man unsere Kinder nicht vor dieser Art „Bildung“ schützen?

(Unruhe bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Welche Werte sollen hier vermittelt werden? Einen großen Raum in dieser Ausgabe von „Q-rage“ nimmt eine Outing-Geschichte ein, also die Geschichte eines Schülers, der seine Gleichgeschlechtlichkeit der ganzen Welt mitteilen möchte. Außerdem war in dieser Schülerzeitung ein sogenannter Nazitest. Jetzt, meine Damen und Herren, wissen wir endlich, dass man schon Nazi ist, wenn man gute deutsche Küche mag oder wenn man sich bei der Namenswahl seiner Kinder an deutschen Namen orientiert. Das ist Ihnen sicherlich auch neu.

(Anhaltende Unruhe)

Ich bitte doch um etwas mehr Ruhe, denn wir verstehen hier vorn auch nichts, und dann erwarten Sie, dass wir in die Debatte eingreifen, wenn es erforderlich ist. – Bitte.

Aber niemand scheint an dieser Art Hetze Anstoß zu nehmen. Man hat ja genug damit zu tun, die Schulkinder vor unseren Schulhof-CDs und der Jugendzeitung „Perplex“ zu schützen.

Zum Abschluss – und weil es so gut zum Thema Kinderschutz und -bildung passt – möchte ich noch über etwas sprechen, was mich persönlich sehr beschäftigt hat. Ich bin kein Christ, aber ich weiß, dass eines der zehn Gebote, nämlich das fünfte, fordert, Vater und Mutter zu ehren. Das ist nicht nur ein christliches Gebot, sondern in allen Kulturen ein elementares und nicht hinterfragbares biologisches Axiom. Was aber nun, wenn die Eltern Nazis waren?

Der konkrete Anlass: Ein gewisser Herr Frank hat eine Chemnitzer Schule besucht und dort einen Vortrag über seine Eltern gehalten. Sein Vater, Hans Frank, war von 1939 bis 1944 Generalgouverneur in Polen, und seine Mutter – Herr Frank war damals vier Jahre alt, aber er weiß es noch ganz genau – war so eine Art Blutgräfin der eroberten polnischen Gebiete. Ein Mann, dessen Erinnerungshorizont der eines Kleinkindes gewesen ist, der wie jeder andere Mensch in Deutschland nach 1945 die vermeintlichen oder echten Gräueltaten vom Hörensagen oder aus Büchern kennt, entwirft also vor Schulkindern ein von Selbsthass zerfressenes Zerrbild seiner Eltern.

Was werden die Chemnitzer Schüler von diesem Vortrag an Bildung mitgenommen haben? Du sollst Vater und

Mutter ehren? Du sollst Vater und Mutter ehren, solange sie ins politisch korrekte Bild passen?

Bitte zum Schluss kommen!

Ja. – Ich will nicht hoffen, dass eines Tages ein Mensch, zum Beispiel mit dem Nachnamen Porsch, durch unsere Schulen tingelt, etwa mit dem Titel „Mein Vater, der Stasi-Kommunist – eine Abrechnung“.

(Antje Hermenau, GRÜNE, tritt ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich wünsche niemandem so etwas.

(Unruhe bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Schutz und Bildung unserer Kinder sind Dinge, die uns Nationalen genauso am Herzen liegen wie jedem anderen anständigen Menschen; –

Frau Schüßler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

– aber vielleicht, meine Damen und Herren, verstehen wir darunter etwas anderes als Sie.