Protocol of the Session on March 5, 2008

grundrechtsrelevanten Gesetzgebungskompetenz hinaus einzig und allein zur Festlegung regionaler Grundrechtseinschränkungen mit Sondergesetzcharakter.

Hinzu käme, dass das Bundesversammlungsgesetz als eine Art Gesetzestorso in einer nicht mehr reformierbaren Fassung mitgeschleppt würde. Das wäre umso schlimmer, da sich dieses Gesetz ohnehin im desolaten Zustand befindet.

Ich weise nur darauf hin, dass nicht einmal die Weiterentwicklung des Versammlungsrechts durch das Brockdorf-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1985 in das Gesetz eingearbeitet wurde. Viele wesentliche Aspekte dieses Urteils, zum Beispiel die Eilversammlung, Spontandemonstrationen, Versammlungsfreundlichkeit, Kooperation zwischen Behörde und Veranstalter, kommen im Gesetz nicht einmal vor.

Dem Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht die bloße Gefahr für die öffentliche Ordnung, also nicht etwa für die öffentliche Sicherheit, als keinen ausreichenden Grund für ein Verbot oder Auflagen sieht, ist im Gesetz auch nicht Rechnung getragen. Es ist in der Tat so, dass vom Bundesgesetzgeber und vielen Behörden fast alles ignoriert wurde, was in den letzten Jahrzehnten durch die Rechtsprechung zur Wahrung von Grundrechten entwickelt wurde.

Fazit: Eine solche Vorgehensweise kommt für die NPD unter keinen Umständen infrage. Da aber die begründete Befürchtung besteht, dass die Entwicklung gerade in diese Richtung geht, fühlt sich die NPD verpflichtet, dem Landtag einen eigenen Entwurf vorzulegen.

Damit realisieren wir die vierte mögliche Vorgehensweise für die neue Gesetzgebungskompetenz, nämlich ein komplett neues Versammlungsgesetz, das zwar auf dem existierenden Bundesversammlungsgesetz aufbaut, gleichzeitig aber Erkenntnisse aus der versammlungsrechtlichen Praxis der letzten Jahrzehnte berücksichtigt und vor allem jene überfälligen Korrekturen beinhaltet, die verfassungsrechtlich notwendig sind.

Und in der Tat sind diese notwendig. Denn im Bereich des Versammlungsrechts hat sich in den letzten Jahren eine Willkürpraxis entwickelt, die zu schweren Rechtsverstößen führt und geeignet ist, immer größere Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der BRD zu wecken, bzw. den Ver

dacht nährt, dass sich der Rechtsstaat immer stärker in einen Linksstaat, einen Unrechtsstaat verwandelt.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Als prominenter Zeuge für diese alarmierende Feststellung sei Prof. Hoffmann-Riem zitiert, der zuständige Richter für Versammlungsrecht am 1. Senat des Bundesverfassungsgerichtes.

In der „Juristischen Wochenzeitung“ schrieb er wie folgt: „Hätte ich die vielen Akten über die von mir aus verfassungsgerichtlicher Warte geprüften Entscheidungen nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte nicht geglaubt, dass einzelne Behörden und Gerichte in diesem Fall so nachhaltig fehlerhaft handeln würden. Manche Entscheidungen erwecken den Eindruck, als sei mit großer Fantasie nach Gründen gesucht worden, wie man die jeweiligen Versammlungen verbieten kann, und dies, obwohl das Grundgesetz von dem Grundsatz „im Zweifel für die Freiheit“ ausgeht und die Beweislast für das Vorliegen einer Gefahr, deretwegen die Versammlung verboten werden darf, bei der Behörde liegt. Es entsteht manchmal der Eindruck, als werde hier ein spezieller, die Rechtsextremisten besonders treffender Maßstab angelegt und als gebe es besondere Instrumente zur Verhinderung ihres Freiheitsgebrauchs.“

Vor allem vor dem Hintergrund des Brokdorf-Beschlusses ist der Beitrag brisant, denn hier ist unter anderem festgelegt: Die staatlichen Behörden sind gehalten, nach dem Vorbild friedlich verlaufender Großdemonstrationen versammlungsfreundlich zu verfahren und nicht ohne ausreichenden Grund hinter bewährten Erfahrungen zurückzubleiben. Je mehr die Veranstalter ihrerseits zu einseitigen, vertrauensbildenden Maßnahmen oder zu einer demonstrationsfreundlichen Kooperation bereit sind, desto höher rückt die Schwelle für behördliches Eingreifen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

An anderer Stelle heißt es: „Die Forderung an die staatlichen Behörden, nach dem Vorbild friedlich verlaufender Großdemonstrationen versammlungsfreundlich zu verfahren und nicht ohne zureichenden Grund hinter bewährten Erfahrungen zurückzubleiben, entspricht den Bestrebungen nach verfassungsrechtlicher Effektuierung von Freiheitsrechten. Eine Verpflichtung, diese Erfahrungen nicht nur in Erwägung zu ziehen, sondern tatsächlich auch zu erproben, lässt sich verfassungsrechtlich zusätzlich dadurch rechtfertigen, dass dies das mildere Mittel gegenüber Eingriffen in Gestalt von Verboten oder Auflösung ist.“

Die Praxis, meine Damen und Herren, sieht anders aus. Praktisch routinemäßig verboten die Behörden auf politische Weise nationale Versammlungen unter freiem Himmel. Auf rechtsstaatsverhöhnende und steuergeldverschwendende Weise erklärten Bürgermeister und Landräte öffentlich: Wir gehen zwar davon aus, dass das Verbot nicht gerichtsfest sei, werden es aber trotzdem einfach anordnen. In manchen Städten wird sogar im Stadtrat über

das Demonstrationsverbot aus politischer Motivation abgestimmt. Die Mehrheit ist natürlich dafür, worauf die Versammlungsbehörde angewiesen wird, das Verbot zu erlassen und sich pseudojuristische Begründungen aus den Fingern zu saugen, die vor keinem Verwaltungsgericht standhalten.

Diese Grundrechtsverachtung und die völlig offen zur Schau getragene Verletzung der Rechtsordnung prägt bis heute die versammlungsrechtliche Praxis. Es dürfte deutlich werden, dass bei einer Reform des Versammlungsgesetzes die Überarbeitung und Präzisierung der Kriterien für ein behördliches Einschreiten mit an erster Stelle stehen muss.

Genau dies ist in unserem Gesetzentwurf der Fall. Im § 15 werden die Kriterien „Verbot“, „Auflösung“ und „Auflagen“ so präzise festgelegt, dass für Willkürentscheidungen kein Spielraum mehr ist. Für die Verfügung von Verboten oder Auflagen sind künftig Tatsachen erforderlich, aus denen sich ergibt, dass bei Durchführung der Veranstaltung die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet wäre.

Hier sind schon zwei Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes berücksichtigt: erstens das Erfordernis von Tatsachen und zweitens die Unzulässigkeit eines Einschreitens ausschließlich wegen einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Für die Verhängung von Auflagen legt unser Entwurf fest, dass dies nur zulässig ist, wenn sie eine verbotsbegründende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit beseitigen oder zum Schutz eines anderen, gegenüber dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gleich- oder höherwertigen Rechtsgutes erlassen werden.

Meine Damen und Herren, derzeit werden vollkommen beliebige Auflagen verhängt, zum Beispiel das Verbot bestimmter Parolen – etwa so gefährliche Aussprüche wie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ – oder die Beschränkung der Anzahl mitgeführter Fahnen. Das, meine Damen und Herren, ist Willkür und in keiner Weise zu begründen.

Wird die öffentliche Sicherheit nicht durch die betreffende Veranstaltung selbst, sondern durch sogenannte Gegenveranstaltungen gefährdet, so sind die Maßnahmen der Behörde nur gegen diese, nicht aber gegen die von den Störern attackierte Ursprungsveranstaltung zu richten. Gegen diese friedlichen Veranstaltungen sind Maßnahmen nur unter der Voraussetzung des polizeilichen Notstandes zulässig, das heißt, nur wenn die Polizei nicht in der Lage ist, für Recht und Ordnung zu sorgen. Wird eine friedliche Veranstaltung wegen Notstandes verboten oder aufgelöst, ist die Behörde verpflichtet, öffentlich bekannt zu geben, dass dies nicht wegen Fehlverhaltens des Veranstalters erfolgte, sondern durch ein von der Polizei nicht mehr verhindertes rechtswidriges und gewalttätiges Verhalten externer Störer.

Dies dient der öffentlichen Rehabilitierung der Veranstalter und der Teilnehmer der friedlichen Versammlung. Wenn das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wegen gewalttätiger Störungen Dritter eingeschränkt werden

muss, weil die Polizei nicht einschreiten kann oder will, so haben die Betroffenen zumindest einen Anspruch auf öffentliche Rehabilitierung.

Rechte Versammlungen wurden zeitweise mit dem Verweis auf angeblichen Notstand verboten, und zwar ohne dass die Öffentlichkeit aufgeklärt wurde, dass von diesen Versammlungen selbst keine Gewalt zu erwarten war. Das sind untragbare Zustände, die den Rechtsstaatsanspruch der Bundesrepublik Deutschland ad absurdum führen und deswegen beseitigt werden müssen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der NPD)

Ich denke, angesichts des Umstandes, dass die Zeit abgelaufen ist und dass die Prioritäten für den Gesetzentwurf und einige seiner inhaltlichen Kernpunkte verständlich dargestellt werden konnten, würde ich mir zum Abschluss wünschen, dass dieser Gesetzentwurf, der im Gegensatz zu dem der Staatsregierung wahrhaft liberal

und wirklich rechtsstaatlich ist, Ausgangspunkt einer breiten öffentlichen Diskussion sein wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Es ist vorgeschlagen, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Verfassungs-, Rechts- und Europausschuss – federführend – und an den Innenausschuss zu überweisen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und wenigen Stimmen dafür ist die Überweisung dennoch beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes

Drucksache 4/11382, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der SPD

Wird noch einmal Einbringung gewünscht? – Herr Abg. Bolick, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über den Sachverhalt haben wir schon vor einer halben Stunde ausführlich diskutiert. Ich möchte noch einmal kurz auf die Gründe eingehen, weshalb wir das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Ladenöffnungsgesetzes einbringen.

Wir wollen die Möglichkeit schaffen, an den Feiertagen Totensonntag, Bußtag, Volkstrauertag, Ostersonntag und Pfingstsonntag Waren bestimmter Gruppen – nämlich Blumen, Zeitungen, Zeitschriften, Bäcker- und Konditorwaren, frische Milch und Milcherzeugnisse – zu verkaufen. Das ist das Anliegen unseres Gesetzentwurfes.

Herr Morlok, ich kann gar nicht verstehen, warum Sie vorhin die Situation so dramatisiert haben. Dass wir Ihr Montagsfeiertagsschutzgesetz nicht annehmen konnten, versteht sich ja. Das haben wir dargelegt. Aber dieses Gesetz, welches wir jetzt einbringen, entspricht genau dem, was Sie im Ausschuss – Herr Brangs sagte es schon – nach der Auszeit eingebracht haben. Dazu, dass Sie die Variante sehen, wir würden den Mittelstand benachteiligen, sage ich: Wir reagieren auf die Probleme.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Kollege Prof. Bolick, wenn Sie sagen, dass das, was wir im Ausschuss eingebracht haben,

genau dem entspricht, was Sie hier als Gesetzentwurf einbringen, warum haben Sie dem dann im Ausschuss nicht zugestimmt?

Warum, habe ich im Ausschuss begründet. Ich habe gesagt, es gibt noch Klärungsbedarf zu einigen Feiertagen, zum Beispiel zum 1. Mai. Mittlerweile entspricht die Klärungssituation zum 1. Mai genau dem, was Sie eingebracht haben.

Ich denke, wir haben mittlerweile gemerkt, dass alle dieses Gesetz wollen und dass die Notwendigkeit erkannt ist. Wir wissen auch, dass eine gewisse Eilbedürftigkeit besteht. Für den Freitag haben wir eine Sondersitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr einberufen. Wir hoffen, dass wir das Gesetz dort entsprechend behandeln können.

Wir bitten um Unterstützung für unseren Gesetzentwurf und um Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.

(Beifall bei der CDU)

Jawohl, darum geht es, meine Damen und Herren. Wer dem Überweisungsvorschlag, auch des Präsidiums, an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zustimmen möchte, der melde sich bitte jetzt. – Danke. Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 15

Entwicklung und Auswirkungen von Lkw-Überholverboten auf Autobahnen im Freistaat Sachsen

Drucksache 4/11360, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Mehr Sicherheit auf sächsischen Autobahnen – Lkw-Überholverbote ausweiten