Klar ist und bleibt beiden Koalitionspartnern aber auch, dass das sächsische Gesetz über die Stiftung unserer Gedenkstätten hier im Lande nur ein rein spezifisch auf unsere im Freistaat vorhandenen Erinnerungsorte zugeschnittenes Gesetz und damit nur ein Teil der demokratischen Erinnerungskultur sein kann. Dort unterscheiden wir uns, Kollege Hahn. Keinesfalls kann das Gesetz ausstrahlen oder als Schablone wirkender Regelungen in anderen Ländern oder sogar auf Bundesebene gesehen werden.
Es befasst sich vielmehr ausschließlich mit jenen Erinnerungsorten hier in Sachsen, die als Gedenkstätten zu bewahren sind.
Es ist und bleibt das maßgebliche Ziel der Koalition, insbesondere die Vertreter des Zentralrates der Juden und andere Opfer der Nazidiktatur wieder in die Mitwirkung einzubeziehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wichtigste vorab, damit es nicht in einer eventuellen hitzigen Debatte untergeht: Es gibt keinen Sozialdemokraten, den ich kenne, der die Singularität der Verbrechen des Holocaust in irgendeiner Weise abwertet.
Ich bin seit 1990 in diesem Hause. Ich kenne aber auch keinen einzigen CDU-Abgeordneten, der diese Singularität leugnen würde.
Meine Damen und Herren! Durch die Geräuschkulisse von links bin ich angeregt, eben doch einiges zu Ihnen zu sagen.
Ich bedanke mich beim Landtagspräsidenten, denn er ist derjenige, der jedes Jahr den Gedenktag zum Holocaust
organisiert und in einer hohen Würde in diesem Haus durchführen lässt. In zwei Tagen ist es wieder so weit.
Die von der Linksfraktion angeregte Debatte zwei Tage vor diesem Ereignis halte ich für gelinde gesagt eine Provokation und für kontraproduktiv.
Ich habe nicht ewig Redezeit. Ich erinnere daran, dass der letzte Gedenktag – nicht zum Holocaust –, den wir hier gemeinsam begangen haben, am 3. Oktober war, als wir durch die hervorragende Rede über die DDR-Geschichte von Herrn Gauck alle stark beeindruckt waren.
Die Rede ist inzwischen auch dokumentiert. Da schickte die Linksfraktion, Herr Kupfer, zwei ihrer Vorsitzenden aus protokollarischen Gründen, wie sie selbst angaben. Sie fehlten geschlossen, weil sie dies nicht hören wollten.
Für mich ist der Holocaust immer ein Tag der tiefsten Betroffenheit. Ich oute mich – das ist kein Geheimnis – unter anderem aus tiefer Scham, weil mein Vater – ich war vier Jahre, als er starb – von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP war. Scham ist es, was mich berührt, wenn ich über diese Zeit nachdenke, und das wird bis zu meinem Lebensende so sein.
Aber wenn die Linksfraktion heute zum Beispiel von Opfern des Stalinismus spricht, dann ist das eine Verniedlichung. Stalin starb 1953. Wir haben die Opfer eines SED-Regimes zu beklagen,
Es ist absolut kontraproduktiv, wenn heute der Redner der Linksfraktion, der Fraktionsvorsitzende, sich hier hinstellt und die Staatsministerin praktisch in ihrem Auftreten gegenüber den Opferverbänden bestärken will.
Sie soll die politische Durchsetzungskraft gegenüber der CDU stärken; Originalton von Herrn Hahn vor zwei Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich bringe es dann in meinem zweiten Redebeitrag. Ich habe mich geoutet als Sohn eines NSDAP-Mitgliedes.
Meine Cousine ist in den frühen Sechzigerjahren nach fünf Jahren Strafverbüßung aus dem Zuchthaus Bautzen entlassen worden. Ihr Verbrechen bestand darin, dass ihr Mann Mitglied der Gruppe Harich in Berlin war, die nichts anderes machte, als darüber zu diskutieren – es waren alles SED-Mitglieder –, einen demokratischen
Sozialismus in der DDR anzustreben. Er war Drehbuchautor. Er wurde zu zehn Jahren verurteilt, und seine Gattin wurde verurteilt, weil sie ihn nicht angezeigt hatte, obwohl sie wusste, dass er in dieser Gruppe mitarbeitete; fünf Jahre Bautzen.
Sie saß vermutlich, da die Zuchthäuser beider Regime überfüllt waren – oder logischerweise –, auch in einer Zelle, in der schon in der NS-Zeit Unschuldige saßen.
Ich gestatte jetzt keine. Ich habe nur noch wenige Sekunden Redezeit und möchte meinen Gedanken zu Ende bringen.
Ich will noch einmal betonen: Die Singularität, die Einmaligkeit der fabrikmäßigen Tötung Andersdenkender, anders religiös Denkender, Angehöriger von Minderheiten und Kranker ist die schlimmste Schweinerei, die in der deutschen Geschichte passiert ist.
Diese sensible Angelegenheit, dass nämlich unter Umständen Opfer der einen Diktatur dann aus Rache Täter der anderen Diktatur wurden, muss aufgearbeitet werden mit einem Fingerspitzengefühl, wozu diese Debatte von der Fraktion angeregt genau das Gegenteil bewirkt.
(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Warum sind Opferverbände ausgetreten? Kein Wort dazu! )
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem sich die Linksfraktion bereits Anfang November 2007 die durchsichtige Kritik der NS-Opferverbände an der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zu eigen gemacht hat, überrascht das Thema dieser Aktuellen Debatte wirklich nicht, geht es der Linken doch offensichtlich um die grobe Verharmlosung des roten Mauermörderregimes.
Die SED/PDS/LINKE betont seit Beginn der 4. Legislaturperiode, als sie im Kampf gegen Rechts auch von der CDU einen demokratischen Persilschein erhielt, unablässig, zum demokratischen Spektrum in diesem Haus zu gehören. Mit Demokratie im Sinne einer echten deutschen Volksherrschaft hat DIE LINKE bekanntermaßen aber nichts am Hut.
Sie, meine Damen und Herren Genossen, gehören bloß zum bundesrepublikanischen Schuld- und Sühnekartell unter der gestrengen Führung des Zentralrates der Juden.
Indem sie sich seiner Schattenherrschaft und Opfer-Monopolisierung unterwerfen, sind die Linken zumindest partiell in der Bundesrepublik angekommen.
Seltsam nur, dass diesen Anbiederungskurs gegenüber dem Zentralrat auch die Altgenossen der Linksfraktion mitmachen, obwohl der Antizionismus als Spielart des sogenannten Antisemitismus doch Staatsdoktrin der DDR war. Aber ihre politische Wandlungsfähigkeit und machtpolitische Biegsamkeit haben die Linkssozialisten ja seit 1990 hinreichend unter Beweis gestellt.