Protocol of the Session on October 24, 2017

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

die Hälfte von null entlasten. Dann bleibt immer noch null.

Die mittleren Einkommen profitieren auch nur verhältnismäßig. Sie würden sehr wohl profitieren von einer Steuerentlastung, wenn man den Verlauf der Progression insgesamt verändern würde und zu einem linearen Verlauf käme, aber tatsächlich sieht es ja so aus, dass gerade im Bereich der kleineren Einkommen die Progression unverhältnismäßig stark ansteigt. Von daher kann wenig Entlastung auch nur wenig bringen oder, wie es der Kollege Lothar Binding von der SPD-Bundestagsfraktion einmal ausgedrückt hat: „Geringverdiener bezahlen in der Regel kaum Steuern, aber bereits hohe Beiträge zur Sozialversicherung. Von einer alleinigen Absenkung des Einkommenssteuertarifs würden sie im Gegensatz zu den hohen Einkommen kaum profitieren.“

Die Gruppe der unteren und mittleren Einkommen kann man also sehr gut über die Beitragssätze zur Sozialversicherung entlasten. Ich würde mir daher wünschen, dass die Wiedereinführung der paritätischen Beitragszahlung in der Krankenversicherung Wirklichkeit würde, denn die Beitragssätze in der Krankenversicherung steigen ausschließlich für die Versicherten, nicht aber für die Arbeitgeber.

(Beifall von der SPD und vereinzelt bei der LIN- KEN.)

Die Versicherten bezahlten bereits 2016 im Schnitt 8,4 Prozent ihres Einkommens für die gesetzliche Krankenversicherung. 2020 könnten es nach Expertenschätzungen 9,7 Prozent sein. Der Beitragssatz für die Arbeitgeber ist hingegen bei 7,3 Prozent festgeschrieben. Würden die Arbeitgeber wieder die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags zahlen, käme dieses Geld gerade bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen an. Es würde außerdem die Einnahmen des Landes nicht schmälern.

Sie, Herr Minister Toscani, haben in der Sitzung des Ausschusses für Finanzen und Haushaltsfragen am 07. Juni 2017 ausgeführt: „Wir haben also ganz konkret für die Jahre 2018 und 2019 Steuermindereinnahmen infolge einer Steuerreform in Höhe von 20 Millionen Euro in der Mittelfristigen Finanzplanung eingepreist und ab dem Jahr 2020 in Höhe von 60 Millionen Euro. 60 Millionen Mindereinnahmen durch eine Steuerreform bedeuten auf Bundesebene ein Volumen von 15 Milliarden Euro.“ - So lauteten Ihre damaligen Ausführungen.

60 Millionen Euro, meine Damen und Herren, das sind 75 Prozent von 80 Millionen. Das heißt, ohne diese Steuersenkung des Bundes könnten wir ab dem Jahr 2020 jährlich zum Beispiel nochmals drei Viertel der Tilgungssumme zusätzlich in den Abbau der Schulden stecken oder - was mir lieber wäre - in sinnvolle Projekte investieren.

Die vom Finanzminister in der HF-Sitzung erwähnten 15 Milliarden Euro entsprechen dem, was die CDU vor der Bundestagswahl an Steuersenkungen angekündigt hat. Wenn wir die Presse der letzten Tage verfolgen, so finden wir auch von den übrigen potenziellen Koalitionären milliardenschwere Vorschläge, für die das Gleiche gilt, was der damalige Ministerpräsident Peter Müller im Oktober 2009 über die Koalitionsvereinbarung von Union und FDP sagte: „Alles dies bedeutet eben auch entweder weniger Einnahmen oder mehr Ausgaben.“ Gleichzeitig bezweifelte er, dass die Länder unter diesen Bedingungen in der Lage sein würden, die Schuldenbremse einzuhalten.

Es darf einfach nicht dazu kommen, dass wir den Beschäftigten sowie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes in den letzten Jahren so viel abverlangt haben und in den nächsten zwei Jahren noch abverlangen müssen, um den Konsolidierungspfad einhalten zu können, um uns dann am Ende der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene in der Vergeblichkeitsfalle wiederzufinden.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN.)

Es darf nicht sein, dass die Erfolge bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen durch Maßnahmen der neuen Bundesregierung zunichte gemacht werden. Bei den Anhörungen zum Haushalt 2018 habe ich in den letzten Tagen viele Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner erlebt, die uns erzählt haben, dass ihnen langsam, aber sicher die Luft ausgeht. Sollten alle Bemühungen der letzten Jahre vergeblich gewesen sein?

Die Ministerpräsidentin nimmt an den Koalitionsverhandlungen teil. Ich bitte Sie daher, Frau Ministerpräsidentin, setzen Sie sich bei den Koalitionsverhandlungen dafür ein, dass wir einen Ausgleich für die dadurch bedingten Einnahmeausfälle beziehungsweise Ausgabensteigerungen erhalten. Es darf nicht sein, dass all unsere Sparbemühungen vergeblich waren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN.)

Wenn dann noch der vom Innenminister angekündigte Altlastenfonds für die Kommunen kommt, dann können wir alle wieder glücklich und optimistisch in die Zukunft schauen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN.)

Für die CDU-Landtagsfraktion hat Herr Abgeordneter Alexander Funk das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Eder-Hippler! Jetzt müssen Sie nur noch Ihren Bundesvorsitzenden über

(Abg. Eder-Hippler (SPD) )

zeugen, dass die SPD auf Bundesebene nicht in die Opposition geht. Dann können Sie bei all diesen Punkten, die Sie angesprochen haben, natürlich mitregieren.

(Heiterkeit. - Beifall von der CDU.)

Lesen bildet. Insofern erlaube ich mir an dieser Stelle, auf den Vorlesetag der Stiftung Lesen am 15.11. hinzuweisen. Viele von uns werden dann in die Kindergärten und Schulen gehen, um den Jüngsten die Bedeutung des Buches näherzubringen und die Bedeutung des Lesens schmackhaft zu machen. Was für die Jüngsten im Land gilt, gilt natürlich auch für die Ältesten hier im Haus: Lesen bildet. Es kommt aber auch darauf an, was man liest. Herr Lafontaine, ich unterstelle ja nicht, dass Sie kein belesener Mann sind.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Ich danke Ihnen für diese Großzügigkeit.)

Wir sind einmal zusammen von Berlin zurückgeflogen. Sie haben neben mir gesessen und „Das Kapital“ von Karl Marx gelesen.

(Sprechen.)

Ihre heutige Rede haben Sie an Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren angelehnt. Wir machen uns die Welt -

(Lautes Sprechen und Beifall von den Regie- rungsfraktionen. - Zuruf: Bitte singen!)

Das überlasse ich der Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, wobei, Herr Lafontaine, Ihre Rede mich eher an einen Film erinnert hat: Und täglich grüßt das Murmeltier. Es ist ständig und immer wieder die gleiche Rede, die gleiche Leier. Wenn man über den saarländischen Landeshaushalt spricht, dann hilft es natürlich auch, den Landeshaushalt zu lesen und sich an den Fakten zu orientieren. Dann kann man viel besser mitdiskutieren. Aber Ihre Rede ist immer die gleiche: Die Schulden seien zu hoch. Wenn die Zinsen um 1 Prozent stiegen, dann werde die ganze Finanzplanung über Bord geworfen. Der Spitzensteuersatz müsse erhöht werden. Die Investitionen seien zu niedrig.

Zu den einzelnen Punkten. Die Schulden seien zu hoch. Ich war von 2004 bis 2009 Mitglied im Landtag. Damals habe ich die SPD immer wieder genervt mit einem Zitat aus Ihrer ersten Regierungserklärung.

(Abg. Roth (SPD) : Murmeltier. - Lachen.)

Auch da das Murmeltier. Eugen Roth, ich verspreche, ich kann es jetzt einfach nicht lassen, in Anwesenheit von Herrn Lafontaine dieses Zitat zu bringen. Ich verspreche, es ist das letzte Mal für diese Periode. Aber Sie haben 1985 gesagt: Ich werde mich daran messen lassen, wie ich die Schulden

des Landes abbaue. - Am Ende Ihrer Regierungszeit waren die Schulden doppelt so hoch. Damals habe ich immer gesagt, es sind die Schulden der SPD. Jetzt weiß ich nicht, ob ich sagen muss, es sind die Schulden der LINKEN. So bin ich ja gar nicht mehr. Auch ich bin etwas älter, weiser, vielleicht auch belesener geworden.

(Lautes Sprechen. - Zuruf: Altersmilde.)

Die Ministerpräsidentin hat in ihrer Rede deutlich gemacht, dass natürlich jede Regierung ihre Gründe hatte, die Finanzpolitik so zu gestalten. Wir hatten im Saarland schwierige Zeiten, auch mit dem Strukturwandel. Es ist insofern überhaupt nicht sinnvoll, uns gegenseitig vorzuwerfen, von wem die Schulden sind. Wir müssen uns vielmehr mit der Realität befassen. Die Realität ist, dass wir hohe Schulden haben. Aber zu dieser Realität gehört auch, dass wir vereinbart haben, das Defizit abzubauen. Zu dieser Realität gehört, dass wir kurz davor sind, eine schwarze Null zu haben. Dann kann man diesen Erfolg zumindest einmal würdigen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. La- fontaine (DIE LINKE) : Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Schulden in unserer Regierungszeit gesunken sind. Lernen Sie das mal!)

Wir können gerne noch einmal nachlesen. Sie sind nämlich gestiegen.

(Sprechen.)

Aber Sie werfen uns vor, wir würden nicht zuhören. Da bin ich bei dem zweiten Punkt: Zinsen. Das wurde hier schon häufiger gesagt. Wenn das Zinsniveau um ein Prozent steigen würde, würde das den Landeshaushalt um 140 Millionen Euro belasten. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass Sie nicht zuhören. Gestern hat der Finanzminister deutlich gemacht, dass ein mögliches Risiko durch steigende Zinsen zwar vorhanden ist, aber dass der Landeshaushalt gut aufgestellt ist, um dieses Zinsrisiko beherrschen zu können. Das Zinsniveau ist heute nämlich immer noch deutlich niedriger als die Durchschnittsverzinsung der Altschulden. Durch ein kluges Zinsmanagement, durch lange Laufzeiten bis 2040 und auch weil es keine neuen Schulden mehr gibt - durch einen mittelfristigen Schuldenabbau ab 2020 werden wir die Gesamtzinsausgaben von 384,5 Millionen Euro mittelfristig deutlich senken können. Insofern ist dieses Horrorszenario, das Sie gemalt haben, schlicht und ergreifend falsch.

Drittens wollen Sie den Spitzensteuersatz erhöhen. Es gehört auch zu einer politischen Debatte, dass man die Unterschiede deutlich macht. Sie wollen die Menschen, die hier arbeiten und für unseren Wohlstand sorgen, weiter belasten. Unser Ziel ist es, gerade die mittleren und niedrigen Einkommen deutlich

(Abg. Funk (CDU) )

zu entlasten. Das ist der Unterschied, der in einer solchen Debatte deutlich wird.

Aber es geht ja auch gar nicht darum, dass wir hier eine Bundestagsdebatte führen, sondern es geht darum, dass wir hier über den saarländischen Haushalt und die Realität diskutieren. Die Realität ist nun einmal so, dass der Kuchen ein Volumen von 4,2 Milliarden Euro hat, mit dem wir umgehen müssen. Wir können natürlich im Rahmen der Haushaltsberatung darüber diskutieren, ob das eine Stückchen Kuchen größer oder das andere etwas kleiner werden soll, aber der Kuchen ist nun einmal so vorgegeben und kann nicht beliebig vergrößert werden.

Wir alle sind gewählt worden, um uns mit dieser Realität auseinanderzusetzen. Zumindest wir als Regierungskoalition nehmen diesen Auftrag ernst und werden deshalb ganz viel in die Bildung investieren. Wenn Sie sich den Haushalt anschauen, dann fließt fast ein Drittel dieser 4,2 Milliarden in die Bildung. Ein anderer Schwerpunkt für uns ist die innere Sicherheit. Auch da werden wir mehr Geld investieren. Insgesamt sind es 273,3 Millionen Euro. Aber es reicht auch hier nicht aus, nur mehr Personal für die Polizei einzustellen. Wir müssen den Beamten im Polizeidienst vielmehr den Rücken stärken und ihre Kompetenzen erweitern sowie dafür sorgen, dass sie einen Rückhalt sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung haben.

Dazu zählt auch das Justizwesen, damit die Verbrecher, die dingfest gemacht wurden, schnell ein Strafverfahren bekommen. Insofern bin ich dem Justizstaatssekretär Roland Theis dankbar, dass er angekündigt hat, bis Ende des Jahres die Stellen bei der Staatsanwaltschaft auf 60 zu erhöhen, also deutlich zu verstärken, um auch hier unser Gemeinwesen zu stärken.

Ein anderer Punkt sind die Investitionen: 365,4 Millionen Euro. Herr Lafontaine, Sie haben angesprochen, es würde sich hier eine Investitionslücke im Vergleich zu anderen Bundesländern auftun. Ich weiß nicht, welche Studie Sie zurate gezogen haben. Ich beziehe mich auf eine Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2013. Damals lagen die Investitionsausgaben einschließlich der Kommunen im Saarland bei 813 Euro pro Einwohner. Das war die vierthöchste Investitionsquote aller Bundesländer nach Hessen, Bayern und Baden-Württemberg. Nur NRW mit 674 Euro pro Einwohner hatte eine niedrigere Investitionsquote. Für 2016 liegen noch keine Zahlen mit Extra-Haushalten vor, aber für den Landeshaushalt sind es 495 Euro pro Einwohner, auch da ist NRW mit 410 Euro pro Einwohner niedriger und wir belegen den neunten Platz, wenn man nur den Landeshaushalt betrachtet. Mittelfristig wollen wir auf 10 Prozent anheben, auch hier ein Vergleich: Rhein

land-Pfalz hat eine durchschnittliche Investitionsquote von 7,1 Prozent.

Es wird hier ja immer so getan, als seien die Investitionen, die zu niedrig seien, ein Gegensatz zu der Schuldenbremse. Natürlich müssen wir mehr investieren. Ich glaube, es gibt keinen Abgeordneten hier im Haus, der nicht eine Idee hätte, wo wir mehr Geld ausgeben könnten. Aber die Schuldenbremse an sich war ein absolut notwendiger Paradigmenwechsel, denn die alte Finanzpolitik hat zu einer Asymmetrie geführt: In konjunkturell schlechten Zeiten wurden die Ausgaben nicht reduziert und in guten Zeiten wurden die Ausgaben noch einmal erhöht. Damit ist Schluss, wenn ab 2020 keine neuen Schulden mehr gemacht werden dürfen.

Der Bund hat bereits vorgemacht, dass der Spagat zwischen Sparen und Investieren gelingen kann. Der Bund macht seit 2014 keine neuen Schulden mehr und hat einen Investitionshochlauf gestartet. Ich verweise nur auf den Bereich Verkehr: 2013 wurden noch rund 10 Milliarden Euro für Verkehr ausgegeben, jetzt sind wir bei über 14 Milliarden Euro. Das zeigt, dass man sehr wohl den Haushalt konsolidieren und investieren kann. Aber die Erfahrung im Bund, gerade im Bereich des Verkehrs, macht deutlich, dass es nicht ausreicht, bei der Haushaltsberatung mehr Geld bereitzustellen, sondern das Geld muss auch verbaut werden. Und gerade im Verkehrsbereich gibt es lange Planungsvorlaufzeiten, das kostet also etwas Zeit. Insofern ist unsere Strategie richtig, dass wir, um den Investitionshochlauf 2020 vorzubereiten, 2018 und 2019 die personellen Voraussetzungen gerade auch im Wirtschaftsministerium schaffen, um dann ab 2020 das Geld auch verbauen zu können.

Insgesamt ist die Schuldenbremse kein Selbstzweck, Herr Flackus, das haben Sie richtig gesagt.

(Abg. Flackus (DIE LINKE) : Ich habe gesagt, die schwarze Null ist kein Selbstzweck.)

Oder die schwarze Null, ich korrigiere mich, aber auch die Schuldenbremse ist kein Fetisch für uns, sondern es ist generationengerecht, es ist wichtig, dass wir keine neuen Schulden machen, dass zukünftige Generationen mehr Spielraum haben. Wohin es führt, wenn man immer neue Schulden macht, sehen wir an Griechenland. Die jetzige griechische Bevölkerung badet eine verfehlte Finanzpolitik über Jahrzehnte aus. Das wollen wir weder hier im Saarland noch in Deutschland und deshalb halten wir auch an dieser Finanzpolitik fest.