Protocol of the Session on December 1, 2020

nung, in der es um die Einschränkung von Grundrechten geht, eine Sondersitzung des Parlamentes haben können. Mein persönlicher Wunsch ist, dass das am besten vor der Beschlussfassung geschieht. Wenn ich es mal platt sagen kann, ist es so: Die Entscheidungen, die während der Woche vorbereitet werden, finden in der Regel freitags statt. Dann kann freitagsmorgens das Parlament tagen und mittags die Regierung. So hat man alles an einem Tag mit einem guten Grad der Legitimation.

Ich will einige Bemerkungen zum aktuellen Infektionsgeschehen machen. Es ist leicht rückläufig, aber es befindet sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Wir stehen im internationalem Vergleich sehr gut da, im bundesweiten Vergleich sind wir im vorderen Feld. Wenn man dort die Grenzen ziehen und sich auf die Veränderungen und Unterschiede konzentrieren will, sind sie nicht zwischen Saarland und Rheinland-Pfalz zu finden, sondern im Vergleich zwischen Saarland und Lothringen oder zwischen Saarland und Luxemburg. Die Zahl der Menschen, die sich wegen COVID-19 im Krankenhaus befinden, liegt seit Tagen und Wochen stabil um 200. Die Zahl derjenigen, die auf Intensivstationen sind, liegt zwischen 50 und 60, und die Zahl der Menschen, die beatmet werden, zwischen 20 und 25. Das heißt, wir haben medizinisch die Lage im Saarland weiterhin im Griff. Deswegen möchte ich von dieser Stelle aus ein herzliches Wort des Dankes an die Beschäftigten in den Krankenhäusern, die Ärztinnen und Ärzte, die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger aussprechen, die dort einen super Job machen, Leid vieler Menschen lindern und Leben retten. Herzlichen Dank für diese tolle Arbeit!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wenn wir uns die Zahlen anschauen, müssen wir leider feststellen, dass es nach wie vor rund 30 Tote jede Woche im Saarland gibt. Das ist eine hohe Zahl, die uns Sorgen machen muss und uns das Maß an Verantwortung aufzeigt, mit dem wir in den nächsten Wochen mit dieser Pandemie umgehen müssen.

Ich will die Landesregierung und das Sozialministerium ganz herzlich loben und mich bedanken. Gut gelungen ist die verbesserte Ausstattung in den Krankenhäusern mit Beatmungsgeräten und Beschaffung von Schutzmaterialien. Vieles, was in der ersten Welle knapp war, steht jetzt in ausreichendem Maße zur Verfügung. Dort ist wirklich gut gearbeitet worden. Es gibt aber auch Bereiche, wo es noch besser hätte laufen können. Da nenne ich das Thema Qualifizierung von Krankenpflegerinnen und Krankenpflegern in Richtung Intensivmedizin. Das hat es zwar im Saarland gegeben, aber bei Weitem nicht so systematisch wie beispielsweise in unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz. Hier rege ich an, Frau Ministerin, dass die Landesregierung mit der Saarländischen Krankenhausgesellschaft schnell ein Qualifizierungsprogramm auflegt, damit die Beat

(Abg. Müller (AfD) )

mungsplätze auf den Intensivstationen, die wir jetzt haben, mit ausreichend Personal begleitet werden, wenn wir es brauchen. Das wäre sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD.)

Die Zahlen insgesamt. Wir haben nach wie vor eine hohe Inzidenz, das Saarland ist nach wie vor ein Risikogebiet. Deshalb ist es wichtig, wie es in unseren Gesundheitsämtern aussieht. Ich sage immer, sie sind unser schärfstes Schwert im Kampf gegen die Pandemie. Natürlich sind die Gesundheitsämter auch im Saarland von dieser zweiten Welle schwer mitgerissen worden und teilweise war auch ein bisschen Land unter. Es gab Probleme, in der Kürze der Zeit genügend Personal zur Verfügung zu stellen. Die Organisation musste mitwachsen, entsprechende Ausstattung, Technik und Büros mussten beschafft werden. Deswegen hat die Nachverfolgung nicht mehr überall in dem Maße funktioniert, wie es vorher der Fall war und wir es uns wünschen. Es kommt deshalb nach wie vor zu Bearbeitungszeiten bei der Mitteilung von Testergebnissen, beim Verhängen der Quarantäne und bei der Nachverfolgung, die zu lange sind. Jeder Tag, den wir hier verlieren, führt im Grunde zu zusätzlichen Infektionen, die vermieden werden könnten, wenn wir dort noch besser aufgestellt wären. Deshalb möchte ich einerseits ein großes Lob und Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aussprechen, die in den Gesundheitsämtern einen wirklich harten Job machen, mehr als 8 Stunden jeden Tag arbeiten, samstags und sonntags arbeiten und eine tolle Leistung vollbringen. Andererseits möchte ich einen dringenden Appell an das Gesundheitsministerium richten, hier gemeinsam mit den Landkreisen noch mehr Verantwortung zu übernehmen, sodass wir die Defizite, die es dort noch gibt, möglichst schnell abbauen.

Eine Sache müssen wir noch stärker in den Blick nehmen, nämlich die Menschen, die sich nicht an die Regeln und Vorschriften halten, die in Quarantäne sind, aber nicht zu Hause bleiben, die auf einen Test warten, aber trotzdem weiter durch die Gegend laufen, die nicht informieren, dass sie betroffen sind, und damit andere gefährden. Diese Menschen müssen wir in Zukunft stärker bestrafen, als das bisher der Fall ist. Diesem Thema müssen wir deutlich stringenter nachgehen, als das bislang der Fall ist.

Es ist mehrfach gesagt worden: Wir brauchen mehr Daten, wir brauchen bessere Daten und vor allen Dingen brauchen wir einen besseren Umgang mit den Daten, die wir haben oder haben könnten. Ich will das jetzt nicht noch mal im Detail ausführen. Ich habe diese Woche einen Beitrag über eine erfolgreiche Existenzgründerin aus dem Saarland im Radio gehört, die ein System zur Gewinnung von Daten entwickelt, mit dem die Arbeit von Kühlgeräten untersucht wird, die in Rechenzentren stehen. Sie kann anhand ihrer Daten bestimmen, wann ein Kühlgerät demnächst kaputtgeht. So kann man dafür

sorgen, dass es rechtzeitig ausgetauscht wird. Wenn kluge Frauen aus dem Saarland das können, dann müsste auch unser Gesundheitsministerium in der Lage sein zu sagen, wie viele Menschen in Altenheimen, in Krankenhäusern und in Reha-Einrichtungen getestet wurden. Das, was wir brauchen, ist möglich. Es muss endlich gemacht werden.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will einige Worte zur Arbeit unseres Gesundheitsausschusses sagen, weil ich immer wieder den Eindruck habe, dass sie nicht ausreichend wahrgenommen wird. Hier geht es nicht um ein Selbstlob, sondern darum, dass das Parlament auch in der Öffentlichkeit mit seiner Arbeit wahrgenommen wird. Wir tagen wöchentlich in der Regel drei bis vier Stunden. Wir haben regelmäßig die Landesregierung, Herrn Dr. Rissland von der Virologie, die Kassenärztliche Vereinigung, die Saarländische Krankenhausgesellschaft, die Pflegegesellschaft, den Landkreistag und die Gesundheitsämter zu Gast. Wir hatten auch schon die Jugendämter oder unsere Partner in SaarLorLux da. Wir haben verschiedene Funktionen zu erfüllen. Dazu gehört natürlich die Kontrolle der Regierung. Wir stellen dort die Fragen, die die Bürgerinnen und Bürger auch jeden Tag stellen und an uns weiterleiten. Wir setzen Impulse für die Arbeit der Regierung. Am Ende stellen wir mit dieser Ausschussarbeit Öffentlichkeit her, denn über fast jede dieser Ausschusssitzungen wird in der Saarbrücker Zeitung, im Saarländischen Rundfunk und im Onlinebereich berichtet. Das sind wichtige Funktion dieser Parlamentsarbeit, die wir dort leisten. Wir alle sind gemeinsam dort in den letzten Monaten zu Corona-Experten geworden. Deshalb will ich an alle Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich Danke sagen, die dort mit viel Fleiß und Disziplin Ausschussarbeit machen. Ich möchte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung danken, die uns bei dieser Arbeit begleiten und unterstützen.

Corona ist eine Systemkrankheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das gilt für den menschlichen Körper, aber es gilt auch für unsere Gesellschaft. Sie trifft alle Teile. Über die Auswirkungen auf das Bildungssystem haben wir schon in vielen Landtags- und Ausschusssitzungen gesprochen. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeit sind außerordentlich dramatisch. Sie sind heute zum Teil schon zur Sprache gekommen. Viele Menschen haben wegen Corona bereits ihren Arbeitsplatz verloren. Viele Selbstständige und Freiberufler haben ihre Existenz verloren oder müssen ernsthaft darum fürchten. Viele Menschen sind in Kurzarbeit geraten und haben deshalb ein niedriges Einkommen. Wir haben in der Saarbrücker Zeitung vor wenigen Tagen eine Statistik lesen können, die bestätigt hat, was wir vermutet haben: Je niedriger die Einkommen der Menschen sind, desto größer sind die Einbußen für die Famili

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

en durch Corona. - Das heißt umgekehrt, dass nicht diejenigen, die am lautesten schreien, auch wirtschaftlich und sozial die größten Probleme durch Corona haben. Es sind die Minijobberinnen und Minijobber, deren Job häufig weggefallen ist. Es sind die Menschen in der Gastronomie, die ohnehin niedrige Einkommen haben. Deshalb habe ich im Übrigen viel Sympathie für die Forderungen, dort das Kurzarbeitergeld auf 100 Prozent hochzufahren. Es sind die Studierenden, deren Nebenjobs weggefallen sind. Es sind die Familien, die niedrige Einkommen haben und vielleicht ein Darlehen für ein kleines Häuschen oder eine Anschaffung, die man vor zwei oder drei Jahren gemacht hat, zu bezahlen haben. Sie kommen mit 60 Prozent ihres Einkommens eben nicht mehr über die Runden, weil sowieso alles auf Kante genäht ist.

Deshalb ist meine Schlussfolgerung: Corona macht in dieser Gesellschaft die Armen ärmer. Corona macht auch die einsamen Menschen noch einsamer, wenn sie keinen Besuch mehr bekommen können. Corona macht kranke Menschen noch kranker. Ich erinnere beispielsweise an Selbsthilfegruppen, die sich jetzt nicht mehr treffen können und deren Teilnehmer deshalb mit ihrer Krankheit alleine bleiben. Corona benachteiligt Schülerinnen und Schüler, die es im Bildungswesen ohnehin schwieriger haben. Corona ist eine Herausforderung für den Kinderschutz. Ich erinnere an den Bericht der Psychotherapeutenkammer in der gestrigen Ausgabe der Saarbrücker Zeitung. Wir haben das Thema im Gesundheitsausschuss schon mehrfach intensiv besprochen und uns bemüht, Hilfen zur Verfügung zu stellen. Corona ist deshalb eine große sozialpolitische Herausforderung für uns alle. Es ist auch eine besondere Aufgabe der Sozialdemokraten in diesem Parlament, das zu benennen und den Menschen eine Stimme zu geben, deren Existenz durch Corona nicht nur gesundheitlich, sondern auch wirtschaftlich und sozial gefährdet ist. Das habe ich heute versucht. Es darf sich nicht das wiederholen, was sich bei den Menschen als Gefühl während der Finanzkrise eingeschlichen hat, dass nämlich den Banken und Konzernen geholfen wird und der kleine Mann selbst schauen muss, wo er bleibt und wie er durch die Krise kommt. Deshalb ist eine wesentliche Lehre für mich in dieser Corona-Pandemie, dass wir soziale Ungleichheit in diesem Land grundsätzlich abbauen müssen, die öffentliche Infrastruktur stärken müssen und für alle Herausforderungen der Zukunft einen starken Staat brauchen, der den Schwachen gerade in Zeiten der Krise hilft.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will einige Bemerkungen zu einer besonderen Problematik machen, die uns morgen im Ausschuss noch einmal beschäftigen wird. Es geht um die Situation der älteren Menschen. Sie haben im Durchschnitt die höchste Sterblichkeit. Wir wissen es vom

Regionalverband, der diese Daten veröffentlicht. Im Durchschnitt sind die Menschen, die an Corona sterben, 80 Jahre alt. Die Betroffenheit der älteren Menschen ist im Saarland deutlich größer als im Bundesdurchschnitt. Mich besorgt zusätzlich, dass der Anteil an positiv Getesteten, die 60 Jahre und älter sind, in den letzten Wochen deutlich gestiegen ist. Vor wenigen Wochen war noch weniger als jeder Fünfte, der coronapositiv war, 60 Jahre und älter. Heute ist es schon mehr als jeder Vierte. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird bald fast jeder Dritte, der 60 Jahre oder älter ist, an Corona erkrankt und damit in besonderer Weise gefährdet sein. Wir müssen schauen, dass wir Instrumente entwickeln wie zum Beispiel die Antigen-Tests, um diesem Trend entgegenzuwirken, sonst werden wir bei der Zahl der Toten eine dramatische Entwicklung haben. Hier greife ich eine Forderung aus einem Gespräch mit Trägern auf: Wir brauchen beispielsweise eine Studie darüber, wie das Coronavirus in Altenheime eingeschleppt wird. Sind es die Mitarbeiter oder wer auch immer? - Wir wissen es im Moment nicht. Wir brauchen Daten und deshalb rege ich an, das wissenschaftlich zu untersuchen.

Wir haben diese schwierige Situation auch in den Altenheimen, obwohl wir die strengsten Regeln für Besuche haben. Ich bedaure deshalb sehr, dass es so lange gedauert hat, bis vor sechs oder acht Wochen die Entscheidung kam, dass Besuche auf den Zimmern wieder erlaubt werden. Leider kam diese Entscheidung zu spät. Es ist verständlich, dass sie wieder aufgehoben und zurückgenommen werden musste. Wir brauchen jetzt aber schnell die Entscheidung - und das ist abschließend noch nicht geregelt -, dass man mit der Verwendung von diesen Antigen-Tests auch einen Besuch auf den Zimmern unter strengen Voraussetzungen wieder ermöglicht. Es kann nicht sein - und ich halte das am Ende auch für verfassungswidrig, das sage ich mal so -, dass manche Leute seit neun Monaten keinen Besuch auf ihrem Zimmer erhalten können, obwohl sie in einem Altenheim und nicht in einem Gefängnis leben. Das müssen wir ändern! Dafür brauchen wir möglichst schnell entsprechende Regeln der saarländischen Landespolitik.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN.)

Ich will noch kurz sagen - ich kann es nur noch knapp tun -, dass wir im Bereich der Tagespflege erhebliche Probleme haben bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, dass wir im Bereich der ambulanten Hilfen noch zu wenig wissen, wie dort das Infektionsgeschehen eigentlich ist und dass auch die pflegenden Angehörigen Unterstützung brauchen.

Ich will auch bekräftigen, was der Ministerpräsident heute gesagt hat, dass die Bereitschaft, sich an der Impfkampagne zu beteiligen, für den Erfolg unserer gemeinsamen Anstrengungen extrem wichtig ist. Die Impfung ist die Chance, die wir haben, um die Pan

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

demie zu besiegen. Es muss mit dieser Impfung so schnell wie möglich gehen. Es ist zwar noch nicht genau geklärt, wie das ablaufen wird, aber es ist selbstverständlich, dass der Impfstoff so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt wird. Wir bleiben gemeinsam mit der Landesregierung dran. Ich sage aber auch, bei der Debatte um den Impfstoff dürfen wir nicht nur nach uns schauen, sondern müssen auch auf die Menschen in der Dritten Welt schauen. Wir haben eine Verantwortung, dass auch dort geimpft werden kann. Am Ende können wir nicht die Einzigen sein und meinen, wenn wir nicht nach den anderen schauen, dann wären wir schon gerettet.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Die Corona-Pandemie wird uns zumindest noch Wochen und Monate begleiten. Sie ist am Ende eine Herausforderung für unsere Demokratie, nicht nur deshalb, weil es Querdenker-Demos gibt, weil der Sturm auf den Reichstag stattgefunden hat oder weil Abgeordnete im Parlament beschimpft und bedroht worden sind, sondern weil wir selbst in der Politik Grundrechte einschränken und zwar auf Dauer, was Fragen aufwirft, die wir weiter diskutieren müssen. Im Ziel, das wir erreichen wollen, sind wir uns alle einig, was jedoch die Mittel und den Weg betrifft, gibt es sicherlich noch das eine oder andere gemeinsam zu diskutieren. Dann werden wir in nächster Zeit zu Entscheidungen kommen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche allen gute Gesundheit. Glück auf!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Die nächste Rednerin ist die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Anke Rehlinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Ich will gar nicht mehr so viel zu der allgemeinen Corona-Lage sagen, dazu ist bereits ganz viel gesagt worden. Ich bin Magnus Jung dankbar, dass er das Ganze in einen sehr breiten Zusammenhang gestellt und sich hinter die Maßnahmen, hinter die Entscheidungen gestellt hat. Er hat aber auch gezeigt, wo an der einen oder anderen Stelle zumindest Diskussionsbedarf besteht, gegebenenfalls sogar Handlungsbedarf.

Die Pandemie hat den Globus in eine nie da gewesene Lage versetzt: wirtschaftliche Einschränkungen mit existenziellen Ängsten, Menschen die einsam sind, Menschen, die Angst haben, die verunsichert sind. Alles das ist nicht nur sehr vereinzelt, alles das ist keine Ausnahme, sondern das ist in der Bevölke

rung breit zu spüren, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich will auf den Versuch eingehen, der eben gestartet worden ist, ein Bild zu zeichnen dies vornehmlich hier auf dieser Seite -:

(Ministerin Rehlinger zeigt auf die rechte Seite des Raumes.)

Die, die da oben sitzen, wissen nicht, was da unten gedacht, gemacht und gefühlt wird. Ich weise diese Unterstellung und das Bild zurück, das gezeichnet worden ist von „die da oben und wir da unten“, möge sie literarisch noch so wertvoll mit Zitaten hinterlegt worden sein!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das trifft nicht die Lage, das beschreibt nicht das Bild unseres täglichen Handelns, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich kann für mich beschreiben, jeder, der hier sitzt, kann wahrscheinlich für sich beschreiben, was den Arbeitsalltag ausmacht. Ich habe mal gesagt, wir haben zwar nicht wie bei der Flutkatastrophe die Gummistiefel an, aber so ähnlich geht es auch in den Regierungen zu, in dem, was wir täglich tun.

Ich habe Unternehmerinnen und Unternehmer vor mir sitzen, wo Teile der Familie aus Sorge schon krank geworden sind, sie sitzen weinend dort. Ich habe Leute am Telefon, am Handy, am Bürgertelefon, per Mail, per Facebook, die mir beschreiben, was das heißt, jetzt mit zu wenig Geld auszukommen, weil man in Kurzarbeit ist, weil der Minijob weggefallen ist, oder die mir die familiär angespannte Situation schildern. Wir alle haben mittlerweile sicherlich von irgendjemandem gehört oder sind sogar selbst davon betroffen, dass man liebe Angehörige oder Freunde im Krankenhaus oder im Altenheim nicht in dem Maße besuchen kann oder - das ist wirklich am allerschlimmsten - auch nicht in der Sterbephase begleiten kann. All das trifft auf uns zu, das trifft auch auf Sie zu. Deshalb verwahre ich mich gegen dieses zu einfache Bild: Die da oben und wir da unten, und keiner weiß Bescheid. Deshalb muss das einer mal von dieser Stelle aus sagen: Das ist nicht korrekt, das ist nicht in Ordnung! Ich lasse nicht zu, dass dieses Bild in der Öffentlichkeit gezeichnet wird!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will versuchen, diesen Widerspruch etwas aufzulösen, wenn das überhaupt geht: Gesundheitsschutz auf der einen Seite und wirtschaftliche Einschränkungen mit existenziellen Nöten auf der anderen Seite. Es wird gesagt, dass man sich für das eine oder das andere entscheiden muss, und wer sich falsch entscheidet, ist einer, der ohne Verantwortung handelt. Auch das halte ich für falsch, meine Damen und Herren. Wir haben im Frühjahr gesehen - so bedrückend es im Frühjahr war, so falsch wäre es, es jetzt im Herbst und im Winter zu vergessen -, dass

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

es Staaten gibt, europäische Staaten, die vielleicht zu spät und nicht in ausreichendem Maße gehandelt haben, die auch nicht die medizinischen Kapazitäten hatten, wie wir sie hatten, was stimmt, und deshalb nicht so stark in ihr Wirtschafts- und Gesellschaftsleben eingegriffen haben. Aber, meine Damen und Herren, diese Staaten stehen heute wirtschaftlich nicht besser da, sondern sie haben schlicht und ergreifend einfach nur mehr Tote. Deshalb ist das kein Entweder-oder, sondern man muss beides miteinander hinbekommen: gesundheitlicher Schutz und gleichzeitig das Abfedern dieser Maßnahmen. Es ist auch falsch, wenn hier gesagt wird, es gibt nur das eine oder das andere, dann wird die Entscheidung auf jeden Fall falsch ausfallen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wenn man diese einschneidenden Maßnahmen auf den Weg bringt, mit allen gesellschaftlichen Auswirkungen, wissen wir natürlich alle miteinander, dass die Gesellschaft, in der wir leben, nie mehr die gleiche sein wird wie vor Corona, auch das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat, zu ihren Politikerinnen und Politikern. Selbst diejenigen, die sehr staatstragend sind und viel Vertrauen in unsere Arbeit haben, leiden darunter. Immer wird irgendwo im Hinterkopf zurückbleiben: War das wirklich so notwendig, warum hat man ausgerechnet mir nicht geholfen, war es nicht an der Stelle doch vielleicht ein bisschen ungerecht mir gegenüber, anderen gegenüber? Das werden wir gar nicht in allerletzter Konsequenz überall beantworten oder vermeiden können, deshalb wird es auch zurückbleiben. Es wird diese Gesellschaft und das Verhältnis zur Politik in den nächsten Jahren, Jahrzehnten nachhaltig beeinflussen. Wir können heute viel dafür tun, mit unserem Auftreten auf der einen Seite, in der Klarheit der Entscheidung, in dem klaren Verfolgen von Zielen, gleichzeitig aber auch immer mit der notwendigen selbstkritischen Selbstreflexion, dass das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat sowie die Sicht auf Demokratie zwar möglicherweise bearbeitungsbedürftig, aber nicht nachhaltig gefährdet und eingeschränkt sein wird. Auch das ist eine Verantwortung, neben der Verantwortung für Menschen, Gesundheit und Wirtschaft, dafür zu sorgen, dass wir ein gutes Miteinander haben, auch in einer lebhaften, einer wehrhaften Demokratie. Wir müssen uns dazu verhalten, dafür tragen wir Verantwortung, wenn wir hier an dieser Stelle stehen.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Wir dürfen uns nichts vormachen, die Debatte hier im Parlament darüber, wie das Parlament eingebunden worden ist oder nicht, ist eine extrem wichtige. Mein Eindruck im ganz Konkreten ist aber, dass insbesondere bei einer Vielzahl von denen, die mich anschreiben und fragen, was mit ihrem Arbeitsplatz ist oder wo ihr Geld bleibt, das nicht die dringendste Debatte ist, um das auch mal in aller Ehrlichkeit zu

sagen. Wir sollten uns nicht zu hoch heben mit all dem, was gemacht worden ist. Auch da geht es nicht um ein Entweder-oder, damit mich keiner falsch versteht, aber die Antwort darauf, wann das Geld auf dem Konto eingeht, ist doch das, was die Menschen jetzt interessiert! Deshalb müssen wir etwas dafür tun, dass überhaupt die Möglichkeit besteht, dass die Hilfen auf den Weg gebracht werden und dass es auch technisch funktioniert.

Ich will auf eine Debatte der letzten Tage eingehen, die ich für mehr als misslich halte. Es ist absolut richtig, dass wir jetzt in einem historischen Ausmaß Hilfen auf den Weg bringen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, genauso aber für Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Bund hat das mit seinem Konjunkturpaket getan, mit vielen Hilfen, den Überbrückungshilfen, den November-, Dezemberhilfen. Es ist für den einen oder anderen schon schwer, überhaupt noch den Überblick zu behalten, wann er was bei wem in welcher Höhe beantragen kann. Wir als saarländische Landesregierung haben nicht hintangestanden, sondern ganz im Gegenteil, wir sind bei der einen oder anderen Maßnahme vorweg marschiert, mit als die ersten losmarschiert - Bernd Wegner hat das eben aufgelistet -, und zwar nicht nur in den wirtschaftlichen Bereichen. Man vergisst nämlich ganz schnell ein paar Sachen: Ich nenne mal die Entlastung von Familien bei den Kita-Gebühren, was wir im Frühjahr gemacht haben, aber auch bei den Fahrtkosten für die Busse, dafür haben wir ebenfalls Geld in die Hand genommen. Wir haben die Einnahmeausfälle des ÖPNV komplett kompensiert, mit der Zusage, dass das auch im nächsten Jahr passiert. Zusätzliche Schülerbusse, notwendige Lücken geschlossen, die der Bund noch gelassen hat und die wir uns vorgenommen haben, zu schließen, Vereinshilfen, alles steht auf der Liste „Land“. Nur um das einfach noch mal hier aufgelistet zu haben - dies noch nicht mal abschließend und vollständig. Das ging alles sehr schnell, natürlich weiß ich, immer noch nicht schnell genug für diejenigen, die es belastet und die es brauchen. Trotzdem, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie lange man normalerweise braucht, um eine Richtlinie zu machen, sie abzustimmen, dem Rechnungshof vorzulegen, die Genehmigung einzuholen und anschließend noch ein Zahlsystem aufzusetzen, damit das funktioniert und stabil läuft, ist in einer rasenden Geschwindigkeit passiert, was wir hier auf den Weg gebracht haben, gerade auch bei uns im Saarland mit vielen, die in den Verwaltungen dabei mitgeholfen haben. Die Volumina des Nachtraghaushaltes, des Doppelhaushaltes, sind eben alle genannt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage das deshalb, weil ich das Ganze in den Zusammenhang mit den Äußerungen stellen will, die jüngst gemacht worden sind und für die ich, ehrlich gesagt, null Komma null Verständnis habe. Es ist gesagt worden, die Länder sollten sich zukünftig auch mal

(Ministerin Rehlinger)