Protocol of the Session on November 3, 2020

Sie haben nun zum wiederholten Male auf dem Verordnungswege größtmögliche Einschränkungen von Grundrechten und von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Leben durchgepeitscht, ohne dass die Legislative daran auch nur im Geringsten beteiligt war. Daran kann auch nicht das COVID-19-Maßnahmengesetz etwas ändern, ganz im Gegenteil. Wenn

dort in § 2 steht, „Dieses Gesetz ermächtigt die Landesregierung (…)“, dann weckt diese Wortwahl in diesem Zusammenhang bei mir erhebliches Unwohlsein. Die Beteiligung des Landtages beschränkt sich gemäß diesem Gesetz zum einen auf eine unverzügliche Information über Rechtsverordnungen und auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen, was an sich schon eine Selbstverständlichkeit und Grundvoraussetzung für die Kontrollaufgaben des Parlamentes ist.

Zum Zweiten kann der Landtag eine Rechtsverordnung jederzeit durch Gesetz aufheben. Dieser an sich lobenswerte Ansatz wird aber sofort wieder konterkariert und zunichtegemacht, da im folgenden § 4 die gröbsten Grundrechtseinschränkungen mittels einer Rechtsverordnung auf 14 Tage begrenzt werden, was einerseits ein Gesetzgebungsverfahren im Landtag rein zeitlich schon praktisch unmöglich macht und andererseits den Erlass einer weiteren Rechtsverordnung mit ebendiesen Grundrechtseinschränkungen nicht verhindert.

Zurück zur Frage, was Ihre Vorstellung von demokratischem Dialog mit Kritikern ist. Im August hatte ich Ihnen an dieser Stelle die Frage gestellt, wie viele der im Saarland in Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus Verstorbenen an dem Virus und wie viele mit dem Virus verstorben waren. Diese zunächst einmal rein sachliche Frage, die immer wieder Gegenstand von Diskussionen unter Medizinern ist, haben Sie aus meiner Sicht völlig zutreffend beantwortet mit der Aussage, dass zur Beantwortung dieser Frage letztlich nur die Obduktion der Verstorbenen zuverlässig Auskunft geben kann.

Diese Antwort und die nachfolgenden Erläuterungen Ihrerseits entsprechen durchaus auch meinen Vorstellungen eines demokratischen Dialogs. Was jedoch ganz und gar nicht diesen Vorstellungen entspricht, ist Ihre nachfolgende Diskreditierung der Fragestellung als zynisch und menschenverachtend. Ich empfand das als arrogant. Wenn das Ihre Vorstellung eines demokratischen Dialogs mit Kritikern ist, dann ist dieser Dialog wertlos. Er ist weiterhin wertlos, wenn er wie jetzt zum wiederholten Male im Nachgang auf gravierende Maßnahmen erfolgt, die die Grundrechte der Saarländer und das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben erheblich einschränken. Die Debatte muss vorher geführt werden, und zwar zuallererst hier im Parlament und nicht nur nachher an irgendwelchen runden Tischen.

Im Mittelpunkt dieser Debatte muss die Frage stehen ob die Maßnahmen verhältnismäßig sind, das heißt geeignet, erforderlich und angemessen. Und diese Frage kann angesichts des existenzbedrohenden Herunterfahrens ganzer Branchen und der halbgaren Begründung nach dem Motto: „Wir wissen ja bei 75 Prozent der Infizierten gar nicht, wo sie sich angesteckt haben“ nicht guten Gewissens mit Ja beantwortet werden. Im Übrigen, wenn diese Zahl

(Ministerin Rehlinger)

stimmt, wozu dann noch die massenhaften PCRTests?

Nun wird weiterhin der Katalog der Einschränkungen mit einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens begründet. Auch hier ist schwer zu erkennen, wie das begründet werden kann; jedenfalls ist das nicht transparent nachvollziehbar. Wir hatten am 09. April den Höchststand von intensivmedizinisch behandelten Corona-Patienten mit 71 von damals 649 verfügbaren Intensivbetten. Das entsprach knapp 11 Prozent der verfügbaren Betten. Bis Ende August waren sogar 728 Intensivbetten verfügbar, aktuellere Zahlen liegen mir nicht vor, sie werden in den täglichen Lageberichten der Gesundheitsministerin auch nicht veröffentlicht. Warum eigentlich nicht, Frau Ministerin? Wir hatten laut Lagebericht gestern 33 mit Corona-Patienten belegte Intensivbetten, sind also noch ein Stück von den Höchstzahlen des April entfernt. Und ja, es gibt Anzeichen, dass die Zahlen aus dem April in den nächsten Wochen übertroffen werden. Um aber beurteilen zu können, ob eine Belegung der Intensivbetten von bald vielleicht 20 oder 30 Prozent statt 11 Prozent wie im April zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen kann, fehlen uns schlicht und einfach die Daten! Warum, Frau Ministerin, geben Sie in Ihren täglichen Lageberichten nicht endlich auch die Gesamtzahl der verfügbaren Intensiv- und Beatmungsbetten an und auch die Gesamtzahl der belegten Betten und eben nicht nur die mit Corona-Patienten belegten? Denn ohne solche Referenzwerte sind Ihre Zahlen wenig aussagefähig. Das hatten wir im August hier schon diskutiert, ohne dass bis heute diese Zahlen in Ihren täglichen Berichten auftauchen.

Wir hatten im Saarland auf dem Höhepunkt der Grippewelle 2018 in KW 10 415 Todesfälle, in KW 15 dieses Jahres auf dem Höhepunkt der CoronaWelle hatten wir 313 Todesfälle im Saarland, also mehr als 25 Prozent weniger als 2018. Bereits Anfang März haben die Vertreter des Gesundheitsministeriums im Innenausschuss berichtet, dass unser System im April 2018 an der Grenze der Belastbarkeit gewesen ist. Damals gab es keine Kanzlerrunden, keine Lockdowns, keine Grundrechtseinschränkungen. Warum eigentlich nicht?

Fazit: Ja, es gibt Anzeichen einer erheblichen Belastung unseres Gesundheitssystems in den kommenden Wochen. Ob die Maßnahmen des Herunterfahrens ganzer Branchen wie Gastronomie, Kultur und so weiter und auch des Amateursports in einer Krise, die gemäß Wirtschaftsminister Altmaier jetzt bereits die schwerste der Nachkriegszeit ist, geeignet, erforderlich und angemessen sind, darf und muss bezweifelt werden.

Herr Hecker, Ihre Redezeit ist schon zu Ende.

Ich komme zum Ende. - Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass gerade in diesen Bereichen die Maßnahmen gravierendere Schäden verursachen als das Virus selbst. - Ein Satz noch. - Ein Dialog ist oft sinnvoll, Herr Ministerpräsident, und Sie haben gesagt, Sie sind daran interessiert. Es gibt jedoch Voraussetzungen für einen solchen Dialog.

(Das Rednermikrofon wird abgeschaltet. - Abg. Hecker (fraktionslos) fährt ohne Mikrofon fort: Er muss ernst gemeint und von einem Mindestmaß an Respekt geprägt sein. Diesen zu einem Zeitpunkt zu führen, wo alle Spatzen schon gefangen sind, ist Augenwischerei.)

Die nächste Rednerin ist die Abgeordnete Petra Berg von der SPD-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten sie befürchtet, wir wollten sie verhindern, jetzt trifft sie nicht nur uns im Saarland, sondern das gesamte Bundesgebiet und auch unsere europäischen Nachbarn mit voller Wucht: Die zweite Welle der COVID-19-Infektionen ist da, im Vergleich zu Frühjahr und Sommer trifft sie uns härter, das Infektionsgeschehen rückt näher an uns heran, wir erleben es alle in unserem direkten sozialen und familiären Umfeld; jeder, denke ich, kennt jemanden, der Kontaktperson ist oder gar infiziert, oder schlimmstenfalls jemanden, der daran gestorben ist. Das war vor einigen Monaten noch nicht der Fall, da schien alles noch etwas weiter weg, und viele von uns haben das Risiko einer Infektion als ein rein theoretisches Risiko gesehen.

In vielen Diskussionen wird die Frage gestellt, wer sich falsch verhalten hat, wer nicht genug Abstand gewahrt hat, wer schuld an einer Infektion ist. Das, finde ich, ist die falsche Fragestellung. Mehr denn je müssen wir zu dieser Zeit achtsam miteinander umgehen, wir müssen uns gegenseitig schützen und für die sorgen, die dieses Virus erwischt hat.

Drei Kriterien entscheiden über den Erfolg oder den Misserfolg in der Krise. Erstens ist es die Zahl der Todesopfer, die das Virus fordert, oder der infizierten Menschen. Zweitens ist es das Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden, die das Coronavirus verursacht, und drittens ist es die Stabilität des politischen Systems. Zu Beginn dieser Pandemie war die Landesregierung ermächtigt, schnell und wirksam

(Abg. Hecker (fraktionslos) )

Maßnahmen zu treffen, um Leib und Leben der Menschen in unserem Land zu schützen. Und die Exekutive hat das gut gemacht mit ihren Fachressorts, mit der Verwaltungsorganisation. In den Krisenstäben wurde in dieser Lage eine erste Gefahreneinschätzung abgegeben und erste Maßnahmen durch die Verordnungen eingeleitet. Diese Maßnahmen beinhalten aber seit der ersten Stunde massive Eingriffe in die elementaren Grundrechte der Menschen in diesem Land. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, dass diese Maßnahmen auch einer Rechtfertigungskontrolle unterzogen werden.

So viel Freiheit wie möglich und so wenig Beschränkung wie nötig - dies zu kontrollieren ist am besten möglich, wenn sich die Regierung, wie heute Morgen geschehen, durch den Ministerpräsidenten im saarländischen Landtag erklärt. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die angeordneten Maßnahmen zum Schutz unserer Bevölkerung wirken sollen, dann müssen die Saarländerrinnen und Saarländer Vertrauen in die Wirksamkeit dieser Maßnahmen haben und sie müssen die handelnden Personen für glaubwürdig halten. Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind die Schlüssel für die Wirksamkeit der Maßnahmen und zur Bekämpfung der Pandemie. Herr Lafontaine, Angst machen, nein, das ist sicherlich nicht der richtige Weg. Aber ich halte eine Verharmlosung der Risiken dieser Infektion für hochgefährlich für die Menschen in diesem Land. Man muss ehrlich gegenüber den Menschen sein und darf nicht verharmlosen, denn wir sehen tagtäglich, was die Infektion mit den Menschen macht.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Und die Corona-Maßnahmen wirken bei Bürgerinnen und Bürgern auf lange Sicht umso nachvollziehbarer und glaubwürdiger, je näher sie an die Menschen heranrücken und je weiter auch die Verantwortung in die Nähe der Bürgerinnen und Bürger verlagert wird. Deshalb muss die Entscheidung auch in das Parlament hinein, denn dort sitzen die Personen, denen die Wählerinnen und Wähler ihr Vertrauen geschenkt haben. Das Parlament muss die staatlichen Eingriffe in Freiheit und Eigentum für die Bürgerinnen und Bürger hinreichend legitimieren. Es muss alle wesentlichen Entscheidungen, die die grundlegenden Lebensbereiche berühren, selbst treffen.

Unsere Demokratie, und das sage ich jetzt, weil ich noch mal erklären will, warum wir diesen Gesetzentwurf heute vorlegen, ist im Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Regierung, Parlament und den Gerichten verwurzelt. Die wesentliche Funktion der Gewaltenteilung ist die gegenseitige Kontrolle und Machtbegrenzung. Das ist ein großer Vorteil der Gewaltenteilung in einer funktionierenden Demokratie. Dabei spielt jede staatliche Gewalt in diesem System ihre eigene Rolle: die Regierung zu Anfang der Maßnahmen mit ihrer Einschätzungsprärogative,

das heißt, sie hat die Gefährlichkeit der Maßnahmen eingeschätzt. Die Gerichte sind in der Rechtsprechung an die bestehenden Gesetze gebunden. Und dort, wo staatliches Handeln auf Dauer keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage hat, werden Maßnahmen, darauf hat der Ministerpräsident heute Morgen schon hingewiesen, völlig zu Recht von den Gerichten infrage gestellt beziehungsweise aufgehoben. In zahlreichen Eilverfahren werden diese Fragen zur ausreichenden Ermächtigung der Regierung gestellt, mit größeren Erfolgsaussichten, je länger die Eingriffe in die Rechte der Menschen andauern und je tiefgreifender diese sind.

Es kann aber nicht Rolle der Justiz sein, durch Rechtsprechung faktisch einen gesetzlichen Rahmen vorzugeben. Das ist unsere Aufgabe, das ist die Aufgabe der Abgeordneten in diesem Landtag. Das machen wir jetzt, das ist genau der richtige Zeitpunkt. Die Landesregierung hatte ein ausreichendes Legitimationsniveau. Aber je länger die Maßnahmen andauern, je intensiver sie in die Grundrechte eingreifen, umso höher ist auch der Maßstab, den wir als Parlament anlegen. Deshalb müssen wir jetzt handeln, weil die gestern in Kraft getretenen Maßnahmen sehr tief in die Grundrechte der Menschen in diesem Land eingreifen. Wir werden deshalb hier das Für und Wider auch breit erörtern.

Diese Maßnahmen sind auch gegenüber diesem Parlament zu rechtfertigen. Wir als Abgeordnete und Vertreterinnen und Vertreter der Menschen hier im Saarland haben dann zu entscheiden, ob das Handeln der Landesregierung auch tatsächlich gerechtfertigt ist. Das tun wir und das können wir als Parlament in der größtmöglichen Öffentlichkeit und mit der größtmöglichen Transparenz. Das wird, das garantiert dieses Gesetz, in Zukunft bei allen Maßnahmen so sein. Das Parlament wird sich mit den Verordnungen, ihren Aufhebungen, ihren Änderungen und auch mit einem Neuerlass befassen und all dies in der Öffentlichkeit diskutieren.

Ich möchte noch eines klarstellen, weil ich glaube, das ist heute Morgen nicht ganz klar herausgekommen. Das heutige Gesetz erweitert nicht die Rechte des Parlamentes. Das Parlament hat seine Rechte durch die Verfassung garantiert. Mit dem heutigen Gesetz machen wir einen gesetzlichen Rahmen für zukünftige Maßnahmen, die in Verordnungen zu treffen sind, und legen auch fest, wie wir die Regierung als Parlament kontrollieren. Das ist unsere Pflicht, die uns die Verfassung vorgibt. Und genau das beinhaltet dieses Gesetz.

Die Pandemie, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellt uns vor immer größere Herausforderungen und begründet ganz persönliche Einschnitte in die Lebensführung eines jeden Einzelnen. Dabei ist die Abwägung zwischen Freiheit und Gesundheit immer ein Dilemma. Ich will drei Beispiele nennen. Es geht in allen immer um Kontaktbeschränkungen, ich glaube,

(Abg. Berg (SPD) )

das ist das Mittel der Wahl, Anke Rehlingen hat das sehr, sehr deutlich gemacht: Abstände einhalten, Kontakte beschränken. Dabei sehen wir sehr wohl, dass wir dort die Menschen sehr, sehr stark einschränken und ihnen sehr viel abverlangen. Wir können ihnen heute nicht sagen, wie das Fest der Familie, wie Weihnachten in diesem Jahr für uns alle aussehen wird. Aber ich kann ihnen eines versprechen: Es wird nur die Einschränkungen geben, die absolut nötig sind, um ihre Gesundheit zu schützen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Diese Abwägung werden wir auch im Bereich der Bildung vornehmen. Christine Streichert-Clivot hat jetzt die Maskenpflichten ab Klasse 5 eingeführt, um einfach sicherzustellen, dass Schulen und Kitas weiterlaufen können, dass die Infektionen eingedämmt werden. Und sie hat da sehr wohl im Blick gehabt, dass es pädagogisch auch sehr wichtig ist für Kinder und Jugendliche, so lange wie möglich in das Gesicht ihrer Lehrerinnen und Lehrer blicken zu können, denn Kinder hängen an den Lippen ihrer Lehrerinnen und Lehrer, das können sie mit Maske nicht mehr. Deshalb war es das letzte Mittel, zu dem jetzt gegriffen werden musste, das war jetzt richtig für den Monat November. Ich finde auch, das macht unsere Bildungsministerin richtig gut.

Ich möchte am Schluss noch auf die beiden Anträge der Oppositionsfraktionen kommen. Ich möchte nur eine Frage stellen. Wir haben einen Gesetzentwurf, der von den Fraktionen hier geeint eingebracht worden ist, der den gesetzlichen Rahmen schafft, der sagt, unter welchen Voraussetzungen die in der Verordnung getroffenen Maßnahmen legitimiert sind. Dann kommen zwei Anträge, die sagen: Ja, aber bitte hebt doch die Einschränkungen auf, die ihr gemacht habt im Freizeitbereich, in der Gastronomie, im Sport. - Haben Sie sich das nicht überlegt, bevor Sie dieses Gesetz mit beschlossen haben? Was bleibt denn am Ende, wenn wir nicht diese Dinge im Freizeitbereich einschränken? Was bleibt denn dann? Wie können wir dann die Pandemie bekämpfen, deren Risiken Sie ja auch nicht leugnen, Herr Lafontaine. Sollen wir etwa die Kontakte in der Familie weiter beschränken? Sollen wir die Kreise noch kleiner machen, in denen Familien und Freunde zusammenkommen können? Oder sollen wir gar eine endgültige Schließung der Schulen und Kitas beschließen? Sollen wir das tun? Ich sage Nein, das ist nicht der richtige Weg, das ist auch für meine Fraktion nicht der richtige Weg. Wir möchten den größtmöglichen Schutz der Gesundheit der Menschen in diesem Land garantieren bei so wenig Einschränkungen wie möglich. Dass das funktioniert, es wurde schon gesagt, ist auch in die Verantwortung des Einzelnen gestellt, davon wird es abhängen, ob diese Maßnahmen funktionieren. Das eigene Tun bestimmt letztlich, ob wir diese Krise gut bewältigen.

Aber ich sage gleichzeitig, wir müssen auch dazu beitragen, dass diejenigen, die für uns alle jetzt an vorderster Front kämpfen, in den Krankenhäusern, bei der Polizei, in den Pflegeeinrichtungen, bei den Rettungsdiensten und in den Schulen und Kitas, nicht noch mehr belastet werden. Wir, die Saarländerinnen und Saarländer, haben den Kampf gegen das Virus in der ersten Welle gewonnen, weil wir zusammengehalten haben. Und wir gewinnen diesen Kampf auch jetzt in der zweiten Welle, wenn wir zusammenhalten, gemeinsam, stark und solidarisch. Glück auf!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat danach der Abgeordnete Rudolf Müller von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den Versäumnissen, die seit Frühjahr passiert sind, hat Herr Lafontaine vorhin ausführlich gesprochen, ich kann das nur unterstreichen. Zu ergänzen wäre vielleicht noch, dass der Ministerpräsident nach seinen eigenen Worten schon zum Jahreswechsel gewusst hat, was kommen wird. Vor dem Hintergrund ist allerdings wirklich sehr wenig getan worden!

Die Debatte, die wir heute führen, wäre in einer richtig funktionierenden Demokratie schon vor längerer Zeit geführt worden, eventuell auch noch am Samstag oder Sonntag, jedenfalls nach der Ministerratsentscheidung vorige Woche und vor dem Eintreten dieses sogenannten Lockdowns. Die Entscheidung, die dann über die Einschränkung oder Nicht-Einschränkung von nichts weniger als Grundrechten gefallen wäre, wäre direkt durch die Volksvertreter gefallen und von ihnen zu verantworten und nicht durch ein Gremium - Ministerpräsidenten und Kanzlerin -, das es in unserer Verfassung überhaupt nicht gibt.

In der Debatte wäre dann zum Beispiel erwähnt worden, dass von März bis Oktober in Deutschland etwa 650.000 Menschen gestorben sind, die meisten an Krankheiten, die mit dem Alter einhergehen. Bei knapp 11.000 dieser Verstorbenen hieß es, sie seien mit oder an COVID‑19 gestorben, und ihr Durchschnittsalter lag bei etwa 80 Jahren, also in der Nähe des Durchschnittsalters, das wir Heutigen erreichen, und zwar mit und ohne Corona. Der Median liegt sogar bei 82 Jahren, es waren also viele dabei, die mehr als 90 oder sogar 100 Jahre erreicht haben. Aber es sterben ja leider auch Tausende von Menschen im Straßenverkehr, ohne dass man auf die Idee käme, den Straßenverkehr abzustellen.

Ein weiteres Beispiel zum Vergleich: Nach Einschätzung des RKI gibt es in Deutschland jährlich circa

(Abg. Berg (SPD) )

10.000 bis 20.000 Todesfälle durch Krankenhauskeime, die trotz aller Hygienemaßnahmen leider passieren. Von den 40.000 Toten durch Lungenentzündungen wird auch kaum geredet. Herr Lafontaine hat es vorhin kurz erwähnt.

Um vom Saarland zu sprechen: Seit Mitte März sind ungefähr 8.000 Saarländer gestorben, ebenfalls meistens an den typischen Krankheiten, die im Alter auftreten. Die 197 Menschen, die mit oder an Corona gestorben sind, hatten auch ein Durchschnittsalter von 80 Jahren. Sie hatten in aller Regel erhebliche sonstige Vorerkrankungen, was wohl leider die Hauptursache war. Um es noch einmal zu sagen: Natürlich wünscht man jedem und jeder ein langes, erfülltes und gesundes Leben. Das ewige Leben ist uns aber nicht gegeben, jedenfalls nicht im Diesseits.

Es hat sich also erwiesen, dass diese Infektion, diese Krankheit vor allem für alte Menschen mit Vorerkrankungen gefährlich werden kann. Was muss also die Konsequenz sein? - Die Konsequenz muss sein, dass diese Altersgruppe entweder selbst besonders vorsichtig sein muss oder dass sie von Angehörigen oder in Alters- und Pflegeheimen besonders geschützt werden muss. Alle anderen sollten sich an die AHA-Regeln halten. Das tun sie ja auch, die Leute sind jedenfalls sehr diszipliniert.

Den besonders gefährdeten Alten nutzt es aber nichts, dass wesentliche Teile der Wirtschaft mit einem Lockdown überzogen werden. Es nutzt ihnen nichts, wenn alle möglichen Freizeiteinrichtungen geschlossen werden. Es nutzt nichts, wenn wesentliche Teile des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens stillgelegt werden. Da trifft es besonders diejenigen, die alles Erdenkliche und Vorgeschriebene getan haben. Restaurants, Kneipen, Hotels, Theater, Musiker und Fitnessstudios, Kosmetikstudios und andere haben viel investiert, um Infektionen in ihrem Bereich zu vermeiden. Es gibt auch keine Belege dafür, dass seit dem Frühjahr diese Bereiche Schwerpunkte von Infektion waren. Trotzdem sollen sie jetzt für die steigenden Infektionszahlen verantwortlich sein und für einen Monat schließen.

Neben den ganz erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen muss man damit rechnen, dass sich insbesondere junge Leute nicht einsperren und nicht aussperren lassen. Viele werden sich privat treffen, ohne weitere Hygienemaßnahmen, ohne Abstand, ohne Dokumentation und Nachverfolgung. Dass die Zahlen der schweren und behandlungsbedürftigen Fälle in jedem Fall steigen, sagen Fachleute. Für Ende November, Anfang Dezember werden volle oder überfüllte Krankenhäuser erwartet und die Auslastung aller verfügbaren Intensivbetten und der dazugehörigen Pflegekräfte. Wie gesagt, mit und ohne Lockdown wird das von Fachleuten jetzt erwartet. Die Reaktion von Merkel und den Ministerpräsidenten sieht so aus, dass sie für die Bilder, die man

dann sehen wird, nicht verantwortlich sein wollen und deshalb jetzt die Schließung veranlassen. Dann hat man ja etwas getan.

Herr Müller, Ihre Redezeit ist beendet.

Ja, noch ganz kurz. - Wenn es dann kommt, wie es sowieso kommt, dann sind die Leute eben selbst verantwortlich. Ich kürze etwas ab: Wir sind gegen diesen Lockdown, wie er gekommen ist.

(Das Rednermikrofon wird abgeschaltet. - Abg. Müller (AfD) fährt ohne Mikrofon fort: Risikogruppen schützen, Wirtschaft und gesellschaftliches Leben retten, Freiheitsrechte bewahren! Dafür steht die AfD! Egal, ob Sie mir den Saft abdrehen oder nicht, das muss gesagt werden! Beifall von der AfD.)