Protocol of the Session on February 12, 2020

letzter Lesung einstimmig mit den Stimmen aller Abgeordneten angenommen worden ist.

Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der AfDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: „Gendern“ der deutschen Sprache in offiziellen Schreiben abschaffen (Drucksache 16/1194)

Zur Begründung des Antrages erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr das Wort.

Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sprache als Mittel der Kommunikation in der Gesellschaft ist natürlich dauernden Veränderungen unterworfen, so wie die Gesellschaft auch. Die Bibel ist heute Morgen hier schon einmal erwähnt worden. In der Bibel hören wir von der Bergpredigt, da wären 5.000 Männer anwesend gewesen. Es waren natürlich auch Frauen und Kinder dort, die sind aber damals nicht gezählt worden. Der Weg der Frau von Überhaupt-nicht-wahrgenommenWerden bis heute ist ein weiter und ein schwieriger gewesen, und er ist auch noch nicht am Ende, wenn auch Frauen inzwischen wahlberechtigt sind, voll geschäftsfähig und so weiter.

(Zuruf: Oh!)

Vor einigen Jahrzehnten haben in Amerika Frauen in der Regel waren es Frauen, es waren aber auch Männer dabei - angefangen, sich bewusst zu werden, dass die Sprache eigentlich für Männer geschaffen ist, dass sie rein männlich ist und dass die Frauen damit benachteiligt sind. Man hat nach Auswegen gesucht. Das Wort für Vorsitzender heißt „Chairman“ - das war sowieso immer ein Mann. Später waren es dann aber auch mal Frauen, dann hat man trotzdem noch „Chairman“ gesagt. Dann ist es ihnen doch langsam gedämmert, dass „Chairwoman“ da doch besser wäre. Als allgemeiner Begriff wurde dann „Chairperson“ gefunden. Das ist ein Beispiel.

(Sprechen.)

Es gibt Dinge, da klappt das im Englischen, es gibt Dinge, da klappt das nicht, aber dieses Bestreben war da. Es gibt auch Empfehlungsschriften, wie man mit diesem Problem umgehen kann.

Die russische Sprache ist noch lange nicht so weit, das Empfinden dort ist anscheinend in dieser Frage noch nicht so geschärft. Ich habe vor ein paar Tagen

(Abg. Dr. Jung (SPD) )

gelesen „… der Gynäkologe …“, und erst im zweiten oder dritten Satz danach kam dann „sie“ vor, das heißt, es hat sich um eine Frau gehandelt, aber ich muss ehrlich sagen, ich habe mir da auch zuerst mal einen Mann vorgestellt, bis dann dieses persönliche Fürwort „sie“ aufgetaucht ist. Dann war klar, es war eine Frau. Es gibt da also schon Bedarf.

Was machen wir im Deutschen? Wir sind uns dieser Sache bewusst geworden. Es gibt auch sprachliche Veränderungen.

(Fortgesetztes Sprechen.)

Wenn Sie zuhören würden, könnten Sie vielleicht was dazulernen.

(Mehrere Zurufe. - Abg. Renner (SPD) : Die Erfahrungswerte sprechen dagegen! - Lachen.)

Es gibt im Deutschen die Bezeichnung „Amtmann“ und „Amtfrau“, das sagt man heute, ohne sich etwas dabei zu denken. Vor 20 oder 30 Jahren wäre man noch darüber gestolpert. Es gibt also sehr viele Lösungen. Was aber sicher keine Lösung ist, ist, dass man immer und überall automatisch die zwei Geschlechtsformen zusammen nennt.

Es ist heute schon vom Kommunalselbstverwaltungsgesetz gesprochen worden. Ich lese den bekannten Passus vor. Ich habe auch andere gefunden, aber dieser hat sich so schön eingespielt: „Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister ist Dienstvorgesetzte oder Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde der Gemeindebediensteten und der Ehrenbeamtinnen und Ehrenbeamten. Ihr oder ihm obliegt die Ernennung und Entlassung der Beamtinnen und Beamten sowie die Einstellung, Einstufung und Entlassung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach den Beschlüssen des Gemeinderats.“

„Die Anordnung der Behördenleiterin oder des Behördenleiters tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Tagen von der Richterin oder dem Richter bestätigt wird. (…) Die Anordnung der übrigen Maßnahmen erfolgt außer bei Gefahr im Verzug durch die Behördenleiterin oder den Behördenleiter oder eine von ihr beauftragte Beamtin oder einen von ihr beauftragten Beamten oder eine von ihm beauftragte Beamtin oder einen von ihm beauftragten Beamten.“

Das steht in dieser offiziellen Vorlage. Das ist in unseren Augen, den Augen der AfD-Fraktion, übertrieben, um nicht zu sagen, Schwachsinn. So geht es nicht. Ich denke, man muss nach Wegen suchen. Es gibt auch Vorschläge, wie es gemacht werden kann. Daran muss man auch ernsthaft arbeiten. Viele oder einige von Ihnen wissen ja, dass ich mich auch auf

akademischem Niveau mit Plansprachen beschäftige. Ich selber habe auch eine Plansprache vervollständigt. In der ist dieses Problem gelöst. Das findet weltweit an Universitäten Beachtung. Das ist aber in der deutschen Sprache nicht gelöst.

(Unruhe. - Sprechen bei der LINKEN und der SPD.)

Deshalb schlagen wir von der AfD-Fraktion vor ‑ ‑

(Zuruf aus der SPD: Redezeit!)

Die Redezeit läuft, aber die Herrschaften von der Regierung ‑ ‑

(Ministerin Bachmann: Ich habe nichts gesagt! - Heiterkeit.)

Hier handelt es sich auch nicht um eine Herrschaft, sondern um eine Damenschaft.

(Ministerin Bachmann: Ich wollte es ja nur sagen. - Zuruf der Abgeordneten Ensch‑Engel (fraktions- los).)

Das ist schon richtig, ja. Die Franzosen haben natürlich ein ähnliches Problem wie wir. Die haben die Notbremse gezogen. Der Staatspräsident hat verfügt, dass in amtlichen Schreiben nur noch der männliche Gebrauch angewandt wird. Wie Sie ja wissen, höre ich auch französischen Rundfunk. Ich höre immer genau, wie das behandelt wird. Da sagt zum Beispiel Daniel Morin „Bonjour à tous!“. Dann kommt seine Kollegin Léa Salamé, die sagt „Bonjour à tous et à toutes!“. Er gebraucht es wie immer, aber sie will schon betonen, dass sie auch den Frauen guten Morgen sagt. In dem „tous“ sind nach der französischen Sprache auch die Frauen drin, aber nicht ausdrücklich. Das Problem ist also kein einfaches.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das hängt aber an der Sprache.)

Diese Sätze, die ich Ihnen vorgelesen habe, sind in all unseren Gesetzen anzutreffen und, was dazu kommt - ich habe das auch untersucht und kann Ihnen das vortragen -, sie werden nicht konsequent ausgeführt. Hier hat man es konsequent gemacht. Da merkt man auch, wie unsinnig das ist.

Ich will schließen. Ich freue mich, dass ich zu Ihrer Erheiterung beigetragen habe. Aber vielleicht sind Sie auch einmal dem Hause angemessen ein bisschen ernst. Für Frauen ist das ein ernstes Thema.

(Abg. Eder-Hippler (SPD) : Für Männer nicht?)

Dieser Antrag, den wir gestellt haben, ist für Frauen auch nicht einfach zu schlucken. Das ist ganz klar.

(Abg. Dörr (AfD) )

Ja, das ist so, dessen sind wir uns bewusst, aber der Auftrag der Gesamtgesellschaft ‑ ‑

(Sprechen und Lachen.)

Kasperletheater. Und so etwas war Minister, das ist unglaublich!

(Abg. Renner (SPD) : Und so etwas war Schulleiter!)

Es ist ein Gesamtauftrag unserer Gesellschaft, hier Lösungen zu finden, dass die Frauen vorkommen, dass aber keine solch klobigen, unverständlichen Texte nötig sind. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD.)

Ich eröffne die Aussprache und rufe für die SPDLandtagsfraktion Frau Christina Baltes auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Dörr, was stört Sie an einer gendergerechten Sprache? Die gendergerechte Sprache ist weder umständlich noch unnötig lang, wenn die richtigen sprachlichen Strategien verfolgt werden. Natürlich bedarf es der Bereitschaft, sich von ein paar bestehenden Formulierungsgewohnheiten zu verabschieden und mit der Sprache kreativ und bewusst umzugehen. Aber anscheinend fehlt es den Herren der AfD an dieser Kreativität. Ich habe Ihnen deshalb einen Würfel mitgebracht. Dort können Sie dann in Zukunft, wenn Sie möchten, auswürfeln, welche Form Sie nehmen, neutral, beide Formen, /innen, mit Sternchen, ohne. Ich stelle Ihnen den Würfel gerne zur Verfügung.

Die Herren zu meiner Rechten sind löblicherweise so konsequent im Dienste der sprachlichen Vereinfachung, dass sie den Frauenanteil in ihrer Fraktion auf null Prozent gehalten haben. Der Kollege Hecker spricht von jeher uns alle nur als „liebe Kollegen“ an und geht so konsequent einer nicht gendergerechten Sprache nach.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es gibt noch das Landesgleichstellungsgesetz. Falls Sie davon auch noch nicht gehört haben sollten, zitiere ich § 28 des Landesgleichstellungsgesetzes, der besagt: „Die Dienststellen haben beim Erlass von Rechtsvorschriften, bei der Gestaltung von Vordrucken, in amtlichen Schreiben, in der Öffentlichkeitsarbeit, im Marketing und bei der Stellenausschreibung dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dadurch Rechnung zu tra

gen, dass geschlechtsneutrale Bezeichnungen gewählt werden, hilfsweise die weibliche und die männliche Form verwendet wird.“

Nicht zuletzt bedeutet gendersensible Sprache, einen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung zu leisten, denn Geschlecht war und ist nach wie vor eine wichtige Ordnungskategorie, die Hierarchien erzeugt, an deren Aufbrechen wir aktiv mitwirken können.

Meine Damen und Herren, die Forderung nach sprachlicher Sichtbarkeit wirkt ja nicht erst seit ein paar Jahren, nein, diese Forderung wurde schon im Kontext der zweiten Feminismus-Welle in den Sechziger- und Siebzigerjahren laut.

Schon in den Siebzigerjahren kritisierten feministische Sprachwissenschaftlerinnen wie Luise Pusch, dass es sich bei der deutschen Sprache um eine „Männersprache“ handele, und setzten sich für eine nichtdiskriminierende Sprache ein.

Wir können nicht sagen: „Und der Gewinner ist (...)“, ohne Assoziationen an einen Mann zu wecken. Täglich hören wir Sätze wie „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker” und stellen uns dann automatisch Männer vor. Die vielen Ärztinnen und die 70 Prozent Apothekerinnen werden automatisch ausgeblendet nicht aus bösem Willen, sondern weil unsere Grammatik Männer bevorzugt. Noch einmal zur Verdeutlichung: Gendersensible Sprache bedeutet Eindeutigkeit, das heißt, Sprache ist so zu verwenden, dass aus dem jeweiligen Text hervorgeht, wer gemeint ist, auch Repräsentation, das bedeutet, sprachliche Formen sind zu finden und zu verwenden, die alle Geschlechter adäquat repräsentieren und durch die sich alle angesprochen fühlen.