Heute nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es um sehr viel mehr als am 30. August. Ich will für die Debatte drei wesentliche Aspekte herausgreifen: Erstens die ökonomische und soziale Frage. Es geht natürlich zunächst einmal um die weit über 20.000 Beschäftigten, darüber hinaus aber natürlich auch um die Zukunft des Saarlandes als Industriestandort. Zweitens geht es um die Fragen, wie man Klimaschutz und Industriepolitik miteinander verbinden kann, wie man den ökologischen Umbau sozial gestalten kann und neue wirtschaftliche Dynamik entfalten und gleichzeitig nachhaltig sichern kann. Das sind die beiden allseits bekannten Themen. Drittens geht es aber auch um die Fragen, in welcher Gesell
schaft wir eigentlich leben wollen, wie wir unsere Wirtschaft organisieren wollen, ob es uns gelingen wird, die Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns, auch unseres wirtschaftlichen Handelns, zu stellen.
Zum ersten Punkt, zur ökonomischen und sozialen Frage, ist völlig klar: Wir kämpfen an dieser Stelle gemeinsam mit den Beschäftigten, mit den Betriebsräten und mit der Gewerkschaft um jeden Arbeitsplatz in der saarländischen Stahlindustrie. Einige der Kollegen sind ja heute zu uns gekommen; ich bin sicher, ihr nehmt das auch mit in die Betriebe: Der saarländische Landtag steht an eurer Seite, die SPD-Fraktion im Besonderen. Schön, dass ihr heute da seid!
Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Wir müssen auch festhalten, dass uns die Veränderung der Lage und die Entwicklung in der Sache gar nicht so plötzlich kalt erwischt haben. Die Landesregierung hat immer wieder gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten dafür gesorgt, dass dieses Thema auf die Agenda gesetzt wurde. Strukturwandel ist, das wissen wir im Saarland, eine dauernde Herausforderung, bei uns, in unserem Land. Das wissen wir im Saarland, und ich glaube, man kann mittlerweile auch sagen: Das können wir im Saarland, damit wissen wir umzugehen.
Klar ist aber auch, dass sich seit einigen Jahren das hat sich schon vor Längerem abgezeichnet - einiges in einem dramatischen Wandel befindet. Die Stahlindustrie - in Europa, in Deutschland und im Saarland - steht vor erheblichen Herausforderungen. Globale Überkapazitäten, Dumping- und Subventionspraktiken von Drittstaaten, die massiven Handelsumlenkungen infolge der US-Strafzölle, Nachfragerückgänge im Fahrzeugbau und politische Vorgaben zum Klima- und Umweltschutz führen zu deutlichen Belastungen vor allem auch im Stahlsektor.
Hier ist Politik gefordert. Hier im Saarland ist - das können wir, so meine ich, behaupten - alles getan worden, was möglich ist. Wir haben uns dieser Aufgabe angenommen. Vor allem möchte ich in diesem Zusammenhang ein großes Dankeschön an unsere Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin aussprechen. Anke Rehlinger hat durch zahlreiche Initiativen seit Jahren dafür Sorge getragen, dass die Politik sensibilisiert wurde und wichtige Bündnisse geschmiedet werden konnten. Ich nenne nur die Stichworte, sie sind allen bekannt: saarländischer Stahlgipfel, nationaler Stahlgipfel, die wichtige Lobbyarbeit in Brüssel und nicht zuletzt
auch die Stahlallianz. Mittlerweile sind der Stahlallianz elf Bundesländer beigetreten und haben damit auch dafür gesorgt, dass dieses Thema zunehmend auf die Ebene der nationalen Politik getragen werden konnte und auf der europäischen Ebene erste wichtige Maßnahmen durchgesetzt werden können. Deswegen von dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön - nicht nur an Anke Rehlinger selbst, sondern auch an ihren Staatssekretär Jürgen Barke und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, die mit Hochdruck an diesen Fragestellungen arbeiten. Ein herzliches Dankeschön dafür!
Ich möchte in diesen Dank auch unseren Ministerpräsidenten einschließen. Wir haben nicht nur hier im Land in der Koalition, lieber Tobias, großes Einvernehmen in dieser Frage, sondern es ist auch gelungen, dass die Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche einen umfassenden Beschluss zu diesem Thema gefasst hat. Das ist ein wichtiger Beitrag, die nationale Ebene auch mit in die Pflicht zu nehmen. Auch auf Bundesebene, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wacht man langsam auf. Wir müssen aber weiter rütteln, um dafür zu sorgen, dass aus dem Aufwachen auch ein Handeln wird.
Ich will heute an dieser Stelle den Bundeswirtschaftsminister nicht allzu hart angehen. Ich will ihm von dieser Stelle, ich glaube auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen, herzliche Genesungswünsche senden. Ich glaube, das verbindet uns hier im Haus. Lieber Peter Altmaier, wir wünschen dir alles Gute, damit du dich gut erholst und möglichst schnell wieder an deinen Arbeitsplatz zurückkehren kannst.
Es liegt allerdings schon in der Verantwortung der gesamten Bundesregierung und natürlich nicht zuletzt in der des Bundeswirtschaftsministers, endlich wieder aktive Industriepolitik in unserem Land zu betreiben. Ich wäre ja schon froh, wenn das Wort Industriepolitik von Bundespolitikerinnen und -politikern wieder einmal in den Mund genommen würde.
Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein Milliardenpaket für die deutsche Stahlindustrie. Wir brauchen Maßnahmen auf europäischer Ebene, für die unsere Bundesregierung auch streiten muss. Ich will
an dieser Stelle daran erinnern, auch in der Krise, in der Europa sich befindet: Die Europäische Union geht nicht zuletzt zurück auf die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, auf die Montanunion. Ich finde, das ist nicht nur von hoher symbolischer, sondern auch von hoher tatsächlicher Bedeutung. Es muss uns gelingen, die Stahlindustrie, die Industrie in Europa dauerhaft zu sichern. Das ist auch ein Lackmustest für ein gelingendes Europa, für eine gelingende Europäische Union, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist auch eine ganz wichtige Feststellung an dieser Stelle.
Ein zweiter Aspekt ist der ökologische Umbau. Da, finde ich, können wir im Saarland ein bisschen stolz sein, ich komme darauf zurück. Es ist nämlich gelungen, hier in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass es nicht um Industriepolitik o d e r Klimaschutz geht, dass es nicht um Industriepolitik g e g e n Klimaschutz geht, sondern dass nur eine fortschrittliche Industriepolitik Klimaschutz wirklich dauerhaft und effektiv ermöglichen kann. Das wird leider noch nicht überall auf der Welt so gesehen, das wird auch nicht überall in Deutschland so gesehen. Ich fürchte auch mit Blick auf die rechte Seite dieses Hauses, es ist auch hier im Haus nicht bei allen Konsens, aber es gibt doch ein großes Einvernehmen in unserer Gesellschaft, bei den ernst zu nehmenden Kräften in diesem Land, dass Klimaschutz und ökologischer Umbau einhergehen müssen mit aktiver Industriepolitik. Das ist eben kein Widerspruch, sondern das sind zwei Seiten derselben Medaille. Ich glaube, da sind wir auch ein leuchtendes Vorbild für andere Länder der Bundesrepublik Deutschland.
Dazu gehört, dass wir uns dazu bekennen müssen, dass wir im Saarland auch weiterhin den innovativsten, den saubersten Stahl herstellen wollen, und das ist auf jeden Fall CO2-ärmerer Stahl. Es ist dummes Zeug, wenn das von irgendeiner Seite geleugnet wird. Zu glauben, dass CO2 künftig keine Rolle spielen wird bei diesem Thema, ist völlig illusorisch, es ist auch völlig falsch, es würde auch unserer Stahlindustrie letztlich nicht helfen. Wir brauchen dauerhaft den CO2-neutralen Stahl, daran müssen wir arbeiten. Wir sind im Saarland hier seitens der Politik dazu bereit, Unseres dazu beizutragen, dass das geht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Dazu sind aber auch große Investitionen und wichtige Innovationen notwendig.
Dass wir dafür den Boden haben, will ich noch mal ausdrücklich sagen. Dass das hier in der Gesellschaft gelingen kann, ist bemerkenswert, ich finde,
das müsste auch öffentlich sehr viel breiter dargestellt werden. Es hat mich gar nicht so sehr verwundert, viele Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften bei verschiedenen Fridays-for-FutureDemonstrationen zu sehen, denn so kenne ich die Kolleginnen und Kollegen der saarländischen Gewerkschaften, weil sie eben auch hören wollen, was die jungen Menschen bewegt. Dass bei den Fridaysfor-Future-Demonstrationen auch viele Kolleginnen und Kollegen von der IG Metall dabei gewesen sind, ist auch ein gutes Zeichen. Es ist vielleicht auch nicht ganz so verwunderlich, aber es ist trotzdem ein wichtiges Zeichen gewesen.
Wirklich erstaunlich gewesen ist aber - ich fürchte, es ist einzigartig in Deutschland -, dass im Anschluss bei den Stahldemonstrationen auch viele von Fridays-for-Future mitdemonstriert haben, weil es uns eben gelungen ist, deutlich zu machen, dass es hier nicht um ein Gegeneinander in unserer Gesellschaft geht, sondern um ein Miteinander. Nur wenn wir die Themen Klimaschutz und Industriestandortsicherung miteinander verbinden, können wir in beiden Bereichen etwas erreichen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich glaube, da haben wir im Saarland eine ganz besondere Chance, aber deswegen auch eine ganz besondere Verantwortung. Das hat etwas mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt zu tun. Es ist eine großartige Leistung, dass uns das gelungen ist. Wir müssen daran aber auch weiter arbeiten, das ist noch nicht alles in trockenen Tüchern.
Der dritte und meines Erachtens auf Dauer sogar wichtigste Punkt ist die Frage, wie das mit dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zukunft weitergeht. Ich möchte an dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an all diejenigen sagen, die dazu beigetragen haben. Da bin ich bei dem Thema Mitbestimmung, da bin ich bei den Betriebsräten und den Gewerkschaften. Die Kolleginnen und Kollegen haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder bewiesen, dass sie bereit sind, ihren Beitrag zu leisten, um den industriellen Kern in diesem Land zu sichern. Und eigentlich gab es auch einen gewissen Konsens, dass das auch die Unternehmen hier mitgetragen haben. Da bin ich an einem Punkt, der mir ernsthaft Sorgen macht, den ich aus der saarländischen Wirtschaft so bisher nicht kannte, zumindest nicht in diesem Umfang und nicht ausgerechnet aus der Stahlindustrie.
Ich appelliere deswegen an dieser Stelle deutlich an das Unternehmen und seine Verantwortlichen im Vorstand und in den Gremien. Da sind in den vergangenen Jahren massive Fehler gemacht worden. Es sind auch wichtige Innovationen verschlafen wor
den. Es ist richtig, dass seitens der Unternehmen ein Milliardenpaket gefordert wird, das tun wir auch, da stehen wir auf der gleichen Seite. Man muss dann aber auch die Projekte in der Tasche haben, für die diese Milliarden dann tatsächlich auch abgerufen werden sollen. Und da erwarte ich auch einmal eine deutliche Aussage der verschiedenen Unternehmen hier im Land. Es wird nicht reichen, nur zu sagen: Die Politik muss handeln. Es ist auch der falsche Weg, erst mal Arbeitsplätze abzubauen oder Kosten im Lohnbereich zu sparen, solange man überhaupt kein Konzept hat, wo die Reise denn überhaupt hingehen soll. Ich finde, an dieser Stelle ist zunächst mal die Holding in der Bringschuld, ist der Vorstand in der Bringschuld. Ich erwarte von dieser Stelle aus, dass das einmal deutlich gesagt wird, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Was mir Sorge macht, ist, dass der Vorstand offenbar nicht erkannt hat, dass das nicht im Konflikt mit den Betriebsräten, im Konflikt mit der Mitbestimmung machbar ist. Das Ausdünnen des Personals kann doch nicht das Ziel eines Unternehmens sein! Was wir brauchen, sind innovative, nach vorne gerichtete Investitionen. Ich habe deswegen die Erwartung an die Vorstände, dass diese Projekte wirklich vorgestellt werden, die umgesetzt werden können. Denn ansonsten wird es uns nicht gelingen, selbst wenn wir Milliardenpakete auf Bundesebene bekommen, dieses Geld hier ins Land zu holen. Aber das muss unser gemeinsames Interesse im Saarland sein.
Deswegen habe ich eine ganz klare Erwartungshaltung. Es muss zunächst einmal allen Beteiligten darum gehen, dass alle Arbeitsplätze in diesem Land in der Stahlindustrie gesichert werden. Auch hier gibt es einen Lackmustest: Das wird ganz wesentlich davon abhängig sein, ob das Unternehmen sich endlich beim Thema befristete Beschäftigte bewegt. Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Ich habe den Eindruck, dass die Unternehmensführung überhaupt nicht verstanden hat, wie wichtig die Mitbestimmung ist. Die Mitbestimmung hätte ihr längst sagen können, wie wichtig die befristeten Beschäftigten an ganz vielen Stellen dafür sind, dass täglich die Arbeit in den verschiedenen Unternehmen geleistet werden kann. Deswegen ist für mich eine ganz klare Forderung: Wir müssen alles daransetzen - und die Vorstände sind in der Verpflichtung -, dass befristet Beschäftigten im Konzern eine Perspektive geboten wird. Ich finde, das ist eine Bedingung, die wir an jede weitere Maßnahme zu knüpfen haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich habe auch die klare Erwartungshaltung, dass das auch für die Ausbildung gilt. Ich habe gestern leider mit Sorge hören müssen, wie stark dort die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber eingebrochen ist. Das ist kein gutes Zeichen. Das ist vor allem deswegen kein gutes Zeichen, weil ich ansonsten aus der Wirtschaft immer wieder höre, wie wichtig doch die Fachkräftesicherung ist, und weiß, dass es im Wirtschaftsministerium, in der Landesregierung seit vielen Jahren ein Bündnis zur Fachkräftesicherung gibt. Wenn ein Unternehmen allerdings durch seine schlechte Kommunikation mittlerweile offenbar dafür sorgt, dass es nicht mehr genug oder nicht mehr so viele Bewerberinnen und Bewerber gibt, dann ist das auch kein gutes Zeichen. Es ist auch keine Investition in die Zukunft eines Unternehmens. Ein gutes Unternehmen, das innovativ und erfolgreich sein will, braucht die besten Leute und muss deswegen ein Interesse daran haben, dass es viele Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsplätze gibt. Das ist ein echtes Krisenzeichen, wenn diese Zahl zurückgeht, da ist dringender Handlungsbedarf.
Ich sage deswegen, das ist in meinen Augen der fatalste Fehler, den die Geschäftsführung gemacht hat, Personalmaßnahmen und Kommunikation an der Mitbestimmung vorbei, über deren Köpfe hinweg, ohne deren Rat einzuholen. Mitbestimmung, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört zu unserer Demokratie genauso wie Wahlen und Abstimmungen. Die Mitbestimmung in unserem Land hat immer dafür gesorgt, dass unsere Demokratie stabil ist. Wir wissen, an wie vielen Stellen unsere Demokratie nicht mehr stabil ist, wenn das überdies nicht mehr ernst genommen wird, dann mache ich mir noch viel mehr Sorgen.
Das gilt natürlich besonders für die Montanmitbestimmung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir hier im Saarland wissen, die Montanmitbestimmung, die paritätische Mitbestimmung ist immer ein Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenhaltes gewesen, gerade hier im Saarland. Jeder Vorstand muss doch aus dieser Erfahrung heraus wissen - das kann man nachlesen, das kann man erspüren, das kann man von den Leuten erfahren -, dass die Mitbestimmung, insbesondere die Montanmitbestimmung in diesem Land Partner der Unternehmen ist. Das ist ein Angebot an die Unternehmen. Wenn die Unternehmen das nicht wahrnehmen und nicht ernst nehmen, dann tun sie sich selbst kei
nen Gefallen, dann fordern sie die Gewerkschaften geradezu dazu heraus, den Konflikt zu suchen. Das ist aber überhaupt gar nicht das Ziel der Handelnden dort. Ich weiß, dass die Beschäftigten immer eine hohe Flexibilität hatten, wenn es darum ging, vernünftige Maßnahmen für die Zukunft durchzusetzen. Das kriegt man aber auch nur dann, wenn es auf Augenhöhe geschieht, wenn man vertrauensvoll zusammenarbeitet. Ich appelliere vor allem an die Unternehmensführung in diesem Zusammenhang: Kehren Sie an dieser Stelle zu der vertrauensvollen Zusammenarbeit zurück, mit der Mitbestimmung, gemeinsam mit den Beschäftigten. Die sind das wichtigste Gut, das wir hier im Land haben, um weiterhin dafür zu sorgen, dass dieses Land Zukunft hat, dass der Stahl Zukunft hat und dass es dabei bleibt, dass unser Land ein Herz aus Stahl hat. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und sage ein herzliches Glückauf.
Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Oskar Lafontaine das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will kurz unseren Antrag begründen und werde mich im Verlauf der Debatte noch einmal zu Wort melden, um die Argumente der anderen Fraktionen aufzugreifen. Zu dem, was der Kollege Commerçon gesagt hat, kann ich bereits pauschal sagen, dass ich praktisch allem zustimme, was er vorgetragen hat, aber dazu Näheres in meinem späteren Beitrag.
Wir haben zwei Punkte aufgegriffen, einmal den Punkt der Umwelttechnologie und zum anderen den Punkt des Außenschutzes, also des Schutzes vor Importen. Das sind die beiden Punkte, die wir angesprochen haben. Ich will aber zwei Dinge vorab sagen. Was bisher in der Debatte fehlt, auch da stimme ich Herrn Commerçon zu, ist ein längerfristiges strategisches Konzept der Geschäftsführung, aber auch ein längerfristiges strategisches Konzept des Landes. Dazu werde ich mich in meinem Beitrag auch noch äußern.
Ich komme zunächst zu den beiden Punkten, die wir hier angesprochen haben. Das Erste, Umwelttechnologie, ist überhaupt gar keine Frage, ich kann das ganz kurz abhandeln. Die Umwelttechnologie muss in der Stahlbranche aus vielerlei Gründen verbessert
werden. Wir sollten uns allerdings nicht auf irgendeine Technologie festlegen; dazu fehlt uns einfach die Kompetenz. Wir sollten nur darauf hinweisen, dass im Zuge der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung selbstverständlich die Umwelttechnologie eine große Rolle spielen wird. Also muss alles getan werden, damit die Stahlbetriebe insgesamt immer weiter voranschreiten, wenn es darum geht, umweltfreundlicher zu produzieren.
Das hilft uns kurzfristig aber überhaupt nicht weiter. Das sage ich, damit wir keine falschen Akzente setzen. Die Wasserstofftechnologie, die im Mittelpunkt mancher Diskussionen steht, ist ein langfristiges Projekt. Die Ausschussberatungen haben gezeigt, dass, wenn die Zahlen etwa der Wirtschaftsvereinigung stimmen, die ich nachgelesen habe, ist das dann von der Betriebskostenseite her ein fast nicht lösbares Problem. Es könnte aber sein, dass technologisch irgendetwas anderes kommt, das kann man heute nicht wissen. Ich wollte nur davor warnen, sich jetzt in erster Linie auf diesen Punkt zu versteifen, weil das der Sache nicht entsprechen würde.
Das Wichtigste, am schnellsten zu regeln, ist der Außenschutz. Wenn das nicht gelingt, wird es zum Personalabbau kommen, das ist überhaupt keine Frage. Wir können nämlich zwei Dinge nicht ändern, von hier aus nicht und auch von Deutschland aus nicht, das ist erstens die allgemeine Weltkonjunktur und zweitens die Handelskonflikte etwa zwischen China und den USA. Also können wir nur versuchen, unsere eigenen Interessen zu wahren. Unsere eigenen Interessen sind in diesem Fall europäische Interessen. Europa ist hier in besonderem Maße gefordert, den Außenschutz sicherzustellen. Derzeit ist es nun einmal so, das ist immer deutlicher geworden, dass die bisher getroffenen Maßnahmen schlicht und einfach nicht ausreichen, weil sie der neuen Situation auf den Weltstahlmärkten nicht Rechnung tragen. Deshalb ist für mich kurzfristig der Außenschutz die entscheidende Frage, und deshalb unser Hinweis, dass man bei Importzöllen, bei Umweltabgaben und so weiter nachlegen muss. Wenn die Dumpingstähle weiterhin auf unsere Märkte vordringen - und zwar Dumping im doppelten Sinne, von der Kostenseite, was die Löhne angeht, und von der technischen Seite, was die Umweltmaßnahmen angeht -, gibt es bei unserer Struktur keine Möglichkeit, dies abzuwehren. Das muss man in aller Klarheit sagen.
Zwei weitere Punkte. Wir brauchen eine Unternehmensstrategie, das hat der Kollege Commerçon ausreichend dargestellt, ich will das nicht alles wiederholen. Es genügt nicht, Personal abzubauen, das
kann wirklich jeder. Egal, wo man hinschaut, heißt es, wir haben Verlustzahlen, also bauen wir Personal ab. So genial ist diese Strategie nicht, man muss kein hohes Vorstandsgehalt beziehen, ein Inspektor von der Stadtverwaltung genügt, er kommt auch auf solche Ideen. Man muss das also nicht unbedingt so sehen.
Es geht aber um mehr, es geht auch um eine landespolitische Strategie. Ich möchte das nur kurz darstellen, wir standen schon einmal vor einer ähnlichen Situation. Wir waren in der Situation, dass zum Beispiel technologische Möglichkeiten an dieser Stelle nicht weitergeholfen haben. Wir waren in der Situation, dass von den Vorständen keinerlei brauchbare Dinge vorgelegt wurden, auch nicht von den Anteilseignern, also mussten wir selbst handeln. Unsere Strategie war zu sagen, angesichts der Analyse der Bewegung auf den Weltmärkten wollen wir dahin kommen, dass die wichtigen Entscheidungen hier im Land bleiben. Das war keine selbstverständliche Sache. Ich will die Schlachten der Vergangenheit nicht aufwärmen, ich sage das nur, um in die Zukunft hinein zu projizieren.