Protocol of the Session on September 19, 2018

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/557. Wer für die Annahme der Drucksache 16/557 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/557 einstimmig angenommen ist. Zugestimmt haben CDU-Landtagsfraktion, SPD-Landtagsfraktion und DIE LINKE-Landtagsfraktion. Die AfD-Landtagsfraktion hat sich an der Abstimmung nicht beteiligt.

Kolleginnen und Kollegen wir treten in die Mittagspause ein und unterbrechen die Sitzung bis 13.40 Uhr.

(Die Sitzung wird von 11.56 Uhr bis 13.43 Uhr unterbrochen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort und kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Demenz geht uns alle an (Drucksache 16/563)

Zur Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen erteile ich Frau Abgeordneter Dagmar Heib das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heute hier dieser Debatte beiwohnen und wissen wollen, warum wir das Thema mit dem Antrag „Demenz geht uns alle an“ heute hier im Landtag diskutieren! Der eine oder andere denkt vielleicht, wir hatten doch heute schon ein großes sozialpolitisches Thema, warum reden wir jetzt noch über Demenz als sozialpolitisches Thema?

Ich denke, es ist letztendlich der Aktualität geschuldet. Wir befinden uns derzeit in der Woche der De

(Ministerin Bachmann)

menz, die jedes Jahr stattfindet. Am 21. September, am Freitag, haben wir den diesjährigen Welt-Alzheimertag. Der 21. September ist seit 1994 der Tag, an dem in aller Welt vielfältige Aktivitäten stattfinden, um die Öffentlichkeit auf die Situation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen aufmerksam zu machen. In diesem Jahr lautet das Motto „Demenz dabei und mittendrin“.

Meine Damen und Herren, seit über 20 Jahren wird an gesellschaftlicher Akzeptanz, an Aufklärung, an Bewusstseinsbildung, an Entstigmatisierung, an Enttabuisierung gearbeitet. Die Deutsche Alzheimergesellschaft ist ein eingetragener Verein, ist aus der Selbsthilfe entstanden. Wir haben auch einen Landesverband im Saarland. Ich denke, das sollte an der Stelle auch einmal erwähnt werden, auch mit Namen verbunden. Die Vorsitzende des saarländischen Verbandes ist Frau Dr. Fehrenbach, Chefärztin der Klinik für Gerontopsychiatrie auf dem Sonnenberg. Zweiter Vorsitzender ist Prof. Dr. Riemenschneider, der uns auch allen bekannt ist als Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uni Homburg. Auch hier im Saarland wird dieses Thema über die Alzheimergesellschaft mit exponierten Leuten entsprechend vertreten. Im Vorstand finden sich dann auch noch andere „übliche Verdächtige“, die in der Materie unterwegs sind.

(Ministerin Bachmann: Zum Beispiel Frau Heib.)

Zum Beispiel. Meine Damen und Herren, wir haben alle die Chance auf ein hohes Alter. Mit dieser Chance nimmt aber auch die Anzahl derer zu, die von Erkrankungen betroffen sind, welche das Leben schwer machen, zum Beispiel Erkrankungen des Skeletts und der Muskulatur, aber auch die Erkrankung Demenz. Weltweit sind etwa 46 Millionen Menschen von Demenzerkrankungen betroffen, zwei Drittel davon in den Entwicklungsländern. Bis 2050 wird die Zahl auf voraussichtlich 131,5 Millionen ansteigen, besonders dramatisch in China, Indien und den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.

In Deutschland leiden über eine Million Menschen an dieser Krankheit - manchmal sind es auch 1,5 Millionen, das ist immer etwas schwierig mit diesen Zahlen. Zwei Drittel werden im privaten Umfeld gepflegt. Jährlich kommen circa 200.000 Neuerkrankungen hinzu. Bei uns im Saarland - das können wir herunterbrechen - leben über 21.000 demenziell erkrankte Menschen. Man rechnet mit einer Verdoppelung der Betroffenen bis 2050. Hinter jedem, der von der Erkrankung betroffen ist, steht noch einmal eine Familie, stehen Angehörige, viele Menschen rundherum, die mit dieser Thematik konfrontiert werden.

Derzeit scheint der Anstieg in den prognostizierten Zahlen etwas abzuflachen, das sind Zahlen, die dann ein, zwei Jahre oder drei Jahre alt sind. Warum das so ist, das lässt sich nicht sagen. Dafür

gibt es viele Erklärungsversuche. Aber die letztendliche Ursache kennt man nicht.

Einer der Eckpfeiler für ein gesundes, ein gelungenes Leben ist natürlich die Prävention. Altern ist ein lebenslanger Prozess, wir leben letztendlich auf das Alter zu. Von daher muss man auch frühzeitig im Leben mit der Prävention beginnen, um zu versuchen, den Alterungsprozess, der einem bevorsteht, zu beeinflussen. Dazu gehört der aktive Dreiklang von körperlicher, geistiger und sozialer Aktivität und natürlich, wie insgesamt bei der Prävention überhaupt, eine gesunde Ernährung. Dies gilt im Allgemeinen wie auch im Speziellen.

Wenn man mit gesunder Ernährung eine demenzielle Erkrankung verhindern oder im frühen Stadium heilen könnte, wäre eine sehr einfache, zweifellos eine gute Lösung. Wir haben ja - auch der Kollege Scharf und der Kollege Magnus Jung - im Schloss vor zwei Wochen einen Vortrag gehört, in dem es darum ging, wie wichtig gesunde Ernährung im Rahmen einer Prävention für demenzielle Erkrankungen ist. Wie gesagt, es wäre eine einfache, zweifellos gute Lösung, aber so weit sind wir nicht. Gegenwärtig ist eine Heilung der Krankheit nicht möglich. Das ist der derzeitige Stand.

Deshalb heißt dies zum einen für jeden Einzelnen natürlich, bewusst älter zu werden. Dazu gehört sicherlich die Prävention. Da kann jeder Einzelne und jede Einzelne viel tun. Es bedarf aber auch der Aufklärung und der Beratung. Die Prävention ist eine Aufgabe aller Player im Gesundheitsbereich. Das haben wir auch im Antrag entsprechend aufgenommen. Ich denke, dass gerade das Bundesgesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention - kurz Präventionsgesetz genannt - hier greifen kann, schafft es doch die Grundlage für eine bessere Zusammenarbeit von Sozialversicherungsträgern, Ländern und Kommunen in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung.

Wir brauchen uns aber nichts vorzumachen: Es muss natürlich im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger greifen. Es darf auch keine Frage sein, wer sich Prävention leisten kann oder nicht. Ich sehe das auch nicht als Hoffnungsschimmer schlechthin, dass Prävention hier helfen kann. Aber ich denke, ein gutes, präventiv gesundes Leben zu führen, hilft uns allen im Alterungsprozess auf jeden Fall.

Wir dürfen auch nicht nachlassen, was die Forschung betrifft. Wir haben an der Stelle zum Beispiel das Institut für Demenzprävention von Prof. Dr. Tobias Hartmann im Saarland, der unter anderem neue Therapieansätze erforscht oder auch Koordination und Vernetzung bestehender Aktivitäten zur Demenzforschung und -behandlung betreibt. Auch das DFKI ist mit Jan Alexandersson und seinen Kol

(Abg. Heib (CDU) )

legen in dem Thema Demenz unterwegs und betreibt Forschungsarbeit.

Die große Aufgabe, der wir uns zurzeit und auch in den kommenden Jahren unverändert engagiert stellen müssen, ist der Umgang mit den Menschen mit Demenz. Auch wenn gegenwärtig eine Heilung der Krankheit nicht möglich ist, kann durch medizinische Behandlung, Beratung, soziale Betreuung, fachkundige Pflege und vieles mehr den Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen geholfen werden. Danke an dieser Stelle all denjenigen, die genau in diesen Bereichen auch unterwegs sind, um die Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu unterstützen.

Denn Demenz bedeutet sehr oft eine Gratwanderung zwischen dem unbedingten Willen des Einzelnen, über sich selbst zu bestimmen und unabhängig zu sein, und dem demenzbedingten Unvermögen zur Selbstständigkeit. „Vergesslich“, „verwirrt“, „orientierungslos“ sind zum Beispiel Adjektive, die die Krankheit beschreiben. Man kann es auch anders ausdrücken: Die Menschen leiden unter dem fortschreitenden Verlust der geistigen Fähigkeiten wie Denken, Erinnern, Orientieren. Das sind kurze Beschreibungen komplexer Prozesse.

Auch wenn ein Mensch an einer Demenz erkrankt, so gehört er weiterhin zu unserer Gesellschaft. In unserem alltäglichen Leben, ob beim Einkaufen, in der Bank, im Lokal oder Gasthaus, im Café, beim Friseur, wo immer wir uns aufhalten, begegnen wir Menschen mit Demenz, wir merken es nur manchmal nicht, denn man kann es oftmals erst im näheren Kontakt feststellen. Mehr Lebensqualität und Teilhabe für Menschen mit Demenz und ihre Angehörige ist unser Ziel. Dazu gehören Begegnungen, meine Damen und Herren, und nicht Ausgrenzungen. Begegnungen mit Respekt und auf Augenhöhe - damit ist die Voraussetzung für ein Miteinander aller geschaffen.

Ein Mensch mit Demenz verändert sich. Für die Angehörigen ist es oftmals schwer, diesen neuen Menschen zu akzeptieren und zu verstehen, warum der Mann, die Frau, der Vater, die Mutter, der Bruder, die Schwester nicht mehr da sind. Sie sind zwar noch da, sie sind aber nicht mehr so da, wie sie mal waren. Hier heißt es gerade für die Angehörigen, sich darauf einzulassen und den neuen Menschen kennenzulernen, seine Fähigkeiten zu erkennen und der Beziehung eine Chance zu geben. Dann kann es eine Bereicherung werden.

Was für ein Familienmitglied gilt, gilt natürlich auch für uns alle in der Gesellschaft. Wenn wir die Menschen mit Demenz mit ihren Ressourcen positiv wahrnehmen, ist das nicht nur ein Fortschritt für die Demenzerkrankten, nein, es ist auch für uns als Gesellschaft eine Bereicherung. Die Wege sind gerade

für einen Angehörigen nicht immer einfach, aber es lohnt sich, diese Wege zu gehen. Natürlich ist es wichtig zu fragen, was er oder sie will oder was von dem, was die Betroffenen wollen, möglich ist. Die entscheidende Frage für uns lautet aber: Wie bringe ich dies zusammen? Deshalb trägt im Umgang mit Demenzerkrankten jeder Schritt, der mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit bedeutet, zur Lebensqualität bei und erleichtert das Leben der Betroffenen und ihrer Umgebung. Das beginnt vor allen Dingen bei der Wertschätzung des Erkrankten, denn auch der an Demenz Erkrankte hat eine Persönlichkeit, die angenommen werden will.

Zu einem würdevollen Umgang gehört auch das Verstehen seines Verhaltens, das Sich-Hineinversetzen in den dementen Menschen. Mindestens genauso wichtig sind die Erinnerungspflege und die Biografiearbeit. Das heißt übrigens auch, diese Menschen so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen. Dafür sind gute, flexible unterstützende Betreuungs- und Pflegeangebote notwendig, damit die pflegenden Angehörigen Entlastung erfahren können, passgenauere Unterstützung für die Betroffenen und ihre Angehörigen erfolgen kann und somit Entlastung, damit es nicht zu Überforderung und zu Gewalt in der Pflege kommt, die oft Resultat von Überforderung ist.

Es handelt sich hier oft um sehr intensive und zeitaufwändige Pflegebeziehungen, die zu hohen körperlichen, psychischen, emotionalen und sozialen Belastungen führen können. Dafür ist allen pflegenden Angehörigen und auch den Hilfenetzwerken Danke zu sagen und an unterstützenden, entlastenden Strukturen weiterzuarbeiten wie zum Beispiel an den Anlaufpunkten für pflegende Angehörige, wenn sie in Krisensituationen kommen. Auch dort müssen wir nacharbeiten und weitere Angebote auf den Weg bringen. Deshalb ist es auch unverzichtbar, dass wir den Ausbau von betreuten Wohnformen für Menschen mit Demenz und den Ausbau des Angebots an Tagespflege- und Kurzzeitpflege-Plätzen gerade für Menschen mit herausforderndem Verhalten oder auch die Entwicklung alternativer Betreuungsangebote unterstützen.

Wir haben in unserem Antrag eine weitere Forderung, wir sagen, wir hätten gerne die Ernennung eines Landesarztes oder einer Landesärztin für Demenz. Die Landesärzte selbst sind in § 62 SGB IX geregelt. Wir haben im Saarland fünf Landesärzte, die sehr spezialisiert sind. Das sind der Landesarzt für körperliche Behinderung, für blinde Menschen beziehungsweise für Menschen mit Sehbehinderung, für Erwachsene mit geistiger und seelischer Behinderung, ein Landesarzt für Kinder mit seelischer Behinderung sowie für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung. Wir sehen in der Ernennung eines Landesarztes oder einer Landesärztin für De

(Abg. Heib (CDU) )

menz die Anerkennung der besonderen medizinischen Fachrichtung und auch ein Zeichen dafür, dass es eine besondere Herausforderung bleibt, die die demenziellen Erkrankungen für uns alle mit sich bringen, die sie auch für die Medizin mit sich bringen. Es wäre für uns im Sinne der Bewusstseinsbildung ein gutes Zeichen, dass ein weiterer Landesarzt oder eine Landesärztin im Saarland ernannt wird.

Die Landesregierung hat sich schon vor einigen Jahren das Ziel gesetzt - unterstützt von uns im saarländischen Landtag -, eine demenzfreundliche Gesellschaft und ein demenzsensibles Bundesland zu werden. Mit der Erstellung des Demenzplans hat das Saarland eine Vorreiterrolle eingenommen. Schleswig-Holstein und Bayern sind auf ähnlichen Wegen. Sie sind, so kann man sagen, beinahe gleichauf mit uns, aber wir haben mit dem Demenzplan an sich eine Vorreiterrolle eingenommen. Projekte wie die Landesfachstelle Demenz, die der Demenzverein Saarlouis bereits 2012 beantragt hatte und die das Sozialministerium mit den Pflegekassen über fünf Jahre als Modellprojekt gefördert hat, läuft seit einem Jahr in einer 100-prozentigen Förderung durch das Ministerium. Auch die vielen lokalen Allianzen für Demenz, die wir in den Landkreisen haben, und die „Allianz für Demenz Netzwerk Saar“ sind wichtige Bestandteile für die Netzwerkarbeit in unserem Land.

Der Demenzplan selbst enthält vier Handlungsfelder mit vielen Maßnahmen, die innerhalb von zwölf Monaten mit 70 Kooperationspartnern erarbeitet wurden. In diesen Handlungsfeldern - so viel will ich Ihnen mitteilen - waren zum Beispiel mehr als 70 Schulungen für besondere Berufsgruppen beinhaltet, zum Beispiel für Polizisten, Bankangestellte, Verwaltungsbeschäftigte. Es wurden besondere Berufsgruppen geschult, über 1.200 Personen haben teilgenommen, denen das Thema Demenz näher gebracht wurde, denn diese Berufsgruppen kommen in Kontakt mit Menschen mit Demenz. Sie haben erfahren, wie der Umgang mit den Demenzerkrankten erfolgen sollte.

Wir haben natürlich auch die Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen, ein Handlungsfeld, auf dem viel getan wurde. Es gibt die Fachberatung Demenz in den Pflegestützpunkten. Hier wurden besondere Schulungen ausgebaut, es wurden Standards zur Fachberatung erstellt und es fand eine Vernetzung von Arztpraxen und der Demenzberatung in den Pflegestützpunkten statt. All dies sind sinnvolle Maßnahmen, die umgesetzt wurden. Die Versorgungsstrukturen wurden optimiert, und es geht darum, das Thema Demenz in der Alten- und Krankenpflegeausbildung zu verankern. Natürlich waren auch die Forschung und der Transfer ein wichtiges Handlungsfeld.

Ich möchte an dieser Stelle anregen - die Präsidentin hört zu -, dass wir vielleicht auch im Landtag Angebote für die Schulung „Demenz Partner“ machen. Das Sozialministerium zum Beispiel hat schon eine Schulung mit interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchgeführt, ebenso das Bildungsministerium. Dort haben ebenfalls Schulungen stattgefunden. Wir könnten dies auch im Landtag anbieten. Das Projekt heißt „Demenz Partner“, es ist eine Initiative der Alzheimer Gesellschaft und läuft bundesweit. Man könnte vielleicht einen oder zwei Termine finden, um den Kolleginnen und Kollegen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtags ein solches Schulungsangebot zu machen.

Lassen Sie mich abschließend etwas zum Handlungsfeld „Forschung und Transfer in Modelllösungen“ sagen. Zuvor ist aber ganz wichtig zu erwähnen, dass der Demenzplan fortgeschrieben wird. Dies bedeutet zum einen, dass neue Handlungsfelder gemeinsam mit den Kooperationspartnern ermittelt werden müssen. Wir haben festgestellt, dass es Maßnahmen gibt, die verstetigt werden müssen. Sie können kein Modellprojekt sein, sondern müssen immer erfolgen, sei es die Qualifizierung oder die Vernetzung von Arztpraxen mit Beratungsstellen. All dies muss verstetigt werden. Natürlich kann man auch in einem bereits bekannten Handlungsfeld noch neue Maßnahmen entwickeln. Dies wäre ebenfalls wichtig. Der Demenzplan ist in unserem Land ein gesellschaftlich getragenes Projekt. Er ist auch Garant für unser entwicklungsoffenes, lernendes Saarland. Meines Erachtens sollte dies so bleiben.

Zum Abschluss einige Anmerkungen zum Handlungsfeld „Forschung und Transfer in Modelllösungen“. In diesem Handlungsfeld gibt es auch eine Ringvorlesung. Jeder kann das im Demenzplan nachlesen. Die Demenz berührt als Querschnittsthema viele Berufsgruppen und Berufsbilder, hat aber in der Lehre an den Hochschulen bisher kaum einen systematischen Eingang gefunden. Das Thema ist in der medizinischen Ausbildung verankert, aber dort aus einer medizinischen Betrachtung heraus, weniger aus einer umfassenden Betrachtung der Situation von Demenzkranken und ihren Hilfebedarfen. Wenn wir über den Tellerrand schauen, nach Großbritannien zum Beispiel, aber auch über den Atlantik, hinken wir im internationalen Vergleich hinterher, was das Thema Demenz im Rahmen von Forschung und Lehre an Hochschulen betrifft. Man hat deshalb die Ringvorlesung entwickelt. Sie hat zum Ziel gehabt, dass das Thema Demenz aus unterschiedlichen Expertenperspektiven beleuchtet wird.

Im Rahmen der Ringvorlesung gab es einen Vortrag mit Peter Müller, Richter am Bundesverfassungsgericht. Der Vortrag wurde organisiert vom Ministerium, von der Landesfachstelle und der HTW. Peter Müller hat in seinen Ausführungen juristische Fragen

(Abg. Heib (CDU) )

aufgeworfen und darauf Antworten gegeben. Eindrucksvoll hat er dargestellt, dass der Betroffene in jedem Stadium der Erkrankung ein Mensch mit unantastbarer Würde ist und niemals zu einem Objekt wird. Der Mensch hat ein Recht auf freien Willen und Selbstbestimmung. Peter Müller folgend gilt das auch in späten Stadien der Erkrankung. Trotz dort stark abnehmender geistiger und körperlicher Fähigkeiten hat der Mensch mit Demenz ein Recht auf Selbstbestimmung. Wenn der Zeitpunkt kommt, dass Angehörige oder Ärzte in die Entscheidungsfreiheit der Menschen mit Demenz eingreifen müssen, kann dies natürlich nur unter hohen Hürden passieren, beispielsweise bei Fixierungen, die man am besten vermeidet. Dazu gehört immer viel Personal. Aber das muss unbedingt einem Gericht vorbehalten bleiben, dem sogenannten Richtervorbehalt.

Bemerkenswert war für mich der Schluss seines Vortrages. Er sagte nämlich: Wie wir mit unseren Demenzkranken umgehen, entscheidet darüber, wie human unsere Gesellschaft ist. Ich habe dem nichts weiter hinzuzufügen. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Astrid Schramm von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Demenz geht uns alle an. Deshalb begrüßen wir die Anstrengungen der Landesregierung, das Thema Demenz in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen. Obwohl im Saarland schon rund 21.000 Menschen demenziell erkrankt sind und Fachleute sich darüber einig sind, dass die Zahl der Erkrankungen in den nächsten Jahren stetig weiter steigen wird, ist Demenz immer noch ein Tabuthema. Es ist eine Krankheit, die oft verschwiegen wird und über die Betroffene und Angehörige oft aus Scham nicht reden.

Unsere Aufgabe ist es, alles dafür zu tun, diesen Menschen die Angst zu nehmen, über ihre Erkrankung oder die Erkrankung der Angehörigen zu sprechen und sich frühzeitig damit zu beschäftigen. Es ist auch unsere Aufgabe, die bestmögliche Pflege der Betroffenen zu gewährleisten. Daher ist es gut, dass im Saarland eine Landesfachstelle Demenz eingerichtet wurde. Es ist gut, dass es einen saarländischen Demenzplan gibt und dass dieser stetig fortgeschrieben werden soll. Es ist gut - Frau Heib hat es ausgeführt -, dass für Betroffene und Angehörige neue Informationsangebote geschaffen werden sollen.

Das alleine wird aber nicht reichen. Die steigende Zahl demenziell erkrankter Menschen bedingt einen höheren Pflegebedarf. Wir kommen nicht daran vorbei, dass wir dringend zusätzliches Fachpersonal in Krankenhäusern sowie Pflege- und Altenheimen brauchen. Bereits heute - das zählt zur Wahrheit hinzu - ist eine intensive Betreuung von Demenzkranken in vielen dieser Einrichtungen überhaupt nicht zu leisten.

Erlauben Sie mir hierzu die Schilderung einer eigenen Beobachtung, die mich bis heute fassungslos macht. Meine Schwiegermutter ist ebenfalls an Demenz erkrankt und wurde vor Kurzem in einem saarländischen Krankenhaus betreut. Dort gab es einen sogenannten Aktivierungsraum. Was Aktivierung in diesem Haus bedeutet, zeigt ein Blick hinter die Tür. Dort saßen acht bis zehn Demenzpatienten ohne Pflegerinnen oder Pfleger und blickten teilnahmslos auf einen Fernseher oder einfach nur zu Boden. Man hat sie dort sprichwörtlich geparkt, weil niemand Zeit für sie hatte, weil auch in diesem Haus viel zu wenig Fachpersonal viel zu viele Patienten zu betreuen hatte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns einig. Die antragstellenden Fraktionen haben richtig erkannt, dass zusätzliches und speziell geschultes Pflegepersonal zur angemessenen Versorgung unabdingbar ist.