Protocol of the Session on August 22, 2018

7. Beschlussfassung über den von der AfD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Einrichtung von sonderpädagogischen Klassen an Brennpunktschulen (Drucksache 16/ 508)........................................................... 1007

Abg. Dörr (AfD) zur Begründung........... 1007

Abg. Renner (SPD).............................. 1008

Abg. S paniol (DIE LINKE)................... 1011

Abg. W agner (CDU)............................. 1013

Abg. Dörr (AfD)..................................... 1015

Abstimmung, Ablehnung des Antrages..... 1016

8. Beschlussfassung über den von der CDU-Landtagsfraktion und der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Kurz- bis mittelfristige Verfügbarkeit zusammenhängender Industrieflächen nachhaltig sichern - Flächenangebot zügig ausweiten, Masterplan Industrieflächen strategisch weiterentwickeln (Drucksache 16/513)........ 1016

Abg. K urt z (SPD) zur Begründung....... 1016

Abg. F lac k us (DIE LINKE)................... 1017

Abg. G illen (CDU)................................ 1019

Abg. Dörr (AfD)..................................... 1021

Ministerin Rehlinger........................... 1022

Abg. Müller (AfD)................................. 1025

Abstimmung, Annahme des Antrages....... 1025

9. Beschlussfassung über den vom Ausschuss für Eingaben eingebrachten Antrag betreffend: Beschlüsse zu Petitionen bei Zustimmung aller Abgeordneten (Übersicht Nr. 5.1) (Drucksache 16/481)...................................................... 1025

Abstimmung, Annahme des Antrages....... 1025

10.Beschlussfassung über den vom Ausschuss für Eingaben eingebrachten Antrag betreffend: Beschlüsse zu Petitionen bei Enthaltung eines Abgeordneten (Übersicht Nr. 5.2) (Drucksache 16/482)...................................................... 1025

Abstimmung, Annahme des Antrages....... 1026

11.Beschlussfassung über den vom Ausschuss für Eingaben eingebrachten Antrag betreffend: Beschlüsse zu Petitionen bei Abstimmungsverzicht einer Abgeordneten (Übersicht Nr. 5.3) (Drucksache 16/483)................................ 1026

Abstimmung, Annahme des Antrages....... 1026

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Landtagssitzung. Es ist die 17. Sitzung der laufenden Legislaturperiode. Ich begrüße Sie ganz herzlich. Es ist gleichzeitig unsere erste Sitzung nach der parlamentarischen Sommerpause. Ich hoffe, Sie gehen gut gestärkt und erholt wieder an die Arbeit zum Wohle unseres Landes.

Leider geht es zwei unserer Kollegen nicht so gut. Der Abgeordnete Volker Oberhausen ist gestern kurzfristig ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie wissen, dass unser Kollege Lutz Hecker sich immer noch von den Folgen der Verletzungen erholen muss, die er bei einem Raubüberfall erlitten hat. Ich darf beiden Kollegen in unser aller Namen herzliche Genesungswünsche übermitteln.

(Beifall des Hauses.)

Es gibt aber auch Erfreuliches zu vermelden. Eine Kollegin feiert nämlich heute auf den Tag genau ihren Geburtstag. Das ist die Abgeordnete Ruth Meyer. Herzlichen Glückwunsch in unser aller Namen!

(Beifall des Hauses.)

Ich möchte eine Frau begrüßen, die heute zum ersten Mal in ihrer neuen Funktion an unserer Plenarsitzung teilnimmt. Es ist Frau Katja Göbel. Sie leitet seit 01. August das Katholische Büro im Saarland in Nachfolge von Dr. Prassel. Liebe Frau Göbel, ich darf Ihnen im Namen des gesamten Landtages zu Ihrer Ernennung gratulieren. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für die neue Aufgabe.

(Beifall des Hauses.)

Wie zu Beginn jeder Sitzung noch einige formale Punkte, einige geschäftsleitende Anmerkungen. Zum einen die Redezeitordnung. Das Erweiterte Präsidium hat sich in seiner Sitzung in der vergangenen Woche darüber verständigt, die Redezeitordnung des Landtages zu ändern. Sie finden die neue Redezeitordnung auf Ihren Plätzen vor.

Ich lasse über die Änderung der Redezeitordnung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? Dann stelle ich fest, dass die neue Redezeitordnung einstimmig angenommen ist. Zugestimmt haben alle Abgeordneten.

Eine weitere Anmerkung zu unserer Tagesordnung. Das Erweiterte Präsidium hat die Tagesordnung in seiner letzten Sitzung in der vergangenen Woche einvernehmlich festgesetzt.

Eine Anmerkung zu Tagesordnungspunkt 4. Zwischenzeitlich ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE und des Präsidiums betreffend die Bestimmung von Mitgliedern für Ausschüsse des Landtages um weitere Gremien ergänzt worden. Sie finden den Antrag als Drucksache 16/514 - neu 2 - auf Ihren Plätzen vor.

Wir steigen damit in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 1 unserer Tagesordnung auf:

Erste Lesung des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Saarländischen Verfassungsschutzgesetzes (SVerfSchG) (Drucksache 16/512)

Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Herrn Abgeordnetem Dennis Lander das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ja, wissen Sie, was es uns - jetzt bei allem Respekt, den ich versuche einzuhalten - hier wirklich sehr schwer macht und auch der Öffentlichkeit schwerfällt und nach meinem Punkt auch ein ganz wesentlicher Grund dafür ist, dass der Verfassungsschutz - egal ob in den Ländern oder im Bund - so schlecht dasteht? Man hat immer den Eindruck (…): Nur wenn Sie ganz konkret und ganz präzise gefragt werden, dann gibt es vielleicht eine Antwort. (…) Das treibt die Leute ein bisschen in Verzweiflung, sodass viele auch fragen: Wozu brauchen wir dann einen Verfassungsschutz, wenn er nicht auch mitdenkt?“

Bevor Sie sich jetzt aufregen, diese Sätze stammen nicht etwa von mir, sie stammen von Clemens Binninger, einem langjährigen Fraktionsmitglied der CDU-Bundestagsfraktion, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums und Vorsitzenden des NSA- und NSU-Untersuchungsausschusses. Binninger erklärte mit Blick auf den Nationalsozialistischen Untergrund auch: „Schwere Fehler, Versäumnisse, Fehleinschätzungen sind an vielen Stellen passiert: Bei den Nachrichtendiensten unbestritten, bei der Polizei auch, bei der Justiz und bei der Politik.“

Er hat ja völlig recht, wenn er aufgrund dieser Tatsachen mehr Kontrolle und mehr Transparenz fordert. Auch die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus teilt diese Forderung. Der Sprecher für Fragen des Verfassungsschutzes Lenz erklärte, dass der Rechtsstaat dauerhaft und im Vorfeld nachrichtendienstliche Mittel begründen muss. Darüber wacht dann das Parlament in Form des Verfassungsschutzausschusses. Auch wenn Lenz - das möchte ich Ihnen ja gar nicht verschweigen - den Verfassungsschutz in seiner Gesamtheit stärken will, so

sagt er doch auch, dass die Kontrollmöglichkeiten mit den Befugnissen Schritt halten sollen.

Diese Aussagen sollten zu denken geben, vor allen Dingen der Jungen Union und dem Vorsitzenden Alex Zeyer. Als der NSU-Prozess gerade auf dem Höhepunkt war, danach sein Ende fand und im Saarland eine unübliche Kooperation zwischen Verfassungsschutz und Jobcenter bekannt wurde, da erklärte sich Herr Zeyer solidarisch mit dem Verfassungsschutz. Zwischen Verfassungsschutz und Parlament gibt es aber ein gewisses Kontrollverhältnis. Jetzt kann man die Aussagen von Herrn Zeyer als naiv bezeichnen, und doch sind sie das beste Beispiel für das schlechteste Signal, das in dieser politischen Gemengelage hätte ausgesendet werden können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der LINKEN.)

Die Fahrzeug- und die BND-Affäre zeigten doch, welche Probleme es mit sich bringt, wenn Geheimdienst und Parlament zu eng miteinander verknüpft sind. Auch der aktuelle AfD-Skandal im Bundesamt für Verfassungsschutz wirft doch hier im Saarland ganz neue Fragen auf.

Im Zentrum dieses Skandals steht auch wieder die Saar-AfD mit ihrem Vorsitzenden Josef Dörr, die Kontakte zu Neonazis pflegen. Um auf die Kooperation mit dem Verfassungsschutz, dem Jobcenter und der Kommunalbehörde zurückzukommen, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch das sollten Sie bitterernst nehmen. Wenn jemand beim Jobcenter beispielsweise mit seinem Sachbearbeiter nicht klarkommt, dann muss er doch die Chance haben, für seine Interessen einstehen zu können, ohne befürchten zu müssen, dass er von dem Sachbearbeiter beim Verfassungsschutz angeschwärzt wird. Was sind das denn für Verhältnisse?

Die Zahlen geben uns recht. Von sechs eingegangenen Hinweisen über angebliche islamistische Gefährder hat sich kein einziger bestätigt. An dieser Stelle interessiert mich auch die Rechtsgrundlage, auf der hier gehandelt wurde, denn immerhin sagt das Gesetz lediglich, dass der Verfassungsschutz, wenn er jemanden konkret verdächtigt, auf Amtshilfeersuchen beim Jobcenter Name, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht et cetera nachfragen darf, aber nicht etwa den Hintergrund dieser Verdächtigung, und das auch aus gutem Grund.

Ich behaupte ja nicht, dass diese sechs Hinweise, die beim Verfassungsschutz eingegangen sind, allesamt Denunziationen waren, aber der Fall von Florian Crosbie zeigt uns doch ganz genau, wie schnell die Geheimdienste das Leben eines Menschen zerstören können.

(Beifall von der LINKEN.)

(Präsident Toscani)

Crosbie, ein ehemaliger Soldat aus Saarbrücken, wurde vom Geheimdienst fälschlicherweise beschuldigt, ein Salafist zu sein. Dadurch folgten soziale Isolation, Depression und ein Kampf, der für ihn bis heute andauert, alles durch völlig an den Haaren herbeigezogene Verdächtigungen vonseiten des militärischen Abschirmdienstes. Deshalb müssen wir dieser Methode einen Riegel vorschieben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mutmaßungen und Denunziation dürfen nicht an die Geheimdienste gehen. Jobcenter und Kommunalbehörde dürfen nicht zum verlängerten Arm des Verfassungsschutzes werden, konkrete Gefahren müssen unmittelbar an die Polizei weitergeleitet werden.

(Beifall von der LINKEN.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als LINKE sehen wir den Verfassungsschutz äußerst kritisch. Im Grundgesetz steht in Artikel 14, dass Eigentum verpflichtet. In Artikel 15 steht, Produktionsmittel können vergesellschaftet werden. Jakob Augstein hat doch recht, wenn er an dieser Stelle sagt: „Wer das zur Richtschnur seines politischen Handelns machen wollte, der wäre in Deutschland ein Revolutionär. Und damit ein Fall für die Bespitzelung durch den Verfassungsschutz.“

Ja, ich erachte es als sinnvoll, den Verfassungsschutz aufzulösen. Aber bekanntlich haben wir hier im Parlament momentan keine Mehrheit dafür. Darum wollen wir doch zumindest nach Clemens Binninger mehr Kontrolle und mehr Transparenz für die Verfassungsschutzbehörde und damit stehen wir auch bei Weitem nicht alleine da. Im Gesetzentwurf fordern wir zum Beispiel einen parlamentarischen Beauftragten für die Verfassungsschutzbehörde, dies hat auch erst vor wenigen Wochen die CDUFraktion im Berliner Abgeordnetenhaus gefordert. Außerdem schlagen wir eine Whistleblower-Regelung vor, sodass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sich bei gravierenden Missständen innerhalb der Verfassungsschutzabteilung an ihre Landtagsabgeordneten wenden können, um auf Missstände hinzuweisen, ohne dafür eine Strafe zu riskieren.