Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Saarland hatte immer seine Rolle darin gesehen, zwischen Deutschland und Frankreich zu vermitteln und die deutsch-französische Zusammenarbeit zu fördern. Das haben wir über Jahrzehnte getan. Insofern ist es gut, dass wir uns heute mit diesem Thema beschäftigen. Den Ausführungen der
Rednerinnen der Koalitionsfraktionen kann ich zustimmen. Ich will nur einzelne Aspekte herausgreifen.
Ein entscheidender Aspekt, der in Deutschland nicht ausdiskutiert ist - auch bei uns nicht, wie ich den Beiträgen entnommen habe -, ist der Aspekt der Subsidiarität. Ich vertrete diesen Aspekt ganz besonders, weil die Nichtberücksichtigung der Subsidiarität dazu führt, dass Europa bei vielen mehr und mehr in Misskredit gerät. Sie kennen die Diskussionen, dass bestimmte Dinge auf europäischer Ebene entschieden werden, die man sehr gut auf der unteren Ebene entscheiden könnte. Obwohl immer wieder auch bei Diskussionen bejaht wird, man wolle dies, sehe ich dieses Prinzip bis in die Wissenschaft hinein überhaupt nicht berücksichtigt.
Ich hatte vor zwei Jahren in einer Diskussion im Feuilleton der FAZ mit Habermas und Nida-Rümelin und anderen, in der es genau um diese Frage ging, immer wieder darauf hingewiesen, dass eine ganze Reihe von Vorschlägen, die gemacht worden sind und die auf europäischer Ebene geregelt werden könnten, unmittelbar auf Mitgliedsstaatsebene - ich benutze jetzt bewusst nicht das Wort „Nationalstaatsebene“, weil viele meinen, der Nationalstaat lebe aus der Tradition des Nationalsozialismus, oder ähnlichen Unfug, der oft zu hören ist - geregelt werden könnten.
Das Prinzip der Subsidiarität, zu dem ich mich hier klar bekenne, ist ein demokratisches Prinzip. Wenn man das nicht erkennt, dann übersieht man, dass viele sagen, die europäischen Institutionen sind viel zu wenig demokratisch organisiert. Sie, Frau Kollegin Ries, haben auch davon gesprochen. Man übersieht dies entscheidend und versteht dann nicht, warum viele Bürgerinnen und Bürger Sorge haben, dass ein weiteres Übertragen von Zuständigkeiten auf die europäische Ebene ein Abbau an demokratischer Mitwirkung in den jeweiligen Mitgliedsstaaten bedeutet. Diese Diskussion müssen wir führen. Und wenn ich das Thema hier anspreche, will ich deutlich sagen, dass dies nicht nur in einer Partei diskutiert wird, sondern quer durch alle Parteien. Ich will hier noch einmal deutlich machen: Für mich wird Europa nur aufzubauen sein, wenn man dieses Prinzip der Subsidiarität beachtet. Das heißt, wenn man ganz genau sagt, was auf Gemeinde- oder auf Kreisebene oder regionaler Ebene entschieden werden kann, soll dort entschieden werden.
Es gab in der französischen Linken - ich weiß nicht, wie viel Zeit ich habe - die Diskussion über das Europa der Regionen. Das hatte vieles für sich. Denken Sie an die Katalanen, Basken und Schotten. Wir haben die Frage, ob hier vielleicht eine stärkere regionale Autonomie gefordert wäre, nicht zu Ende diskutiert. Auf jeden Fall müssten wir über den Gedanken der Subsidiarität verstärkt nachdenken. Ich
sage hier nur noch einmal: Der Gedanke wird in den europäischen Regelungsmechanismen unzureichend berücksichtigt. Es ist nach unserer Überzeugung Aufgabe des Saarlandes, in der Diskussion diesen Gedanken immer wieder vorzubringen und darauf zu achten, dass dagegen nicht vorgegangen wird. Das ist der erste Punkt. Subsidiarität ist ein ganz wichtiges Prinzip.
In diesem Zusammenhang taucht immer wieder das Wort der Renationalisierung auf. Teilweise taucht dieses Wort auch so auf, dass gesagt wird: Ein Zurück zum Nationalstaat darf es nicht geben. Methodisch gedacht ist dieser Satz einfach nur unsinnig. Er ist genauso unsinnig wie: Ein Zurück zur Gemeinde oder zur Region darf es nicht geben. Es gilt einfach nur das Prinzip, was man auf einer bestimmten Ebene regeln kann, sollte dort geregelt werden, was nicht mehr auf dieser Ebene geregelt werden kann, auf der nächsthöheren Ebene. Das ist sauber gedacht, das muss so gedacht werden. Dann weiß man auch genau, dass zum Beispiel die Frage des Umweltschutzes nicht auf Gemeindeebene entschieden werden kann und so weiter. Das ist also der erste Punkt, den ich ansprechen wollte.
Der zweite Punkt ist die Frage des Sozialen. Hier hat der Kollege Müller der AfD-Fraktion ein Thema angesprochen, das ich von einer ganz anderen Seite angehen möchte. Herr Kollege Müller, Sie haben die Entsenderichtlinie angeführt, die teilweise eine Behinderung für deutsche Unternehmen darstellt. Das ist richtig. Dennoch vertrete ich hier die französische Position, weil sie meine Position ist. Wenn wir grenzüberschreitende Zusammenarbeit wollen, dann können wir nicht darüber hinwegsehen, dass - und das war, bevor der Mindestlohn in Deutschland eingeführt wurde, noch viel dramatischer - bei uns Stundenlöhne von 5 Euro gezahlt worden sind, etwa beim Spargelstechen, und der französische Bauer eben gesetzlich verpflichtet war, 9 Euro zu bezahlen. Dies ist zwar abgebaut worden, aber nach wie vor haben wir hier einen niedrigeren Mindestlohn als in Frankreich. Ich halte das nicht für ein Zeichen deutsch-französischer Zusammenarbeit. Ich bin dafür, dass wir in Deutschland zumindest denselben Mindestlohn haben wie in Frankreich, denn wir sind die stärkere Volkswirtschaft. Das wäre für mich deutsch-französische Zusammenarbeit.
Macron, der für mich nicht unbedingt ein in der Wolle gefärbter Sozialist ist, hat an dieser Stelle etwas Richtiges gesagt. Er möchte, dass die Entsenderichtlinien so angewandt werden, dass nicht durch Lohndumping französische Wettbewerber innerhalb Frankreichs vom Markt verdrängt werden. Ich kann dies nur unterstützen. Das gilt dann aber europa
weit. Deshalb wollte ich sagen: Wir müssen Europa so bauen - das ist der Unterschied, und ich glaube, die Mehrheit dieses Hauses kann diesen Gedanken unterstützen -, dass ein Europa der Arbeitnehmer letztendlich heißt, dass man nicht durch Lohn- oder Standortkonkurrenz die Arbeitnehmer gegeneinander ausspielt, sondern soweit irgend möglich ähnliche Arbeitsbedingungen schafft und damit insgesamt das Niveau für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hebt. Daran sollten wir mitheben.
Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die Frage der Kultur, die Frage der Sprache und die sogenannte Frankreichstrategie. Ich kann nur unterstützen, was Frau Kollegin Ries gesagt hat - - Jetzt sitzt sie da, ich kucke immer in die andere Richtung. Sie verwirren einen, Frau Kollegin Ries, durch Ihren ständigen Standortwechsel!
Ich meine damit natürlich nur den Sitzplatzwechsel. Sie haben völlig recht: Wir können diese Frankreichstrategie nicht zu einer Floskel verkommen lassen. Wir wissen alle, dass es verdammt anspruchsvoll ist zu sagen, in einer Generation reden alle Saarländer Französisch. Ich will das nicht näher kommentieren, aber es ist verdammt anspruchsvoll.
Aber ich weise darauf hin: Diese Frankreichstrategie gab es ja schon immer. Die gab es direkt nach dem Krieg, allerdings ganz anders begründet, nämlich durch die französische Besatzungsmacht. Sie hat kulturell begonnen. Ich habe als Kind in der zweiten Grundschulklasse noch Französisch gelernt. Damals haben die Franzosen ein großes kulturelles Programm angeboten. Da sang zum Beispiel Edith Piaf in der Wartburg. Da gab es im Saarländischen Rundfunk eine Sendung, die ich sehr geschätzt habe. „Chansons de Paris“ hieß sie, glaube ich, und wurde von Pierre Séguy moderiert. Ich sehe gerade, dass wohl viele damals diese Sendung gehört haben. Sie haben Jean Monnet zitiert. Dem wurde ein Zitat zugeschrieben, das wohl nicht von ihm stammt, das ändert aber nichts an der Richtigkeit des Gedankens. Er hat immer wieder gesagt, und das ist eine ganz tiefe Einsicht: Wir können Europa nicht nur auf ökonomische Interessen bauen. - Das war für mich die Fehlentwicklung der letzten Jahre in Europa. Ich könnte dazu jetzt vieles sagen aber ich kucke immer auf die Uhrzeit. Er hat gesagt, so das Zitat, das man ihm zuschreibt: Würde ich noch mal anfangen, ich würde mit der Kultur beginnen.
Meine Erfahrung - und deshalb habe ich Edith Piaf in der Wartburg erwähnt, deshalb habe ich die Sendung „Chansons de Paris“ erwähnt - war immer die, dass man kulturell vermittelt die größte Möglichkeit hat, sich mit dem anderssprechenden Nachbarn zusammenzutun und ihn zu verstehen. Deshalb ist die
Sprache ganz wichtig. Wir werden deshalb jede Anstrengung unterstützen, die französische Sprache weiter zu fördern. Das betrifft auch die kulturelle Seite. Ich glaube, dass der Saarländische Rundfunk da durchaus noch etwas mehr machen könnte, als bisher geschehen ist. Ich habe es immer begrüßt, wenn beispielsweise Nachrichtensendungen in französischer Sprache gesprochen wurden. Da oder dort könnte man noch etwas machen, wobei ich natürlich von hier aus keine Vorgaben machen möchte. Meine Überlegung war etwa, nicht nur die Perspectives du théâtre - damals im Rahmen der Stadt Saarbrücken -, sondern auch das Filmfestival langsam um französische Vorstellungen zu erweitern. Denn das Filmfestival ist ein eingefahrenes Festival, das deutschlandweit beachtet wird. Warum sollte man nicht aufgrund des hohen Standards der französischen Filmkultur eine Art angedockte Veranstaltung machen, um eine grenzüberschreitende kulturelle Möglichkeit zu eröffnen? Das ist eine Anregung. Vielleicht haben Sie bessere Anregungen. Auf jeden Fall wollte ich Ihnen sagen, dass ich mit kultureller Zusammenarbeit die Erfahrung verbinde, dass die Dinge mehr und mehr zusammenwachsen. Das muss man fördern.
Da gibt es Kleinigkeiten, wo man etwas machen könnte. Das Nachfolgende erzähle ich jetzt mal, damit Sie was zu lachen haben. Ich bin in Saarlouis geboren, das hieß früher mal Saarlautern, wie Sie wissen. Wenn ich an Saarlouis vorbeifahre und lese an der Autobahn das Schild „City“, dann stört mich das. - Sie lachen gar nicht! Ich würde „Centre“ schreiben. Eine meiner letzten Amtshandlungen war, darauf hinzuwirken, dass die Schilder, die bei uns auf kulturelle Einrichtungen hinweisen, französisch untertitelt werden. Man kann also auch ganz im Kleinen das eine oder andere machen.
Ich bin aber dankbar, dass wir hier eine weite Gemeinsamkeit haben. Ich bin meinen Vorrednerinnen dankbar, dass sie die Bedeutung der Kultur in den Mittelpunkt gestellt haben. Herr Kollege Müller, nehmen Sie es mir bitte nicht übel: Auch wenn die Franzosen im Département Moselle nur 80.000 Euro zur Verfügung stellen, sollten wir dieses wunderbare Festival Perspectives du théâtre weiterführen.
Es gibt ein großes Problem, mit dem wir früher als Gemeindepolitiker schon zu kämpfen hatten, dass eben der französische Staat sehr viel zentralistischer verfasst ist als die föderale Bundesrepublik Deutschland. Wenn wir bestimmte Dinge erreichen wollten, bin ich zum Präfekten nach Metz gepilgert noch nicht einmal zum Regionalratspräsidenten -, um das mit dem Präfekten zu besprechen. Manchmal musste man sogar zum Staatspräsidenten pilgern. Deswegen hätten wir vielleicht heute, wenn
Sie uns eingeladen hätten, nicht nur den Mindestlohn in diese Entschließung eingebracht, wir hätten auch noch die Schienenschnellverkehrsverbindung Saarbrücken-Paris, die ich kürzlich wieder einmal benutzen durfte, eingebracht. Die ist wunderbar, man ist in kaum 2 Stunden in Paris, in 2:15 Stunden ist man am Louvre oder wo auch immer. Das ist eine wunderbare Einrichtung. Ich glaube, wir sollten uns einig sein - auch wenn es nicht da steht -, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen, um diese Verbindung aufrechtzuerhalten, und dafür kämpfen müssen, dass sie auf keinen Fall weiter abgebaut wird. Diese Verbindung ist eine Grundlage für viele Saarländerinnen und Saarländer, die kulturellen Leistungen des anderen Landes besser kennenzulernen, umgekehrt gilt das natürlich auch.
Ich habe mich einmal furchtbar unbeliebt gemacht, als ich als Kanzlerkandidat der Sozialdemokratie gesagt habe, dass Paris näher am Saarland liegt als Berlin. Aber es ist einfach so! Und ich habe gesagt, dass wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hier natürlich besser kennen als etwa die an Frankfurt an der Oder. Das war nicht abwertend gemeint, wurde aber so empfunden. Wir sollten die alte Formel an der Saar „Wir waren einmal Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich, jetzt sollten wir eine Brücke sein“ - ich sage: die kulturelle Brücke beibehalten.
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Lafontaine. - Ich rufe für die Landesregierung Herrn Minister Stephan Toscani auf.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst einmal namens der Landesregierung ganz herzlich bei diesem Parlament dafür bedanken, dass Sie diese wichtige Debatte aus Anlass des Deutsch-Französischen Tages, des Élysée-Tages hier führen und einen wichtigen Beschlussantrag eingebracht haben.
Ich möchte gerne einige Punkte ergänzen und dabei einige Anmerkungen machen zu dem, was bisher gesagt wurde. Der Anlass für diesen Antrag besteht ja darin, dass am 22. Januar im Deutschen Bundestag und in der Assemblée nationale eine gemeinsame Resolution verabschiedet wurde. Da geht es darum, dass der Élysée-Vertrag erneuert wird. Beide Parlamente fordern ihre Regierungen auf, den Élysée-Vertrag zu erneuern.
Das ist eine spannende Sache für das deutsch-französische Verhältnis im Allgemeinen, es ist aber auch
eine spannende Sache für uns als Saarländer, als Grenzregion. In diesem Antrag wird nämlich ganz klar festgehalten: Für die deutsch-französischen Beziehungen sind die Beziehungen zwischen den Regierungen wichtig. Auch die Beziehungen zwischen den nationalen Parlamenten sind wichtig. Die deutsch-französischen Institutionen spielen eine Rolle, das Deutsch-Französische Jugendwerk, die Städtepartnerschaften. Aber in diesem Antrag wird auch festgehalten, dass die deutsch-französischen Grenzregionen eine ganz wichtige Rolle spielen. Die deutsch-französischen Grenzregionen, damit auch das Saarland, werden dort explizit erwähnt. Ihnen und uns wird damit der Rücken gestärkt, und das ist eine wichtige Sache für uns Saarländer.
Es geht darum - und dafür ist die Neufassung des Élysée-Vertrages auch eine Chance -, die Rolle der Grenzregionen weiter zu stärken, beispielsweise indem man diesen Grenzregionen Flexibilisierungsrechte gibt, indem man ihnen Öffnungsklauseln gibt, indem man ihnen das Leben leichter macht. Wir erleben es immer wieder, dass nationale Regelungen, egal ob sie in Paris oder in Berlin getroffen werden, uns diesseits und jenseits der Grenze Schwierigkeiten machen. Es sind in der Debatte ja auch Beispiele für diese Schwierigkeiten genannt worden. Ein Beispiel war und ist die Maut, die in Berlin aus vertretbaren Gründen beschlossen wurde, die uns aber in der Grenzregion Schwierigkeiten macht. Deshalb hätten wir aus saarländischer Sicht gerne eine Möglichkeit der Öffnung, dass man sagt: In einem bestimmten Bereich hinter der Grenze kann man davon Ausnahmen machen.
Genau darum geht es auch bei dem Thema Umsetzung der Entsenderichtlinie in Frankreich. Herr Kollege Müller, da müssen Sie schon die ganze Wahrheit sagen. Natürlich ist es richtig da steht Deutschland auch dahinter -, dass die Entsenderichtlinie in der Europäischen Union gekommen ist, damit man europaweit gegen Lohndumping vorgeht. Das Problem war für uns, dass die französische Regierung einige Regelungen reingeschrieben hat, die aus Sicht des Grenzverkehrs, aus Sicht der Unternehmen, die diesseits und jenseits der Grenze arbeiten, etwas überschießend waren.
Aber dabei ist es nicht geblieben, aufgrund unseres Engagements, aufgrund des Engagements der Saarländer, der Rheinland-Pfälzer und der BadenWürttemberger. Wir haben uns zusammengetan und haben es geschafft, dass es die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung für Grenzregionen gibt. Die französische Arbeitsministerin hat auf unseren Druck, auf unsere Bitte hin Ende des Jahres dann auch verkündet, dass die ursprünglich geplante Gebühr von 40 Euro für Grenzregionen entfällt. Das ist ein erster Erfolg, den wir erzielt haben. Jetzt geht es darum,
dass die Ausnahme sozusagen mit Leben erfüllt wird. Wir Saarländer, Rheinland-Pfälzer und BadenWürttemberger bleiben als Grenzregionen an diesem Thema dran, damit das richtige Ziel der Entsenderichtlinie, die Bekämpfung von Lohndumping, sich nicht im Alltagsgeschäft, im alltäglichen Wirtschaften, negativ auswirkt. Ich bin diesbezüglich guter Dinge. Wir sind auf einem guten Weg, und das ist ein gemeinsamer Erfolg, der möglich wurde, weil wir als Grenzregionen zusammengestanden haben und uns für unsere Regionen, für die gemeinsame deutsch-französische Grenzregion, eingesetzt haben.
Stichwort: Halbe Wahrheiten, die nicht so stehen bleiben können. Der Abgeordnete Müller hat bedauert, dass sich das Département Moselle aus der Finanzierung des gemeinsamen Festival Perspectives ein Stück weit zurückgezogen hat, dass das Département seinen Beitrag reduziert hat. Das ist zutreffend. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Für den Teil, um den das Département reduziert hat, ist die Region Grand Est eingesprungen. Unterm Strich kann man daher sagen, dass die französische Seite ihren Beitrag eben nicht reduziert hat. Die Kollegen aus Frankreich beteiligen sich nach wie vor mit namhaften Beiträgen am so wichtigen gemeinsamen Festival Perspectives. Das ist eine gute Nachricht, und das ist die ganze Wahrheit, die es in dieser Debatte zu berücksichtigen gilt.
Wir erleben mit dem neuen Präsidenten in Frankreich und mit der neuen nationalen Regierung in Frankreich ja durchaus einen neuen Schwung in den deutsch-französischen Beziehungen. Man kann, ganz im Sinne der Frankreichstrategie, von einer Renaissance des deutsch-französischen Verhältnisses sprechen. Ich glaube, wir hatten seit Jahrzehnten in Frankreich keine Regierung, die Deutschland so offen und positiv gegenüberstand und so klar die Rolle des deutsch-französischen Verhältnisses gesehen hat. Der französische Präsident, der französische Premierminister, der französische Wirtschaftsminister, der Parlamentspräsident, sie alle sprechen fließend Deutsch. Dabei beherrschen sie aber nicht nur unsere Sprache, sondern viel umfassender die „Sprache“ in einem kulturellen Sinne: Sie verstehen Deutschland.
Sie sehen die zentrale Rolle des deutsch-französischen Verhältnisses auch für die Europäische Union. Das ist keineswegs in dem Sinne zu verstehen, dass wir andere in der Europäischen Union ausschließen wollten. Sie erkennen aber, dass es nur dann in der Europäischen Union wirklich vorangehen kann, wenn Deutschland und Frankreich intensiv zusammenarbeiten, wenn Deutschland und
Frankreich zunächst in der Europäischen Union die Lösungen und Kompromisse finden und die Antworten entwickeln. Das gilt, da hat Herr Kollege Lafontaine vollkommen recht, für die großen Fragen unserer Zeit. Das gilt nicht für Dinge, die auf Gemeindeund Landesebene und auf regionaler Ebene geklärt werden können. Es gilt aber für die großen Fragen unserer Zeit, zum Beispiel für den Klimawandel, die Digitalisierung, die Migrationsfragen und die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion. Auf französischer Seite sehen wir diesbezüglich eine Bereitschaft, so vertrauensvoll, so intensiv, so konstruktiv mit Deutschland zusammenzuarbeiten, wie es sie seit Jahrzehnten, so möchte ich einmal behaupten, nicht mehr gab.
Deshalb ist es gut, dass die Dinge nun auch in Berlin vorangehen, damit wir endlich auch Antworten aus deutscher Sicht geben können. Denn die Zeit drängt. Migration, Klima, Wirtschafts- und Währungsunion, Finanzrahmen, Digitalisierung, das sind die großen Fragen unserer Zeit. Wollen wir, dass Europa darauf Antworten gibt, wollen wir, dass Europa eine Chance hat, die Antworten im weltweiten Maßstab zu gestalten, so wird dies nur möglich sein, wenn Deutschland und Frankreich zusammenarbeiten. Diese Gestaltungsoption wird nur bestehen, wenn wir auf der Basis einer deutsch-französischen Verständigung auch in Europa Antworten finden.
Letzten Endes geht es darum, welchen Lebensstil wir in Zukunft haben wollen, für unsere Kinder haben wollen. Wird es nach wie vor unser „European Way of Life“, unser europäischer Lebensstil, sein? Das ist eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie man wirtschaftliches Wachstum mit sozialer Absicherung und ökologischen Standards verbindet. Meine Damen und Herren, das gute deutsch-französische Verhältnis ist so wichtig, damit Europa auch hierauf Antworten finden kann, damit sich Europa auch hinsichtlich unseres Lebensstils im weltweiten Maßstab behaupten kann. Ich möchte, dass in Zukunft die Entscheidungen auch in Brüssel, Paris und Berlin getroffen werden. Ich möchte nicht, dass sie in Washington, Moskau und Peking getroffen werden. Auch darum geht es bei der deutsch-französisch Zusammenarbeit!
Die Neufassung des Élysée-Vertrages ist auch als Chance für unser Bundesland, für das Saarland, zu sehen, als eine konkrete Chance. Ich glaube, wir sind uns einig, das ist ja auch in der Debatte so angeklungen, dass die Frankreichstrategie als Leitlinie der Landespolitik nun noch eine stärkere Thermik bekommt, noch mehr Chancen mit sich bringt, weil das deutsch-französische Verhältnis eine Renaissance erlebt. Diese Strategie ist eine Leitlinie, sie bedeutet aber auch konkrete Politik im Alltag. Wir sollten in unseren gemeinsamen Ambitionen nun