Damit wird bereits der Initiative eine Bremse angelegt, wo unser Entwurf ein ganz niedrigschwelliges Angebot vorsieht. Wir sehen allein auf dieser Stufe als Pflicht die Befassungspflicht des Landtages, keine Pflicht der Bürgerinnen und Bürger, irgendetwas einzubringen, sondern eine Befassungspflicht des Landtages und damit ein Kriterium, das allein dem Volksgesetzgeber dient.
Der Entwurf der PIRATEN-Fraktion lässt auch den absoluten Finanzvorbehalt entfallen, der sich in der Tat in der Vergangenheit stets als K.o.-Kriterium für eine Vielzahl von Themen dargestellt hat. So weit, so gut. Er lässt an diese Stelle aber keine maßvolle finanzwirksame Volksgesetzgebung treten.
Meine Damen und Herren, der Entwurf der Fraktion der PIRATEN sieht hier pauschal einen Schwellenwert von 5 Prozentpunkten des aktuell gültigen Staatshaushaltes vor, ohne jedoch zu differenzieren. Er differenziert nicht in einmalige und wiederkehrende finanzielle Auswirkungen. Er verzichtet aber auf einen Vorschlag zur Kostendeckung, der das Plebiszit begleiten soll.
Die Interessen des Saarlandes als Haushaltsnotlageland und die Verpflichtung der Verantwortlichen zur Haushaltssanierung müssen sich an Kriterien der Finanzierbarkeit messen lassen. Der plebiszitäre Gesetzgeber erhält durch den Kostendeckungsvorschlag ein Stück weit Finanzverantwortung, die er für sich auch aus der Verfassung beanspruchen kann. Es ist nicht allein ein Zulässigkeitskriterium, unsere Bürgerinnen und Bürger sind auch in der Lage, das zu tun. Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen der PIRATEN-Fraktion, diese Verantwortung ist ein Stück der Bürgerbeteiligung, die man unseren Bür
Das macht auch eine Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe aus, die wir immer anstreben. Die Einführung einer Überprüfungsfrist des Finanzvorbehaltes in Ihrem Entwurf, Herr Augustin, stellt eine völlig ungeeignete Halbwertszeit des Plebiszits dar, nach deren Ablauf der Landtag gezwungen wird, ein Votum darüber abzugeben, ob das Volk seine Arbeit gut gemacht hat und ihm deshalb mehr Kompetenzen zugetraut werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch alles andere als transparent und faire Bürgerbeteiligung.
Der Begriff der Staatsleistungen, Herr Augustin, wird gesetzlich legal definiert. Das führt auch zu einem besseren Verständnis in der Bevölkerung. Solche Legaldefinitionen, wie man sie in der Verfassung nicht findet, sind einfach gesetzlich zugänglich und auch nachher besser umzusetzen.
Das Erfordernis der amtlich ausgelegten Unterstützerblätter war ein Stück weit der Koalition geschuldet. Dabei wurde aber auch dem Umstand Rechnung getragen, dass sich Verwaltungen zunehmend modernisieren und als Dienstleister verstehen. Die Mehrzahl der kommunalen Verwaltungen hat die Dienstzeiten erheblich ausgeweitet - schon häufig über 18.00 Uhr hinaus - und hat zum Teil auch samstags geöffnet. Auch der Einsatz mobiler Verwaltungen ist möglich, zum Beispiel in Orten, in denen keine eigene Verwaltungsstelle mehr eingerichtet ist oder in denen Menschen mit eingeschränkter Mobilität leben. Das wird auch heute schon praktiziert. Durch diesen flexiblen Einsatz kann auch den Besonderheiten des Saarlandes als Flächenland Rechnung getragen werden.
Sicherlich sind Unterschriften auf freien Listen weitaus einfacher zu beschaffen. Aber eine Regelung ausgestaltet als Kann-Vorschrift, die eine stichprobenartige Überprüfung zulässt, ist zu wenig und nicht geeignet, Manipulationen zu verhindern. Dies schadet der Transparenz der öffentlichen Unterschriftsleistung, auch wenn man hier Stichproben als 100-prozentige Überprüfung ansieht, wie Sie das eben getan haben, Herr Augustin. Man muss sich diesen Verwaltungsaufwand einmal vorstellen! Man sammelt frei, um anschließend 100 Prozent zu überprüfen. Das ist überhaupt nicht praktikabel.
Das sehe ich anders. Es ist in unseren Kommunalverwaltungen überhaupt kein Problem, Unterschriften abzugeben. Die sind heute flexibel, man kann
Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Frau Berg, ist Ihnen bekannt, dass diese Praxis, von der Sie gerade sagen, dies sei nicht möglich, gängige Praxis auf der kommunalen Ebene ist? Wir hatten mehrfach solche Abstimmungen. Da wurde gesammelt - ich kenne das aus meiner Heimatstadt Saarlouis -, da wurden Zigtausende Unterschriften abgegeben und von der Kommunalverwaltung überprüft, ob die Leute auch dort wohnen. Das hat gut funktioniert, das ist also möglich.
Gut, aber dann darf ich Sie, Herr Ulrich, an Folgendes erinnern. Wir hatten zum Beispiel eine Wahlenfechtung, bei der genau das bemängelt wurde. Da wurde eine Unterschrift abgegeben, man wusste nicht, von wem und wie. Es handelte sich um eine Person mit Handicap. Das ist nur ein Aspekt, bei dem Unterschriften angezweifelt werden können. Dies war ein ganz aktueller Fall. Was Sie wollen, dient nicht unbedingt der Transparenz.
Im Übrigen stößt eine solch laxe Handhabung des Plebiszits im Hinblick auf das Instrumentarium der Verfassungsänderung auf größte verfassungsrechtliche Bedenken.
Ein weiterer eklatanter Mangel, der vom Kollegen Theis schon angesprochen wurde: In der vorgeschlagenen Fassung des Art. 100 Abs. 3 wird zwar ebenso wie im Koalitionsentwurf der Volksentscheid mit der Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen angenommen, aber die PIRATEN-Fraktion legt sich hier bezüglich einer Mindestwahlbeteiligung nicht fest. Damit ist nach diesem Entwurf ein Entscheid selbst dann möglich, wenn nur 1 Prozent aller Stimmberechtigten votiert. Selbst bei der wohl weitreichendsten Neuerung der Verfassungsänderung durch Volksentscheid wird in der Vorlage der PIRATEN keine Mindestwahlbeteiligung gefordert. Dieses Erfordernis ist aber notwendig - darauf haben Sie auch schon hingewiesen, Herr Theis -, damit die Verfassung als Grundlage der Rechtsordnung und des politischen Prozesses bei einem breiten gesellschaftlichen Konsens geändert werden kann und der
Vorschlag auf eine tragfähige Grundlage in der Gesellschaft, auf eine demokratische Legitimationsbasis gestellt wird.
Man stelle sich vor, eine Verfassungsänderung könnte durch einen ganz kleinen organisierten Teil der Gesellschaft betrieben werden. Das stünde im Widerspruch zum Grundgedanken des Plebiszits, durch Bürgerbeteiligung eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu erreichen und Entscheidungsprozesse auf eine breite direkte demokratische Basis zu übertragen. Aus diesen Gründen lehnen wir Ihren Entwurf ab.
Meine Damen und Herren, mit dem Entwurf der Koalition haben wir jetzt die Möglichkeit, eine faire und bürgerfreundliche Demokratie zu schaffen und durch die aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung und an der Gesetzgebung eine hohe Akzeptanz für Vorhaben in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung zu erreichen. Als Parlamentarier treten wir ein in den direkten Dialog mit den Saarländerinnen und Saarländern, was für uns alle - dessen bin ich mir ganz sicher - eine enorme Bereicherung der politischen Kultur mit sich bringen wird.
In diesem Haus besteht in einer Frage absolute Einigkeit, nämlich den Erhalt des Saarlandes als eigenständiges Bundesland zu sichern. Herr Theis hat eben auch schon darauf hingewiesen, das Saarland gründet auf plebiszitären Fundamenten. Wichtige Weichenstellungen und Herausforderungen werden in den kommenden Jahren auf uns zukommen, an denen wir unsere Bürgerinnen und Bürger teilhaben und mitbestimmen lassen. Das ist ein großer Schritt für die Zukunft unseres Landes. Lassen Sie uns diesen wichtigen Schritt bitte gemeinsam gehen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! DIE LINKE begrüßt es, dass heute das Thema Volksabstimmung im Landtag behandelt wird. Und wir begrüßen es, dass entsprechende Änderungsanträge hierzu vorliegen. Wir erachten es für notwendig, dass mehr direkte Elemente von Demokratie eingeführt werden. Ich glaube, das entspricht einem weit verbreiteten Bedürfnis.
Kollege Theis hat an die Entwicklung erinnert. Wenn wir die gegenwärtige gesellschaftliche Situation se
hen, dann ist festzustellen, dass wir in der Tat ein sehr breites Bedürfnis für mehr Elemente direkter Demokratie haben, für eine größere direkte Beteiligung der Bevölkerung selbst. Das stellt die repräsentative Demokratie überhaupt nicht in Frage. Insofern gibt es einen Zusammenhang zwischen direkter Demokratie und repräsentativer Demokratie. Aber es ist wichtig, dass von hier aus ein Zeichen gesetzt wird, dass wir diesen Weg öffnen, dass wir eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Leben dieses Landes ermöglichen.
Ich denke, das ist schon Grund genug, dies zu tun. Es gibt einen zweiten Grund, der liegt in den Gegebenheiten der Bestimmungen im Saarland selbst. Das Saarland nimmt im Hinblick auf Volksabstimmungen einen sehr schlechten Platz ein im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Daher begrüßen wir es, dass dies jetzt geändert werden soll.
Ich möchte darauf hinweisen, dass es eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt, die sich mit diesem Thema befassen. Ich möchte ferner ausdrücklich hinweisen auf die dankenswerte Arbeit des Vereins „Mehr Demokratie“, der zahlreiche Vorschläge gemacht hat. Es steht uns gut an, solche Dinge aufzugreifen und im Landtag zu behandeln.
Ich möchte namens meiner Fraktion die wesentlichen Punkte benennen, die wir dabei für notwendig halten. Es ist völlig klar - und das ist der grundsätzliche Sinn dieser Initiative -, dass Gesetze, die der saarländische Landtag beschließt, auch durch Volksinitiativen eingebracht werden können. Wir meinen, dass es dabei auch Ausnahmen geben muss, die sich aber ähnlich wie im Entwurf der PIRATEN beschränken sollten auf den Haushalt, auf Abgaben und Besoldung. Wir sehen auch in dem Thema Staatsleistungen einen sehr unbestimmten Begriff, der diese Dinge möglicherweise sehr stark einschränkt.
Ein zweiter Punkt, der sicherlich noch zu mehr Diskussionen führen wird und der auch hier schon sehr kontrovers diskutiert worden ist, ist die Art und Weise, wie die Unterschriften gesammelt werden sollen. Ich sage für unsere Fraktion klar, dass wir für eine freie Sammlung sind und dass wir in dem Amtseintrag eine Hürde für die Sammlung sehen, die wir nicht wollen. Ich glaube, es gibt andere Möglichkeiten, das zu überprüfen. Das Thema Rechtssicherheit, Herr Kollege Theis, spielt sicherlich eine Rolle. Aber ich denke, es gibt auch Möglichkeiten in Zusammenhang mit der freien Sammlung, um diese Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Was den Zeitraum angeht, so sind sich alle darin einig, dass die bisher geltenden zwei Wochen viel zu kurz sind. Wie die PIRATEN schlagen wir sechs Monate vor. Auch hier kann ich mich den Ausführungen
des Kollegen Augustin anschließen, der sagte, es sei nicht der entscheidende Punkt, ob es drei oder sechs Monate sind. Die zwei Wochen gehen in keinem Fall, da sind wir uns wohl einig. Über die drei oder sechs Monate wird man sich sicherlich einigen können.
Was die notwendige Zustimmung angeht, so sind wir der Auffassung, dass bei der Volksinitiative 5.000 Unterschriften ausreichend sollten und beim Volksbegehren 5 Prozent der Stimmberechtigten. Beim Volksentscheid sind wir dafür, dass das mit einfacher Mehrheit beschlossen wird, während Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmehrheit benötigen.
Die Frage des Finanzvorbehaltes spielt eine sehr große Rolle in Zusammenhang mit derartigen Volksabstimmungen und Volksentscheiden. Wir sind generell für die Schwelle von 0,5 Prozent. Wir halten das, was im Koalitionsentwurf steht, für zu restriktiv. Ich verstehe sehr wohl den Hinweis auf die Haushaltslage des Landes. Wir denken aber dennoch, dass dies gerade an den finanziellen Auswirkungen nicht scheitern dürfte. In der Vergangenheit waren das erhebliche Hürden; diese sollten wir verändern. Darüber wird man diskutieren müssen.
Insgesamt sehen wir es so, dass unsere Vorstellungen stärker im Antrag der Piraten aufgehoben sind, den wir deshalb unterstützen. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Zielsetzung beider Entwürfe darin besteht, eine solche Volksabstimmung zu ermöglichen und mehr Elemente direkter Demokratie einzuführen. Über viele Punkte, die hier angesprochen worden sind, zum Beispiel die handwerklichen Mängel, wird man sicherlich näher diskutieren müssen, damit solche Dinge in den anstehenden Ausschussberatungen aufgegriffen werden können. Ich gebe meiner Hoffnung Ausdruck, dass wir dort zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen. Ich glaube, das liegt in unser aller Interesse. Es liegt im Interesse der Stärkung der Demokratie. Es liegt im Interesse einer stärkeren Bürgerbeteiligung am politischen Leben dieses Landes. Deswegen wollen wir als LINKE den Weg dafür frei machen. Wir hoffen auf entsprechende Beratungen mit der Zielsetzung, tatsächlich eine deutliche Verbesserung gegenüber dem gegenwärtigen Zustand zu erreichen. - Vielen Dank.
GRÜNE seit langen Jahren in diesem Hause immer wieder vorgebracht haben. Es ist ein Thema, das bereits 2005 hier diskutiert worden ist. 2008 haben wir versucht, die Gesetzgebung zu ändern. Es ist damals an den Christdemokraten gescheitert. Im Jahr 2009 hat es sich geändert, weil im Koalitionsvertrag der damaligen Jamaika-Koalition auf Betreiben der GRÜNEN genau dieses Thema aufgegriffen wurde. Damals wurde die Hürde im Prinzip übersprungen. Die Christdemokraten haben damals gesagt, okay, wir sind auch der Meinung, dass es zu einer Reform kommen muss. Wir sind außerdem der Meinung, dass es beim Finanztabu - das ist ein ganz zentraler Punkt - Bewegung geben muss. Das ist damals vereinbart worden. Es war Bestandteil dieser Koalition. Es war in der Umsetzung, dass Volksbegehren auf Landesebene auf einen halbwegs modernen Stand gebracht werden sollten. Die Verhandlungen mit den Sozialdemokraten - damals in der Opposition - waren schon geführt. Übersetzt heißt das, dass die heutige Große Koalition hier eine Koalitionsvereinbarung der Jamaika-Koalition umsetzt. Das ist gut und richtig. Das unterstützen und begrüßen wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Dieses Thema hat im Saarland eine gewisse Tradition auf der kommunalen Ebene. Bis in die Neunzigerjahre - viele in diesem Hause wissen es - gab es im Land überhaupt keine Abstimmung über irgendetwas. Dieses Thema war im Saarland völlig außen vor. Bis Mitte der Neunzigerjahre war es sogar so, dass auf kommunaler Ebene nur die Möglichkeit des sogenannten Bürgerantrages gegeben war.
Ich erinnere mich deshalb so gut an diesen Bürgerantrag, weil in meiner Heimatstadt Saarlouis im Jahre 1994 zum ersten Mal - ich glaube, nach 30 oder 40 Jahren bestehender Gesetzgebung - ein solcher Bürgerantrag in die Realität umgesetzt wurde. Es ging damals um ein Projekt der Saarbergwerke. Es ging um eine Waldvernichtung in Saarlouis. Durch diesen Bürgerantrag wurde damals ein komplettes Waldgebiet im Saarland erhalten. An diesem Beispiel will ich deutlich machen, dass eine Volksbeteiligung auf allen Ebenen - kommunale Ebene wie Landesebene - durchaus dazu führt, die Politik- und Demokratieverdrossenheit über inhaltliche Themenstellungen deutlich zurückdrängen zu können und dass es gelingt, eine große Zahl von Menschen an politischen Entscheidungen zu beteiligen, wenn man diesen Weg geht.