Protocol of the Session on November 30, 2016

Ich spreche jetzt zur Gerichtsstrukturreform. Die Ausführungen zur Arbeitsgerichtsreform sind gemacht worden. Ich schließe mich voll den Ausführungen von Frau Berg an, sodass ich im Kern nichts dazu sagen möchte. Ich möchte mich auf die Gerichtsstrukturreform konzentrieren.

Wir geben wichtige Antworten und richtige Lösungsansätze. Die folgenden Themen sind angesprochen worden. Nachlasssachen, Betreuungsangelegenheiten, aber auch die Rechtsantragstellung bleiben bei den vorhandenen Amtsgerichten, die in der Fläche vorhanden sind. Das ist wichtig. Dort ist die Bürgernähe für die Menschen weiterhin gegeben, wenn sie den Weg suchen, um ihr Recht zu erhalten.

Die landesweiten Zuständigkeitskonzentrationen zum Honorarrecht, Versicherungsvertragsrecht und so weiter, die angesprochen worden sind, waren in der Anhörung unbestritten. Das ist von allen Seiten als richtig herausgestellt worden. In der zweiten Schiene gibt es die Regionalisierungen, die wir mit

dem Gesetz als Antwort auf komplexe Rechtsmaterien geben, um so den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, damit weiterhin eine qualitativ hochwertige Justiz im Saarland arbeiten kann. Das ist, wie bereits angeklungen, in der Anhörung diskutiert worden.

Am ersten Anhörungstag hatten wir die geballte Front der Direktoren der Amtsgerichte vor uns sitzen. An der Stelle möchte ich Folgendes festhalten: Dort ist von einigen Direktoren gar keine Kritik geäußert worden. Von anderen ist Kritik geäußert worden, aber sie war sehr unterschiedlich. Es gab nicht d i e Kritik der Amtsgerichtsdirektoren und d e n Verbesserungsvorschlag der Amtsgerichtsdirektoren. Frau Kollegin Huonker, wenn man in der Anhörung zugehört hat, dann hat man die Antwort auf die Vorschläge erhalten, die die Arbeitsgruppe, die vom Ministerium mit den Direktoren der Amtsgerichte oder deren Vertretern eingerichtet worden war, zu den landesweiten Zuständigkeitskonzentrationen erarbeitet hatte. Die sind ja umgesetzt worden.

Es gab keine übereinstimmende Kritik der Amtsgerichtsdirektoren, sondern ganz unterschiedliche Vorschläge, die nicht alle auf einer Linie lagen, was eine vielleicht bessere Reform sein könnte. Das ist auch an Folgendem zu erkennen: Es gibt eine Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Richterbundes. Diese Arbeitsgemeinschaft kam zum Ergebnis, dass es sinnvoll wäre, Poollösungen anzubieten, um den Rechtsmaterien und dem Erhalt von Amtsgerichten in der Fläche Rechnung zu tragen. Das macht deutlich, dass es in der Richterschaft sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Ich glaube, genau das hat sich in der Anhörung gezeigt. Wir schaffen es hier, mit dieser Gerichtsstrukturreform größere leistungsfähige Einheiten zu erreichen und zugleich ein hohes Maß an Bürgernähe zu ermöglichen. Ich glaube, das ist in dieser Frage ganz wichtig.

Gestatten Sie mir noch eine Äußerung. Sie bringen das Argument der Mediziner - Urologe im Vergleich zu einem anderen Fachmediziner. Ich möchte grundsätzlich festhalten: Die Mediziner werden schon zu Fachärzten ausgebildet. Bei den Juristen haben wir keine spezialisierte Ausbildung. Die werden ausgebildet und schließen alle mit der Befähigung zum Richteramt ab. Von daher finde ich, dass der Vergleich mit der Fachärzteschaft hinkt. Ein Jurist hat eine andere Ausbildung. Sie sagen ja selbst, denen sind die Möglichkeit und die Kompetenz gegeben, sich in unterschiedliche Rechtsgebiete einzuarbeiten. Ich glaube, das ist das Gute an unseren Richtern, insbesondere bei der saarländischen Justiz.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Bezüglich der Bedenken zum Zuständigkeitswirrwarr, die Sie ansprechen, möchte ich daran erin

(Abg. Heib (CDU) )

nern, dass wir in der Anhörung auch Vertreter aus Berlin im Ausschuss hatten. Uns ist geschildert worden, wie die Amtsgerichtsbarkeit in Berlin aufgestellt ist. Dort gibt es sogar Namensgleichheiten von Straßen bei den unterschiedlichen Amtsgerichten. Auch dort kommt es mit einem ganz geringen Anteil von weit unter 10 Prozent zu Irrläufern. Glauben Sie wirklich, Frau Huonker, dass die Menschen im Saarland das nicht so bewältigen können, wie die Menschen in Berlin das auf die Reihe bringen?

(Zuruf der Abgeordneten Huonker (DIE LINKE).)

Ich bitte Sie, schauen Sie doch, wie unsere Bürgerinnen und Bürger aufgestellt sind und dass dort alles machbar ist, wenn man das entsprechend kommuniziert. Mit der Umsetzung der Reform selbst wird sich die Befürchtung, dass es zu einem Wirrwarr kommt, nicht bewahrheiten. Natürlich muss die Umsetzung der Reform begleitet, beobachtet und evaluiert werden, um zu sehen, ob wir zu den Ergebnissen kommen, wie wir sie uns vorstellen und wie wir sie uns wünschen.

Natürlich gibt es immer Ängste und Unsicherheiten, wenn Veränderungen anstehen. Aber gerade unsere saarländische Justiz leistet eine hervorragende Arbeit. Darauf können die Justiz und alle im richterlichen und nichtrichterlichen Dienst Beschäftigten vertrauen. Sie können meines Erachtens auf ihre Arbeit stolz sein, die sie dort erbringen. Ich glaube, diejenigen, die dort damit beschäftigt sein werden, die Reform vor Ort umzusetzen, sollten sich selbst vertrauen, um diese Aufgabe bewältigen zu können. Dann schaffen wir es, dass die Umsetzung der Gerichtsreform ein gemeinsamer Erfolg werden wird, ein Erfolg gerade im Sinne der Menschen im Saarland. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE PIRATEN, Michael Hilberer.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Justizstrukturreform und die Reform der Struktur der Arbeitsgerichte sind zunächst einmal Themen, die abstrakt klingen. Damit gewinnt man auch nicht die Herzen der Öffentlichkeit, denn das ist schon etwas sehr Spezielles.

Aber es geht bei den Themen darum, welche zentrale Bedeutung Rechtsprechung in unserem Rechtsstaat hat. Wenn der Bürger tatsächlich einmal mit Gerichten in Kontakt kommt, dann ist es oft so, dass es eine Zäsur im Leben der Betroffenen darstellt. An der Stelle werden wichtige Entscheidungen getroffen und Wege eingeschlagen. Dann ist es egal, ob es das Arbeitsgericht ist oder Strafverfahren sind oder

ob es Familienrechtssachen sind. Man kann davon ausgehen, dass es Entscheidungen von Tragweite sind, die dann ausgesprochen werden. Es ist ein unglaublich schwieriges Feld, das die saarländische Richterschaft bisher bestmöglich erfüllt. Zumindest war das bisher mein Eindruck. Übrigens auch viel besser, als die Äußerungen mancher Kollegen hier im Landtag manchmal vermuten lassen. Dem Kollegen Theis sind die Richter hier ein bisschen zu lasch in ihren Urteilen. Das kann ich so nicht nachvollziehen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Die Frage, um die es bei dieser Strukturreform geht, ist natürlich, wie man das in Zukunft sicherstellen kann, dass dem so bleibt beziehungsweise dass wir Entwicklungen wie einer stärkeren Spezialisierung folgen können, die in verschiedenen Rechtsgebieten notwendig ist. Da hatte man in der Anhörung den seltenen Fall, dass viele Betroffene sagten, dass diese Reform keine schlechte Idee sei, ihnen aber nicht weit genug gehe. Ich glaube, das ist relativ selten, dass die Betroffenen sagen: Da wird sich einiges für uns ändern, aber, wenn wir ehrlich sind, müsste sich eigentlich noch mehr ändern.

Ich bin auch der Meinung, dass man da noch zwei, drei Schritte weiter gehen könnte, unter zwei wichtigen Randbedingungen, die man dafür erfüllen muss. Das ist einmal die Einführung der E-Akte. Die muss forciert gemacht werden, damit wir überhaupt eine Verwaltungsverschlankung machen können, dass wir Verwaltungen auch zusammenlegen können. Das funktioniert auf dem alten Papierweg nur sehr schwierig. Zweitens, und jetzt komme ich zum Punkt Bürgernähe, was die Kollegen aus der Opposition auch öfters angegeben haben, Sie müssen auch die Mobilität der Saarländerinnen und Saarländer so weit erhöhen, dass verschiedene Gerichtsstandorte von überall aus erreichbar sind. Ich glaube, das größte Negativbeispiel aus der Anhörung ist eine alleinerziehende Mutter im Nordsaarland, die für eine Familiensache eine Tagesreise im öffentlichen Personennahverkehr auf sich nehmen muss. Das ist ein echter Hemmschuh für eine richtig gute Zusammenlegung und Spezialisierung, und das muss ausgeräumt werden.

Punkt 1, die E-Akte, genießt in Deutschland - da ist das Saarland gar nicht hintenan - nicht die notwendige Priorität. Im Saarland fehlt es auch an einer stringenten Digitalisierungsstrategie, um dieses Thema voranzubringen. Bei Punkt 2, der Mobilität, hätten wir heute Morgen einen großen Schritt nach vorne gehen können, da sind wir leider nicht so weit gekommen. Unter diesen gegebenen Prämissen - das heißt, wir haben eben noch keine solche digitale Verwaltung, wir haben noch keine solche Mobilität für unsere Bürgerinnen und Bürger erreicht - erscheint die Reform, wie sie heute hier zur Abstim

(Abg. Heib (CDU) )

mung steht, durchaus angemessen. Der Punkt ist der, dass wir hinmüssen zu einer stärkeren Spezialisierung, wir brauchen in gewissen Bereichen eine Zentralisierung, wir müssen zusammenfassen, wir brauchen ein Pooling, um zu verhindern, dass durch Krankheitsfälle, Familienauszeiten etc. Bereiche brachliegen. Von daher gesehen ist diese Reform durchaus ein Schritt in die richtige Richtung. Sie müsste weiter gehen, das ist unter den derzeitigen Prämissen aber schwer machbar. Von daher unterstützen wir die Reform so, wie sie heute hier eingereicht wurde, und werden dem auch zustimmen.

(Beifall von den PIRATEN und bei der SPD.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Minister der Justiz, Reinhold Jost.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Hause debattieren wir relativ selten über die Justiz und das hat auch einen ganz entscheidenden Grund: Eine gut funktionierende Justiz ist für uns zur Normalität geworden. Ich war froh, eben zu hören, dass es eine wirklich fraktionsübergreifende Zustimmung zu dieser Feststellung gab, und darf an dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen der Justiz für diese Übereinstimmung in der Einschätzung der guten Arbeit der saarländischen Justiz an Sie zurückgeben.

Eine Selbstverständlichkeit ist diese funktionierende Justiz gleichwohl nicht. Vieles von dem, was für das gute Funktionieren der Justiz so wichtig ist, spielt sich für den Rechtsuchenden eher etwas verborgen im Maschinenraum der Gerichte ab. Wir sind es gewohnt, dass der Motor, der die Gerichte am Laufen hält, reibungslos funktioniert. Aber wenn sich die Rahmenbedingungen grundlegend wandeln, dann reicht es eben nicht, wenn man von Zeit zu Zeit einen Tropfen Öl hinzugibt. Ich will das im Sprachbild fortführen: Es war deshalb Zeit für eine große Inspektion.

Zu diesen geänderten Rahmenbedingungen gehört erst einmal die demografische Entwicklung. Die anhaltenden Rückgänge des Geschäftsanfalls von teilweise bis zu 40 oder gar 50 Prozent, die wir in Kernmaterien der Amtsgerichte schon bis heute zu verzeichnen hatten, sprechen eine eindeutige Sprache. Deswegen ist es auch falsch zu sagen, dass man zwar eine demografische Veränderung hat - wir werden weniger Menschen -, aber dass sich das nicht in der Justiz in Form von entsprechend weniger Gerichtsverfahren niederschlagen wird. Nein, die anhaltenden Rückgänge von bis zu 50 Prozent sprechen Bände.

Ein zweiter Grund dafür, warum wir eine Reform brauchen, ist auch in der Anhörung ganz deutlich geworden: Viele Rechtsmaterien sind mit der Zeit immer komplexer geworden. Die Anwaltschaft hat darauf durch eine ausgeprägte Spezialisierungsoffensive reagiert. Vor 20 Jahren gab es in Deutschland rund 5.000 Fachanwälte, heute sind es 55.000. Das sind 55.000 hoch qualifizierte Spezialisten, die ihre Kompetenz durch den Nachweis einer Mindestzahl von Verfahren und jährlichen Fortbildungsveranstaltungen immer wieder aufs Neue bestätigen müssen. Der Amtsrichter hingegen deckt als Generalist vielerorts noch ein sehr breites Spektrum ganz alleine ab. Dieser universelle Ansatz hat nicht nur Vorteile, denn wenn der Richter dem spezialisierten Rechtsanwalt fachlich nicht auf Augenhöhe begegnen kann, dann ist nicht nur die Rechtsanwendung im Einzelfall gefährdet, sondern dann betrifft das auch die gesellschaftliche Akzeptanz juristischer und gerichtlicher Entscheidungen und damit letztendlich auch die Funktion der Justiz insgesamt. Das ist nicht zuletzt auch der ausdrückliche Wunsch der saarländischen Anwaltschaft selbst.

Dies betrifft dann nicht nur Nebengebiete, sondern auch elementare Kernkompetenzen unserer Amtsgerichte. Familienrichter beispielsweise müssen nicht nur die komplexe BGH-Rechtsprechung kennen, sie müssen auch mit dem Renten- und Versorgungssystem vertraut sein. Sie müssen sich auf Vermögensbewertungen verstehen, müssen psychologische Gutachten interpretieren können und in der Anhörung und Vernehmung beispielsweise von Kindern, auch von sehr kleinen Kindern, geschult und geübt sein. Familiensachen stellen deshalb besondere Anforderungen. Dem kann man nicht angemessen gerecht werden, wenn man Familiensachen sozusagen nebenbei, neben vielen anderen Materien, miterledigen muss. Auch das hat die Anhörung eindrücklich bestätigt.

Hinzu kommt ein Drittes: Auch die Anforderungen an den Servicebereich verändern sich. Der Servicebereich steht zwar nie im Rampenlicht, aber er ist für einen effizienten Fortgang der Verfahren ungemein wichtig. Damit unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies bewältigen können, ist es wichtig, dass sie sich weitgehend fachbereichsintern vertreten können und nicht ständig in allzu kleinen Einheiten eingearbeitet werden müssen. Da ist es auch kein Wunder, dass sich gerade auch die Personalvertretungen des nichtrichterlichen Bereichs, vor allem aber auch die Deutsche Justiz-Gewerkschaft, mit Nachdruck für die Ihnen vorliegenden Reformpläne ausgesprochen haben.

Gestatten Sie mir einige wenige Worte zur Ausgestaltung dieser Reform. Ein wesentliches Element der Strukturreform bilden die landesweiten Zuständigkeitskonzentrationen. Wir wollen besonders kom

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

plexe Rechtsmaterien, die bei den Amtsgerichten nur sehr selten vorkommen, landesweit konzentrieren. Dadurch gewährleisten wir einerseits ein hohes fachliches Niveau und entlasten zugleich die verbleibenden allgemeinen Dezernate. Ich will zu den Einwänden von Kollege Hubert Ulrich auch noch einmal kurz darauf abstellen: Im Gesetz werden nur die Ordnungswidrigkeitssachen und nicht die Strafsachen entsprechend zugewiesen. Diese folgen erst in der notwendigen Verordnung und deshalb sind in der Altverfahrensregelung auch nur die Bußgeldsachen erwähnt. So viel zum entsprechenden Hintergrund, nicht dass der Eindruck entsteht, dort wäre schlampig gearbeitet worden.

Zum Zweiten ordnen wir an zwei Stellen die Bezirksgrenzen neu. So wollen wir die Gemeinde Heusweiler dem Amtsgericht Völklingen zuweisen. Damit stärken wir den Standort Völklingen, ohne den wesentlich größeren Standort Saarbrücken entscheidend zu schwächen. Wir werden auch dem Umstand gerecht, dass die Wege von Heusweiler nach Völklingen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas näher sind als zu den Saarbrücker Standorten. Außerdem wollen wir die Gemeinde Losheim der Zweigstelle Wadern des Amtsgerichts Merzig zuweisen und zugleich die Zuständigkeit der Zweigstelle unter Konzentration insbesondere auf die Zivil- und Betreuungssachen straffer ordnen. Dadurch wird in der Zweigstelle ein wesentlich effizienteres Arbeiten möglich sein als bisher.

Beide Veränderungen sind sowohl bei dem Personal der betroffenen Amtsgerichte als auch in den jeweiligen Städten und Gemeinden auf Zustimmung gestoßen. Das verwundert nicht, denn die damit verbundenen Effizienzgewinne sind beachtlich und die Wege zum Gericht werden für die meisten Betroffenen eher kürzer als länger. In diesem Zusammenhang will ich auch nochmals deutlich machen, dass ich zu allen Justizstandorten im Bereich der Amtsgerichte stehe und damit auch zur Zweigstelle in Wadern. Das ist eine strukturpolitische Grundsatzentscheidung und die eigentliche Aussage dieser Struktur, neben der Verbesserung der Effizienz in den Abläufen, ist die Bürgernähe. Kein Standort wird geschlossen. Das ist eine wichtige Botschaft.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das dritte wesentliche Element sind die regionalen Kooperationsschienen, die wir in den einzelnen Rechtsbereichen zwischen Lebach und Saarlouis, Homburg und St. Ingbert und Ottweiler und St. Wendel einrichten wollen. Diese Regionalisierungen bieten zwei entscheidende Vorteile. Zum einen schaffen wir auf diese Weise in allen Kernbereichen der Amtsgerichte hinreichend große, leistungsfähige Arbeitseinheiten. Das ermöglicht eine fachinterne Vertretung, fördert den kollegialen Wissensaustausch sowie die Einar

beitung von Berufsanfängern und hilft, Synergien zu realisieren. Kurzum, es macht die Kernbereiche der Amtsgerichte fit für die Zukunft.

Zum anderen, das ist der zweite entscheidende Vorteil der Regionalisierung, erhalten wir damit alle Amtsgerichte im Saarland und wahren zugleich die Bürgernähe in einem Maß, wie es kein anderer Lösungsansatz vermocht hätte. Dieser Aspekt ist mir hierbei noch einmal besonders wichtig. Dabei darf man Bürgernähe nicht, wie das teilweise getan wird, auf die rein verkehrstechnische Frage reduzieren, ob der Rechtsuchende künftig vielleicht eine Viertelstunde länger braucht, um zu Gericht zu kommen. Bei den kurzen Wegen im Saarland ist diese Viertelstunde für viele nicht das eigentliche Problem.

Entscheidend ist häufig vielmehr etwas anderes. Menschen suchen das Nachlassgericht auf, weil sie einen nahen Verwandten verloren haben, sie suchen das Betreuungsgericht auf, weil eine nahestehende Person schwer erkrankt ist. Sie suchen die Rechtsantragstelle auf, weil sie bei akuten familiären Problemen schnell Hilfe brauchen. Diese Menschen befinden sich häufig in einem emotionalen Ausnahmezustand und der Gang zum Gericht ist in dieser Situation für viele ungewohnt und schwer. Das hat etwa der Landgerichtspräsident in der Anhörung sehr anschaulich geschildert.

Wenn es uns gelingt, diese Menschen in der vertrauten Umgebung ihrer Heimatstadt abzuholen, anstatt sie in die Ferne zu schicken, dann ist das ein beträchtlicher Gewinn. Dies gelingt uns, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn gerade Materien wie Betreuungsund Nachlasssachen wie die Rechtsantragstellung erhalten wir bei allen Amtsgerichten. Bei den übrigen Rechtsmaterien beschränken wir die Regionalisierung auf die Konstellationen, in denen eine Kooperation zur Gewährleistung hinreichend großer Einheiten unbedingt notwendig ist.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf einige vorgebrachte Bedenken eingehen, von denen ich meine, dass die sehr ausführliche Anhörung, die der Ausschuss vorgenommen hat, sie hat ausräumen können. Zum einen hat es bei einem Teil der betroffenen Gerichte die Befürchtung gegeben, der mit der Reform verbundene Umstellungsaufwand sei zu hoch und bringe das Personal an die Grenzen der Belastbarkeit. Solche Bedenken darf man nicht einfach abtun. Sie zeugen davon, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihre Arbeit einbringen und ihre Aufgaben auch sehr ernst nehmen. Die Erfahrung zeigt aber auch, dass es sich lohnt, solche Ängste zu überwinden und auch Reformen zu wagen. Der Landgerichtspräsident hat das sehr schön anhand der Einführung von Serviceeinheiten bei den Gerichten verdeutlicht, einem vielleicht noch viel grundlegenderen Eingriff in die Arbeitsabläufe der Gerichte. Anfangs gab es große Vorbehalte dage

(Minister Jost)

gen, aber kaum waren die neuen Strukturen umgesetzt, wollte niemand mehr zu den früheren Strukturen zurück. Ich bin mir sicher, dass wir mit der Strukturreform Gleiches erleben werden.

Die Reform ist so ausgerichtet und konzipiert, dass die Eingriffe in gut funktionierende Strukturen und die Auswirkungen auf die Bediensteten denkbar gering gehalten werden. Unsere Reform ist gut vorbereitet und wir werden die Gerichte bei der Umsetzung der Reform in jeder Hinsicht begleiten und unterstützen. Das Einzige, was es für gutes Gelingen jetzt noch braucht, ist das Ärmelhochkrempeln und Anpacken. Seitens der Amtsgerichtsdirektoren, die sich in der Anhörung durchaus auch kritisch zum Vorhaben geäußert haben, haben wir jedenfalls bereits das Signal erhalten. Sie stehen bereit für eine loyale, reibungslose Umsetzung dieser Strukturreform.

Als weiterer Einwand ist die Befürchtung geäußert worden, die Neuordnung der Zuständigkeiten könnte dazu führen, dass der rechtsuchende Bürger den Überblick darüber verliert, welches Gericht für ihn zuständig ist. Dazu nur so viel: Der Bund und die Länder halten im Internet ein elektronisches Ortsund Gerichtsverzeichnis vor, in dem man durch Eingabe einer Postleitzahl oder der Ortsbezeichnung sämtliche gerichtliche Zuständigkeiten abfragen kann. Wer sich also aus freien Stücken entscheidet, ohne anwaltliche Hilfe zu prozessieren, kann sich mühelos über das für ihn zuständige Gericht informieren. Selbstverständlich werden auch die künftigen Strukturen bei uns im Saarland im Internet abgebildet. Dem Rechtsantragsteller kann dann über die entsprechenden Stellen ohne größere Probleme Hilfe gegeben werden.

Als dritter Einwand gegen die Regionalisierung ist vorgebracht worden, die Anreise für die Rechtsuchenden verlängere sich in unzumutbarer Weise. Gewiss, in regionalisierten Materien verändern sich die Wege zu Gericht. Für einige wenige werden sie länger, für andere werden sie aber auch kürzer, etwa für die Bürgerinnen und Bürger aus Saarwellingen, die schneller in Saarlouis als in Lebach sein werden. Nur muss man sich dazu auch einmal die saarländischen Dimensionen vor Augen halten. Dazu nur so viel: In den allermeisten Bundesländern finden sich Entfernungen, die die saarländischen um es einmal vorsichtig zu umschreiben - etwas übersteigen. Der bayerische Amtsgerichtsbezirk Ansbach beispielsweise ist mit rund 2.000 km² nur unwesentlich kleiner als das gesamte Saarland. Wenn Sie am Wiedener Eck im Schwarzwald wohnen, ist das Amtsgericht im rund 50 km entfernten Bad Säckingen für Sie zuständig. Ich kann die Liste gerne fortführen mit Blick auf Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen.

Abgesehen davon habe ich eben schon darauf hingewiesen, dass die reinen Fahrtzeiten zu Gericht für die allermeisten gar nicht so bedeutsam sind. Das gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Saarländerinnen und Saarländer - Gott sei Dank - nur selten das Gericht aufsuchen müssen. Nicht zu vergessen ist dabei auch, dass sich im Einzelfall zwar Fahrtzeiten erhöhen, aber durch die neuen Strukturen wird es ermöglicht, dass sich die Bearbeitungszeiten gerade auch in Vertretungsfällen reduzieren. Auch das ist Bürgernähe, meine sehr geehrten Damen und Herren.