Protocol of the Session on January 20, 2016

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Herr Minister Commerçon hat mir mitgeteilt, dass er so viel Zustimmung nicht auf sich sitzen lassen kann - wörtliches Zitat. Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Heiterkeit.)

Der Präsident sagt immer die Wahrheit! Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt offenkundig eine kleine - ich will es ja gar nicht Dissens nennen - Einschätzungsfrage oder letztlich eine Geschmacksfrage, wobei ich keinen Anlass habe, über Geschmäcker mit Ihnen zu streiten. Entscheidend ist, dass wir uns im Kern einig sind. Die Änderung dieses Gesetzentwurfes ist eine entscheidende Grundlage für ein innovatives Modellprojekt für frühzeitige und lückenlose Betreuung aller Jugendlichen am Übergang von der Schule ins Berufsleben.

Es geht bei dem Projekt „Lückenlose Betreuung“ darum, junge Menschen, die keine klare berufliche Perspektive haben, in besonderer Weise zu unterstützen und ihnen dabei zu helfen, auf dem saarländischen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erfolgreich Fuß fassen zu können. Es geht darum, diese Schülerinnen und Schüler bei dem wichtigen Übergang von der Schule in den Beruf zu begleiten und ihnen eine erfolgversprechende berufliche Perspektive aufzuzeigen. Der Sinn dieses Projektes, das es in ähnlicher Form bereits in Hamburg gibt, besteht in der frühzeitigen Unterstützung der Jugendlichen durch die Jugendberufsagentur noch während der Schulzeit beziehungsweise von Jugendlichen, die nach dem Verlassen der allgemeinbildenden

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Schulen weder in Ausbildung noch in eine weitere schulische Laufbahn eingemündet sind.

Ein Blick in die Praxis hilft, das noch mal zu erläutern. Ich glaube nicht, dass wir es uns weiter leisten können, Jugendliche so lange nicht zu begleiten, bis sie dann mit 25 oder 26 Jahren halb gestrauchelt in irgendwelchen Beratungseinrichtungen landen. Ich glaube, dass es ein guter und wichtiger Schritt ist, schon frühzeitig diese Jugendlichen zu begleiten, damit es erst gar nicht zum Straucheln kommt, frühzeitig dafür Sorge zu tragen, dass diese jungen Menschen dann eben die nötige Unterstützung bekommen. Deswegen bin ich sehr froh, dass dies offenkundig die Unterstützung des gesamten Hauses findet.

Untersuchungen aus Hamburg haben gezeigt, dass der Verbleib von etwa 30 Prozent der Jugendlichen nach dem Abgang aus den allgemeinbildenden Schulen unklar ist. Die sind nicht alle gestrauchelt, aber von 30 Prozent weiß man nicht, was mit ihnen passiert. Diese jungen Menschen benötigen in jedem Fall auf ihrem Weg in die Berufsausbildung und in die Beschäftigung die Unterstützung und auch entsprechende Angebote, um ihr Berufsleben beziehungsweise ihr Leben weiter zu planen. Durch eine optimierte und auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Beratung wollen wir dafür sorgen, dass es diesen Jugendlichen gelingt, möglichst nahtlos eine Ausbildung starten zu können. Wir wollen mit diesem Projekt verhindern, dass junge Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf verloren gehen.

Der Präsident hat schon die große Zustimmung für den Bildungsminister angesprochen. So viel Lob kann und will ich aber nicht auf mir sitzen lassen. Deswegen an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an diejenigen, die mit dazu beigetragen haben, dass das überhaupt möglich ist. Es ist völlig klar, dass bei einem solch komplexen Vorgang sehr viele Akteure eine Rolle spielen. Deswegen ein herzliches Dankeschön an das saarländische Wirtschaftsministerium, an die Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit, an die Kammern, an den Landkreis Neunkirchen und natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Ministeriums. Wir haben in sehr kurzer Zeit ein in der Tat vorzeigbares Modell auf den Weg gebracht.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beginnen also bereits in der Schule, diesen Übergang zu organisieren. Schülerinnen und Schüler, die bereits im Rahmen der Sekundarstufe I Unterstützungsbedarf erkennen lassen, werden präventiv individuell beraten. Die Anschlussperspektiven und Vorstellungen der abgehenden Schülerinnen und Schüler der Sekun

darstufe I im Landkreis Neunkirchen werden im Rahmen des Projektes erfasst und mit allen weiterführenden Schulen und Berufsbildungseinrichtungen innerhalb des Saarlandes abgeglichen. Nach Verlassen der Schule werden diejenigen Schülerinnen und Schüler, deren Verbleib nicht bekannt ist, kontaktiert, um festzustellen, ob weiterer Unterstützungsbedarf vorliegt. Sollte dies der Fall sein, erhalten diese Schülerinnen und Schüler ein individuelles Beratungsangebot.

Ich glaube, das ist wirklich ein großer Schritt, den wir an dieser Stelle nach vorne gehen. Ich stimme dem Kollegen Kessler ausdrücklich zu. Auch mein Wunsch ist es, dass wir möglichst zügig aus dem Modellprojekt ein landesweites Erfolgsmodell machen und es auf das gesamte Saarland ausweiten, weil ich der festen Überzeugung bin, alle Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit haben, von diesem neuen Angebot zu profitieren. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich schließe die Aussprache. - Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Medien hat mit der Drucksache 15/1670 einen Abänderungsantrag zum Gesetzentwurf eingebracht. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Abänderungsantrag des Ausschusses. Wer für die Annahme des Abänderungsantrags Drucksache 15/1670 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke, das ist einstimmig.

Die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Fraktion hat mit der Drucksache 15/1674 einen Abänderungsantrag zum Gesetzentwurf eingebracht. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Abänderungsantrag. Wer für die Annahme des Abänderungsantrags Drucksache 15/1674 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Abänderungsantrag Drucksache 15/ 1674 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen; dagegen gestimmt haben die Regierungsfraktionen. Damit ist der Abänderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/1570 in Zweiter und letzter Lesung unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrags ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 15/1570 in Zweiter und letzter Lesung unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrags einstimmig, mit der Zustimmung aller Abgeordneten angenommen ist.

Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:

(Minister Commerçon)

Zweite Lesung des Gesetzes über den Vollzug des Jugendarrests (Saarländisches Jugendar- restvollzugsgesetz - SJAVollzG) (Drucksache 15/1497) (Abänderungsanträge: Drucksachen 15/1658 - neu -, 15/1669, 15/1672 und 15/1675)

Zur Berichterstattung über die Beratungen im Ausschuss erteile ich der Ausschussvorsitzenden, Frau Abgeordneter Christiane Blatt, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf wurde vom Plenum in seiner 40. Sitzung am 23. September 2015 in Erster Lesung mehrheitlich bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und Ablehnung der DIE LINKE-Landtagsfraktion und Enthaltung der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion sowie der PIRATEN-Landtagsfraktion angenommen und zur weiteren Beratung an den zuständigen Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung überwiesen.

Der vorliegende Gesetzentwurf soll die seit 1976 geltende Jugendarrestvollzugsordnung im Saarland ablösen. Ein Jugendarrestvollzugsgesetz trägt der Verfassungsrelevanz stärker Rechnung. Das Gesetz regelt dabei die Gestaltung des Jugendvollzugs umfassend und beschränkt sich nicht nur auf die Normierung der wesentlichen Eingriffsermächtigungen. Mit dem Gesetz soll ein zeitgemäßer, humaner und konsequent auf die Förderung der Arrestierten ausgerichteter Jugendarrest im Saarland fortentwickelt werden.

Der Ausschuss hat in seiner 81. Sitzung am 12. November 2015 eine umfangreiche Anhörung zu dem Gesetz durchgeführt. Von insgesamt 28 angefragten Sachverständigen und Verbänden haben acht in der Sitzung eine Stellungnahme abgegeben. Bei Änderungsvorschlägen in Einzelbereichen wurde der Gesetzentwurf im Grundsatz weitgehend begrüßt.

In der Ausschusssitzung am 14. Januar 2016 wurde über vier Abänderungsanträge abgestimmt, die teilweise auch heute Gegenstand der weiteren Beratung sind, sodass ich auf deren inhaltliche Einzelheiten an dieser Stelle nicht eingehen muss.

Der Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde mehrheitlich bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen, Ablehnung durch die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion und Enthaltung der übrigen Fraktionen angenommen; die übrigen Anträge wurden jeweils mit der Koalitionsmehrheit abgelehnt.

Der Ausschuss hat in seiner Sitzung am 14. Januar 2016 das Gesetz in Form des Abänderungsantrags der Koalitionsfraktionen mehrheitlich bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und Ablehnung der

Oppositionsfraktionen zur Annahme in Zweiter Lesung empfohlen. - Vielen Dank!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDLandtagsfraktion hat Frau Abgeordnete Petra Berg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein ganz wesentliches Instrument der Strafrechtspflege, konkret die Jugendstrafrechtspflege. Das Strafrecht betrifft einen gesellschaftlich und juristisch sehr sensiblen Bereich, geht es doch um schwerwiegende Eingriffe in geschützte Rechtsgüter sowohl durch die Straftat selbst als auch durch die Sanktion.

Strafrecht tut weh und kommt immer erst dann zum Zuge, wenn es zumindest scheinbar schon zu spät ist. Der Bereich wird umso sensibler, wenn es um Jugendliche und Heranwachsende geht, also um die Menschen, die mit ihrer Zukunft zugleich die Zukunft unserer Gesellschaft gestalten und deren zukünftige persönliche Entwicklung daher unser aller Anliegen zu sein hat. Das muss auch Motiv und Richtschnur des vorliegenden Gesetzentwurfs sein. Der Jugendarrest ist ein Zuchtmittel und stellt als freiheitsentziehende Maßnahme neben der Jugendstrafe das eingriffsintensivste Mittel des Jugendstrafrechts dar.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Zuchtmittel! Zucht und Ordnung!)

Ja, Frau Spaniol, das ist ein Terminus aus dem Gesetz. Sie wissen es. - Der Freiheitsentzug an sich und dessen praktische Ausgestaltung greifen in erheblichem Maße in die Grundrechte der Betroffenen ein. Folglich müssen Anordnung und Vollzug dieser Sanktion auf eine solide gesetzliche Grundlage gestellt werden. Das machen wir mit diesem Gesetzentwurf, der auf dem durch neun Bundesländer gemeinsam erarbeiteten Musterentwurf beruht.

Dabei haben sich das Saarland und Rheinland-Pfalz wegen der hier bestehenden Kooperation beim Arrestvollzug besonders eng abgestimmt. Auch diese enge länderübergreifende Zusammenarbeit unterstreicht die gesellschaftliche und rechtspolitische Relevanz dieser Thematik. Hier haben Fachleute unterschiedlicher Professionen aus Vollzug, Staatsanwaltschaft, Gerichten und der Erziehungswissenschaft gemeinsam eine solide Grundlage erarbeitet.

Der Jugendarrest gehört zu den umstrittensten Themen der Strafrechtspflege. Über den Sinn dieses Instrumentes wird immer wieder gestritten. Von den Kritikern wird regelmäßig - das muss man an der

(Präsident Meiser)

Stelle sagen - die Abschaffung des Jugendarrestes gefordert. Sie argumentieren, dass es hohe Rückfallquoten gebe und dass das Konzept des Arrestes insgesamt erzieherisch unwirksam sei. Wie ist das aber zu bewerten? Eine vom Bundesjustizministerium veröffentlichte bundesweite Untersuchung zur Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen zeigt, dass die Rückfälligkeit in Abhängigkeit von der Sanktionsart beim Jugendarrest bei 65 Prozent liegt. Das ist nach der Jugendstrafe, wo die Rückfälligkeit bei 69 Prozent liegt, die zweithöchste Rückfallrate. Das ist beachtlich.

Die Kritiker argumentieren auch, dass der Jugendarrest insbesondere gefährdete Jugendliche treffe und deren Situation noch weiter verschlechtere. Das verursache die hohe Rückfallquote. Darüber hinaus erfordere der dem Jugendstrafrecht zugrunde liegende Erziehungsgedanke den Aufbau stabiler persönlicher Beziehungen zwischen Jugendlichem und behandelndem Personal und die gemeinsame Erarbeitung und Umsetzung längerfristiger Entwicklungskonzepte. Dem stehe die sehr kurze Verweildauer von wenigen Tagen bis maximal vier Wochen im Jugendarrest entgegen. Ein längerfristiges Einwirken auf die Jugendlichen - so die Kritiker - erfordere Zeit. Das sei im Jugendarrest schlichtweg nicht gegeben. Daher sei auch - nach deren Meinung - der Erziehungsgedanke nicht realisierbar.

Meine Damen und Herren! Die hohe Rückfallquote ebenso wie die kurze Verweildauer sind die Fakten im Jugendarrest. Aber folgt hieraus zwangsläufig die Sinnlosigkeit desselben? - Nein! Die Antwort ist klar: Der Jugendarrest hat seine Funktion und Berechtigung. Der Jugendarrest ist grundsätzlich geeignet, dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts gerecht zu werden. Denn auch die kurze, aber intensive Konfrontation mit einer für den Jugendlichen sicherlich unangenehmen Situation kann zu einem Umdenken und einer positiven Entwicklung führen. Die Änderung des Lebensumfeldes, wenn auch nur für kurze Zeit, ist geeignet, bei dem betroffenen Jugendlichen einen positiven Leidensdruck hervorzurufen. Ein Vor-Augen-führen dessen, was unweigerlich die Konsequenz seines Fehlverhaltens wird, wirkt hier erzieherisch. Es ist ein heilsamer Schock. Es ist ein Denkzettel im besten Sinne, ein strafbares Verhalten ahnend und vor Augen führend, aber nicht rächend. Es ist das letzte Stoppschild für straffällig gewordene Jugendliche. Es gilt nämlich, junge Menschen aufzurütteln, Menschen, deren Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, Menschen, die immer noch für ein Aha-Erlebnis offen sind. Der Jugendarrest kann mithin ein sehr wertvolles Instrument der Strafrechtspflege sein. Die Folge aus den oben genannten Kritikpunkten sollte daher nicht die Abschaffung des Jugendarrestes sein, sondern seine Verbesserung.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Was will der Gesetzgeber mit dem Jugendarrest erreichen? - Das Gesetz formuliert folgendes Ziel: „Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewusstsein bringen, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden, er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.“ - Es handelt sich also um ein Zuchtmittel mit ahnendem Charakter, dessen Vollzug erzieherisch und helfend ausgestaltet ist. Dabei bitte ich auch, das Wort Zuchtmittel nicht im Sinne von Strafe, sondern von Erziehung zu werten. Dem Jugendlichen wird kurzfristig sein schädliches Lebensumfeld entzogen, um in dieser Zeit auf seine Persönlichkeit einzuwirken. Der Jugendarrest soll als letzte Stufe vor der Jugendstrafe ein Umdenken auslösen. Er soll eine Umorientierung des Jugendlichen anstoßen mit dem Ziel, dass dieser künftig ein eigenverantwortliches Leben ohne Straftaten führen will. Der Jugendarrest ist ein Schuss vor den Bug.

Erreicht werden kann dies aber nur, wenn zugleich Aufbauarbeit geleistet wird. Hier kommen wir zu den Voraussetzungen des Jugendarrestes, den dieser erfüllen muss, um auch Erfolg zu haben. Aufbauarbeit heißt nämlich, dass der junge Mensch, dem die Freiheit entzogen wird, der Fürsorge und Förderung seiner individuellen Entwicklung bedarf. Der Jugendarrest darf sicherlich nicht isoliert als Freiheitsentzug eingesetzt werden, vielmehr muss er Bestandteil eines Unterstützungssystems sein. Was bedeutet das konkret? - Der Jugendliche soll Lernsituationen ausgesetzt werden. Durch den Dialog mit Fachpersonal, durch pädagogische und therapeutische Ansätze sollen prosoziale Verhaltensweisen erlernt und auch Tagesabläufe strukturiert werden. Konfliktlösung, Streitbeilegung, die Erfüllung von Pflichten und die Einhaltung gesetzter Grenzen müssen trainiert werden. Selbstständigkeit, Selbstreflexion und Selbstwertgefühl sind zu fördern. Der Vollzug muss konzeptionell und personell demzufolge diesen Herausforderungen auch angepasst werden. Die kurze Verweildauer im Vollzug muss maximal zielorientiert und konsequent genutzt werden.

Der Vollzug muss spezifische kurzzeitpädagogische Bedingungen berücksichtigen. Das erzieherische Arrestprogramm muss mit dem Zeitpunkt der Aufnahme beginnen und ungestaltete Leerlaufphasen vermeiden. Das bedeutet aber eine intensive Aufnahme- und Diagnosephase. Daraus folgend müssen Schwerpunkte umgesetzt werden, um die vordringlichste Problemlage des Arrestanten gezielt anzugehen, beispielsweise die Regulierung der eigenen Finanzen, die Bewältigung einer Suchtproblematik, ein Bewerbungstraining und so weiter. So unterschied

(Abg. Berg (SPD) )

lich die Arrestanten, so unterschiedlich sind ja auch die Problemlagen. Die gezielte Bearbeitung der dringlichsten Schwierigkeiten kann positiv in andere Lebensbereiche ausstrahlen, um so zu einer dauerhaften Verbesserung der Situation der Jugendlichen beizutragen.

Die Förderung der Selbstreflexion wiederum kann dazu beitragen, die gewonnenen Erkenntnisse auch zu verinnerlichen. Sie verhindern ein Abgleiten in schädliche Subkulturen des Vollzugs, der eben auch eine Ansammlung delinquenzerfahrener junger Menschen ist. Zugleich bedarf es aber auch flankierender Maßnahmen, die in die Zukunft gerichtet sind. Das heißt, sie müssen in ein System der Nachsorge eingebettet werden. Dazu bedarf es eines Netzwerkes sachverständiger Dritter, zu denen im Arrest der Kontakt hergestellt wird und die den Jugendlichen auch nach dessen Entlassung begleiten und die begonnene positive Entwicklung festigen. Die Schulen, Vereine und Ausbildungsbetriebe sind Ansprechpartner für eine konstruktive Nachsorge.

Der Jugendarrest verfolgt also hohe Ziele bei einer komplexen Aufgabenstellung. Wird der vorliegende Entwurf dem gerecht? - Auch hier ist die Antwort: Ja, er wird diesen sehr hohen Anforderungen gerecht. Der Gesetzentwurf ermächtigt nicht bloß zum Eingriff in die Rechte eines Arrestanten, sondern er regelt umfassend und auch schlüssig die konkrete Ausgestaltung des Arrestvollzugs. Dabei wird klargestellt, dass die erzieherische Ausgestaltung und die Verhinderung schädlicher Einflüsse die wesentlichen Grundsätze des Vollzuges sind. Diese Arrestanten werden in ihrer lebenspraktischen, beruflichen und schulischen Entwicklung gefördert, sie lernen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und alltägliche Aufgaben und einen strukturierten Tagesablauf mit einer sinnvollen Freizeitgestaltung anzugehen.

Dabei sieht der Entwurf die Jugendlichen nicht nur als passive Adressaten verschiedener Maßnahmen, sondern er normiert eine Mitwirkungspflicht bei der Erreichung des Vollzugszieles. Auch das ist eine wichtige erzieherische Maßnahme. Auch die Nachsorge hat der Gesetzentwurf im Blick. Es ist explizit die Einbeziehung einschlägiger Institutionen und Einrichtungen und - soweit dies nicht schädlich ist auch der Personensorgeberechtigten festgeschrieben. Die regelmäßige Fortbildung des Personals, dessen fachliche Eignung und Qualifikation sind ebenfalls normiert und Voraussetzung eines erfolgreichen Arrestvollzuges.

Meine Damen und Herren, an einigen Stellen haben wir die Anregungen der Sachverständigenanhörung aufgegriffen und den Gesetzentwurf ergänzt oder geändert. Ein Punkt war, dass wir in der Anhörung die Bedeutung des Sports herausgearbeitet haben. Wir haben den Sport neben seiner Funktion der