Sie sind zudem in Ihren Forderungen furchtbar inkonsequent. Sie fordern eine wissenschaftliche Evaluierung der Drogenpolitik, sagen uns aber vorweg, was das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Evaluierung eigentlich ist. Ganz nach dem Motto, meine Meinung steht fest, bitte verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen.
(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Hil- berer (PIRATEN) : Das haben wir in diesem Haus ja noch nie gehört!)
Sie sind an dieser Stelle auch noch furchtbar inkonsequent bei Ihren eigenen Anträgen. Letztes Jahr haben Sie noch gefordert, alle Drogen zu legalisieren. Da ging es nicht nur um Entkriminalisierung, sondern Sie haben als PIRATEN-Partei gefordert, alle Drogen zu legalisieren.
Der Kollege Bierbaum und die LINKE haben uns mal vorgeworfen, zu viele Gutachten in diesem Land in Auftrag zu geben. Jetzt beauftragen Sie uns mit der Begutachtung eines Bundesgesetzes und einer Bundesgesetzgebung. Das ist auch wirklich inkonsequent, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun und hier eine Legalize-it-Debatte vom Zaun brechen. Wenn Sie über die Legalisierung von Drogen reden wollen, dann sollten Sie einen Legalisierungsantrag stellen. Das haben Sie aber nicht gemacht, sondern Sie haben einen Antrag vorgelegt, der auch im Deutschen Bundestag so eingebracht wurde und offenkundig dazu dient, die unterschiedlichen Positionen der SPD und der CDU herauszuarbeiten.
Abg. Hilberer (PIRATEN) mit einer Zwischenfrage: Herr Kollege, ich verstehe, dass es für Sie schwierig ist, die aktuelle Drogenpolitik zu verteidigen. Sind Sie aber bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es kein Widerspruch in sich ist, die Legalisierung von Drogen zu fordern, im Weiteren auch eine Legalisierung aller Drogen, und gleichzeitig eine wissenschaftliche Evaluierung? Ich kann eine Meinung haben, die sich im späteren Prozess ändern könnte, auch wenn ich das momentan für die bessere Lösung halte.
Ich bin aufgrund Ihrer Anträge, die Sie, wie ich es bereits betont habe, letztes Jahr zur völligen Legalisierung aller Drogen gestellt haben, bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie beratungsresistent sind, lieber Kollege Hilberer.
Deswegen beschäftigen wir uns hier auch nicht mit der Evaluierung von Bundesgesetzgebung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich mache allerdings keinen Hehl daraus, dass es durchaus unterschiedliche Positionen in dieser Debatte gibt. Es gibt die Befürworter der totalen Prohibition, es gibt die Befürworter der totalen Freigabe, aber es gibt eben auch viele Schattierungen, die dazwischen liegen. Ich bin auch der Meinung, dass man das evaluieren sollte, was bisher in Deutschland gemacht wurde. Dagegen spricht rein gar nichts. Ich wehre mich aber auch dagegen, nur zu evaluieren, was im Strafrecht getan wird.
Ich habe lange selbst in der Drogenhilfe, Suchtkrankenhilfe gearbeitet. Ich habe für eine renommierte Institution der Caritas in Neunkirchen gearbeitet, bin in die JVA in Ottweiler gefahren und habe dort Drogenhilfe vor Ort gemacht. Ich kenne die Situation.
Ich weiß um das Elend der Menschen, die dort sitzen. Ich weiß auch, dass viele von denen zum Beispiel die Möglichkeit der Therapie statt Strafe nutzen, dass sie nicht unbedingt freiwillig in Therapie gehen, sondern die schnellste Möglichkeit raus aus dem Knast suchen. Ich weiß aber auch, dass vielen von denen in den Therapieeinrichtungen auch geholfen wird.
Man kann sich darüber unterhalten, welche Möglichkeiten man im Strafvollzug hat, aber man muss sich auch darüber unterhalten, was die Instrumente der Suchtpolitik sind. Die Instrumente der Suchtpolitik sind eben auch die vier Säulen. Darunter fällt Prävention, Beratung und Behandlung, Hilfe zum Ausstieg und Bekämpfung der Drogenkriminalität. Sie
beziehen sich weitestgehend auf einen Aspekt. Da muss ich sagen, ich bin einmal gespannt darauf, wenn wir hier die Prävention evaluieren und uns einmal ansehen, wie erfolgreich sie hierzulande ist, zu welchem Ergebnis wir dann kommen. Ich wette mit Ihnen, dass wir zu einem ganzheitlichen Ergebnis kommen, das weit von einer reinen Legalisierungsdebatte entfernt ist.
Ich habe in der Suchtkrankenhilfe auch festgestellt, dass wir im Bereich der Suchtprävention durchaus mehr machen könnten. Ich wäre auch dafür, mehr Geld dafür bereitzustellen und sich Gedanken darüber zu machen, welche Einnahmequellen es hier gibt. Für mich ist zum Beispiel auch der volkswirtschaftliche Schaden, der von Nikotin- und Alkoholmissbrauch ausgeht, ein ernsthaftes Problem. Er steht in keinerlei Relation zu dem volkswirtschaftlichen Schaden, der durch den Gebrauch illegaler Drogen entsteht. Auch dieser Realität müssen wir uns stellen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber in meinem Bekanntenkreis habe ich wesentlich mehr Familien und Menschen an Alkohol zugrunde gehen sehen als durch illegale Drogen.
Da ist es an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch einmal angebracht, über solche Maßnahmen wie Werbung für Alkohol nachzudenken. Werbung für Nikotin haben wir schon eingeschränkt, Werbung für Alkohol ist nach wie vor frei. Wenn ich das ganzheitlich sehe, müsste ich auch darüber nachdenken und diese Aspekte verfolgen. Ich bin auch der Meinung, dass man gerade bei den weichen Drogen mehr zur Kasse bitten könnte und damit in der Suchtprävention insgesamt mehr machen könnte.
In diesen Punkten gibt es durchaus Beratungsbedarf. Der Kollege Hans hat es schon gesagt, wir sind da relativ offen, uns im Ausschuss einmal berichten zu lassen, was in allen Feldern der Suchtpolitik eigentlich gemacht wird. Ich bin bereit, mir die Rechtssicht dazu anzuhören. Es wurde hier der Schildower Kreis genannt. In diesem Kreis sind auch Professoren der Saar-Universität. Das sind unter anderem die Professoren Mansdörfer, Müller-Dietz oder auch Egon Müller, sicher renommierte Professoren. Ich habe nichts dagegen, mir deren Meinung auch einmal im Landtagsausschuss anzuhören. Wir sind da relativ offen und entspannt, was diese Debatte angeht.
Ich will aber im gleichen Atemzug auch das Drogenhilfezentrum, das wir übrigens mit dem Ausschuss gleich zu Anfang der Legislaturperiode besucht haben, nennen. Wir konnten uns - das hat der Kollege Hans schon richtig gesagt - davon überzeugen, dass wir hier für Menschen Schutzräume geschaffen haben, in denen keine Strafverfolgung stattfindet. Ich finde das sehr liberal. Damit haben wir ein einzigarti
ges Zentrum im Saarland, das mittlerweile von allen Parteien dieses Hauses akzeptiert ist als fortschrittliche Drogenpolitik. Die haben wir übrigens schon jahrelang über die Grenzen des Saarlandes hinaus gemacht bis nach Frankfurt, bis in diverse Bereiche von Lothringen. Da sind wir schon einen gewaltigen Schritt weiter. Auch diese Expertenmeinung sollten wir uns im Ausschuss anhören und uns ein ganzheitliches Bild über die Drogenpolitik im Saarland machen. Für die Evaluierung von Bundesgesetzgebung sind wir hier nicht zuständig. Deswegen wird die Fraktion das auch ablehnen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gemeinsame Antrag von den LINKEN, den PIRATEN und den GRÜNEN versucht im Grunde genommen nur, die seit Jahrzehnten wie in Stein gemeißelte ideologische Debatte über die Drogenpolitik endlich einmal auf eine gesicherte wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Wir fordern doch mit diesem Antrag heute nicht - lesen Sie bitte genau! - die Entkriminalisierung von Cannabis. Dazu hat natürlich jede Fraktion oder jede Person eine persönliche Meinung. Wir fordern heute mit diesem Antrag auch nicht die Legalisierung irgendwelcher Drogen. Das steht überhaupt nicht im Antrag. Wir fordern, dass wir uns eine empirisch-wissenschaftliche Datengrundlage für die zukünftige Diskussion zur Drogenpolitik schaffen. Da wundere ich mich schon, dass die CDU und die SPD sich diesem Anliegen verschließen. Wir wollen im Grunde genommen eine wissenschaftliche Expertise erhalten.
Unser Ziel in der Drogenpolitik muss doch sein, gesicherte Fakten zu haben und nicht eine Drogenpolitik zu betreiben, die auf Ideologien, auf Vorurteilen oder auch Vorverurteilungen beruht. Eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Drogenpolitik ist aus unserer Sicht unabdingbar, denn in der Tat, wie auch der BDK sagt, ein „Weiter so“ mit allen negativen Folgen der bisherigen Drogenpolitik ist aus unserer Sicht schlicht und einfach verantwortungslos.
Was sind die negativen Effekte der jetzigen Drogenpolitik? Wir haben einen zunehmend funktionierenden Schwarzmarkt, von dem lediglich das organisierte Verbrechen profitiert. Zum anderen besteht eine erhebliche Gefahr für die Drogenkonsumenten. Die sind trotz aller gesetzlichen Verbote nicht gesi
chert. Der Schwarzmarkt kennt keinen Jugendschutz, er kennt keinen Gesundheitsschutz. Da geht es um das Erzielen möglichst hoher Gewinne. Es geht auch um die Abgabe von Drogen an Jugendliche - sogar an Kinder - oder das Vermischen von Drogen mit weiteren schädlichen Substanzen, negative Folgen des Betäubungsmittelrechts und zahlreiche unbeabsichtigte Nebenwirkungen wie die Verbreitung von Infektionskrankheiten, HIV, Hepatitis, das ist uns doch allen bekannt. Auch die Beschaffungskriminalität ist durch die aktuelle Rechtslage nicht zurückgegangen.
Jetzt will ich nicht so weit gehen, ganz pauschal zu sagen, die bisherige Drogenpolitik ist komplett gescheitert. Aber man kann zumindest sagen, dass sie nicht erfolgreich ist im Sinne eines Rückgangs der Drogenkriminalität, eines Rückgangs der Anzahl der Drogenopfer. Man muss doch zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl der Todesopfer zugenommen hat. Das gilt für den Bund wie das Saarland. 11 Drogentote hat es laut der aktuellen Statistik 2013 im Saarland gegeben. Das sind zwei mehr als im Vorjahr. In Rheinland-Pfalz gab es 38 Drogentote. Zuvor waren es dort 25. Auch bundesweit stieg die Zahl der Drogentoten erstmals seit 2009 wieder spürbar an. In ganz Deutschland starben über 1.000 Menschen, im Jahr 2013 1.002 Menschen durch Drogenkonsum.
Im Grunde drehen wir uns bei der Drogenpolitik im Kreis. Es werden stets die gleichen Argumente der jeweiligen Seite ausgetauscht, aber Verbesserungen gibt es doch nicht. Ich zitiere Professor Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, der in einem Artikel auf ZEIT ONLINE am 18. April 2014 formuliert hat - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Die derzeitige Drogenpolitik wird von Emotionen und von Moral bestimmt, nicht von wissenschaftlichen Erkenntnissen.“
Genau dahin wollen wir. Natürlich setzten wir uns auch für Prävention ein. Das ist doch überhaupt keine Frage, da sind wir uns in diesem Landtag doch einig. Wir fordern aber zugleich eine ergebnisoffene Diskussion in der Drogenpolitik auf der Grundlage wissenschaftlicher Evaluation der aktuellen Instrumente dieser Politik. Da - das ist bereits erwähnt worden - stehen wir auch nicht alleine. Wie Sie dem gemeinsamen Antrag entnehmen können, wird dort Bezug genommen auf 122 deutsche Strafrechtsprofessorinnen und Professoren, die im November 2013 eine Resolution an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages verfasst haben. Im Fazit heißt es dort - ich zitiere -: „Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik unvoreingenommen wissenschaftlich zu überprüfen.“ Genau dies wollen wir mit unserem Antrag.
Ich zitiere an dieser Stelle noch einmal die geschätzte Kollegin Monika Bachmann, die als ehemalige Innenministerin gemeinsam mit dem damaligen Gesundheitsminister Storm am 04. Juni 2013 eine Pressemitteilung herausgegeben hat, in der es heißt: „Drogenpolitik ist kein Experimentierfeld, auf dem man einfach mal etwas ausprobieren kann.“ Dem schließen wir uns voll und ganz an. Wir wollen keine Experimente mehr an dieser Stelle, und genau darum geht es in unserem Antrag. Wir fordern auch keine Änderung der Drogenpolitik hier und heute, wir haben dazu konkrete Vorstellungen. Aber wir brauchen zuerst einmal eine wissenschaftliche Expertise, eine unabhängige Evaluation des geltenden Betäubungsmittel- und Strafrechts. Daher bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Klaus Kessler, genau so ist es, wie Sie es eben zitiert haben. Ich füge noch eines hinzu: Gefahren von Drogen, ob legal oder illegal, dürfen grundsätzlich nicht kleingeredet werden. Deshalb bin ich froh, dass wir die Diskussion heute in dem Rahmen führen und nicht so wie zum Beispiel im Kölner Parlament Ihr GRÜNEN-Kollege Hans Schwanitz, der die SPD beschimpft und gesagt hat, es sei Zeit für eine wirkliche Graswurzelbewegung.
Deshalb finde ich es schon merkwürdig, wenn die Schäden durch Cannabis wissenschaftlich belegt sind und wir wissen, dass noch nie so viele Menschen wegen Cannabis in Behandlung waren wie heute, und wir dann gleichzeitig erleben, dass es nicht nur im Saarland, sondern bundesweit und darüber hinaus eine wachsende Legalisierungsbewegung gibt. Dieser Diskussion - da gebe ich Ihnen recht - müssen wir uns stellen. Ich sage aber auch genauso und kann bestätigen, was die Bundesdrogenbeauftragte Mortler gesagt hat: „Je einfacher verfügbar ein Rauschgift ist, desto häufiger wird es konsumiert.“
Sehr geehrter Herr Kollege Ulrich, wenn Sie an der Stelle den Kopf schütteln, will ich Ihnen sagen, dass der Cannabiskonsum bei unter 25-Jährigen mittlerweile Grund Nummer 1 ist, sich in ambulante und stationäre Behandlung zu begeben oder sich an Suchthilfeeinrichtungen zu wenden.
Deshalb ist das Kleinreden der Gefahren von Cannabis durch Legalisierungsbefürworter gerade mit Blick auf die jungen Menschen - viele sitzen ja im Zuschauerraum - aus meiner Sicht verantwortungslos. Ich sage Ihnen auch, warum es verantwortungslos ist.
(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Dann müssen Sie auch das Rauchen verbieten, das ist der Einstieg. Alles andere ist inkonsequent.)
In der Studie, die Sie in ihrem Antrag fordern - und die uns vorliegt! -, steht, dass vor allem Jugendliche, die vor dem 15. Lebensjahr mit dem Kiffen beginnen, mit erheblichen Schäden rechnen müssen. „Denn durch den längeren Cannabis-Konsum geraten offenbar körpereigene Stoffe, die für die Hirnreifung bedeutsam sind, vollkommen aus der Balance. Exzessive Kiffer sind oft antriebslos, haben Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeit, beim Lernen und mit ihrer Gedächtnisleistung, fallen in der Schule und Uni zurück, können ihren Alltag immer schlechter bewältigen. Zudem sehen Forscher im CannabisKonsum eine Ursache für Psychosen.“ - Bitte, Herr Ulrich.
Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage: Frau Ministerin, ich will Ihrer Analyse gar nicht im Einzelnen widersprechen. Aber Ihnen ist doch auch bekannt, dass der Einstieg in den Cannabiskonsum in aller Regel das ganz normale Rauchen ist. Wenn logisch sein soll, was Sie sagen, dann müssen Sie doch früher ansetzen und das Rauchen verbieten, was ich jetzt nicht fordern würde. Aber das wäre logisch. Insofern hat Ihre Argumentation keine innere Logik, Sie setzen an einem viel zu späten Zeitpunkt an. Sehe ich das richtig?