Auch das ging ja durch die Presse: die „Chlorhühnchen“. Wir wollen keine Desinfektion von Hühnerfleisch mit chlorhaltigen Substanzen.
Wir wollen die Beibehaltung der Standards für die Kennzeichnung von Farb- und Zusatzstoffen in Lebensmitteln. Auch das ist in den USA völlig anders geregelt als bei uns. Und wir wollen auch keinen Einsatz von Hormonen als Masthilfe in der Fleischproduktion und bei der Milchproduktion. Damit sind nur einige Beispiele genannt.
Darüber hinaus sehen wir die Gefährdung von Standards des Datenschutzes. Wir sehen auch Gefährdungen bezüglich der Errungenschaften beim Arbeitsschutz, bei Arbeitnehmerrechten. Auch sie wollen wir nicht auf dem Altar eines Freihandelsabkommens geopfert sehen! Auf diese Gefahren, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist schon vielfach und hinlänglich hingewiesen worden, zum Beispiel auch am 01. Mai bei den DGB-Demonstrationen. Aber auch der Städte- und Gemeindebund hat in einem Positionspapier nicht nur auf die Chancen, sondern auch auf die Risiken eines solchen Freihandelsabkommens hingewiesen. Das betrifft zum Beispiel die Privatisierung kommunaler Dienstleistungen. Ein großes Risiko in diesem Zusammenhang ergibt sich hinsichtlich der Wasserversorgung der Kommunen: Sie wollen wir nicht privatisiert sehen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein zentrales Problem bei diesem Freihandelsabkommen ist das Investitionsabkommen als Bestandteil des Freihandelsabkommens, die sogenannte Investitionsschutzklausel. Diese ermöglicht beispielsweise einen Schadensersatz beziehungsweise Schadensersatzklagen von Konzernen - ich formuliere es mal einfach -, wenn diese ihre Gewinnmargen, ihre Interessen verletzt sehen. So können sie gegen Standards beispielsweise im Gesundheitsschutz klagen. Es ist schon vorgekommen, dass Zigarettenkonzerne gegen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln geklagt haben. Es können dann zum Beispiel Energiekonzerne gegen den Atomausstieg klagen. Wollen wir das? Es können Industriekonzerne gegen Arbeitsschutzstandards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO klagen, dann sind wir sofort bei dem Thema Mindestlohn. Wollen wir, dass Konzerne die Möglichkeit haben, gegen den Mindest
lohn Klage einzureichen? Ich denke, wir sind uns in diesem Parlament einig, zumindest bei einer Mehrheitsfraktion, dass wir das alles nicht wollen. Wir wollen insbesondere nicht, dass das vor Schiedsgerichten ausgetragen wird und nicht vor regulären Gerichten. Es ist nämlich vorgesehen, dass keine Klagen vor einem ordentlichen Gericht durchgeführt werden, sondern dass ein Schiedsgericht entscheiden soll, zusammengesetzt von Juristen, die die Unternehmen und die Regierungen bestimmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es so kommt, bedeutet das unterm Strich, dass Konzerne nationale Rechtssysteme unterlaufen können. Dies ist eine Gefahr für unseren Rechtsstaat insgesamt, der auf Souveränität der Gerichte, der Parlamente und auch der Regierungen gründet. Dies wollen und dürfen wir in der EU nicht zulassen.
Umso bedauerlicher ist es, dass es im Europaparlament eine Mehrheit für die Aufnahme dieser Verhandlungen gegeben hat. Eine Mehrheit von Abgeordneten aus Christsozialen, Liberalen und auch der SPD, die gegen die Stimmen der LINKEN und der GRÜNEN der Aufnahme von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zugestimmt hat, ohne dies an Voraussetzungen zu knüpfen.
Hinzu kommt, das habe ich auch aus der Süddeutschen Zeitung vom 01. Mai entnommen, dass kurz vor Ostern die Mehrheit der Abgeordneten, das heißt, auch die der SPD - ich kenne ja die kritische Haltung der SPD zum Freihandelsabkommen -, einer Verfahrensverordnung für Investorenschutzregeln zugestimmt hat. Wir halten das für falsch.
Wir wollen kein Abkommen, das europäische Standards und Gesetze untergräbt. Wir sind nicht grundsätzlich gegen ein Freihandelsabkommen.
Nein, es muss transparent zustande gekommen sein. Die Verhandlungen müssen unter Bedingungen stattfinden, die gewährleisten, dass die bewährten Standards und Schutzrechte, die wir haben, in diesen Verhandlungen nicht verloren gehen. Solange dies nicht der Fall ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen diese Verhandlungen ausgesetzt werden. Deshalb bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Zur Begründung des Antrages der DIE LINKENLandtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordnetem Prof. Dr. Heinz Bierbaum das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen durchaus ähnlichen Antrag eingebracht, der sich allerdings in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Wir fordern nämlich nicht das Aussetzen der Verhandlungen, sondern wir fordern den sofortigen Stopp dieser Verhandlungen.
Das können Sie werten, wie Sie wollen, aber ich werde jetzt wirklich zum Thema zurückkommen. Ich glaube, wir sollten in diesem Hause den nötigen Ernst für dieses Thema aufbringen. Es geht in der Tat um ein Abkommen, das einschneidende Konsequenzen für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in Europa hat. Es geht auch darum, deutlich zu machen, dass das nicht nur etwas ist, was ganz oben auf Regierungsebene angesiedelt ist, sondern was unseren täglichen Lebensablauf, unsere täglichen Lebens- und Arbeitsumstände beeinflusst. Deswegen gibt es kritische Stellungnahmen auch auf der kommunalen Ebene. Das ist der Grund, warum wir dieses Thema in den Landtag einbringen. Man muss einfach sehen, dass das eine Dimension hat, die unseren Alltag betrifft.
Ich will nicht all das wiederholen, was der Kollege Kessler zur Kritik des Abkommens bereits gesagt hat, und will nur noch drei Punkte unterstreichen. Erstens handelt es sich hier um Geheimverhandlungen unter wesentlicher Beteiligung der Vertreter der Industrie. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn Industrievertreter irgendwo teilnehmen, aber dann muss es transparent sein, dann muss deutlich gemacht werden, um was es geht. Insofern ist das überhaupt keine Grundlage weiterzuverhandeln, wenn man das sozusagen hinter verschlossenen Türen und nicht transparent macht.
Zweitens ist es so, dass damit auf breiter Front soziale und ökologische Standards bedroht sind und abgesenkt werden sollen. Das ist nicht nur das berühmte Chlorhähnchen, in dem Fall wird man vielleicht sogar zum Kompromiss kommen. Das Chlorhähnchen ist nur die Spitze des Eisberges für eine mögliche grundlegende Verschlechterung von Standards, die auch den Verbraucherschutz angehen, beispielsweise genmanipulierte Lebensmittel. Es geht auch um das Thema ökologische Standards.
Wenn wir künftig Auflagen bezüglich der Ökologie machen wollen, dann kann dies möglicherweise eben nicht mehr gemacht werden, sondern die Standards werden abgesenkt. Und es geht auch um soziale Standards im Hinblick darauf, dass Arbeitsschutzrechte abgesenkt und verschlechtert werden sollen. Insbesondere wenn ich mir überlege, dass die USA noch nicht mal die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation voll anerkannt hat. Nur ein Hinweis, das sind wirklich elementare Rechte. Es geht um die Möglichkeit, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen und Tarifverhandlungen zu führen, um die Beseitigung der Zwangsarbeit, um das Verbot der Kinderarbeit und um das Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Das sind die vier Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation, die Kernarbeitsnormen. Sie sind weiter differenziert, aber das sind die vier Grundachsen, die in den USA nicht in voller Breite anerkannt sind. Das muss man einfach berücksichtigen.
Es geht drittens um die Neuauflage eines Abkommens, das ist bereits erwähnt worden, das schon mal gescheitert ist. Ich erinnere an das Multilateral Agreement on Investment (MAI), das in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre diskutiert wurde und Gott sei Dank am Widerstand Frankreichs gescheitert ist. Es geht um diesen sogenannten Investorschutz. Es soll alles beseitigt werden, was den Interessen der Unternehmen, insbesondere ihren Rentabilitätsinteressen, im Wege steht, wie etwa die Klage von Vattenfall gegen den Atomausstieg oder die Klage von Philip Morris in Australien, wo abschreckende Bilder auf Zigarettenpackungen aufgedruckt werden sollten, beweisen. Es wird gesagt, all das steht unseren Interessen entgegen, weil wir Investitionen unter anderen Voraussetzungen geplant haben. Wenn die Bedingungen politisch verändert werden, kann dann dagegen geklagt werden, und zwar noch nicht mal vor ordentlichen Gerichten, sondern im Rahmen einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Das ist überhaupt nicht akzeptabel.
Ich möchte es so zusammenfassen: Wenn ein solches Abkommen umgesetzt würde, dann würde das bedeuten, dass die Politik auch keine Regeln mehr aufstellen kann. Das ist meiner Auffassung nach die Kapitulation der Politik vor den Interessen der transatlantischen und multinationalen Unternehmen. Deswegen fordern wir den sofortigen Stopp dieser Verhandlungen.
Ich möchte allerdings noch sagen, dass es nicht das erste Abkommen ist. Es gibt bereits ein Abkommen, das weitestgehend verhandelt ist und in die gleiche Richtung geht. Das ist das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA, das mit ähnlichen In
halten praktisch ausverhandelt ist. Auch hier muss die Politik eingreifen, dieses Abkommen muss verhindert werden!
Die Sache wird nicht dadurch besser, dass es schon eine Reihe von Investorschutzabkommen in anderen Ländern gibt. Es ist nicht so, dass wir das zum ersten Mal hätten. Aber TTIP ist eben doch inzwischen zu einem Signal geworden, dass wir das nicht wollen, dass wir keine Absenkung unserer Standards wollen und dass wir deutlich machen wollen, dass die Politik immer noch die Regeln bestimmen muss. Wir wollen eine wirtschaftliche Entwicklung haben, die die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zum Ziel hat, die dem gesellschaftlichen Fortschritt dient, und wo umgekehrt hohe soziale und ökologische Standards kein Hindernis in der wirtschaftlichen Entwicklung sind, sondern deren Bedingungen. Das heißt, wir müssen Wirtschaft so gestalten, dass genau dies ermöglicht wird, wir dürfen soziale und ökologische Standards nicht als Hindernis für wirtschaftliche Entwicklung sehen. Das halten wir für die völlig falsche Herangehensweise.
Ich glaube, dass wir in dieser Frage eine ganz ähnliche Position haben wie die GRÜNEN; da gibt es nicht so große Unterschiede. Der Unterschied fängt aber bei der SPD schon dadurch an, dass sie im Gegensatz zu anderen Delegationen im Europäischen Parlament ein Verhandlungsmandat erteilt hat. Das ist schon ein erheblicher Unterschied. Ich glaube nicht, dass man es so machen kann, dass man sagt, wir verhandeln jetzt einmal ein bisschen weiter und dann sehen wir, was herauskommt, dann muss ja das Europäische Parlament zustimmen. Was wir wollen, ist ein ganz breiter Beteiligungsprozess. Wir sehen auf der bisherigen Grundlage aber keine Möglichkeit, in dieser Richtung zu verhandeln. Natürlich spricht nichts gegen das Verhandeln von Handelsabkommen. Aber die müssen ganz andere Standards vorsehen. Die müssen fair ausgestaltet sein.
Einen letzten Punkt will ich noch hinzufügen, etwas, was in der öffentlichen Diskussion auch unterbelichtet ist: Es handelt sich hier nämlich um ein transatlantisches Freihandelsabkommen zwischen den USA auf den einen Seite und dem EU-Raum auf der anderen Seite. Unklar ist, welche Auswirkungen davon auf andere Länder in der Welt ausgehen, etwa auf die BRICS-Staaten oder auf die wenig entwickelten Länder. Was das für deren wirtschaftliche Entwicklung bedeutet, das wird viel zu wenig beachtet. Es gibt eine Reihe von Studien, die sehr deutlich machen, dass das negative Auswirkungen haben wird.
Ein allerletzter Punkt. Es wird ja immer legitimiert, dass dieses Handelsabkommen dem wirtschaftlichen Wachstum diene und Arbeitsplätze schaffen könne. Nun ist das mehrfach untersucht worden. Die
Einzigen, die das so sehen, sind im Wesentlichen die Bertelsmann Stiftung und Professor Sinn. Unsere Delegation im Europäischen Parlament hat eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben, aus der sehr deutlich wird, dass die Wirkungen marginal sind und, gerade was die Arbeitsplätze angeht, auch sehr fraglich sind, insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die man mit einem anderen Freihandelsabkommen, nämlich mit NAFTA gemacht hat. Dort haben Studien gezeigt, dass eine Million Arbeitsplätze verloren gingen und nicht neu geschaffen wurden.
Vor diesem Hintergrund wundert mich allerdings, was ich als Antwort der Landesregierung zu TTIP bekommen habe, nämlich dass die Landesregierung dieses Abkommen begrüßt, dass sie darin große Chancen für qualitativ hochwertige Arbeitsplätze sieht, dass man dieses Handelsabkommen begrüßt und wenig Risiken im Hinblick auf die wechselseitige Absenkung von Standards sieht. Das ist alles in der Antwort nachlesbar. Die Landesregierung wird bekanntlich nicht nur von der CDU getragen, sondern auch von der SPD.
Deswegen bin ich auch gespannt auf den Beitrag der SPD-Fraktion im Hinblick auf dieses Abkommen. Für uns ist klar: Angesichts dessen, was damit an Risiken verbunden ist, angesichts der Tatsache, dass die Geheimverhandlungen hinter verschlossenen Türen laufen, angesichts des Umstandes, dass das insbesondere eine klare Priorität für multinationale Unternehmen im Hinblick auf Investitionen enthält, stellt dies für uns keine Grundlage dar. Deswegen sagen wir: CETA, also das kanadisch-europäische Handelsabkommen, verhindern und die Verhandlungen zu TTIP stoppen! - Vielen Dank.
Danke schön, Herr Professor Bierbaum. Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Kollegin Isolde Ries von der SPD-Fraktion.
Das mache ich immer. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Richtig ist, seit einem Jahr verhandeln die EU und die USA über ein transatlantisches Handelsabkommen. Anfangs, da hatten Sie recht, Herr Prof. Dr. Bierbaum, war es in der Tat eine Geheimverhandlung - eigentlich unvorstellbar, dass es so etwas gibt -, es wurde unter strengster Geheimhaltung mit 600 Firmen verhandelt, unter Ausschluss der Parlamente. Aber vor vier Monaten - da sind Sie
also nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand - wurde ein Beirat bei der EU-Kommission eingerichtet, in dem alle gesellschaftlich relevanten Kräfte Mitglied sind, nämlich Verbraucherverbände, Umweltverbände, Industrieverbände, Gewerkschaften, insgesamt zwölf gesellschaftlich relevante Organisationen. Das heißt, es hat sich etwas entwickelt. Das reicht lange nicht aus, ganz klar, das muss noch besser werden -
Natürlich, aber der öffentliche Druck hat gewirkt und der öffentliche Druck darf auch nicht nachlassen. Da ist die SPD der gleichen Meinung wie Sie. - Ebenso erhalten seit dieser Zeit die zuständigen Ausschüsse in den Parlamenten die Dokumente. Das ist Fakt. Das war vorher nicht der Fall.
Sie werfen uns vor, dass wir überhaupt erst Verhandlungen aufgenommen hatten. Sie sind ja auch gewerkschaftlich aktiv. Als Gewerkschafterin verhandele ich doch die Tarife mit den Arbeitgebern aus, auch wenn die mir manchmal nicht schmecken. Ich kann nicht sagen, ich bleibe vom Tisch weg, die Löhne werden sich schon irgendwie weiterbewegen. Nein, ich muss verhandeln, um zu einem Ergebnis zu kommen!
Dann muss ich fragen, was das Ziel dieses Abkommens ist. Da haben die GRÜNEN zugegeben - ich habe es mitgeschrieben -, dass das Ziel des Abkommens von ihnen sogar begrüßt wird.