Protocol of the Session on May 14, 2014

Dann muss ich fragen, was das Ziel dieses Abkommens ist. Da haben die GRÜNEN zugegeben - ich habe es mitgeschrieben -, dass das Ziel des Abkommens von ihnen sogar begrüßt wird.

(Zuruf.)

Auch nicht von uns, zu diesen Bedingungen. - Das Ziel ist nur am Rande Freihandel, weil es Freihandel größtenteils ja schon gibt. Es gibt Zölle - das haben Sie alle gesagt - gerade noch für 5 Prozent des gesamten Handelsvolumens. Täglich werden über den Atlantik und die EU 1,8 Milliarden Euro gehandelt. Es geht also nicht in erster Linie um Zölle, sondern es geht um den Abbau von nichttarifären Handelshemmnissen; da dürfen unsere Schutzvorschriften nicht dazugehören. Ganz klar, dafür werden wir kämpfen. Die wirtschaftlichen Chancen des TTIP bestehen vor allen Dingen für den Mittelstand. Zum Beispiel wagen kleine Unternehmen wegen doppelter Tests und unterschiedlicher technischer Standards derzeit den Schritt über den Atlantik nicht.

Solche Handelshemmnisse können und sollten wohl beseitigt werden. Nach einer Studie des Centre for Economic Policy Research, London, aus 2013 resultiert der wirtschaftliche Nutzen des TTIP zu 80 Prozent aus dem Abbau der Regulierung, aus der Liberalisierung des Dienstleistungssektors und des öffentlichen Ausschreibungswesens. Deswegen muss ganz klar sein, es geht hier nicht um die Anpassung

von Steckern oder von Autositzen. Es geht um viel mehr. Hier ist Vorsicht sehr wohl angebracht. Da sind wir voll auf Ihrer Seite. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir ausländische Investoren durch Senkung unserer gesetzlichen Schutzstandards anlocken. Das wird die SPD nicht mitmachen. Hier sind individuelle Arbeitnehmerschutzrechte, kollektive Arbeitsrechte, Mitbestimmung bis zum Streikrecht mit uns überhaupt nicht verhandelbar.

(Beifall von der SPD. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜ- NE) : Das werden wir sehen!)

Es geht auch um Verbraucherschutz. Dazu werde ich gleich etwas sagen, um Ihre Märchen da etwas aufzulösen. Verbraucherschutz, Umweltstandards, Gesundheitsstandards, Sicherheit am Arbeitsplatz und die Rechtsvorschriften zum Schutze und zur Förderung der kulturellen Vielfalt sind für uns nicht verhandelbar. Das sind alles Ziele, die nicht einem Streben nach zusätzlichen Investitionen auf beiden Seiten des Atlantiks geopfert werden dürfen.

(Beifall von der SPD.)

Wir wollen die Daseinsvorsorge und die Möglichkeit der Kommunen, hierüber weiterhin entscheiden zu können, erhalten. Wir haben für die Daseinsvorsorge für Wasser gekämpft. Das werden wir doch nicht mehr aufgeben! Da waren die SPD und die sozialdemokratisch geführten Regierungen auch an vorderster Front dabei, um das mit umzusetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Kessler (B 90/GRÜ- NE).)

Übrigens, der viel zitierte Sigmar Gabriel sieht das genauso. Es wird immer nur veröffentlicht, dass Gabriel für ein Handelsabkommen sei, weil er sagt, wir hätten Chancen dabei. Er sagt auch: Natürlich haben wir Chancen, wenn wir zu einer vernünftigen Regelung kommen. Er sagt aber gleichzeitig, unter welchen Bedingungen er ein solches Abkommen akzeptiert. Ich kann Ihnen gerne das Papier von Gabriel zur Verfügung stellen, das überschrieben ist „Ziele und Bedingungen an das TTIP“. Es macht deutlich, dass er für freien Handel ist, aber nur unter ganz engen Bedingungen.

Ebenso die kritische Haltung der SPD-Europaabgeordneten zum sogenannten Investor-Staat-Schiedsverfahren. Das war vielleicht notwendig, als es noch die totalitären Regime gab. Heute ist das überhaupt nicht mehr angesagt. Das würde bedeuten, dass Großkonzerne ihre Interessen gegen die Gesetzgeber der EU-Mitgliedsländer durchsetzen könnten, und zwar ohne demokratische Kontrolle. Das kann ja gar nicht gewollt sein. Ich zitiere hier Bernd Lange, den handelspolitischen Sprecher der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament: „Die SPDEuropaabgeordneten bleiben unverändert bei ihrer

(Abg. Ries (SPD) )

Position, TTIP abzulehnen, wenn das InvestorStaat-Schiedsverfahren enthalten sein sollte.“

(Beifall bei der SPD.)

Und ich zitiere die SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: „Wenn dieses Schiedsverfahren käme, hätte das eine historische Dimension. Sollten solche Schiedsverfahren zulässig werden, wären Standards im Umweltschutz oder zum Beispiel bei der Kennzeichnungspflicht unter dem Deckmantel des Investitionsschutzes plötzlich anfechtbar. Ein solches Schlupfloch würde die Errungenschaften von 150 Jahren Arbeiterbewegung, 100 Jahren Frauenbewegung und 50 Jahren Umweltbewegung mit einem Federstrich zerstören“, so Barbara Hendricks, SPD-Bundesumweltministerin.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, das Problem bei dem Freihandelsabkommen hat einen Namen, der lautet Karel De Gucht, seines Zeichens EU-Handelskommissar. Seit den Verhandlungen über ACTA ist er für seinen selbstherrlichen, antiparlamentarischen und lobbyorientierten Verhandlungsstil bekannt. Viele der Vorbehalte und Proteste gegen das TTIP sind eine direkte Folge des intransparenten Verhandlungsstils dieses Kommissars Karel De Gucht. Seine offensichtlichen Bemühungen gehen dahin, es vor allen Dingen den Lobbyisten der Wirtschaft recht zu machen. Meiner Meinung nach ist das eines demokratischen Politikers unwürdig.

Unvergessen ist zum Beispiel der Besuch eines Fernsehteams von „Monitor“ bei De Gucht. „Monitor“ hat ihn mit Zahlen aus der vom ihm selbst in Auftrag gegebenen Studie des ifo-Instituts konfrontiert, Professor Bierbaum hat das eben angesprochen. Sie widersprechen dem Märchen von dem riesigen Wirtschaftswachstum und den neuen Arbeitsplätzen ganz klar. Diese Studie geht von einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum von nur 0,05 Prozent jährlich aus, unterscheidet sich also ganz extrem von den Studien des „Herrn Unsinn“. Dazu kann man nur sagen: Erst intransparent verhandeln und dann auch noch die Öffentlichkeit mit geschönten Zahlen belügen schafft eben kein Vertrauen. Deshalb haben wir aktuell diese vertrackte Situation. Dabei sind Vertrauen, unbedingte Transparenz, Bürgerorientierung und verbindliche Durchsetzung von sozialen und ökonomischen Standards gerade jetzt in der Vertrauenskrise gegenüber der Europäischen Union eine absolute Notwendigkeit.

(Beifall bei der SPD.)

Der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz, sagt dazu: „Das Ziel dieses Freihandelsabkommens darf nicht sein, dass eine Seite die Regeln der anderen Seite übernimmt. Es darf auch keinen Wettbewerb nach unten geben. Wir wollen und wir

werden am Ende keine niedrigeren Standards bei Sozialem, Gesundheits- und Umweltschutz zulassen.“ Er hat hinzugefügt, dass, wenn er die Wahl gewinnt, dies nach der Wahl zu seinem Thema, zur Chefsache macht. Auch das ist ein Grund, Martin Schulz zu wählen.

(Beifall bei der SPD. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Steht das im Koalitionsvertrag? - Heiterkeit.)

Heute Morgen wurde auch Reklame gemacht, das war die Retourkutsche. - Die Amtszeit des Handelskommissars De Gucht endet Gott sei Dank sehr bald. Deshalb ist auch der Weg für mehr Transparenz frei. Richtig ist, was auch meine Vorredner gesagt haben: Wir brauchen Regeln. Ohne Regeln funktioniert alles nicht, sonst führt der Freihandel zu menschenund umweltfeindlicher Deregulierung. Wir wollen kein Genfood, kein Hormonfleisch, kein Sozialdumping. Den mühsam erkämpften ökologischen Fortschritt der letzten Jahrzehnte lassen wir uns nicht im Handstreich durch profitorientierte Großkonzerne wegnehmen. Unser Anspruch, der Anspruch der Sozialdemokraten ist, ein demokratisches Verfahren, die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Parlamente sowie ein hohes Maß an Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen. Ich glaube, da sind wir uns auch überwiegend einig, meine Herren von der LINKEN und den GRÜNEN.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Theoretisch ja!)

Uneinig sind wir lediglich über den Weg, wie wir dieses Ziel erreichen können. Ich halte Ihre Diskussion, ehrlich gesagt, für scheinheilig, weil Sie die Fakten ganz bewusst verzerren und hier wider besseres Wissen pures Wahlkampfgetöse veranstalten.

(Beifall bei der SPD. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Die Worte hören wir wohl!)

Uneinig sind wir uns lediglich über den Weg. Die GRÜNEN wollen die Verhandlungen aussetzen. Die LINKE will immer noch eins draufsetzen. Sie wollten schon gar nicht anfangen, aber sie wollen sie jetzt auch stoppen. Wir sind der Meinung, wir sollten versuchen, die Verhandlungen stark und im Sinne von Verbraucherschutz, Demokratie und Partizipation nach vorne zu bringen. Es hat sich schon etwas bewegt, und es wird sich noch mehr bewegen.

Wir wollen den Tisch nicht verlassen, sondern im Verhandlungswege mit öffentlicher Beteiligung und öffentlichem Druck Politik verändern. Das ist unser Anspruch an Politik. Deshalb wollen wir auch im Landtag die Diskussion über die Verhandlungen des TTIP auf der Basis einer möglichst breiten Information und Beteiligung führen. Wir schlagen Ihnen deshalb eine gemeinsame öffentliche Anhörung des Wirtschaftsausschusses und des Europaausschus

(Abg. Ries (SPD) )

ses vor. Die Anträge der LINKEN und der GRÜNEN lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD.)

Das Wort hat Herr Fraktionsvorsitzender Michael Hilberer von der Fraktion der PIRATEN.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Ries, Ihre Argumentation hat mich jetzt ein bisschen gewundert. Ich konnte Ihnen in den meisten Punkten durchaus folgen. Auch wir sind nicht dafür, kein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika abzuschließen. Wir sind nur dafür, dass wir auch ein Handelsabkommen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der USA und der Europäischen Union abschließen und eben nicht im Interesse weniger.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Dieser ganze Prozess zum Verhandeln von TTIP muss wieder vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es kann nicht sein, dass man sagt, es läuft alles schief, und man lässt es jetzt mal weiterlaufen in der Hoffnung, dass es besser wird. Ich finde es auch ein bisschen verwegen, es an der Person eines einzigen EU-Kommissars festzumachen, dass die ganzen Verhandlungen schief laufen.

Ich möchte zwei Jahre zurückblicken. Vor zwei Jahren wurde ein anderes Handelsabkommen, nämlich ACTA, aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit gestoppt. Das Handelsabkommen ACTA hatte einige Punkte, die mir heute bekannt vorkommen. Das wurde völlig intransparent in Hinterzimmern verhandelt. Es wurde unter dem Druck einiger einflussreicher Lobbyvertreter gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger Europas geschrieben. Und es hätte in der dann bekannt gewordenen Form unabsehbare Folgen für die Unionsbürger gehabt. Alles, was die politisch Handelnden damals beim ACTA-Prozess falsch gemacht haben, haben sie bei TTIP noch mal genauso gemacht.

(Beifall von den PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Das hat Folgen. Nach dem, was bisher bekannt ist das Verfahren ist immer noch nicht transparent -, nutzt das, was dort vereinbart wird, nicht der Allgemeinheit. Im Gegenteil stehen europäische Verbraucherschutz-, Arbeitsschutz- und Datenschutzstandards zur Disposition. Dabei geht es nicht darum, ob die Amerikaner in Zukunft ihre Chlorhühnchen mit Camembert überbacken müssen oder ob wir die Chicken Nuggets in Europa in Zukunft durchs Chlorwasser ziehen, bevor sie gebraten werden. Das ist alles Quatsch.

Sehr wohl problematisch ist aber, dass die Industrie mit Zähnen dagegen kämpft, dass Kennzeichnungspflichten bestehen oder gar ausgeweitet werden. Ich habe es in diesem Hause schon einmal erwähnt: Es ist heute technisch absolut kein Problem, die komplette Lieferkette für industrielle Nahrung transparent verfügbar zu machen. Die Daten liegen von der Aussaat bis zur verpackten Ware im Geschäft vor. Man müsste sie nur verfügbar machen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wer sich aber gegen Kennzeichnungspflichten ausspricht und so dagegen verhandelt, der kann dies nur im Interesse der industriellen Nahrungskonzerne tun. Das ist nicht im Interesse des saarländischen Bauern. Das ist nicht im Interesse saarländischer Firmen, wie etwa der Firma Wagner Pizza - um ein Beispiel zu nennen für einen Nahrungsmittelkonzern aus dem Saarland.

(Sprechen. - Abg. Theis (CDU) : Die gehört zu Nestlé.)

Stimmt. Das ist ja inzwischen Nestlé. Dann ist es vielleicht im Interesse der Konzernmutter.

(Abg. Theis (CDU) : Es sind doch saarländische Arbeitsplätze.)

Vor allem ist es nicht im Interesse der Verbraucher in der Europäischen Union und in den USA. Noch weitreichender sind die Folgen des sogenannten Investitionsschutzes. Worum geht es dabei? Firmen erhalten das Recht zu klagen, wenn sie ihre Investitionen durch nationale Gesetzgebung bedroht sehen. Zur Erinnerung: Nationale Gesetzgebung ist das, was wir hier tun. Gewählte Vertreter des Volkes erlassen Gesetze, um das Zusammenleben in einem Staat zu regeln. Jetzt kann man natürlich auch heute schon gegen Gesetze klagen. Beispielsweise könnte man gegen das Polizeigesetz klagen, wenn das hier mit diesem verfassungswidrigen Teil so durchgeht. Aber man muss es vor ordentlichen Gerichten tun. Das ist der Knackpunkt. TTIP möchte stattdessen Schiedsgerichte einführen, die von Firmen und Staaten gleich besetzt werden. Das heißt, wir setzen hier Firmen auf Augenhöhe mit den Staaten. Das ist Irrsinn.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich gebe ein konkretes Beispiel für das Problem. Es gibt bereits heute zahlreiche Handelsabkommen europäischer Staaten, die Investitionsschutzklauseln mit Schiedsgerichten vorsehen. Ich möchte auf einen Bericht der Brüsseler Nicht-Regierungsorganisation Corporate Europe Observatory verweisen, die sich angeschaut hat, welche bekannten Fälle es momentan gibt, dass Finanzinvestoren gegen europäische Staaten klagen.

(Abg. Ries (SPD) )

Nehmen wir das Beispiel Zypern. Momentan haben Klagen vor Schiedsgerichten ein Volumen von 1 Milliarde Euro. Weshalb? Die Marfin Investment Group aus Griechenland verlangt 823 Millionen Euro Schadenersatz, weil Zypern die Pleitebank Laiki verstaatlichte, was eine Auflage des EU-Rettungsprogramms war. 22 griechische Investoren haben sich an das Schiedsverfahren angehängt und verlangen zusätzlich rund 229 Millionen Euro.

(Sprechen.)