Protocol of the Session on November 20, 2013

Professor Bierbaum, an der Stelle sind wir vielleicht unterschiedlicher Meinung. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in Deutschland und im Saarland haben sich die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt sehr gut entwickelt. Deshalb sollte tunlichst vermieden werden, etwa durch das Drehen an der Steuerschraube, an diesen Rahmenbedingungen etwas zu verändern. Das gilt ganz besonders für die mittelständischen Unternehmen, die nach wie vor für 70 Prozent der Beschäftigung und 80 Prozent der Ausbildung in unserem Land sorgen. Das sind langfristige Arbeitsverhältnisse, keine prekären Arbeitsverhältnisse. Das sind die Arbeitsverhältnisse, die wir brauchen!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Dass wir da auf einem guten Weg sind, belegt im Grunde der Protest der EU mit Blick auf den deutschen Exportüberschuss. Das betrifft auch und gerade das Saarland mit seiner überdurchschnittlichen Exportorientierung. Man kann es nur als grotesk bezeichnen, einer Volkswirtschaft und damit insbesondere und in erster Linie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre erfolgreiche Arbeit vorzuwerfen. Ungeachtet dieses Vorwurfs müssen wir dafür sorgen, dass diese Leistungsfähigkeit in unseren Unternehmen auch in Zukunft Fortbestand haben wird.

Genauso haben wir aber auch die Verpflichtung, nicht diejenigen auf der Strecke zu lassen, die besondere Vermittlungshemmnisse am ersten Arbeitsmarkt haben. Auch hier stellt sich dieses Land seiner Verantwortung, zum Beispiel mit zwei Programmen. Eugen Roth hat eben schon mehrere angeführt. Ich will nur zwei nennen. Das ASaar-Landesprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit ist eine Maßnahme der öffentlich geförderten Beschäftigung, die seit Januar dieses Jahres sehr erfolgversprechend angelaufen ist. „Perspektiven in Betrieben“ ist ein Programm für Tätigkeiten, die nicht originär am ersten Arbeitsmarkt nachgefragt werden. Projektträger ist die Bundesagentur für Arbeit und das Land; die Zusammenarbeit mit den Betrieben ist auch in dieser Sache gefragt.

„Perspektiven in Betrieben“ und ASaar sind Maßnahmen am zweiten und dritten Arbeitsmarkt, die beide darauf abzielen, Beschäftigungslose - insbesondere Langzeitarbeitslose - nicht in abstrakten Maßnahmen zu parken, um damit, wie es eben von Professor Bierbaum erwähnt wurde, irgendwelche Statistiken zu schönen. Nein, das Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Menschen in die Betriebe zu bringen, nahe an den ersten Arbeitsmarkt. Diese Form von Beschäftigung bringt soziale und gesellschaftliche Teilhabe für die Betroffenen und vermindert reine Passivzahlungen. Ein mögliches Plus von 2.000 zusätzlichen Beschäftigten dieser Art sollte uns Ansporn genug sein. Eben wurde schon von Eugen

Roth darauf eingegangen; das ist der sogenannte Aktiv-Passiv-Tausch.

Es ist doch für die weit überwiegende Anzahl der Betroffenen befriedigender, einer Beschäftigung nachzugehen und dafür einen geförderten Lohn zu erhalten, als auf reine Transferzahlungen angewiesen zu sein, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu können. Der Mensch definiert sich nicht nur durch seine Arbeit, sie verleiht ihm aber die Gewissheit, gebraucht zu werden, und steigert dadurch sein Selbstwertgefühl. Gerade für Langzeitarbeitslose ist das eine sehr wichtige und befriedigende Erfahrung.

Als Fazit ist zu sagen, dass Deutschland und das Saarland nicht schlecht aufgestellt sind. Allerdings müssen wir uns um einen in Veränderung befindlichen Arbeitsmarkt kümmern. Dazu tragen Maßnahmen im Bereich der öffentlich geförderten Beschäftigung genauso bei wie gute und verlässliche Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen und deren Beschäftigte. Lassen Sie uns an einem Strang ziehen! Ich bitte um Zustimmung für unseren Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE PIRATEN - - Nein, der Abgeordnete Michael Neyses. Ich wollte Sie schon zum Fraktionsvorsitzenden machen.

(Heiterkeit.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag Drucksache 15/675 der Koalition geht in die richtige Richtung. Die meisten Punkte darin halten wir für richtig und unterstützenswert. Der Antrag ist in vielen Punkten gelungen, beispielsweise beim PassivAktiv-Transfer. Wir brauchen auch mehr Geld vom Bund. Wir werden uns aber dennoch enthalten, und zwar aus zwei Gründen, auf die ich im Folgenden eingehen werde.

(Zuruf.)

Der erste Punkt. Die Koalition sagt in ihrem Antrag, dass Arbeit Grundlage eines selbstbestimmten und menschenwürdigen Lebens ist und dass Arbeit ein zentraler Schlüssel für gesellschaftliche und soziale Teilhabe sei. Nun ist es leider so, dass wir nicht für alle genug Arbeit haben. Tatsächlich geht der Anteil derer, die arbeiten, ständig zurück. Immer weniger Menschen arbeiten für alle. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf steigt seit Jahrzehnten. Seit 1970 hat sich das Bruttoinlandsprodukt sogar verfünffacht.

(Abg. Strobel (CDU) )

Trotzdem arbeiten wir nicht ein Fünftel von 1970, aber der Anteil der Arbeitsstunden pro Jahr und Erwerbstätigen hat sich stark verringert. 1970 lag der Wert noch bei fast 2.000 Stunden. 2012 lag der Wert leider unter 1.400 Stunden.

Die Arbeit, die es in Deutschland und im Saarland zu verteilen gibt, wird von Jahr zu Jahr weniger. Wir müssen bereits heute darüber nachdenken, wie der Arbeitsmarkt der Zukunft aussehen muss - mit weniger Arbeit für alle. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir mit den Menschen umgehen, die keine Arbeit finden können. Das werden langfristig mehr werden. Was machen wir mit denen, die keine Arbeit bekommen? Eine Lösungsmöglichkeit für die Zukunft: Arbeit schaffen. Wir können uns immer neue Möglichkeiten ausdenken, wie möglichst viele in Arbeit bleiben. Dazu gehören auch die Programme, die derzeit vom saarländischen Wirtschaftsministerium mit Nachdruck und Engagement verfolgt werden.

Eine andere Lösungsmöglichkeit: Arbeitszeitverkürzung für alle. Vorschläge dazu gab es in den letzten Jahrzehnten genug; das will ich nicht weiter ausführen. Es gibt aber viele Menschen, die nicht weniger arbeiten wollen. Eine andere Lösung - das ist die von uns PIRATEN bevorzugte - ist die Schaffung eines Grundeinkommens, einer finanziellen Basissicherung für alle. Dabei muss der Anreiz zur Arbeit bleiben. Wer arbeitet, muss mehr zum Leben haben als derjenige, der nicht arbeitet. Das ist auch beim Grundeinkommen der Fall.

Natürlich ist ein Grundeinkommen nicht kurzfristig möglich; langfristig sollte unser Blick aber in diese Richtung gehen. Langfristiges Ziel darf es nicht lediglich sein, Beschäftigung zu schaffen und zu sichern, langfristiges Ziel muss es sein, das individuelle Grundrecht auf Teilhabe zu verwirklichen. Ziel muss es auch sein, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und Teilhabe für alle zu ermöglichen.

Der zweite Punkt, warum wir nicht zustimmen können ich sage das jetzt bewusst -, ist die d e r z e i t i g e Ausgestaltung der Bürgerarbeit. Für die Betroffenen selbst ist die Arbeit wichtig, aber oft handelt es sich nur um ein Trostpflaster; denn die nach § 16e SGB II geförderten Arbeitsverhältnisse sind zwar sozialversicherungspflichtig, aber ohne Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Oft droht nach der Maßnahme erneut Arbeitslosengeld II. Bürgerarbeit muss aber aus dem Teufelskreis des ALG II hinausführen und konkret Perspektiven bieten. Daher lehnen wir PIRATEN diese Maßnahmen in der derzeitigen Form ab. Wir möchten aber, dass diese weiterentwickelt werden. Dazu gehört: Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung, damit die Betroffenen nach der Maßnahme nicht unmittelbar in ALG II zurückfallen und Freiwilligkeit für

die Betroffenen. Eine Zuweisung an Personen, die das nicht möchten, sollte nicht möglich sein. Wesentlich ist, dass es sich dabei um eine freiwillige Tätigkeit handeln soll, „jenseits der Erwerbsarbeit und jenseits der Arbeitspflicht für Sozialhilfeempfänger“, wie es der Soziologe Ulrich Beck zusammen mit der Kommission ursprünglich definiert hatte. Wichtig ist auch unbefristete Beschäftigung. Die gesellschaftlich Benachteiligten dürfen nicht durchs Netz fallen. Denn nur, wer weiß, dass er nach der Maßnahme auch aufgefangen wird, ist Bürger und nicht Bittsteller.

Uns ist jedoch klar, dass es sich beim SGB II um Bundesgesetze handelt. Die können wir hier im Saarland nicht ändern, jedenfalls nicht direkt. Nun fordert die Koalition in diesem Antrag mehr Geld vom Bund für die Maßnahmen. Das ist unter den gegebenen Voraussetzungen grundsätzlich richtig. Daher werden wir den Antrag auch nicht ablehnen. Da wir die Voraussetzungen selbst, die Ausgestaltung des § 16e SGB II in der derzeitigen Form aber ablehnen, können wir hier auch nicht zustimmen.

Ich komme zum Schluss und fasse noch einmal zusammen. Grundsätzlich können wir uns mit vielem in dem Antrag anfreunden. Wir halten allerdings § 16 SGB II für kritisch, denn es werden keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt, es handelt sich um Zuweisung, wir möchten aber Freiwilligkeit für die Betroffenen, und nach der Maßnahme droht oft erneut Arbeitslosengeld II. Das Ziel sollte auch nicht nur sein, Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, sondern Ausgrenzungen zu überwinden und Teilhabe für alle zu ermöglichen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hubert Ulrich.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Plenum heute ist wirklich weitgehend ein Konsensplenum, weil auch hier ein Antrag vorliegt, dem wir als GRÜNE grundsätzlich zustimmen können.

(Beifall des Abgeordneten Scharf (CDU).)

Was hier formuliert ist, ist in seinen einzelnen Teilen für uns auch nachvollziehbar und unterstützenswert. Ich möchte einzelne Punkte herausgreifen, zum Beispiel die Absicht, Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu schaffen. Wir wissen alle, dass das dringend notwendig ist; ob es die bessere Qualifikation ist, ob es individuelle Integrationsstrategien sind, ob es das Projekt Passiv-Aktiv-Tausch ist - ich habe mir

(Abg. Neyses (PIRATEN) )

vor ein paar Wochen einen Vortrag darüber angehört, das ist ein sehr interessanter Vorschlag. Ich hoffe nur, dass er auch in die Realität umgesetzt wird.

Natürlich ist es so, dass sich der saarländische Landtag - darüber sind wir uns auch alle im Klaren zu diesem Thema deutlich stärker positionieren muss und dass wir insgesamt hier deutlich mehr nach vorne bringen müssen. Wir haben nun mal das Kernproblem des demografischen Wandels, das wird so langsam spürbar, auch und gerade im Saarland. Die Demografie wird unsere Sozialsysteme, unsere Arbeitssysteme, unser gesamtes demokratisches System viel stärker treffen, als das heute vielen Menschen klar ist, obwohl seit Jahren sehr deutlich darüber gesprochen wird. Ich will eine Zahl hier zum Saarland nennen: Im Jahr 2025 werden wir bereits 100.000 Menschen weniger sein, das heißt auch, wir werden rund 75.000 Arbeitskräfte weniger haben. Das wird Spuren hinterlassen.

Auch wenn wir diesem Antrag zustimmen werden, fehlt ihm eine Forderung für die Bundesebene nach einem klaren Zuwanderungsgesetz für Deutschland! Wir wissen alle, dieses Thema ist spätestens seit den Neunzigerjahren in Deutschland sträflichst vernachlässigt worden. Wir GRÜNE fordern bereits seit 1991 ein quotiertes Einwanderungsgesetz. Oft wird ja immer noch unterstellt, wir wollten einfach offene Grenzen. Ich will das noch einmal klar formulieren: Die Forderung nach einem quotierten Zuwanderungsgesetz bedeutet, wir wollen, dass qualifizierte Menschen in unser Arbeitssystem einwandern, um unser Gesamtsystem zu stützen und es mit uns oder unseren Kindern gemeinsam in Zukunft am Leben zu erhalten. Da haben wir in Deutschland schon enorm viel Zeit verloren! Andere Staaten - die USA, Kanada, Australien - leben uns das seit Jahrzehnten vor. Die haben nämlich solche quotierten Zuwanderungsbeziehungsweise Einwanderungsgesetze. Die Menschen, die in diese Länder in den Arbeitsmarkt qualifiziert einwandern, haben dort eine stabile Rechtsgrundlage. Bei uns ist das nicht so! Ich glaube, auch viele hier in diesem Raum haben schon versucht, in einzelnen Fällen zu helfen, wenn Menschen aus dem Ausland hier eine Jobzusage hatten und es ihnen trotzdem nur ganz schwer gelang, nach Deutschland hineinzukommen. Das ist ein Problem! Das können wir uns heute eigentlich gar nicht mehr leisten.

In den letzten ein oder zwei Jahrzehnten wurde in allen Diskussionen die Ansicht verbreitet, dass die ganze Welt nur darauf wartet, nach Deutschland zu kommen. Ich glaube, wer sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt, weiß: Genau das ist nicht der Fall! Viele Gut- und Höchstqualifizierte gehen in die USA, nach Kanada oder Australien. Die kommen nur im Ausnahmefall nach Deutschland - nicht, weil ihnen

Deutschland nicht gefällt oder weil bei uns zu wenig bezahlt würde, nein, weil der politische Rahmen überhaupt nicht stimmt! Weil diese Menschen nicht wissen, ob sie ihre Familie nachziehen können oder wie lange sie im Land bleiben können. Bei uns werden immer noch Mindestgehälter verlangt. Wenn jemand, der hier einen guten Job hat, da drunter rutscht, muss er wieder auswandern. So kriegt man keine Fachkräfte, so kriegt man nicht qualifizierte Menschen in ausreichender Zahl in dieses Land. Das fehlt diesem Antrag, das sollte man noch ergänzen.

Ein zweites Problem ist natürlich hausgemacht, das liegt im Bereich der Bildung. Die Bildungsdebatte führen wir hier ja andauernd und Sie wissen, welche Schwerpunkte wir als GRÜNE in unserer Regierungszeit hier im Saarland gesetzt haben. Wir haben ganz gezielt darauf abgehoben insbesondere Klaus Kessler, der seit heute dem Parlament angehört -, gerade die Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Schichten, von denen in diesem Antrag ja auch indirekt die Rede ist, an eine bessere Schulbildung heranzuführen. Das ist doch ganz wichtig! Das sind große Potenziale, die wir heben müssen, sei es im Bereich der Migrantenkinder oder im Bereich der deutschen Bevölkerung. Das bedeutet aber Investition in diesen Bereich. Das bedeutet zum Beispiel, dass man einen Schulversuch wie das Kooperationsjahr weiter ausbauen muss. Sie fahren es leider zurück, indem Sie von 4 Stunden auf 2 Stunden heruntergehen! Dort muss investiert werden. Auch diese Dinge muss man im Zusammenhang mit einem solchen Antrag hier diskutieren. Wenn es uns nicht gelingt, an diesen Stellen ins Bildungssystem mehr Geld hineinzustecken, werden wir dort keinen Erfolg haben, mit großen negativen Folgen für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Saarland. - Vielen Dank.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Minister für Arbeit, Energie und Verkehr, Heiko Maas.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei so viel Einmütigkeit kann ich mich kurz fassen. Die wesentlichen Punkte sind von den Rednern der Fraktionen bereits dargestellt worden. Ich will nur einige wenige Ergänzungen machen.

Zum einen will ich etwas zur Situation des saarländischen Arbeitsmarkts sagen. Wir haben insbesondere in den letzten drei Monaten rückläufige Arbeitslosenzahlen. Die Zahlen sind hier alle genannt worden. Ich will auf eine noch einmal ganz besonders verweisen: Am rückläufigsten im Saarland ist die Jugendarbeitslosigkeit! Wir liegen insgesamt bei der

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Jugendarbeitslosigkeit mittlerweile im Bundesvergleich in der ersten Hälfte der Bundesländer. Mittlerweile haben wir erreicht, was schon lange nicht mehr der Fall gewesen ist, dass wir etwa eine niedrigere Jugendarbeitslosigkeit haben als RheinlandPfalz oder Niedersachsen. Das zeigt, dass wir insbesondere in diesem ja auch für die Fachkräftesicherung ganz wichtigen Bereich auf dem richtigen Weg sind.

Es ist auch der Arbeitsmarkt angesprochen worden. Ich will dazu noch eine Bemerkung machen, weil wir uns, wie ich glaube, in einer Art Zeitenwende befinden. Viele von uns sind groß geworden im Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit, kennen eigentlich nichts anderes als Massenarbeitslosigkeit, zu wenig Arbeitsplätze. Es ist intellektuell und emotional gar nicht so einfach, sich darauf einzustellen, dass in Zukunft die Probleme zumindest verschoben werden. Wir werden im Saarland bis zum Ende dieses Jahrzehnts - das sind nur noch etwas mehr als sechs Jahre - in der Gruppe der 15- bis 65-Jährigen, der sogenannten arbeitsfähigen Bevölkerungsgruppe, 16 Prozent Einwohnerinnen und Einwohner weniger haben. Das wirkt sich natürlich auch auf die Nachfrageund Angebotssituation bei den Arbeitsplätzen aus. Das wird den Wirtschaftsstandort Saarland vor ganz erhebliche Herausforderungen stellen. Deshalb bin ich froh, dass auch das Thema Fachkräftesicherung angesprochen worden ist, sowohl von Eugen Roth, dem Kollegen Heinz Bierbaum wie auch dem Kollegen Strobel, der die Maßnahmen von der Schule bis zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt hat. Es wurde ebenfalls das Thema Zuwanderung, um das es in dieser Frage keinen Streit gibt, erwähnt.

Wie ich den Antrag verstanden habe, müssen wir uns mit den Langzeitarbeitslosen intensiv auseinandersetzen, weil sie von den rückläufigen Arbeitslosenzahlen nicht profitieren. Ihr Anteil an der sinkenden Arbeitslosigkeit wird relativ betrachtet größer. Deshalb müssen wir uns für diese Menschen Lösungen überlegen. Der Antrag, den die CDU- und die SPD-Fraktion eingebracht haben, spricht viele Punkte an, die in die richtige Richtung gehen. Ich will einige kurz betonen. Es geht um die Einrichtung und den Aufbau eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes. Das halten wir innerhalb der Landesregierung für sinnvoll und notwendig. Allerdings: Trotz der umfassenden Unterstützung durch die im Koalitionsvertrag verankerten Landesmittel sind Einrichtung und Aufbau mit den derzeitig verfügbaren Eingliederungsmitteln des Bundes für die Jobcenter in keiner Weise finanzierbar. Deshalb müssen wir uns darüber Gedanken machen. Nun ist es relativ einfach zu sagen, wir brauchen mehr Geld im Eingliederungsbudget. Ein Teil der hier Anwesenden kennt das von den Verhandlungen, die derzeit in Berlin stattfinden. Das ist mittlerweile ein breites Wunsch

konzert. Auch das Thema Arbeitsmarktpolitik gehört dazu. Wir wissen alle nicht, was bei begrenzten Mitteln am Schluss davon übrig bleibt.

Das Thema, das hier ebenfalls angesprochen worden ist, nämlich der Passiv-Aktiv-Transfer, ist eine so lukrative Angelegenheit, weil er für die Aufgabenträger im Bund und auf der kommunalen Ebene weitgehend kostenneutral ist. Denn die Beschäftigung wird durch eingesparte Passivleistungen finanziert. Deshalb haben wir uns bei der Veranstaltung der Arbeitskammer - es gibt auch eine kirchliche Initiative, die die Ministerpräsidentin in dieser Frage angeschrieben hat - auf breiter Ebene schon einmal grundsätzlich dazu bereit erklärt, solange die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen vom Bundesgesetzgeber nicht geschaffen sind, das Saarland als eine Modellregion anzubieten, in der ein solcher Passiv-Aktiv-Transfer praktiziert werden kann. Anschließend kann man es evaluieren und überlegen, ob man es auf der breiten Ebene des Bundes komplett realisiert. Wir würden uns dafür anbieten. Aufgrund der Struktur unseres Arbeitsmarktes, aber auch aufgrund der Struktur der Jobcenter wären wir ein durchaus geeignetes Versuchsobjekt.

Meine Damen und Herren, ein zweiter Punkt, den ich ansprechen will, auf den Herr Strobel hingewiesen hat und der mir ebenfalls wichtig ist, ist folgender: Auch bei einer dauerhaft geförderten Beschäftigung muss immer überprüft werden, ob es Integrationsfortschritte gibt. Wenn möglich, muss eine Integration am ersten Arbeitsmarkt stattfinden. Es gibt Menschen, bei denen wir im Moment davon ausgehen müssen, dass sie auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht so schnell Fuß fassen werden. Wenn es über einen dauerhaft geförderten öffentlichen Arbeitsmarkt möglich ist, Menschen wieder in die Lage zu versetzen - auch wenn es einige Zeit dauert -, am ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, dann muss dies das Ziel eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes und der öffentlich geförderten Beschäftigung bleiben. Auch das halten wir für ganz wichtig. Das ist in dem Antrag ebenfalls angesprochen worden.

Meine Damen und Herren, die auskömmliche Ausstattung der Verwaltungsbudgets der Jobcenter ist ebenso ein Thema, mit dem sich der Antrag beschäftigt. Es ist richtig, dass die Jobcenter derzeit zur Deckung ihrer Personal- und Sachkosten erhebliche Teile des schon erwähnten Eingliederungsbudgets in das Verwaltungsbudget umschichten müssen. Das gilt insbesondere für Jobcenter, die nur knapp die vom Bund und von der Bundesagentur für Arbeit geforderte Betreuungsrelation erreichen. Das schafft schwierige Situationen vor Ort, auch in der Betreuung gegenüber Arbeitslosen. Das ist ein Punkt, bei dem man sicherlich auch nach der Instrumentenreform noch einmal genau schauen muss, ob man sich dem Ziel, nämlich der Vermittlung derer,

(Minister Maas)

die in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können, aber auch dem Abarbeiten von Programmen für dauerhaft Arbeitslose, weiter nähern kann oder ob nicht durch die vielen befristeten Beschäftigungsverhältnisse in den Jobcentern das eine oder andere in der Struktur überarbeitungsbedürftig ist.

Wir wollen eine angemessene Verzahnung und Weiterentwicklung von ASaar, unserem eigenen Landesarbeitsmarktprogramm, mit „Perspektiven in Betrieben“, dem Programm der Bundesagentur. Ich möchte kurz darauf hinweisen, dass wir mit dem Verlauf unseres eigenen Landesarbeitsprogrammes mit den unterschiedlichen Fördermöglichkeiten, die wir anbieten, sehr zufrieden sind. Wir haben die in Beschäftigungsmaßnahmen befindlichen Langzeitarbeitslosen von 1.200 auf mittlerweile 2.300 erhöhen können. Das ist schon eine außerordentlich erkleckliche Zahl. Wir sind guten Mutes, dass es uns insbesondere über die Beschäftigungsmöglichkeiten, die wir in den Betrieben geschaffen haben, gelingen kann, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Menschen über die Betriebe, in die sie jetzt gegangen sind, in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren kann - zumindest bei denjenigen, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigungswege wahrgenommen haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, „Perspektiven in Betrieben“ kann ein erfolgreiches Projekt werden. Das ist sicherlich davon abhängig, wie es auf Bundesebene weiter begleitet und gefördert wird. Ich denke, das ist klar. Wir weisen auf Folgendes hin: Im Rahmen unseres Landesarbeitsmarktprogrammes verstehen wir alle Arbeitgeber als Zielgruppe, egal ob es Wirtschaftsbetriebe, gemeinnützige oder kommunale Träger sind. Es geht um Perspektiven durch die Übernahme von Beschäftigten, am besten unbefristet, anschließend auch zu auskömmlichen Löhnen. Das unterscheidet die Programme etwas. Möglicherweise besteht an der einen oder anderen Stelle Nachsteuerungsbedarf oder es gibt Möglichkeiten bei der Bundesagentur.