Protocol of the Session on March 16, 2010

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Unser Anliegen, wofür es auch fraktionsübergreifende Tendenzen gibt, ist seit einiger Zeit die Frage eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Sie wissen, dass ich in der Regel sehr aufmerksam zuhöre. Frau Kollegin Willger-Lambert, ich möchte darauf hinweisen, dass es zwischen Ihrem Beitrag und der Rede des Kollegen Kühn einen diametralen Unterschied gab. Der Kollege Kühn hat nämlich

(Ministerin Kramp-Karrenbauer)

einen öffentlichen Beschäftigungssektor kategorisch abgelehnt. Er hat gesagt, das sei ein paralleler Arbeitsmarkt, ein Rückfall in die Geschichte, den man nicht haben wolle. Ich weiß, dass es in der CDU Personen gibt, wie die Ministerin es gerade belegt hat, die über einen solchen öffentlichen Beschäftigungssektor nachdenken. Sie sagen, es sei ein Antrag des Aufbruchs. Es ist aber ein Antrag der Uneinigkeit. Erklären Sie doch zunächst einmal, wohin die Reise mit diesem Antrag überhaupt gehen soll.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung. Ich habe durchaus Verständnis. Ich bin jemand, der versucht, Realpolitik zu machen. Dass es in einer Koalition, zumal in einer Dreierkonstellation, Unterschiede gibt, ist klar.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Das kann aber doch nicht Entscheidungsgrundlage für das Parlament sein, wenn es um Sachfragen geht. Es kann nicht sein, dass man sagt: Wir haben irgendwann einen Vertrag geschlossen, wir sind uns untereinander nicht einig, deswegen machen wir das so allgemein, eure konkreten Dinge können wir aber nicht mitmachen, weil wir uns nicht einigen können. So hört sich das für mich an.

(Abg. Commerçon (SPD) : So ist es doch auch!)

Es stimmt, dass wir genug runde Tische haben, aber dann käme es auf den einen mehr oder weniger ehrlich gesagt auch nicht mehr an.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

In diesem Fall würde ich gerne einmal sehen, dass wir mit allen gesellschaftlichen Kräften bis hin zu den kirchlichen Trägern - der Aktion Arbeit, der Diakonie und wie sie alle heißen - mit ihrer großen Kompetenz endlich einmal ein Konzept vorlegen, das den Langzeitarbeitslosen im Saarland hier und jetzt hilft. Dann können wir parallel dazu Anträge an die Bundesregierung schicken, in denen inhaltlich nicht sehr viel steht, damit die Bundesregierung das machen soll, was sie ohnehin schon tut. Wir müssen unsere Hausaufgaben hier und jetzt machen und dürfen nicht die Ebenen verlagern und Appelle irgendwohin schicken.

Letzte Bemerkung. Kollege Christoph Kühn, was der damalige SPD-Funktionär und ehemalige Parteivorsitzende hier gemacht hatte, hat auch damals schon meine Kritik gefunden. Insofern habe ich eine Linie. Ich bin in dieser Frage übrigens immer von der SPD Saar gut unterstützt worden. Deswegen fühle ich mich dort auch so wohl.

So, jetzt lassen Sie uns endlich „Geschick machen“ und nicht die Bundesregierung auffordern, etwas zu tun, was sie längst tut. - Danke.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat die Abgeordnete Dagmar Heib von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Herr Roth, auch wenn die Bundesregierung ihre Arbeit macht und wir froh sind, dass sie das macht, sind wir dennoch nicht daran gehindert, uns weiterhin in die Diskussion einzubringen. Von daher ist es auch richtig, dass wir an diesem Ort, dieser Stelle den Antrag, der von den Koalitionsfraktionen vorgelegt wurde, diskutieren und genau zu diesem Thema noch einmal Stellung nehmen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie haben Ihren Antrag mit dem Titel „Arbeitsmarktpolitik absichern - Mittelsperren rückgängig machen“ überschrieben. Von daher ist es schon so, dass er nicht zwangsläufig mit unserem Antrag korrespondiert. Wenn Sie eben zugehört haben, werden Sie festgestellt haben, dass es gerade um die Mittelsperren geht! Selbst die Bundesagentur für Arbeit mit ihrem Vorsitzenden Herrn Weise hat den Arbeitsauftrag angenommen, ein Konzept vorzulegen. Also sieht man auch da, dass die Kritik berechtigt ist, dass man entschieden herangehen muss und ein Konzept erarbeiten muss, um diese Arbeitsmarktmaßnahmen zu ändern.

Lassen Sie mich noch einmal zum Bundesverfassungsgericht sprechen, auch wenn Sie sagen, wir haben das oft genug getan, die Diskussion ist bereits geführt worden. Man kann es nicht oft genug sagen, was das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Es hat festgestellt, dass Hartz 4 auf dem Boden der Verfassung steht. Das wird ja von den LINKEN bezweifelt; die schreiben in ihrem Antrag, dass das alles verfassungswidrig sei. Es hat festgestellt, dass die Organisation auf neue Füße gestellt werden muss. Es hat auch festgestellt, dass die Bedarfssätze stringent, transparent und nachvollziehbar gestaltet werden müssen. Darin sind wir, denke ich, einig.

DIE LINKE zieht aber Schlüsse aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, die meines Erachtens so nicht zutreffend sind. Wie gesagt, verfassungswidrig ist das Urteil nicht. Auch die Regelsätze einfach zu erhöhen - deutlich zu erhöhen, wie Sie schreiben, meine Damen und Herren -, geht doch an einer Lösung vorbei; was Sie an Schlüssen aus dem Urteil ziehen, ist schlichtweg falsch. Sie sollten sich gründlich und sachlich mit dem Urteil auseinandersetzen und zu den richtigen Schlüssen kommen.

(Abg. Roth (SPD) )

Die von Ihnen vorgeschlagene Maßnahme, Mindestlohn einzuführen, Niedriglohn als solchen abzuschaffen, verkennt die Tatsache, dass gerade der Niedriglohnsektor ganz vielen Leuten hilft, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dann muss man dieses Instrument doch auch nutzen!

Ich habe regelrecht darauf gewartet, dass Sie die Vermögenssteuer noch einmal ins Gespräch bringen. Alle Maßnahmen, die Sie hier als Änderungsmöglichkeiten anführen, sind - Entschuldigung

(Zuruf von der LINKEN)

olle Kamellen. Es ist nichts Neues, was von Ihrer Seite in die Diskussion eingebracht wurde.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Linsler (DIE LINKE).)

Überlegen Sie noch einmal, was in den Jahren 2004/2005 war, was die Wurzeln von Hartz 4 sind. Es sollte sichergestellt werden, dass kein Mensch in Armut kommt, es sollte eine Grundsicherung für diejenigen geschaffen werden, die langzeitarbeitslos sind, und für diejenigen, die von der Sozialhilfe leben. Dazu wurde beides zusammengeführt - das ist damals richtig und ist heute ebenso richtig.

Aber, meine Damen und Herren, der Sicherheit, die mit diesem Instrument geschaffen wurde, dass niemand durch den Rost fällt, wurde und wird die Verantwortung gegenübergestellt, dass jeder das tut, was er kann, um sich und seine Familie mit selbst erworbenem Geld zu finanzieren. Am besten erfolgt dies auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ein staatlich geförderter Arbeitsmarkt sollte und kann nur eine Brücke sein. Ich denke, da sind die Koalitionsfraktionen - mit Herrn Kühn als Vertreter der FDP genauso wie die Kollegin Abgeordnete Willger-Lambert und wir in der CDU - sich einig. Wir sind nicht, wie Sie es darstellen wollten, eine zerstrittene Koalitionsfraktion.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es ist nun einmal die Verantwortung eines jeden Einzelnen, die hier beschrieben wird. Jeder muss das tun, was er kann und was seinen Fähigkeiten entspricht, um seinen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Die Verantwortung des Staates ist die, allen Menschen ein soziales und soziokulturelles Existenzminimum zu gewährleisten, das heißt, denen zu helfen, die in Not sind. Weiterhin hat der Staat die Verantwortung, die Menschen wieder in die Lage zu versetzen, mit ihrer eigenen Arbeit, sei es durch körperliche oder geistige Arbeit, ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien selbst zu verdienen. Das ist das Prinzip des Förderns und Forderns, das bringt das gerade zum Ausdruck. Der Staat garantiert das Existenzminimum, jeder tut das, was er kann, um weniger von staatlichen Transferleistungen abhängig zu sein. Ihre Ansätze in diesen Fragen, meine

Damen und Herren von der LINKEN, sind geradezu kontraproduktiv.

Es ist ja auch schon angesprochen worden, dass das Bundesverfassungsgericht auf die Notwendigkeit verwiesen hat, sich mit der Situation von Kindern und deren Bildungsbedarf zu beschäftigen. Die Leistungen für Kinder sind im Rechtsstreit um das SGB II zu evaluieren und neu zu bestimmen. Die Leistungen für Kinder und Jugendliche sind realitäts, sach- und bedarfsgerecht zu ermitteln und sorgfältig zu begründen. Gerade in den Familien, die auf die Leistungen des SGB II angewiesen sind, muss der Gesetzgeber dafür Sorge tragen, dass die Kinder und Jugendlichen die Chance auf soziale Teilhabe und Vorankommen haben. Dieses gehört zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums.

Dazu, meine Damen und Herren, sind wir verpflichtet. Die saarländische Landesregierung stellt sich fortwährend dieser Aufgabe. So wurde nicht erst gestern eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die sich damit beschäftigt, dass für das Essen in der Schule oder in den Kinderbetreuungseinrichtungen ein ausreichender Betrag in den Transferleistungen sichergestellt werden muss.

An dieser Stelle hat der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, hier muss gehandelt werden. Die spezifischen Kinderbedarfe, insbesondere auch für die Bildung, müssen in dem erforderlichen Maß vor allem im Einzelfall miteinbezogen werden. Das ist eine große Chance, denn es gibt viele Kinder, deren Familien bereits in der zweiten und dritten Generation von Sozialhilfe leben. Das heißt, nicht nur die Eltern, sondern auch die Großeltern und sogar Urgroßeltern sind davon betroffen.

Wenn wir diesen Kindern nicht konsequent helfen, werden auch sie diesen Weg gehen. Wir haben im Saarland bereits vieles initiiert, um diesen Kindern zu helfen. Ich weiß, dass sich weder die Landesregierung noch die sie tragenden Fraktionen zurücklehnen werden und denken, es sei bereits genug gemacht worden. Es ist eben angesprochen worden: Wir haben die Sozialstudie auf den Weg gebracht und es geht auch weiter in den Fragen der Kinderarmut.

Es geht aber nicht nur um Geldleistungen, meine Damen und Herren, sondern insbesondere auch um Dienst- und Sachleistungen. So kann es durchaus denkbar sein, dass ein Kind mit gezieltem Nachhilfeunterricht gefördert wird, dass ihm, wenn der Knoten einfach nicht platzen will, geholfen wird, das Klassenziel doch noch zu erreichen.

Es ist bereits gesagt worden und ich sage es noch einmal - es kann auch nicht oft genug gesagt werden -: Wir dürfen kein Kind verloren gehen lassen. Es ist unsere Verantwortung, den Kindern Perspekti

(Abg. Heib (CDU) )

ven zu schaffen, weil in jedem Kind Hoffnung, Begabung und Fähigkeiten stecken. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat die Abgeordnete Barbara Spaniol von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben eine Restredezeit von 3 Minuten 41 Sekunden, die wiederum von der SPD übertragen wurde.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Heib, Sie können doch jetzt nicht -

(Abgeordneter Ulrich (B 90/GRÜNE) verlässt den Sitzungssaal.)

Herr Ulrich, sollen wir warten, bis Sie draußen sind? - Gut! Frau Heib, Sie können sich doch jetzt nicht hierhin stellen und die jahrelange Diskussion um die Auswüchse der Hartz-Gesetze infrage stellen. Es ist doch Tatsache, dass die Hartz-Gesetze zu einer deutlichen Verschlechterung der sozialen Lage von Erwerbslosen geführt haben. Das ist doch unbestritten. Sonst hätten wir doch nicht seit Jahren diese Debatte und sonst hätten wir auch nicht diese teilweise extrem diffamierende, dumme und scheinheilige Debatte in den letzten Wochen mit Ihren Protagonisten auf Bundesebene gehabt. Das ist doch der zentrale Punkt.

(Beifall bei der LINKEN.)

Sie können sich auch nicht hierhin stellen und sagen, die LINKE will erst die Regelsätze erhöhen und dann Hartz 4 überwinden.

(Zuruf.)

Nicht Sie, Herr Scharf. Ihnen muss ich noch ein Kompliment machen für Ihre Rede. Die hat mir sehr gut gefallen. Da konnten wir an vielen Stellen mitgehen. Das muss man auch einmal sagen. Diese Rede hat sicherlich positiv zur Kultur hier im Parlament beigetragen. - Aber das Problem ist doch längst erkannt. Sie wissen, dass die Politik, die Sie mit auf den Weg gebracht haben, gescheitert ist, und nun schauen Sie sich an, was Sie daraus machen können.

Schauen Sie sich Ihren Antrag einmal genau an, den Sie schon wieder in unsäglicher Weise Fördern und Fordern genannt haben. Ich frage Sie: Wo sind denn da die Förderinstrumente? Sie versuchen in Ihrem Antrag auf eineinhalb Seiten, das Bundesverfassungsgericht zu analysieren, aber Sie machen keine konkreten Vorschläge. Sie fordern dazu auf, auf Bundesebene tätig zu werden. Sie bringen jetzt Arbeitsgruppen ins Spiel. Dabei ist das Kind schon lange in den Brunnen gefallen. Schon lange hätte man es anders machen können. Und - da gebe ich

dem Kollegen Scharf wieder recht - hier ist versucht worden, auf dem Rücken der Erwerbslosen zu spalten. Damit sind wir wieder beim Punkt: Wenn Sie sich in dieser Diskussion nur fokussieren auf eine wie auch immer geartete - Erhöhung der Regelsätze, dann geht das komplett am Problem vorbei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Problem ist, dass wir insgesamt Rahmenbedingungen schaffen müssen, um die soziale Lage der Erwerbslosen insofern zu verbessern, dass sie wenigstens eine Aussicht haben, irgendwann wieder in Arbeit zu kommen. Dazu empfehle ich Ihnen die letzten Artikel im Spiegel, aus denen hervorgeht, wie bedrückend das für viele Betroffene ist, wenn sie niemals mehr eine Chance haben, in Arbeit zu gelangen. Das ist auch ein Faktor, der ein Leben in Würde ausmacht. Es gibt eben nicht nur monetäre Gesichtspunkte.