Weiterhin gilt es ebenso zu berücksichtigen, dass selbstverständlich im gesamten Strafrecht die Möglichkeit der tätigen Reue und des Rücktritts vom Versuch besteht, was oft strafbefreiend wirkt. Es ist also dem Strafrecht nicht völlig wesensfremd, solche Aspekte zu berücksichtigen. Oftmals werden sie aber in das Ermessen des Gerichtes gestellt. Die Frage lautet also: Wie können wir hier zum Ziel kommen? - Wir brauchen weiterhin eine Bagatellgrenze, bei der Selbstanzeige absolut strafbefreiend wirkt.
Wir müssen zweitens darüber reden, ab welchem Zeitpunkt man davon sprechen kann, dass weder eine Verfolgung noch ein Ermittlungsverfahren konkret gedroht haben und ab wann es wie bei dieser Steuer-CD die Angst vor Entdeckung war. Hierüber muss erneut diskutiert werden. Den Wegfall jeglicher Strafmilderung lehnen wir als Fraktion allerdings ab. Wir wissen uns in Einigkeit mit dem Finanzminister und dem Ministerpräsidenten. Wir würden nämlich die fiskalischen Interessen völlig außer Acht lassen. Wir halten allerdings eine Strafmilderung ab einem gewissen Betrag für angebracht. Dies halten wir für notwendig, damit es überhaupt noch einen Anreiz gibt, sich im Falle eines Falles selbst anzuzeigen. Letztendlich führt das ja zu mehr Steuergerechtigkeit; denn dann werden diese Einnahmen dem Staat gemeldet, wenn auch nachträglich.
In dieser Gemengelage bewegen wir uns. Deshalb können wir Ihrem Antrag in dieser Form nicht zustimmen. Er sieht ab einer Summe von 1 Million Euro in jedem Falle eine Gefängnisstrafe vor.
Wir wollen auch bei größeren Beträgen zumindest die Möglichkeit einer Strafmilderung. Dies sollte allerdings stärker ins Ermessen des Gerichtes gestellt werden, auch vor dem Hintergrund der Frage, inwiefern nur die Angst vor Bestrafung vorhanden war oder nicht.
Wenn ich meinen Gedanken noch zu Ende führen darf: Das Gericht soll entscheiden können, ob nur Angst vor Bestrafung der Hintergrund oder wirkliche Reue das Motiv war. Bitte schön, Herr Commerçon.
Vielen Dank, Herr Kollege Schmitt. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass im Antrag der SPD-Fraktion nicht eine Bagatellgrenze von 1 Million steht? Ich glaube, auch Sie wollten nicht unbedingt von einer Bagatelle sprechen, wenn es um 1 Million Euro geht. Darf ich Sie weiterhin darauf aufmerksam machen, dass nach unserem Antrag ab einer Summe von 1 Million mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden kann und nicht muss, wie Sie eben behauptet haben?
Wenn ich eben von einer Bagatellgrenze gesprochen habe, dann bin ich der Meinung, dass es eine solche geben muss. Ich habe mir Ihre Million nicht zu eigen gemacht. Ihr Antrag liest sich für mich so, dass Sie ab 1 Million eine Gefängnisstrafe wollen. Ihr Antrag ist zudem sehr ungenau formuliert. Es steht dort, es gelte, „sich dafür stark zu machen, dass Steuerhinterziehung ab einer Summe von 1 Million Euro mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden kann.“ - Das ist auch jetzt schon so. Sie wollen im Prinzip etwas ganz anderes. Sie wollen nicht, dass Steuerhinterziehung mit Gefängnis bestraft werden kann, sondern Sie wollen, dass eine Selbstanzeige nicht mehr strafbefreiend wirken kann. Genau das steht aber nicht in Ihrem Antrag. Von daher ist er sehr nachlässig formuliert, wenn ich das an dieser Stelle so bemerken darf.
(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Commerçon (SPD) : Werden Sie dem Antrag jetzt zustimmen oder nicht?)
Ich habe unsere Position dargestellt. Diese ist auch die Position des Finanzministers und des Ministerpräsidenten. Wir werden in den Gremien, in denen die Willensbildung geschieht, insbesondere auch in der Finanzministerkonferenz, darauf hinwirken. Im Bundesrat gibt es zum jetzigen Zeitpunkt dafür keine Mehrheit. Eine Initiative würde im Moment scheitern. Das gilt für A- wie für B-Länder, also für CDU- wie SPD-regierte Länder. Wir stoßen mit unserer Position im Moment noch auf einige Skepsis, werden aber weiterhin in den entsprechenden Gremien für die abgewogene Position, wie ich sie eben dargestellt habe, werben. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen haben wir es mit einer etwas eigentümlichen, fast schon grotesken Situation zu tun, wenn man sich überlegt, wodurch die ganze Debatte ausgelöst worden ist: durch das Angebot und den Ankauf von CDs mit einer Liste von Steuersündern. Wir haben die Situation, dass der Staat oder öffentliche Stellen sich sozusagen als Hehler betätigen müssen, um überhaupt zu Steuermehreinnahmen zu kommen. Das ist keine haltbare Situation. Es kann nicht sein, dass die Frage der Steuereinnahmen zum Teil daran gebunden wird, dass sich die Öffentlichkeit, die öffentlichen Stellen, der Staat in eine Art Halbweltmilieu, ins kriminelle Milieu begeben müssen, um an Daten zu kommen, und nachher zu entsprechenden fiskalischen Einnahmen zu gelangen. Das können wir nicht hinnehmen.
Ich denke auch nicht, dass der Zweck in jedem Fall die Mittel heiligt. Herr Schmitt, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu: Wir haben ein riesengroßes Gerechtigkeitsproblem. Wir haben allerdings auch ein erhebliches wirtschaftliches Problem, ein Problem, was die Einnahmeseite angeht. Ich betrachte Steuerhinterziehung, den Steuerbetrug als einen Teil der Wirtschaftskriminalität. Wir wissen alle, dass uns durch Wirtschaftskriminalität Milliarden verloren gehen. Sie stellt einen riesigen Schaden für die Volkswirtschaft dar.
Ich bin deswegen der Auffassung, dass die Mittel, an Steuern zu kommen, verstärkt werden müssen. Dies bedeutet, dass Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aktiv verfolgt werden müssen. Dies bedeutet auch, dass die Zahl der Steuerfahnder erhöht werden muss, dass wir mehr tun müssen im Hinblick auf Betriebsprüfer und dergleichen und dass dafür auch der politische Wille vorhanden sein muss.
Ich möchte nicht, dass wir zu Zuständen kommen, wie wir sie gegenwärtig im Bundesland Hessen beobachten können, wo sehr erfolgreiche Steuerfahnder dann, wenn sie offensichtlich die politisch Falschen verfolgt haben, mit merkwürdigen Gutachten zu Pathologen erklärt und aus dem Staatsdienst entfernt werden. Diese Situation ist völlig unhaltbar. So weit darf es bei uns nicht kommen. Ich möchte, dass es ein klares öffentliches Interesse an der Steuerverfolgung gibt, dass wir die Steuerfahnder in ihrer Tätigkeit unterstützen und sie nicht wie in Hessen kriminalisieren, wenn es politisch ins Bild passt.
der europäischen Ebene bekommen, nicht nur auf der Ebene der EU. Die Schweiz gehört bekanntlich nicht zur EU und dort haben wir ein großes Problem. Ich hoffe, dass wir da weiterkommen. Das betrifft im Übrigen nicht nur die Schweiz, die gegenwärtig in aller Munde ist, es betrifft auch Länder, die uns als Nachbarländer noch etwas näher sind. In diesem Zusammenhang sind Differenzierungen angebracht, das will ich gar nicht verhehlen. Aber hier müssen wir etwas tun, und ich denke, das ist eine ganz wesentliche Aufgabe, der wir uns gemeinsam widmen müssen.
Vor allem ist mir eines wichtig: Wir müssen raus aus der Situation, dass die Steuerhinterziehung als eine Art Kavaliersdelikt gehandelt wird. Das kann nicht sein. Wenn jemand in der Lage ist, Steuern zu hinterziehen, bekommt er zum Teil noch gesellschaftliche Anerkennung anstatt gesellschaftlicher Ächtung. Wir müssen das politische Klima verändern dahingehend, dass Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, das Nichtzahlen von Steuern als Delikt betrachtet wird. Andernfalls haben wir die Situation, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Das zeigt sich gerade bei der Lohnsteuer. Inzwischen wissen wir, dass ein Großteil des Steueraufkommens immer stärker von der Lohnsteuer bestimmt wird, immer weniger von Gewinn- und Vermögenssteuern. Das muss sich ändern. Deswegen bin ich der Auffassung: Steuerbetrug ist ein Delikt und muss als solches verfolgt werden. Wir stimmen deshalb dem Antrag der SPD zu. - Vielen Dank.
Da kommen schon Zwischenrufe, bevor man überhaupt angefangen hat. - Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Commerçon, ich muss Ihnen gleich etwas sagen. Ihre Begeisterung für den Ministerpräsidenten kommt fünf Monate zu spät. Wir haben sie schon etwas früher gehabt. Es tut mir jetzt furchtbar leid. Im Übrigen ist unsere Begeisterung für den Ministerpräsidenten trotz der Auffassung zum Steuerrecht und zur Steuerpolitik zustande gekommen, Ihre aber nur in einem einzigen Punkt.
(Abg. Commerçon (SPD) : Bei uns kommt es auf die Inhalte an. Ihnen geht es offenkundig um etwas anderes!)
Ich glaube nicht, dass es Ihnen auf Inhalte ankommt, sonst hätten wir heute von Ihnen einen anderen Vortrag gehört.
Wir befassen uns mit einem Antrag der SPD-Landtagsfraktion, der lautet: Straffreiheit für Steuerbetrüger abschaffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt keine Straffreiheit für Steuerbetrüger! Steuerhinterziehung ist nach § 370 der Abgabenordnung ein strafwürdiges Delikt und mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren belegt. Aber vermutlich meinen Sie das gar nicht. Es geht bei Ihnen um die übliche Vermischung von Dichtung und Wahrheit. Sie meinen die durch eine Selbstanzeige gemäß § 370 AO mögliche Strafbefreiung unter Auflagen für reuige Steuersünder. Derjenige, der durch Selbstanzeige seine Steuererklärung berichtigt, wird durch die berichtigte Festsetzung der Steuer und ihrer nachträglichen Entrichtung zuzüglich einer Zinsfestsetzung, die er zu leisten hat, straffrei. Es handelt sich um ein bewährtes Instrument unseres Steuerrechts, das die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit belohnt und ähnlich wie das Prinzip der Schadenswiedergutmachung den Strafanspruch des Staates reduziert beziehungsweise aufhebt.
Dieses Instrument der Finanzverwaltung - Sie haben es bereits gesagt, Herr Commerçon - reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Es war damals zunächst in einzelnen Ländergesetzen vorgesehen und wurde dann in der Reichsabgabenordnung und später in die heutige Abgabenordnung übernommen. Es ist ein wirksames Instrument, das die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ebnet und in einem Umfeld, in dem es für die Finanzbehörden häufig schwierig ist zu ermitteln, erheblichen Ermittlungsaufwand reduziert. Es führt mitunter auch zur Ermittlung von Mittätern des Selbstanzeigers, die dann nicht straffrei ausgehen. Auch dieser positive Nebeneffekt ginge mit der Abschaffung der Norm verloren.
Die SPD selbst war von der Wirksamkeit dieses Instrumentes derart überzeugt, dass sie mit der Einführung des Amnestiegesetzes im Jahre 2003 sogar unter Verzicht auf volle Steuernachforderungen die Steuerflüchtigen zur Rückkehr in die Legalität aufgefordert hat. Bewusst hat man in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit, die strafbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen, verzichtet.
Ich gebe zu - und dazu gibt es auch in der FDP Meinungen -, dass es legitim ist, über die grundsätzliche Bestrafung von Steuerhinterziehung auch dann nachzudenken, wenn der Straftatbestand vom Täter durch Selbstanzeige und Zahlung aus der Welt geschafft wird. Aber dieser an altbiblischen Rachegedanken orientierten Wertung
„Auge um Auge, Zahn um Zahn“ muss im Rahmen einer modernen Zweckmäßigkeitsprüfung eine Absage erteilt werden.
(Zuruf: Das ist aber starker Tobak. - Abg. Commerçon (SPD) : „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ war ein Prohibitivgebot. Passen Sie auf, wenn Sie hier die Theologie bemühen! - Weitere Zurufe.)
Herr Commerçon, ich werde Ihnen eine Bibel aushändigen, dann können Sie das in den richtigen Kontext stellen und dann reden wir noch mal drüber.
Im Saarland gibt es bereits 89 Selbstanzeigen von Bürgern, die im Rahmen der Diskussion um erweiterte Steuerfahndungsmöglichkeiten Selbstanzeige erstattet haben.