Protocol of the Session on February 10, 2010

Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Ulrich Commerçon.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Willger-Lambert, wie wichtig das Thema ist, sieht man daran, dass der zuständige Minister Signale gibt, dass er eigentlich gar nicht mehr in die Debatte eingreifen will. Das interessiert ihn gar nicht mehr. Er meldet sich hier nicht mehr zu Wort.

(Zurufe von den Regierungsparteien.)

So wichtig kann Ihnen das Thema Bildung ja nicht sein. - Das zum Ersten. Zum Zweiten, liebe Kollegin Willger-Lambert. Ich habe von Ihnen in Ihrem Redebeitrag kein einziges Wort dazu gehört, was in dem Antrag der SPD-Fraktion Ihren Ansprüchen plötzlich nicht mehr genügt, was Sie also dazu bringt, dass Sie einem Antrag, dem Sie noch in der letzten Legislaturperiode wortgleich zugestimmt haben, plötzlich heute nicht mehr zustimmen können. Das ist schon eine Frage, die nicht nur ich mir stelle, sondern die sich draußen im Lande viele Menschen stellen. Und deshalb muss ich mich an dieser Stelle einfach noch einmal zu Wort melden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herr Abgeordneter Commerçon, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmitt?

Aber selbstverständlich, gerne.

Abg. Schmitt (B 90/GRÜNE) mit einer Zwischenfrage:

Ich wollte nur nachfragen, ob Sie sehen, dass der Bildungsminister des Saarlandes hier auf der Regierungsbank sitzt und zu einer Antwort bereit ist?

Ich begrüße das sehr und bin natürlich bereit, das zur Kenntnis zu nehmen. Da ich noch Redezeit habe, werde ich jetzt das Rednerpult verlassen. Ich habe ihn damit herausgefordert zu reden und ich habe noch genügend Redezeit, um im Zweifelsfall noch einmal antworten zu können. - Vielen Dank.

(Zurufe und Unruhe.)

Das Wort hat Herr Minister Kessler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu vorgerückter Stunde nicht allzu lange reden, weil wir inhaltlich gar nicht so weit auseinander liegen. Kollege Commerçon bezieht sich in seinem Redebeitrag auf Parteiäußerungen beziehungsweise auch auf Äußerungen von mir als Gewerkschaftsvorsitzender aus der Zeit vor der Regierungsbildung. Ich bitte Sie zur Kenntnis zu nehmen, dass wir eine Regierungsbildung als Koalition vorgenommen haben, die an den Leitlinien jeder Partei entlang hangelt, die sich in dieser Koalition befindet. Wir haben einen Kompromiss und einen Koalitionsvertrag geschlossen, der trägt und bei dem sich jede an der Koalition beteiligte Partei auch wiederfindet.

(Beifall bei den Koalitionsfraktionen.)

Das ist das Prinzip eines Koalitionsvertrages. Und insofern setze ich als zuständiger Minister nicht das um, was einzelne Parteien vor der Regierungsbildung gesagt haben, sondern das, was wir in einem Vertrag vereinbart haben. Und das sind, bezogen auf das Thema Ganztagsschulen, im Wesentlichen drei Dinge. Erstens haben wir gesagt, dass sich die Koalitionspartner darauf verständigen, das Ganztagsschulsystem im Saarland grundsätzlich weiter auszubauen. Und dagegen hat wohl auch die Opposition nichts. Zweitens haben wir gesagt, dass wir uns bei den verschiedenen Modellen der Ganztagsschulen weiterentwickeln wollen und darüber hinaus den Eltern eine Wahlfreiheit gewähren wollen, weil es nach wie vor auch noch zahlreiche Eltern in diesem Land gibt, denen wir diese Wahlfreiheit zubilligen wollen. Wir wollen nämlich keine Zwangsganztagsschule, sondern wir wollen dem Prinzip der Wahlfreiheit verpflichtet bleiben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen drittens, das haben wir so als Koalition vereinbart und das verstehe ich als einen großen Schritt in die richtige Richtung, in den Verhandlungen zum Haushalt, dass wir alle Ganztagsangebote ab dem Schuljahr 2010/2011 durch das Land - um gleich die Frage des Kollegen Schnitzler zu beantworten, wer soll das sonst machen - mit Ausnahme der Ferienbetreuung beitragsfrei stellen. Diese drei Punkte haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart und diese drei Punkte werden wir auch vertragsgetreu so umsetzen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Im Einzelnen möchte ich das noch ein wenig ausführen. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass wir

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

bereits Ganztagsangebote in diesem Land haben. Das ist einerseits die Freiwillige Ganztagsschule plus. Zurzeit haben wir die Ganztagsklasse und das Modell Kooperation Schule und Jugendhilfe. Hier hat die Vorgängerregierung - und deshalb ist die Formulierung im Antrag auch berechtigt - bereits Schritte in die richtige Richtung eingeleitet, die wir weiter ausbauen und verfolgen wollen. Wir haben darüber hinaus im Koalitionsvertrag gesagt, neben den bestehenden Angeboten wollen wir zusätzlich gebundene Ganztagsschulen in diesem Land einrichten. Wir haben aber auch gesagt, wenn wir eine Situation haben, in der die Eltern für die freiwilligen Ganztagsschulen Beiträge im Umfang von 40 Euro für die Ganztagsklassen zu zahlen haben - - Das war übrigens falsch zitiert von Herrn Strube, denn die Ganztagsklassen müssen auch bezahlt werden

(Abg. Commerçon (SPD) : Das war richtig zitiert von mir, aber er hat es falsch - -)

Dann hat er es falsch aufgeschrieben, okay. Wir haben darüber hinaus das Modell Schule und Jugendhilfe und dort müssen 60 Euro gezahlt werden. Und wenn wir dann weitere gebundene neue Ganztagsschulen einrichten, dann wollen wir alle gleich behandeln. Das heißt, wir werden an dieser Stelle keinen Wettbewerb um die Kosten aufkommen lassen, sondern wir werden alle von den Gebühren freistellen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das ist ein großer Schritt und dies wird sich das Land auch etwas kosten lassen. Wir hatten schon bei den bisherigen Betreuungskosten einen Umfang von 9,5 Millionen Euro. Dazu hatten wir noch Kosten im Umfang von 5 Millionen Euro für Lehrerstunden. Wenn wir dieses Angebot jetzt ausweiten - Sie werden das in den Haushaltsberatungen noch konkret sehen -, wird summa summarum dieses Land für die Betreuung am Nachmittag, also für den Ausbau des Ganztagssystems, einen Umfang von 18 bis 20 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Und dies ist eine gewaltige Leistung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Eines muss klar sein: Stellen wir die Betreuungskosten frei, wird dies eine verstärkte Nachfrage nach sich ziehen. Vor diesem Hintergrund habe ich mir einmal die Kapazitäten angeschaut, die im jetzt bestehenden Modell noch zur Verfügung stehen, die noch frei sind. Selbst beim jetzt bestehenden Modell haben wir noch freie Platzkapazitäten im Umfang von 19 bis 22 Prozent. Das heißt, dass wir eine verstärkte Nachfrage zumindest hinsichtlich des Platzangebotes, aber auch hinsichtlich der Kosten noch bewerkstelligen können. Auch dies ist eine planerisch langfristig hervorragende Leistung.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

In der Vergangenheit gab es in der Tat berechtigte Kritik an der Qualität der Betreuung am Nachmittag, an der Qualität des Personaleinsatzes der Freiwilligen Ganztagsschule am Nachmittag. Diesbezüglich ist nachgebessert worden. Es sind entsprechende Kurse und Förderprogramme für die FGTS plus aufgelegt worden. Des Weiteren sind Ansprüche formuliert worden, die bei der Zulassung von Gruppen zu beachten sind. Auch dies ist also verbessert worden. Wir haben Qualifizierungskurse aufgelegt. Zurzeit absolvieren 219 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Personen mit langjähriger Erfahrung in der FGTS, Fortbildungen, um das bewältigen zu können, was erforderlich ist, um Kinder am Nachmittag gut und qualitativ hochwertig zu betreuen. Auch das ist ein Erfolg.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich komme nun zum Antrag der SPD-Fraktion. Von der Tendenz her ist er zu begrüßen und positiv zu bewerten. Allerdings ist er auch ein wenig widersprüchlich. Widersprüche entstehen nach meiner Wahrnehmung bei der ersten an die Landesregierung gerichteten Forderung. Im ersten Satz wird die Landesregierung aufgefordert, ein Programm aufzulegen, damit jede Schule, die dies wünscht, in eine Ganztagsschule umgewandelt werden kann. Dies steht im Widerspruch zum letzten Satz dieses Abschnittes, in dem formuliert wird: „Eltern sollen frei zwischen gebundenen und freiwilligen Ganztagssowie Halbtagsschulen entscheiden können.“ Das ist ein Widerspruch: Entweder erfüllen wir alle Schulwünsche, oder aber wir erfüllen alle Elternwünsche. Beides zusammen geht leider nicht!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zuneh- mend Unruhe und Sprechen.)

Wir werden zudem über eine Verstärkung in meinem Haus im Zusammenhang mit einer Schulentwicklungsplanung - die Ausweitung des Ganztagsschulsystems muss man ja im Zusammenhang auch mit einer Schulentwicklungsplanung sehen - dort Ganztagsschulen einrichten, wo die Eltern alternativ auch noch Halbtagsschulen als Anwahlschulen zur Verfügung haben. Wir werden dies so tun -

(Weiterhin Unruhe und Sprechen.)

Wir werden dies so tun - - Ja, es ist schon spät.

(Die Unruhe vermindert sich ein wenig.)

Wir werden dies tun im Rahmen der Anträge, die wir diesbezüglich bekommen. Die Anträge werden wir nach einer entsprechenden Konzeption prüfen. Es muss auch eine Begutachtung durch den Schulträger erfolgen, der die Räume zur Verfügung zu stellen hat. Und wir werden dann die Anträge so genehmigen, wie wir das im Rahmen einer Schulentwicklungsplanung für notwendig erachten.

(Minister Kessler)

Es hat nämlich keinen Zweck, Schulen zu zwingen, Ganztagsschulen zu werden, indem wir sagen: Wir richten in der Fläche Ganztagsschulen ein, indem wir einfach festlegen, dass dieser und jener Standort dafür geeignet ist. - Wir warten vielmehr auf Anträge, denn gebundene Ganztagsschulen müssen ja auch vom Kollegium getragen werden. Es muss ein klarer Konferenzbeschluss vorliegen, wonach das Kollegium diese Entscheidung mitträgt. Alles andere wäre mit Blick auf die Erfolgsquote beim Aufbau eines solchen Schulmodells zwecklos.

Man muss sich auch bewusst sein, dass dieses Schulmodell sukzessive aufwächst. Richten wir neue gebundene Ganztagsschulen ein, wird das Modell jahrgangsweise aufwachsen. Diese Schulform wird also über das erste, das zweite, das dritte und schließlich das vierte Grundschuljahr einwachsen. Auch dafür haben wir die entsprechenden Spielräume bei der Personalisierung.

In Ihrem Antrag wählen Sie das Modell „SchengenLyzeum“ als Vorbild. Das ist möglicherweise ein Vorbild. Zum Teil springen Sie aber mit der Wahl dieses Vorbildes zu kurz: Wählt man das Schengen-Lyzeum zum Vorbild für gebundene oder auch freiwillige Ganztagsschulen, sollte man nicht übersehen, dass das Schengen-Lyzeum nur an drei Nachmittagen Unterricht vorhält. Ich wäre aber auch offen für Anträge, die an vier Nachmittagen Unterricht anbieten!

(Zuruf von der SPD: Ja. Klar.)

Es muss auch vollkommen klar sein, dass zu einem bei der Antragstellung vorzulegenden Konzept auch die Vorstellung gehört, wie man den Unterricht am Nachmittag mit dem Unterricht am Vormittag verzahnt, wie man das rhythmisiert. Das wünschen auch Sie; an der Stelle liegen unsere Vorstellungen dicht beieinander.

Beim Gymnasium - und das Schengen-Lyzeum soll ja Vorbild für die Umwandlung eines Gymnasiums in eine gebundene Ganztagsschule sein - muss man sehen, dass der Andrang, eine gebundene Ganztagsschule zu werden, nicht allzu groß sein wird. An dieser Stelle müssen wir noch Überzeugungsarbeit leisten. Ich hätte mir daher gewünscht, Sie hätten in Ihrem Antrag auch geschrieben, dass das Gymnasium auch die Möglichkeit haben soll, Ganztagsklassen zu bilden. So haben wir das ja bereits an drei Gymnasien. Das ist ein behutsamer Schritt in die richtige Richtung, und das werde ich auch positiv prüfen. Dieser Gedanke fehlt aber in Ihrem Antrag.

Dass Sie die Ferienangebote erwähnen, das ist okay. Das haben wir bereits, und das werden wir auch weiterhin so im Angebot haben. Die Eltern, die ein Ferienangebot benötigen, werden auch ein solches Angebot bekommen.

Fazit: Wir werden durch Änderung des Schulordnungsgesetzes und durch die Möglichkeit, Ganztagsschulanträge, die in Richtung der gebundenen Ganztagsschule gehen, positiv prüfen. Wir werden Ihnen dazu einen entsprechenden Vorschlag machen. Ihr Antrag aber muss meines Erachtens noch einmal überarbeitet und präzisiert werden. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat der Kollege Commerçon von der SPDFraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident. Lieber Kollege Minister Kessler, Sie müssen sich schon damit anfreunden, dass Sie in dieser Legislaturperiode immer wieder auf das angesprochen werden, was Sie früher als GEW-Vorsitzender oder als GRÜNEN-Politiker gesagt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Theis (CDU).)

Das darf Sie auch nicht wundern, denn die Menschen wollen einfach wissen: Was hat er vor der Wahl gesagt, und was macht er jetzt, da er Minister ist?

(Anhaltend Zurufe und Sprechen.)