Protocol of the Session on February 10, 2010

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Unternehmerische Einflussnahme auf die Regierungsbildung des Saarlandes nach den Landtagswahlen 2009“ (Drucksache 14/85 - neu)

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der DIE LINKE-Landtagsfraktion, der FDPLandtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Bestimmung der Mitglieder des von der DIE LINKE-Landtagsfraktion beantragten Untersuchungsausschusses „Unternehmerische Einflussnahme auf die Regierungsbildung des Saarlandes nach den Landtagswahlen 2009“ und deren Stellvertreter (Drucksache 14/94)

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Erweiterung und Konkretisierung des Untersuchungsgegenstands des Untersuchungsausschusses „Unternehmerische Einflussnahme auf die Regierungsbildung des Saarlandes nach den Landtagswahlen 2009“ (Drucksache 14/85 - neu) (Drucksache 14/102)

Zur Begründung des Einsetzungsantrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Oskar Lafontaine das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuss, den wir heute beantragen, hat zum Gegenstand, den Einfluss eines Unternehmers auf die Regierungsbildung zu untersuchen. Es handelt sich um den Unternehmer Hartmut Ostermann. Wenn vom Einfluss eines Unternehmers auf die Regierungsbildung die Rede ist, dann wird man einwenden können, dass Unternehmer in aller Welt immer wieder versuchen, auf Regierungen Einfluss zu nehmen. Das ist zweifelsohne so und das wird auch in Zukunft so weitergehen. Die Frage ist also nur, in welchem Umfang, mit welchem Ergebnis und in welchem Ausmaß haben Unternehmer Einfluss genommen und was haben sie erreicht. Wer ein Beispiel haben will, erinnere sich an Italien. Dort haben wir die massive Einflussnahme eines Unternehmers auf die Regierung. Niemand wird bestreiten, dass das so ist. Und niemand wird hoffentlich hier in diesem Hause das Wort ergreifen und sagen, dass dieser Einfluss sachgemäß sei oder mit demokratischen Grundsätzen vereinbar sei.

Nun sind wir noch nicht so weit wie in Italien. Wir haben hier eine andere Lage, aber es nun einmal so, dass Einflussnahmen von Unternehmen auf Regierungshandeln und Regierungen in der Bundesrepublik gang und gäbe sind und in der Vergangenheit schon eine Rolle gespielt haben. Und wenn wir den Sachverhalt hier an der Saar bewerten wollen, müssen wir den Sachverhalt an der Saar zu diesen Vorfällen in Bezug setzen. Ich erinnere an die Einflussnahme des Unternehmers Flick auf eine Bundesregierung, ein Fall, der in der Bevölkerung große Resonanz hatte.

(Zuruf: Zwick oder Flick?)

Flick! Zu Zwick kann ich auch noch kommen. - Darüber können wir gerne sprechen. Beim Einfluss des Unternehmers Flick ging es um Steuerfragen, und zwar um Steuerbefreiung. Der Unternehmer Flick hatte in großem Umfang Aktien veräußert. Er wollte den Gewinn aus dem Verkauf dieser Aktien im Nachhinein nicht versteuern. Letztendlich kam es

dann zu steuerbefreienden Entscheidungen der Bundesregierung. In diesem Fall gab es eine massive Untersuchung. Meine Damen und Herren, Sie sehen, dass es hier nicht nur darum geht, ob Einfluss genommen wird, sondern es geht auch darum, dass Ergebnisse kommen, dass etwa Steuertatbestände erwähnt werden müssen. Und genau diesen Sachverhalt haben wir hier auch an der Saar. Und deshalb muss dieser Sachverhalt gründlich untersucht werden.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es geht aber nicht nur darum, dass wir diesen Sachverhalt hier an der Saar haben, sondern es geht um einiges mehr. Man stelle sich einen Moment vor, der Unternehmer Flick wäre damals an den Koalitionsverhandlungen beteiligt gewesen. Er wäre Kreisvorsitzender der FDP gewesen - etwa in Bonn - und hätte sich massiv in die Koalitionsvereinbarungen eingemischt. Ich glaube, das Gelächter in der Republik wäre groß gewesen, aber nicht nur das Gelächter, sondern man hätte gesagt, hier sind wir allmählich doch in einer Bananenrepublik. Es ist völlig unmöglich, dass Unternehmer, die in dieser Form spenden und Einfluss auf Steuerentscheidungen nehmen wollen, auch noch im Koalitionsausschuss sitzen. Das wäre völlig undenkbar gewesen. Überlegen Sie einmal, zu welchen Zuständen wir mittlerweile hier an der Saar gekommen sind.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Oder nehmen Sie ein weiteres Beispiel. Die ganze Republik redet im Moment darüber, dass der Unternehmer Baron von Finck Zuwendungen an die Parteien gegeben hat, die derzeit die Regierung in Berlin bilden. Und die Zuwendungen waren durchaus beachtlich. Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Vorstellungen hatte der Unternehmer Baron von Finck, als er Zuwendungen an die Parteien gegeben hat? Wahrscheinlich hatte er doch die Vorstellung, dass seinen Wünschen im Regierungshandeln entsprochen würde. Und genauso ist es geschehen. Es sind insbesondere unternehmerische Belange des Baron von Finck im Regierungshandeln - wenn man so will - berücksichtigt worden. Die Hotelkette hat erhebliche Steuerermäßigung bekommen. Das wollte er erreichen. Er war sehr erfolgreich. Aber auch hier muss ich sagen, stellen Sie sich einmal vor, der Unternehmer Baron von Finck wäre auch bei den Koalitionsverhandlungen dabei gewesen. Ganz Deutschland hätte sich amüsiert und sich totgelacht. Sie haben dafür Sorge getragen, dass genau das an der Saar eingetreten ist, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nun kommen wir zum Unternehmer Ostermann. Es ist ja nicht nur so, dass er beteiligt war an Regierungsverhandlungen, sondern er hat eben auch das Interesse, dass er möglichst wenig Steuern zahlt.

Das ist nun einmal so und das kann niemand bestreiten. Und der Unternehmer Ostermann ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat schließlich im Jahr 2002 hier an der Saar in Untersuchungshaft gesessen - nicht zuletzt deshalb, weil 17 Millionen Euro Lohnsteuer nicht gezahlt worden sind. Und ich würde mir, wenn ich Koalitionsverhandlungen führen würde, doch die Frage stellen, ob es gut ist, wenn ein solcher Unternehmer mit am Tisch sitzt. Das ist eine Frage der Sitten, auf die wir uns hier verpflichten wollen. Es wäre angesichts dieses Sachverhalts vielleicht klug gewesen, ihn nicht zu bitten, an den Koalitionsverhandlungen teilzunehmen. Aber das ist eine Frage, die mit Ihnen heimgeht und die Sie selbst zu beurteilen haben.

Nun komme ich aber zu einem Sachverhalt, der nun wirklich gravierend ist, wo Sie in sich gehen und eher schweigen sollten. Ich habe hier zur Regierungserklärung des Herrn Müller gesprochen und habe die Frage aufgeworfen, ob die Informationen zutreffen, dass ein Steuerverfahren gegen Herrn Ostermann just in der Zeit eingestellt worden ist, in der Sie über Ihre Koalition verhandelt haben. Mittlerweile ist klar, dass fünf Verfahren am gleichen Tag eingestellt worden sind, wo wir nicht wissen, um welchen Umfang es geht. Dies geschah am gleichen Tag während der Koalitionsverhandlungen! Das ist ein ungeheuerlicher Sachverhalt und der muss im Interesse unserer Demokratie aufgeklärt werden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es gab einmal dieses Verfahren um 17 Millionen Euro und dann stellt man sich doch die Frage, um wie viel Geld ging es denn hier. Niemand weiß das. Es ist notwendig, dass die Regierung darüber Auskunft gibt. Und verstecken Sie sich nicht dahinter, das Steuergeheimnis stünde dem entgegen. Das ist alles geprüft worden im Zusammenhang mit dem Flick-Ausschuss. Sie werden eine richtige Bauchlandung machen. Sie sind verpflichtet, diesem Parlament Auskunft darüber zu geben, ob die Steuerverwaltung in diesem Lande ordentlich vonstatten geht und ob sachfremde Erwägungen den Entscheidungen der Finanzbehörden zugrunde lagen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nun kommt es ja noch dicker. Nach jüngsten Presseberichten - man glaubt das ja nicht, wenn man es liest - ist es so, dass der Steuerbescheid für die Jahre 1997 bis 2001 erst vor wenigen Wochen ergangen ist. Ein wirklich einmaliger Sachverhalt! Und bei diesem Steuerbescheid, so wird berichtet - wir wissen das ja nicht, wir müssen das untersuchen -,

(Zuruf von der CDU: Ja, dann sagen Sie es auch nicht!)

(Abg. Lafontaine (LINKE) )

ging es ursprünglich um einen zweistelligen Millionenbetrag. Nun sei aber nur ein einstelliger Millionenbetrag im Steuerbescheid ausgesprochen und dem Unternehmer abverlangt worden.

Wir haben hier also nicht nur fünf Verfahren, die eingestellt worden sind, wir haben auch einen Steuerbescheid, über den öffentlich berichtet wird, in ihm sei letztendlich zugunsten erheblicher Steuerminderungen entschieden worden. Es ist deshalb hier doch allmählich der dringende Verdacht aufgekommen, dass es in der Steuerverwaltung nicht mehr mit rechten Dingen zugeht

(Abg. Theis (CDU) : Üble Nachrede ist das!)

und der Unternehmer einen allzu großen Einfluss auf die Entscheidungen der Steuerverwaltung hat.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

In dieses Bild passt dann auch noch - aber das ist nicht Untersuchungsgegenstand hier im Landtag -, dass es bei der Stadt Saarbrücken ebenfalls zu einer beträchtlichen Steuerniederschlagung gekommen ist, in einer Größenordnung von 923.000 Euro. Das ist ja nun kein kleiner Betrag!

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Und wiederum war der begünstigte Unternehmer Herr Ostermann.

(Abg. Schmitt (CDU) : Ist Frau Britz auch korrupt, oder was?)

Deshalb ist es doch im Interesse des Saarlandes, aufzuklären, in welchem Umfang dieser Unternehmer Einfluss nimmt auf Steuerentscheidungen von Verwaltungen. Wir haben das im Interesse der Bevölkerung aufzuklären!

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD und Zu- rufe: Richtig!)

Nun geht es nicht nur um diesen Sachverhalt, der eben unter Beweis stellt, dass Regierungshandeln erheblich beeinflusst worden ist. Es geht ja dann auch um die Frage der Spenden und um die Frage der Beschäftigung. Damit sich hier nun niemand herausredet: Spenden an sich sind zulässig und -

(Abg. Meiser (CDU) : Ach ja!)

Spenden als solche sind zulässig, und letztendlich gibt es sie ja in großem Umfang in der Bundesrepublik Deutschland.

(Zurufe der Abgeordneten Hinschberger (FDP) und Meiser (CDU).)

Wenn aber wie bei Mövenpick,

(Zuruf des Abgeordneten Theis (CDU) )

wenn aber wie bei Flick und jetzt auch bei Ostermann den Spenden unmittelbar Steuerentscheidun

gen folgen, die äußerst dubios und zweifelhaft sind, dann geraten auch die Spenden in Verdacht, dubios und zweifelhaft zu sein.

(Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Diesen Zusammenhang müssen Sie sehen. Diesem Zusammenhang müssen Sie sich stellen.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Dasselbe gilt natürlich auch -

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Sie können ja gleich das Wort ergreifen.

(Abg. Meiser (CDU) : Ja, ja, ich will es ja gleich haben!)

Dasselbe gilt natürlich auch für Beschäftigungsverhältnisse. Ich habe dazu bereits einmal Stellung genommen. Wenn da oder dort mal ein Beschäftigungsverhältnis bei einem Unternehmer registriert wird, dessen Entscheidungen auf diese Art und Weise kritisiert werden müssen, so ist das eine Sache. In der Gemeinde hat man dann beispielsweise, wenn Entscheidungen anstehen, den Ausschluss wegen Befangenheit oder Ähnliches. Wenn aber Beschäftigungsverhältnisse zahlreich vorliegen und wenn sie verbunden sind etwa mit Spendentatbeständen und wenn sie gleichzeitig dann verbunden sind eben mit Steuernachlässen erheblichen Umfangs, dann geraten auch diese Beschäftigungsverhältnisse in einen Generalverdacht. Deshalb müssen wir sie hier ansprechen.