Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Weiterentwicklung des saarländischen Weiterbildungsund Bildungsfreistellungsrechts (Drucksache 14/3)
Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Weiterbildungs- und Bildungsfreistellungsgesetz ausweiten - echte Gesetzesnovellierung erforderlich (Drucksache 14/20)
Zur Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dr. Christoph Hartmann das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lebenslanges Lernen ist in aller Munde. Lebenslanges Lernen ist deswegen in aller Munde, weil es für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Element des beruflichen Erfolges ist, eine Voraussetzung des beruflichen Erfolges und weil es für die Arbeitgeber ein wichtiger Indikator der Standortfaktoren ist. Die Landesregierung fördert daher vielfältig und nachhaltig Weiterbildung und Qualifizierung sowie Vernetzung von Bildung, Wissenschaft und Forschung.
Die aktuelle Gesetzesvorlage betrifft einen kleinen Baustein des Bildungsrechts, das seit 1990 gültige Saarländische Weiterbildungs- und Bildungsfreistellungsgesetz SWBG, in dem im Wesentlichen die staatliche Anerkennung von Weiterbildungseinrichtungen, die Bildungsfreistellung, die Kooperation saarländischer Bildungsträger im Landesausschuss für Weiterbildung sowie die Förderung geregelt ist. Die aktuelle Gesetzesvorlage ist das Resultat einer notwendigen Anpassung an europäisches Recht aufgrund eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens. Um es auf Deutsch zu sagen: Die alte Landesregierung hat versucht, saarländische Unternehmen so weit wie möglich zu schützen. Dies ist - zumindest aus unserer Sicht - leider nicht EU-konform. Und deswegen müssen wir an der Stelle, wo es eben nicht EU-konform ist, die EU-Konformität herstellen.
Anlass war eine Beschwerde einer spanischen Sprachschule bei der Europäischen Kommission im Frühjahr 2006 über einen Ablehnungsbescheid durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Saarlandes, bei dem die Schule einen Antrag auf staatliche Anerkennung gestellt hatte. Mit Datum vom 04. April 2006 hatte die Europäische Kommission daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 226 EG-Vertrag gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Die Kommission geht davon aus, dass die im SWBG verankerte verbindliche Sitzerfordernis im Saarland sowie der vorgeschriebene Nachweis einer mindestens zweijährigen Weiterbildungstätigkeit im Saarland gegen den in Artikel 49 EG-Vertrag festgeschriebenen freien Dienstleistungsverkehr verstößt.
Gemäß einem ergänzenden Mahnschreiben vom 21. März 2007 sieht die Europäische Kommission weiterhin bei der staatlichen Anerkennung von Weiterbildungseinrichtungen in der Beschränkung, dass der Sitz im Saarland liegen und eine mindestens zweijährige Weiterbildungstätigkeit im Saarland nachgewiesen werden muss, neben einem Verstoß
gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Artikel 49 EG-Vertrag auch einen Verstoß gegen die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 43 EG-Vertrag. Die Kommission rügt auch die bevorzugte Behandlung derjenigen Weiterbildungsveranstaltungen als „freistellungsfähig“, deren Anbieter ihren Sitz und Arbeitsbereich im Saarland haben.
Die zuvor bereits eingeleitete - also die ursprünglich geplante - Gesetzesänderung, die hinsichtlich des § 33 Absatz 4 SWBG für die Anerkennung von Einzelveranstaltungen den Wegfall des Sitzerfordernisses im Saarland vorsah, sowie die seither im Vorgriff auf die Novellierung durch die Verwaltung praktizierte Öffnung der antragsgebundenen Freistellungsfähigkeit für Einzelveranstaltungen ausländischer Anbieter im Bereich der beruflichen Weiterbildung reichten nach diesen erneuten Einwendungen der Kommission nicht aus.
Die Klageankündigung der EU-Kommission bezieht sich ausschließlich auf die durch das bisherige SWBG hinsichtlich der Regelung des Freistellungsanspruchs ausgesprochene Beschränkung auf das Weiterbildungsangebot saarländischer Einrichtungen. Diese stellt aus Sicht der Kommission einen Verstoß gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dar, da nichtsaarländische Anbieter vom Markt für freistellungsfähige Bildungsdienstleistungen ausgeschlossen werden.
Um dem Begehren der EU-Kommission Rechnung zu tragen, musste daher die gesetzliche Vorgabe „staatliche Anerkennung von Bildungsträgern als Voraussetzung für die Bildungsfreistellungsfähigkeit“ entfallen. Jedoch bleibt der Anspruch auf Förderung aus Landesmitteln denjenigen Einrichtungen vorbehalten, die staatlich anerkannt sind und ihren Arbeitsbereich im Saarland haben.
Das heißt „übersetzt“: Die ursprüngliche Idee des Gesetzes war, die saarländischen Bildungsträger und die saarländischen Unternehmen so weit wie möglich zu schützen und ihnen entgegenzukommen. Ein Teil der einschlägigen Regelungen ist aber nicht EU-konform. Wir werden nun das EU-konform gestalten, was EU-konform zu gestalten ist. Wir werden dabei aber am Grundsatz festhalten, auch weiterhin zu versuchen, den saarländischen Bildungsträgern so weit wie möglich entgegenzukommen, saarländische Bildungsträger zu schützen, saarländischen Bildungsträgern die Möglichkeit zu geben, hier einen möglichst großen Marktanteil zu behalten. Anders formuliert: Wir werden retten, was zu retten ist.
Folgerichtig hat daher die Landesregierung eine Aufspaltung der beiden Regelungsgehalte „Bildungsfreistellung“ und „Weiterbildungsförderung“ in zwei getrennte Gesetze beschlossen.
Ich komme nun noch ganz kurz auf den Antrag der SPD zu sprechen, auf den Antrag mit der Überschrift „Weiterbildungsund Bildungsfreistellungsgesetz ausweiten - echte Gesetzesnovellierung erforderlich“. Es steht außer Frage, dass eine echte Gesetzesnovellierung erforderlich ist. Diesem Erfordernis einer echten Gesetzesnovellierung werden wir im Laufe der Legislaturperiode auch nachkommen, so, wie das in unserem Koalitionsvertrag geregelt ist.
Thema am heutigen Tage ist aber, dass wir sehr schnell, noch vor dem 31.12., das Vertragsverletzungsverfahren, das uns vonseiten der EU droht, abwenden müssen. Es geht darum, sehr bald nach dem 01. Januar diesen Gesetzentwurf auch durch die Zweite Lesung zu bringen, um den Vorgaben der EU-Kommission Rechnung zu tragen. Deswegen geht es heute nur - und ich betone das noch einmal: nur! - um die Fragestellung, wie das Gesetz EU-konform zu gestalten ist. Es geht nicht um mehr, und es geht nicht um weniger!
Es ist also heute wirklich nicht der Tag, um ideologische Fragen zu debattieren, um inhaltliche Fragen zu diskutieren. Dieser Tag wird kommen! Diese Auseinandersetzung muss folgen, das steht völlig außer Frage. Wir freuen uns auch auf die Auseinandersetzung, die zu diesem Thema stattfinden wird. Würden wir aber jetzt Dinge in dieses Gesetz schreiben, die zu einer weiteren Verzögerung führten, hieße das im Endeffekt nur, dass es ein Vertragsverletzungsverfahren gäbe. Das aber kann niemand in diesem Lande wollen.
Deswegen legt die Landesregierung dieses Gesetz so und nicht anders vor. Das ist das richtige Vorgehen, richtig im Sinne der Weiterbildungsträger in diesem Land und richtig im Sinne unseres Bundeslandes. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zur Begründung des Antrages der SPD-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Ulrich Commerçon das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister, soweit es um die Erfüllung der EU-rechtlichen Vorgaben geht, ist dieser Gesetzentwurf in Ordnung und wird von uns in keiner Weise bestritten. Es ist insoweit nichts dagegen zu sagen. Das ist aber eben nur die eine Seite.
Nicht akzeptabel, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist jedoch, dass auch mit diesem Gesetz wieder, verglichen mit
dem ursprünglichen Rechtszustand vor dem Regierungswechsel 1999, eine Verschärfung, und zwar eine drastische Verschärfung an zwei Stellen, festgeschrieben wird. Ich muss es hier betonen: Damit werden nun auch die GRÜNEN im Nachhinein dieser Verschlechterung, die sie seinerzeit noch abgelehnt haben, zustimmen.
Vor diesem Hintergrund müssen wir heute diesen Antrag einbringen. Denn in dem Gesetz ist auch weiterhin eine Verkürzung auf drei Tage und die Koppelung an das Einbringen eigener Freizeit festgeschrieben. Das sind zwei Punkte, die heute mitverabschiedet werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, derjenige, der heute dafür die Hand hebt, sanktioniert im Nachhinein die Verschlechterung, die seinerzeit von der CDU-Landesregierung eingeführt worden ist!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lebenslanges Lernen und berufliche wie auch außerberufliche Weiterbildung gewinnen immer mehr an Bedeutung. Das hört man mittlerweile in jeder Rede, von wem auch immer gehalten. Selbst der Wirtschaftsminister hat das eben so ähnlich formuliert. Es ist auch, so glaube ich, unstrittig, dass die Chancen jedes und jeder Einzelnen in unserer Gesellschaft zunehmend davon abhängen, ob lebenslanges Lernen stattfindet, ob Weiterbildung im beruflichen Leben stattfindet.
Es ist auch und vor allem wichtig, gerade auch für unsere gesamte Volkswirtschaft, dass ein lebenslanger Lernprozess implementiert wird. Das ist mit Blick auf unsere volkswirtschaftliche Entwicklung gewissermaßen zu einer Überlebensfrage geworden. Und deshalb sage ich: Weiterbildung liegt eben auch im Interesse unserer Wirtschaft. Deswegen kann es nicht sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Weiterbildung wie Urlaub betrachtet wird. Weiterbildung ist Arbeit! Entsprechend muss sie auch von den gesetzlichen Rahmenbedingungen behandelt werden.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenden wir uns auch am heutigen Tage wieder, wie schon seinerzeit anlässlich der Rechtsänderung, dagegen, dass Weiterbildung durch Schikanen, wie sie auch in dieser Gesetzesnovelle wieder enthalten sind, behindert wird, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Weiterbildung abgehalten werden. Ich sage es ganz deutlich: Wer diesem Gesetz heute zustimmt, der unterstützt diesen Vorgang! Das muss in dieser Debatte einfach so klar gesagt werden!
fungen eben nicht eine Stärkung der Weiterbildung bewirkt haben. Ganz im Gegenteil! Die Weiterbildung, die Inanspruchnahme von Weiterbildungsmaßnahmen, ist in diesem Land während der zurückliegenden zehn Jahre drastisch zurückgegangen. Einen ganz wesentlichen Faktor in diesem Kontext stellt eben die Gesetzesverschärfung dar, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Die SPD-Landtagsfraktion hat den Ihnen vorliegenden Antrag eingebracht, um im Anhörungsverfahren diese Problemstellung noch einmal erörtern zu können. Ich beantrage daher im Namen meiner Fraktion, den Antrag Drucksache 14/20 gemeinsam mit dem Gesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Grubensicherheit zu überweisen und auch den Ausschuss für Bildung, Kultur und Medien zu den Beratungen hinzuzuziehen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte zur Rede, die man nun von Herrn Commerçon gehört hat, im Grunde sagen: Thema verfehlt.
(Abg. Commerçon (SPD) : Nein, er hat doch eben zugestimmt! - Zuruf der Abgeordneten Rehlinger (SPD).)
Wir beraten heute einen Gesetzentwurf zum Weiterbildungsgesetz, weil wir ein Problem mit der EU haben, weil die EU-Kommission ein Mahnverfahren angedroht hat. Deshalb diskutieren wir heute dieses Thema.
Sie als Opposition - Herr Commerçon, Sie sind ja in diesem Parlament als nicht unbedingt aufnahmefähig bekannt - benutzen das dann dazu, eine Diskus
sion über das Gesamtgesetz zu beginnen. Sie behaupten, dass der, der diesem Gesetz zustimmt, seine Zustimmung zu Fehlentwicklungen gibt. Das ist einfach Unsinn. Das Gesetz liegt in den Rahmenbedingungen in der gleichen Art und Weise vor wie vor sechs Jahren. Das, was Sie hier prognostiziert haben, dass sich die Weiterbildung verschlechtern würde und die Inanspruchnahme zurückgehen werde, lässt sich statistisch so nicht nachweisen. Nein, das Gegenteil ist in den letzten Jahren der Fall! Die Akzeptanz der Weiterbildung ist in dieser Gesellschaft immer größer geworden. Wenn Sie sich Ihr altes Gesetz ansehen, dann gab es dort fünf Tage Weiterbildungsfreistellung, heute gibt es dagegen sechs Tage. Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag ansehen, sehen Sie, dass wir eventuell im Laufe der Legislaturperiode noch etwas dazugeben. Ihre Argumentation geht also - wie so häufig - an der Situation vorbei.
Ich möchte noch mal deutlich machen, dass ich es richtig fand, was die Landesregierung vor einigen Jahren gemacht hat. Nach der Änderung der Praxis der Agentur für Arbeit, nach der die Bildungsmaßnahmen nicht mehr in dieser Weise von Nürnberg gefördert wurden, sind alle Weiterbildungsträger im Land in einer ganz schwierigen Situation gewesen. Das hat sogar dazu geführt, dass einige von ihnen vom Markt verschwinden mussten. Aber die Regelung der Bevorteilung der saarländischen Weiterbildungsträger hat zumindest geholfen, hier Arbeitsplätze zu halten,