Protocol of the Session on November 18, 2009

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Weiterer Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Ich bin auch entsetzt über die Skrupellosigkeit, mit der Sie bei Herrn Maas um Stimmen betteln, ihm anschließend ins Gesicht lachen und das Märchen von der Ampel-Koalition erzählen.

(Beifall und Bravo-Rufe bei den Oppositionsfrak- tionen. - Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wie war das mit der Sachlichkeit?)

Noch eine Bemerkung. Herr Minister Jacoby, ich muss die Frage des Kollegen Lafontaine noch einmal wiederholen, weil auf sie nicht geantwortet worden ist. Es geht um den Zusammenhang zwischen der Regierungsbildung und der Einstellung der Steuerverfahren.

(Zuruf.)

Nein, das hat er nicht klar gesagt. Er hat gesagt, keinen Einfluss darauf genommen zu haben. Die Frage ist in ihrer Substanz nicht beantwortet worden. Aber der Minister kann das ja noch einmal klarstellen.

(Zuruf von der Regierungsbank: Völlig absurd!)

Das können Sie für absurd halten. Sie können es noch einmal -

(Weiterer Zuruf von der Regierungsbank: Sie sind schlauer, als Sie jetzt tun. - Lautes Spre- chen.)

Wenn Sie sich beruhigt haben, kann ich vielleicht einen Punkt in der kurzen mir zur Verfügung stehenden Zeit noch einmal ansprechen. Ich möchte auf einige Dinge zurückkommen, die dieses Land in der Tat bewegen. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen - und ich glaube, da haben wir einen gemeinsamen Ausgangspunkt -, dass sehr schwere Zeiten auf uns zukommen und dass das Thema der weiteren industriellen Entwicklung des Landes ein zentrales Problem darstellt, weil das Saarland bekanntermaßen sehr stark von der industriellen Entwicklung abhängt.

Allerdings vermisse ich zum einen eine längerfristige industriepolitische Konzeption. Davon war in Ihrer Regierungserklärung überhaupt nichts zu hören, auch nicht im Koalitionsvertrag. Zweitens vermisse ich sehr stark konkrete Maßnahmen, wie denn mit den Industriebetrieben umgegangen wird, die von der Krise betroffen sind. Wir haben eine Menge Insolvenzen. Einen Plan, wie damit umzugehen ist, haben Sie nicht. Ich habe den Eindruck, dass Sie einerseits ein Bekenntnis zum Industriestandort Saarland ablegen wollen, andererseits aber die tatsächliche Industriepolitik dem Insolvenzverwalter überlassen. Das geht nicht.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir verlangen wesentlich konkretere Maßnahmen und haben auch einen Vorschlag zu machen, nämlich die Einrichtung eines Saarland-Fonds, in dem die Unterstützungsmaßnahmen gebündelt werden. Das ist für uns ein wichtiger Punkt, den wir gerne weiter mit Ihnen vertiefen möchten. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

(Präsident Ley)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Thomas Schmitt von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, zunächst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Wahl! Es freut mich sehr -

(Sprechen.)

Sicher freut es mich! Es freut mich wirklich! Vielleicht sollten wir noch einmal zu der Gepflogenheit zurückkehren, dass wir in der Vergangenheit fraktionsübergreifend, unabhängig von den politischen Standpunkten, immer etwas Respekt vor der Person des anderen hatten.

(Zuruf.)

Doch, das ist so. Ich habe das auch in der Zeit, als ich jetzt einige Wochen diesem Parlament nicht angehört habe, durch Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion und anderen Fraktionen so erfahren. Ich meine, wir sollten wieder zu solchen Verhaltensweisen zurückkehren und nicht in gegenseitige Beleidigungen verfallen oder unter der Gürtellinie argumentieren. Das war in der Vergangenheit in diesem Haus nicht üblich und deshalb sollten wir es auch in Zukunft unterlassen.

(Zuruf: Was hat er gesagt?)

Ein bisschen Respekt vor der Person des anderen kann nicht schaden. - Wir haben uns jetzt umfangreich gestritten und über die Genese einer Koalition diskutiert. Ich kann verstehen, dass es für Ärger und Enttäuschung sorgt, wenn man sich schon kurz vor der Regierungsverantwortung gesehen hat und es dann doch nicht so weit gekommen ist. Aber wenn eine Partei keine absolute Mehrheit hat, kann sie nicht per se einen Alleinvertretungsanspruch erheben, unbedingt die Regierung zu stellen. Es kann bei aller Liebe auch bei 24 Prozent keinen moralischen Alleinvertretungsanspruch einer Partei geben, dass ausschließlich sie die Regierung hätte anführen dürfen; das hat das Wahlergebnis vom 30. August nun wirklich nicht hergegeben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielleicht kehren wir zu einigen Inhalten der Regierungserklärung zurück, wie sie auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Das ist ein Koalitionsvertrag zwischen drei Partnern, die jeweils unterschiedliche Ansichten hatten und teilweise auch noch haben, wo man zwangsläufig zu Kompromissen kommen musste. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass in diesem Koalitionsvertrag jeder seinen eigenen Charakter, seine eigene Identität behalten konnte, dass auch jeder Partner dem anderen seine Identität lässt, dass wir aber trotzdem ein gemeinsames Wertefundament und eine gemeinsame Hand

lungsperspektive für dieses Land für die kommenden fünf Jahre entwickelt haben.

Da gibt es durchaus unterschiedliche Bewertungen im Hinblick auf die Politik der vergangenen zehn Jahre. Wir als CDU werden nicht alles widerrufen, was wir in den vergangenen zehn Jahren getan haben. Aber darum geht es nicht. Wir wollen ausgehend von dem, was bis heute erreicht wurde, gemeinsam für die nächsten fünf Jahre Politik machen. Das beinhaltet in vielen Teilen Kontinuität, aber auch Veränderung, eine andere Schwerpunktsetzung, als es sie gegeben hätte, wenn wir alleine weiterregiert hätten. Das ist doch überall so! Wenn eine Partei vorher eine absolute Mehrheit hatte, hat sie ihre Politikvorstellungen pur verwirklichen können. Hat sie einen Koalitionspartner, muss sie Kompromisse eingehen. Hat sie einen anderen Koalitionspartner, muss sie wieder andere Schwerpunkte setzen.

(Zuruf von den Oppositionsfraktionen.)

Das wissen Sie doch. Wir haben in den vergangenen vier Jahren auf Bundesebene mit der SPD regiert, jetzt regieren wir mit der FDP. Auch dort wird es selbstverständlich andere Schwerpunkte geben, ohne dass man seine Seele verkauft und sagt, alles, was in den letzten Jahren passiert ist, war falsch.

(Zuruf von den Oppositionsfraktionen: Redezeit- verplemperung!)

Warum ist das Redezeitverplemperung? Nur weil man nicht um sich schlägt und andere nicht diffamiert? Für mich ist das keine Redezeitverplemperung.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bin jetzt einmal bewusst darauf eingegangen, weil ich alle fünf Minuten den Zwischenruf „Kontinuität!“ von der SPD-Fraktion gehört habe. Ich habe versucht zu erklären, was möglich ist, wo Kontinuität besteht und wo wir teilweise andere Schwerpunkte setzen müssen. Ich komme damit zu einem großen Themenfeld, der Bildungspolitik. Selbstverständlich wird es auch dort in Zukunft andere Schwerpunkte geben. Aber - und das ist auch die Wahrheit - unsere Bildungspolitik hat nie ausschließlich aus Grundschulstrukturreformen und G 8 bestanden.

(Zuruf von den Oppositionsfraktionen: Grund- schulschließungen!)

Ich spreche immer noch von Grundschulstrukturreformen und lasse mir da die Wortwahl nicht vorgeben.

(Weitere Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Im Übrigen, wie man Schulen schließt, weiß der Herr Lafontaine auch sehr genau; der hat genug Hauptschulen zugemacht.

(Empörte Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Das ist doch die Wahrheit! Wir hatten in der Vergangenheit schon einen Spitzenplatz bei der Versorgung mit Krippenplätzen und wir hatten schon einen Spitzenplatz unter den westdeutschen Flächenländern. Auf dieser Position werden wir aufbauen. Wir werden auch künftig auf die Wahlfreiheit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf setzen. Auch in der Vergangenheit hatten wir im frühkindlichen Bereich und insbesondere im vorschulischen Bereich ganz erheblich investiert. Ich erinnere an das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Darauf können wir künftig aufbauen, indem wir das letzte Kindergartenjahr zu einem Bildungsjahr ausbauen. Eine Nachricht ist dieser Tage durch die Presse gegangen. Wir haben das Programm Früh Deutsch lernen jetzt flächendeckend. Das haben wir im Jahr 2004 begonnen und das haben wir jetzt in der Fläche geschafft. Darauf können wir gemeinsam mit allen Partnern aufbauen. Wir können nun sagen, das kann man jetzt verlängern. Hier können wir eine noch umfassendere Sprachförderung für Kinder von Migranten entwickeln.

Ich komme jetzt zu dem Bereich Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen. Wir haben von Beginn an gesagt, wir wollen Freiwilligkeit, wir wollen Flexibilität, wir wollen aber zuerst in die Fläche gehen. Wir haben ein flächendeckendes System von freiwilliger Ganztagsbetreuung errichtet. Darauf aufbauend haben wir gesagt, jetzt investieren wir noch verstärkt in die Qualität. Und das haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode umgesetzt. Und dann haben wir gesagt, der nächste Schritt sind Ganztagsklassen. Das war auch das Modell, das wir den Wählerinnen und Wählern angeboten haben: ganztägige Bildung und Ganztagsklassen um die Wahlfreiheit zu gewährleisten. Andere Partner hatten andere Vorstellungen. Das ist durchaus richtig.

Deshalb haben wir uns darauf verständigt - und das ist überhaupt kein Bruch mit unserer Philosophie -, dass an Standorten, an denen ohnehin mehrere Angebote vorhanden sind, es auch Schulen geben kann, die komplett gebunden sind und andere, die komplette Halbtagsschulen sind. Uns war wichtig, dass wir die Wahlfreiheit auch künftig beibehalten. Das ist uns gelungen. Wir werden weiterhin offene Angebote, teilgebundene Angebote und künftig auch gebundene Angebote haben. Wichtig war für uns nur, dass die Eltern entscheiden können welches Angebot sie wahrnehmen wollen. Wir wollen das kontinuierlich entwickeln, weil sich die Strukturen in diesem Bereich weiterhin verändern werden.

Dann haben Sie uns vorgeworfen, im Bereich der Zweigliedrigkeit, die jetzt angestrebt wird, hätten wir auch komplett unseren Kurs verlassen. Eines kann ich Ihnen sagen: Schon bei den Strukturreformen, die wir bei den Erweiterten Realschulen in den vergangenen Jahren durchgeführt haben, war der Weg

bis zu einem gewissen Grad vorgezeichnet. Wir haben Elemente, die sich im Gesamtschulbereich bewährt hatten, auf die Erweiterten Realschulen übertragen. Dazu gehören die A-Kurse, die wir ab der Klasse 9 eingeführt haben. Dazu gehört die verstärkte Durchlässigkeit, dazu gehört die Kooperation und die Einrichtung von Oberstufen. Wir sind mittlerweile so weit, dass wir eigentlich eine echte Abgrenzung der Strukturen von Gesamtschule und Erweiterter Realschule praktisch gar nicht mehr richtig definieren können. Es gibt Erweiterte Realschulen, die sind integrativer als manche Gesamtschule. Es gibt Erweiterte Realschulen, die arbeiten in Kursen. Es gibt Gesamtschulen, die sind stärker differenziert als Erweiterte Realschulen. Von daher steht unser Angebot. Lassen sie uns darüber nachdenken, wie wir diese beiden Schulformen tatsächlich in eine einzige Schulform überführen können und zu einer echten Zweigliedrigkeit kommen.

Eines sage ich dazu allerdings für die CDU-Fraktion ganz bewusst. Dabei steht für uns das Gymnasium nicht zur Debatte. Das ist für uns Kernposition und davon werden wir auch nicht abrücken. Dazu gehört für uns auch, dass dieses Gymnasium weiterhin rechtlich so verankert ist, dass es ohne verfassungsändernde Mehrheit nicht abgeschafft werden kann. Das Angebot an die Opposition, mit uns darüber zu reden, gilt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zurufe von der SPD.)

Natürlich ist das ein Angebot an die Opposition, über eine solche Verfassungsänderung zu reden. Sie können es ja annehmen oder ablehnen. Es ist ein Angebot! Ich könnte Ihnen jetzt vorlesen, was dazu in der Vergangenheit im SPD-Wahlprogramm gestanden hat. So weit ist diese Zweigliedrigkeit von dem, was der Kollege Braun und der Kollege Maas uns hier öfters angeboten haben, gar nicht entfernt. Lassen Sie uns darüber reden und schauen, ob wir in dieser Frage zu einem Konsens kommen.

Meine Damen und Herren, wir haben auch in der Vergangenheit wirtschaftspolitische Akzente gesetzt. Was Herr Professor Bierbaum hierzu gesagt hat, stimmt so nicht. Wir werden auf diesem Weg weiter fortfahren. Wir werden unsere Clusterpolitik fortsetzen. Wir werden sie um einen weiteren Bereich erneuerbare Energien ergänzen. Es ist doch nicht so, dass wir die Betriebe in der klassischen Industrie hier im Land allein gelassen hätten. Wir haben doch die Bürgschaftsrahmen ausgeweitet, wir haben doch ein Landeskonjunkturprogramm gemacht. Es gibt doch personelle Unterstützung. Jeder Betrieb, der in Not ist, kann sich an die Landesregierung wenden. Natürlich haben wir einen Rahmen und die entsprechenden Hilfsprogramme für diese Unternehmen. Wir stehen für jeden Arbeitsplatz und wir werden auch in Zukunft für jeden Arbeitsplatz kämpfen. Und

(Abg. Schmitt (CDU) )

dabei spielt für uns die klassische Industrie eine Rolle, es spielen aber auch die neuen Technologien eine Rolle. Wir haben hier einen erfolgversprechenden Weg eingeschlagen. Im Koalitionsvertrag haben wir Gemeinsamkeiten mit unseren Partnern gefunden, wie wir auf diesem Weg weiter voranschreiten können. Ich glaube, wenn wir umsetzen, was in diesem Vertrag enthalten ist, können wir mit frohem Mut Politik für dieses Land machen. - Vielen Dank!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)