Protocol of the Session on October 25, 2011

(Beifall bei der SPD.)

Die Bevölkerung will Sicherheit. Aber auch die Polizei braucht Sicherheit, und die gewinnt sie eben nicht zuletzt durch verlässliche politische Organisationsentscheidungen. Dies sehe ich durch das heute vorgelegte Begleitgesetz zur Neuorganisation der saarländischen Vollzugspolizei und der daraus folgenden Umsetzung der Ergebnisse der Gutachtentätigkeit aus der Mitte des Innenministeriums als umfassend gegeben. Deshalb stimmen wir, Herr Minister, diesem Prozess zu. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Lothar Schnitzler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren über eine Neuorganisation der saarländischen Polizei. Dazu liegt das Ergebnispapier einer Expertengruppe, zusammengesetzt aus dem Bereich der Polizei und dem Innenministerium, vor. Dieses Papier „Polizei 2020“ sei die Grundlage für die Diskussion darüber, wie viel innere Sicherheit wir uns noch leisten könnten. Ich sage aber: leisten wollen!

Was ist problematisch an der sogenannten Neuorganisation der saarländischen Polizei? Sie erbringt eben nicht nur organisatorische Neuheiten, sondern erfolgt vor dem Hintergrund der Spardiskussion und des defizitären Haushaltes des Saarlandes. Dazu drei Anmerkungen.

Erstens: Statt an allen Ecken und Enden immer nur sparen zu wollen, hätte die saarländische Landesregierung schon längst haushaltspolitisch Flagge zeigen müssen. Frau Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer - sie ist leider gerade nicht anwesend - stellte im Zusammenhang mit der EuroRettung die Schuldenbremse im Grundgesetz infrage.

(Zurufe von der CDU: Stimmt doch gar nicht! - Gegenrufe von der Opposition: Doch, es stimmt!)

Ihre Analyse, wonach die Schuldenbremse noch vor der Wirtschafts- und Finanzkrise konzipiert worden sei, wie sie der Zeitung DIE WELT im September mitteilte, war richtig. Ich zitiere: „Wenn diese Voraus

setzung aber wegen der Folgen der Staatsschuldenkrise und der notwendigen Rettungsmaßnahmen nicht mehr gegeben ist, dann haben wir eine veränderte Geschäftsgrundlage.“ So formulierte sie. Nach dem scharfen Gegenwind durch ihre Parteifreunde zog sie aber flugs ihre Aussage zurück. So hat ja nicht nur der Unionsfraktionsvize Michael Meister mit dem Stopp von Bundeshilfen für das Saarland in Höhe von jährlich 260 Millionen Euro gedroht. Die Teilentschuldung, die damals Oskar Lafontaine als regierender Ministerpräsident des Saarlandes erkämpft hatte, war natürlich in einer ganz anderen Dimension.

(Zuruf von der CDU: „Polizeireform“!)

Aber man kann schon feststellen: Die Parteifreunde von Annegret Kramp-Karrenbauer aus Berlin haben sie sozusagen am Nasenring durch die Manege geführt.

(Abg. Willger (B 90/GRÜNE) : Es geht nicht um den Bankensektor!)

Nach den harten Gegenäußerungen, die zu ihrer ehrlichen Analyse vorgebracht wurden, bekannte sie sich schließlich doch zur im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Eigentlich schade, denn sie war ja auf dem richtigen Weg.

(Anhaltende Unruhe.)

Zweite Anmerkung. Ich zitiere den Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Gustav A. Horn.

(Abg. Schmitt (CDU) : Es geht hier um die Polizei!)

Ja, ja, ich komme schon darauf zurück. Zunächst Zitat Gustav A. Horn: „Eine der Wurzeln der derzeitigen globalen Krise besteht in der zunehmenden Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in den Industrieländern. Das gilt vor allem aus deutscher Sicht. Während sich das obere Einkommensdrittel unter Berücksichtigung der Preissteigerung in den vergangenen zehn Jahren finanziell deutlich verbessert hat, sind die mittleren und insbesondere die unteren Einkommen weit zurückgeblieben.“ Das bedeutet -

Herr Kollege Schnitzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Horst Hinschberger?

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Lothar, ablehnen! Die wollen dich nur durcheinander machen! Mach weiter!)

Das liegt bei Ihnen, Sie entscheiden das.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Mach weiter!)

(Abg. Pauluhn (SPD) )

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Horst Hinschberger? - Okay. Herr Hinschberger, bitte schön.

Abg. Hinschberger (FDP) mit einer Zwischenfrage: Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Abgeordneter, sind Sie sicher, dass Sie das richtige Redemanuskript zu diesem Tagesordnungspunkt haben?

(Heiterkeit.)

Der Zweifel erhebt sich bei jedem, auch bei Ihren Parteifreunden. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das war keine Zwischenfrage!)

Ich wollte drei Vorbemerkungen machen, um deutlich zu zeigen, warum die Polizeireform hier im Saarland im Endeffekt nur ein Einsparkonzept ist und nicht ein wirkliches Neuerungskonzept moderner Polizeiarbeit, wie es erforderlich ist. Dazu sind diese drei Anmerkungen gedacht.

(Abg. Schmitt (CDU) : Was Ihr Fraktionsvorsitzender früher gemacht hat, war etwas anderes?)

Dazu können Sie ja nachher noch etwas sagen.

(Abg. Schmitt (CDU) : Aha.)

Ich komme zur dritten Anmerkung. Es gibt einige Themen, die die LINKE immer wieder benennt; eines ist die Gegenüberstellung von Einnahme- und Ausgabenseite. Wir sagen, dass es notwendig ist, die Einnahmeseite zu verbessern. Dazu haben wir schon einige Vorschläge gemacht. Wäre es hier möglich gewesen, im saarländischen Landtag entsprechende Beschlüsse zu fassen, wie sie von der Fraktion DIE LINKE eingebracht worden sind, bräuchten wir vielleicht die Einschnitte im Bereich der Polizei nicht in dieser Härte und Klarheit vorzunehmen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir heute darüber reden müssen, dass bei der Polizei 300 Stellen gestrichen werden müssen.

Meine Damen und Herren, wir erkennen die Notwendigkeit an, Einsparungen im saarländischen Haushalt vornehmen zu müssen. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, in der die Polizei selbst darüber nachgedacht hatte, wie sie die innere Struktur der saarländischen Polizei straffen könnte, um damit bis 2020 jährlich 35 Millionen Euro Einsparungen zu erzielen, ohne die Sicherheit im Land in Gefahr zu bringen, ist zunächst einmal aller Ehren wert. Da wurde auch gute Arbeit geleistet. Aber das entbindet die Politik nicht von ihrer Verantwortung, die innere Sicherheit des Saarlandes zu gewährleisten. Und

dass das weiterhin der Fall ist, daran gibt es große Zweifel.

Nicht grundlos fordert der Direktor des Landeskriminalamts, Franz Josef Biesel, in einem internen Schreiben an das Innenministerium mehr Personal, denn andernfalls drohten Einschnitte bei der Verbrechensbekämpfung. Er befürchtet, dass die innere Sicherheit leiden werde. Biesel sieht derzeit über 10 Prozent der Stellen nicht besetzt, die das Landeskriminalamt seiner Meinung nach benötige, um seine Aufgaben wahrzunehmen. Die Arbeit des LKA - so Biesel - habe unter dem Personalmangel deutlich gelitten. Derzeit sind 48 Stellen im Bereich des LKA offen. Im Einzelnen nennt er unter anderem den Staatsschutz, der unter einem ständigen Personalwechsel leide. Beamte der Landespolizeidirektion und des Landeskriminalamts müssten bereits jetzt dort unterstützend tätig sein. Der LKA-Chef schließt Fehler und Lücken im Arbeitsablauf mit gravierenden Auswirkungen nicht aus, denn die Bearbeitungszeiten bei der Kriminaltechnik seien besorgniserregend. Es sei intern schon vom kriminalpolizeilichen Dienst an die Staatsanwaltschaft gemeldet worden, dass die Kriminaldienststellen keine weiteren Fälle annehmen könnten, da die Bearbeitungszeiten nicht mehr einzuhalten seien. Teilweise gebe es Wartezeiten von bis zu einem Jahr, während die gleichen Aufgaben in Rheinland-Pfalz in zwei bis vier Wochen erledigt würden.

Auch bemängelt Biesel, dass fehlende Beamte beim mobilen Einsatzkommando nicht ersetzt würden. Das bedeute spürbare Auswirkungen auf die Bekämpfung des Terrorismus und der Schwerkriminalität. Neue Aufgaben aus dem Bereich der Cyberkriminalität - ich erinnere nur an die Kinderpornografie im Internet oder den Bereich der Wirtschaftskriminalität - werden in der Neuorganisation nicht berücksichtigt. Was hilft es, wenn 17 Beamte mit einem selbstgebastelten Computerprogramm versuchen, bestens ausgerüstete Wirtschaftskriminelle aufzuspüren? Das ist so, als würde ein Smart-Fahrer einen Mercedes-S-Klasse-Fahrer verfolgen. Der Nicht-Erfolg ist gewiss. Aber das kann bei einer Wirtschaftspartei wie der CDU, die mit Geld nicht umgehen kann, auch gewollt sein. Das ist das Manko des vorliegenden Berichts, dass er nur die Einsparungen von 300 Stellen und die innere Neustrukturierung beschreibt und nicht die notwendige qualitative und quantitative Verbesserung in neuen Aufgabenfeldern einer modernen Polizei.

Meine Damen und Herren! Ich fasse die Problematik der Neuorganisation der Polizei in zwei Punkten zusammen. Erstens: Bei der Polizei im Saarland rumort es an verschiedenen Stellen. Die für Anfang kommenden Jahres geplante Neuorganisation der saarländischen Polizei sieht einen schrittweisen Abbau von 300 Stellen vor. Ob es wirklich bei dieser

(Präsident Ley)

Zahl bleibt bei konstant 100 Neueinstellungen pro Jahr, werden wir sehen. Wahrscheinlich werden es wesentlich mehr sein. Das PwC-Gutachten spricht von 650 bis 700 Polizisten, die im Bundesländervergleich eingespart werden könnten. Die Landesregierung gibt es nur nicht zu, dass sie diese Zahl anpeilt! Es sind unter der Hand ja schon andere Zahlen genannt worden.

Außerdem ist eine Verschmelzung des Landeskriminalamts mit seinen 423 Beamten und 120 Angestellten mit der Landespolizeidirektion vorgesehen. Diese Überlegungen stoßen auch innerhalb der Polizei auf Widerspruch, denn die Polizei hat bereits jetzt einen personellen Fehlbestand von bis zu 240 Beamten, wie in dem Bericht „Polizei 2020“ dokumentiert ist. Auch die Streichung der Ausgleichszahlung für in Pension gehende Polizisten von 4.091 Euro schafft spürbar Ärger. Was von dem sogenannten Generationenpakt Polizei bleibt, durch den ein Teil des Geldes in zusätzliche Beförderungen investiert werden soll, bleibt abzuwarten.

Zweite Anmerkung. Bei der Bevölkerung rumort es auch, denn sie merkt sehr deutlich, dass sie an der Nase herumgeführt wird. Die Umwandlung von Polizeiinspektionen, die rund um die Uhr besetzt sind, zu Teilinspektionen ohne Nachtschicht empfinden die Bürgerinnen und Bürger als Sicherheitsverlust. Das wissen Sie, deshalb haben Sie auf Ihrer Werbetour durchs Land immer wieder etwas versprochen, was Sie nicht halten wollen und können, nämlich dass alles bleibt, wie es ist, bei gleichzeitiger Einsparung von mindestens 300 Polizisten bis 2020.

Dass die Einsparung keine Minderung der inneren Sicherheit bedeutet, bleibt zu bezweifeln. Sie wollen die Bereitschaftspolizei von derzeit 110 auf 150 Stellen aufstocken und machen vor Ort den Menschen weis, dass ihre Polizeiinspektion oder ihr Polizeiposten erhalten bleibt. Aber ein blaues Hinweisschild mit der Aufschrift "Polizei" ist zu wenig, es muss auch Polizei drin sein, wenn "Polizei" draufsteht. Alles andere ist Irreführung und bei Ihnen so etwas wie Feigheit vor dem Feind, der in diesem Fall der Wähler ist.

Von den 20 Polizeiinspektionen, die derzeit eine Rund-um-die-Uhr-Besetzung haben, sollen zukünftig nur elf übrig bleiben. Bei neun Inspektionen wird das ausscheidende Personal nicht mehr nachbesetzt, sodass der Dienst zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr sukzessive abgebaut wird. Trotzdem tut die Landesregierung so, als würde nichts schlechter, als würde es im Gegenteil sogar teilweise besser. So wird versprochen, dass alle 37 Polizeiposten erhalten bleiben sollen. Die Sicherheit soll nachts durch den verstärkten Einsatz der Bereitschaftspolizei oder von benachbarten Dienststellen mit 24-StundenDienst gewährleistet werden.

Wenn man sich die Presseberichte anschaut, kann man nur staunen, was da alles diskutiert und ausgesagt wurde. So soll das Mandelbachtal auch nachts sicher sein, weil tagsüber die Polizeiposten Ommersheim und Gersheim erhalten bleiben sollen, obwohl die Polizeiinspektion in Blieskastel nachts nicht mehr besetzt sein wird. Die Polizeiinspektion Merzig bleibt in vollem Umfang erhalten, wie es auch bei anderen elf Polizeiinspektionen vorgesehen ist, so zum Beispiel Losheim. Auch sollen nach diesen Presseberichten alle Polizeiposten im Kreis erhalten bleiben. Beim Polizeiposten in Mettlach mit vier Polizisten soll sich fürs Erste nichts ändern, aber ausscheidende Beamte werden nicht nachpersonalisiert. Der Bezirk Wadern wird zukünftig keine 24Stunden-Präsenz mehr haben, aber die Polizei ist selbstverständlich vor Ort! Zukünftig sind die Inspektionen Merzig und St. Wendel zuständig für diesen Bereich. Die Polizeiinspektion Bous deckt Schwalbach mit ab, zukünftig ohne Nachtschicht. Aber es wird nichts schlechter!

Ich könnte mit dieser Liste ewig fortfahren und auch das zitieren, was in der Saarbrücker Zeitung und in der BILD-Zeitung immer wieder nachzulesen war. In Saarbrücken zum Beispiel, das nach der aktuellen bundesweiten Polizeistatistik zu den gefährlichsten Städten Deutschlands zählt - Platz acht von 80, wobei Körperverletzungen und Wohnungseinbrüche besonders zugenommen haben -, bleiben die vier Inspektionen mit ihren 300 Beamten in ihrer Qualität nicht vollständig erhalten. So wird beispielsweise die Polizeiinspektion Alt-Saarbrücken ihre Nachtschicht abbauen. Zukünftig soll es dort gleichberechtigte Polizeiinspektionen geben, was zu einer Zersplitterung der Führungsstruktur in der Stadt führt. Bisher war das in einer Hand, auf eine Person zugeschnitten.

Das alles sind Veränderungen, die unserer Meinung nach erhebliche Beeinträchtigungen und Minderungen der inneren Sicherheit bedeuten. Meine Damen und Herren der CDU, Sie sind nicht die Partei der inneren Sicherheit, sondern die Partei der inneren Unsicherheit. Sie geben nicht zu, dass bereits die erste Welle der Einsparungen bei der Polizei massive Auswirkungen in der Präsenz und in der Fläche mit sich bringt. Das wird mit Ihnen heimgehen. Spätestens dann, wenn die Saarländer bei ihrer Polizei vor verschlossenen Türen stehen. Aus diesen Gründen, weil die innere Sicherheit nicht gegeben, sondern nur vorgetäuscht ist, werden wir, die LINKE, diese Reform ablehnen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Jawohl!)

Meine Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der LINKEN.)

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) )