gen zeigt die derzeitige Entwicklung in immerhin zehn Bundesländern, dass man überall erkannt hat, dass wir uns beim Schulsystem konzentrieren müssen und dass wir uns diese differenzierte Form der Schulen wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr leisten können. Das gilt nicht in dem Sinne, dass eingespart wird, sondern in dem Sinne, dass die steigenden Mittel auf gute Schulen konzentriert werden. Das ist der Ausgangspunkt dafür, dass wir uns dem geänderten Rahmen anpassen und dass wir sagen, wir wollen Kontinuität in der Schule. Wir wollen nicht Ideologie in den Vordergrund stellen, wir wollen uns aber in dieser Kontinuität weiterentwickeln unter der klaren Überschrift „Wahlfreiheit und Schulfrieden“.
Deshalb mache ich eine Äußerung in Richtung der einzelnen Verbände. Ich mache sie bewusst nicht kritisch. Es ist doch wohl klar, dass die Interessenvertreter der Erweiterten Realschule das reklamieren, was für sie die Erweiterte Realschule insgesamt ausmacht und was sie zur Gesamtschule abgrenzt. Genauso verhalten sich umgekehrt die Vertreter der Gesamtschule, der Philologenverband, die Vertreter jeder einzelnen Schulform. Aber, Herr Commerçon, wenn man es kritisch hinterfragt, ist es das Spiegelbild, das selbstverständlich in einer parlamentarischen Anhörung so zu erwarten ist.
Es ist ein heterogenes Bild. Es ist eine klare Interessenwahrnehmung der einzelnen Verbände, was ich gut und richtig finde. Ich darf aber den SLLV erwähnen, der sagt, lasst uns dennoch dieser neuen Schulform eine Chance geben. Wir bringen uns kritisch ein. - Eine letzte Anmerkung. Wenn die Vertreter der Erweiterten Realschule den Verdacht äußern, es ist zu viel Gesamtschule in dem Paket drin, und wenn die Vertreter der Gesamtschule den Verdacht äußern, die Identität der Gesamtschule wird mit Blick auf die Erweiterte Realschule geopfert, dann habe ich den Eindruck, dass wir nicht ganz auf dem falschen Weg sind.
Genau das schlägt sich nieder in unserer Entscheidung für die Gemeinschaftsschule, wo wir gesagt haben: Differenzierung über ein Orientierungsmodell - natürlich im Rahmen der KMK-Beschlüsse - und große Freiheit für die Schulkonferenz mit Zwei-Drittel-Mehrheit, um dort schulstandortbezogen frei entscheiden zu können. Ich erinnere an die Fächer Deutsch, Mathematik und andere Kernfächer, in denen Differenzierung mehr oder weniger stattfinden kann und wo wir wesentlich mehr Mitbestimmung an die Eltern, Lehrer und Schüler geben. Herr Commerçon, ich halte das für einen guten Weg, dort nicht alles festzuschreiben, sondern mit diesem Rahmen zu starten.
Unter der Überschrift Wahlfreiheit kann uns doch niemand absprechen, dass wir Gymnasium mit G 8, Gemeinschaftsschule mit G 9, berufsbildende Schulen, Halbtags- und Ganztagsschulen und freiwillige und gebundene Ganztagsschulen haben und die Schullaufbahnberatung sehr stark für Elternentscheide öffnen. Natürlich gibt es eine entsprechende Beratung in den Grundschulen. Ich nenne das Stichwort Schulfrieden. Die Wahlfreiheit ist für mich Grundvoraussetzung für Schulfrieden, damit keine Lehrer, keine Schüler, keine Eltern mehr sagen müssen, uns wird aufoktroyiert, dass ich in acht oder neun Jahren Abitur machen muss oder in dem oder dem Schulsystem groß werden muss. Deshalb finde ich es sehr gut, dass wir gesagt haben, wir beziehen auch die Träger ein - das will ich nicht vergessen -, wenn es um strukturrelevante Maßnahmen geht, weil immer der Verdacht geäußert wird, es sollten Schulen geschlossen werden. Ich denke, das können wir heute gelassen betrachten. Ob das so sein wird, wird die Zukunft zeigen. Daran werden wir uns messen lassen müssen. Deshalb will ich mich heute mit dem Thema gar nicht befassen, sondern sagen: Wiedervorlage in ein paar Jahren. Dann wird es die Bilanz zeigen.
Ich sage es noch einmal. Wir haben die Grundschule als gutes Fundament und wir haben sie - ich will es so formulieren - mit dem Kooperationsjahr erweitert und verbessert. Sie alle kennen die Rahmenbedingungen dafür. Ich will auch das fünfte Grundschuljahr nicht aussparen. Ich erinnere an das, was ich im Juli 2010 als Fraktionsvorsitzender deutlich von Anfang an gesagt habe: Was die SPD will sechs Grundschuljahre -, kommt überhaupt nicht in Frage. Das sei am Rande bemerkt.
Wir haben weiterhin gesagt, ein fünftes Grundschuljahr halten wir als CDU nicht unbedingt für den Stein der Weisen. Ich habe damals auch in aller Klarheit gesagt, es kommt mit mir nur in Frage, wenn es eine breite gesellschaftliche Akzeptanz in Politik, bei den Verbänden sowie bei Lehrern und Schülern findet. Schon vor diesem Hintergrund hat sich das Thema erledigt; insofern müssen wir darüber nicht länger diskutieren. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es aus unserer Sicht selbstverständlich nicht ein reines CDU-Konzept ist, sondern ein Konzept, das in der Koalition geeinigt ist, das aber den drei Partnern den Raum gelassen hat, ihre bildungspolitische Identität zu wahren und gleichzeitig das Wesen einer Koalition auszudrücken, indem ich dem Anspruch, alleine bestimmen zu können - was eben nicht mehr erfüllbar ist -, das Positive gegenüberstelle, nämlich den Kompromiss und damit breitere gesellschaftliche Akzeptanz.
wenn wir - was ich für wichtig halte - das zentrale Abitur für beide Schulformen beibehalten und damit Qualitätssicherung betreiben, wenn wir uns einig sind, dass berufliche Schulen, die heute schon 50 Prozent der Schüler mit Studienberechtigung hervorbringen, wenn wir ihren Stellenwert in der Schulregion auch mit den Oberstufen wahren und wenn wir - was mir sehr wichtig ist, das will ich betonen zwar der Inklusion Rechnung tragen, uns aber ausdrücklich zum Bestand der Förderschulen bekennen,
weil es viele Kinder gibt, bei denen es im Sinne des Kindeswohles eine entscheidende Weichenstellung ist, dass sie in die richtige Schule kommen, dann sagen wir, das Kindeswohl soll entscheiden und nicht die Ideologie. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, wir schaffen mit dieser Verfassungsänderung sowie der Änderung der schulrechtlichen Vorschriften eine gute Basis, um unsere Bildungsziele zu erreichen, sowie eine gute Basis für breite gesellschaftliche Akzeptanz und für Wahlfreiheit und Schulfrieden. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meiser. - Das Wort hat nun der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Oskar Lafontaine.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion wird der vorgeschlagenen Verfassungsänderung und dem dazugehörenden Schulordnungsgesetz zustimmen. Ich will diese Haltung der Fraktion begründen. Wir hatten vor der Landtagswahl ebenfalls ein schulpolitisches Programm vorgestellt, das wir den Wählerinnen und Wählern zur Entscheidung vorgelegt hatten. In diesem Programm plädieren wir eindeutig für die Gemeinschaftsschule, natürlich nicht für die Gemeinschaftsschule so, wie sie jetzt organisiert werden wird, sondern für eine Gemeinschaftsschule, die sich am Vorbild der nordischen Länder orientiert. Dieses Vorbild ist deshalb für uns erstrebenswert gewesen, weil alle Untersuchungen gezeigt haben, dass eine Schulorganisation, die sich diesem Vorbild nähert, sehr gute Ergebnisse für die Schülerinnen und Schüler zur Folge hat.
Nun muss man natürlich wissen, dass, wenn man darüber zu entscheiden hat - ich bin zum dritten Mal in einer solchen Entscheidung, im Gegensatz zu jüngeren Kollegen, die vielleicht einige Schwierigkeiten haben, das richtig einzuordnen -, man hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht. Diese Zwei-Drittel
Mehrheit ist nur zu haben, wenn man nicht den Anspruch hat, das eigene Konzept in vollem Umfang durchzusetzen, denn - ich sage das in aller mir zustehenden Bescheidenheit - bis die Partei DIE LINKE eine Zwei-Drittel-Mehrheit an der Saar erreicht hat, wird vermutlich noch einige Zeit vergehen.
Also mussten wir uns mit dem traurigen Tatbestand abfinden, dass wir zum Erreichen einer Zwei-DrittelMehrheit auf Kompromisse angewiesen sein werden. So war das im Übrigen immer, wenn die Verfassung hier an der Saar geändert wurde. Ich möchte ein Beispiel nennen, das vielleicht etwas über die falsche Vorgehensweise oder die Fallstricke, die man sich selbst gelegt hat, aussagt. Es gab hier früher einmal die Konfessionsschule. Der eine oder andere wird sich vielleicht noch daran erinnern. Als sie damals aus der Verfassung herausgenommen werden sollte, war die CDU nur dazu bereit, wenn es gleichzeitig Konfessionsklassen gegeben hätte. Die SPD-Führung wollte damals zustimmen, aber der jüngere Teil der SPD hat gesagt: Nein, das machen wir nicht mit. Irgendwann wird die CDU zustimmen müssen, dass es Gemeinschaftsschulen gibt - im damaligen Sinn -, und sie wird ihre Idee der Konfessionsklassen aufgeben. Es gab einen heftigen Streit. Die Jüngeren haben sich durchgesetzt. Nachher war es dann so, dass die CDU eingelenkt hat - das war ja auch sinnvoll -, und es gab, wenn man so will, eine wesentliche Änderung in der Verfassung. Was war das Entscheidende? Wir haben Wert auf die Struktur gelegt, auf die Gemeinschaftsschule als konfessionsübergreifende Schule, und nicht den Fehler gemacht zu sagen: Wichtig wäre uns jetzt ein bestimmter Klassenteiler. Ich komme darauf gleich zurück. Dann hätten wir nämlich das Entscheidende völlig übersehen.
Jetzt haben wir dieselbe Situation: Wir müssen eine Verfassungsänderung zustande bringen und Sie mit der Frage konfrontieren, ob sie eher dazu geeignet ist, das, was wir schulpolitisch für richtig halten, zu ermöglichen, als die gegenwärtige Verfassung. Hier kommen wir zu einem ganz klaren Ergebnis - und um dies zu erkennen, muss man eigentlich kein Geistesriese sein, Herr Kollege Commerçon -: Ein Schulsystem, das auf zwei Säulen gründet, ist eher dazu geeignet, unseren Vorstellungen zu entsprechen, als ein Schulsystem, das mehrere Säulen hat. So einfach ist das.
Wir werden also dieser Verfassungsänderung deshalb zustimmen, weil sie in ihrer Grundstruktur unseren Anliegen eher entspricht als die bestehende Ver
fassung. Und um auch das zu sagen: Ich habe auch von den Verbänden kein einziges nachvollziehbares Argument gehört, das diesen Ansatz widerlegt hätte.
Sie können noch so viel lärmen, meine Herren von der SPD. Sehen Sie sich die Resonanz Ihrer Politik in der Bevölkerung an, und dann gehen Sie in sich! Ich sage Ihnen das aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen.
Der zweite Irrtum, dem man unterliegen kann, wenn man mit einer Regierungspartei oder einer Regierungsmehrheit die Verfassung ändert, ist der, zu glauben, man könne zusammen mit der Verfassungsänderung alle Details verbindlich regeln, die einem selbst richtig erscheinen. Das ist ein Grundirrtum. Ich hätte früher als Ministerpräsident einer solchen Vorgehensweise nicht zugestimmt; deshalb war ich vor solchen Grundirrtümern bewahrt. Natürlich würden wir, wenn wir ein Schulordnungsgesetz machen würden, ein anderes machen. Natürlich würden wir, wenn wir die innere Organisationsstruktur festlegen würden, eine andere festlegen. Aber auch hier muss ich wieder fragen: Ist das, was jetzt vorgesehen ist und was ein Kultusminister vorlegt, der - ich spreche es einmal an - hier an der Saar GEW-Vorsitzender war, besser als das, was bisher ist? Diese Frage habe ich zu beurteilen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es besser ist, weil die Auslese künftig nicht mehr in der bisherigen starken Form auftreten wird, da stärker differenziert wird. Deshalb stimmen wir der Verfassungsänderung zu.
Der dritte Punkt ist für mich jetzt ganz entscheidend: Das Herumreiten auf dem Klassenteiler konnte ich und kann die große Mehrheit der Eltern nicht nachvollziehen, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren - das sage ich auch an die Adresse des Kultusministers -, wenn ich solche Überschriften sehe wie heute wieder, dann ist das sicherlich etwas, das jeder hier in diesem Haus zum Anlass nehmen müsste zu sagen: Wir müssen da irgendetwas tun; wir können es nicht so lassen. Nun kann man sich in der eigenen Kompetenz verheddern, aber irgendwann wirkt dies wie eine Karikatur, weil man das Wesentliche völlig übersieht. Und ich sage Ihnen: Meine Fraktion ist der Auffassung, dass der ständige Unterrichtsausfall hier an der Saar das Hauptproblem ist. Deshalb haben wir dort den Schwerpunkt gesetzt.
Das, was wir mit dem Kultusminister vereinbart haben, reicht uns nicht aus - um dies in aller Klarheit zu sagen. Ich komme gleich noch auf die Zusammenhänge. Wir hätten natürlich gern eine deutlich bessere Personalausstattung. Und jetzt komme ich zu der Frage, wer eigentlich die Schuldenbremse kreiert und in die Verfassung geschrieben hat. Wenn sie in der Verfassung steht, hat sie natürlich gewisse Konsequenzen. Das ist leider nun einmal so. Deshalb hat meine Partei auf Bundes- und hier auf Landesebene nicht für eine Schuldenbremse plädiert, sondern für eine Steuersenkungsbremse. Das ist eine ganz andere Herangehensweise. Es sind jetzt schon wieder Boten unterwegs - da unterscheiden wir uns eben in den politischen Parteien -, die sagen, wir bräuchten weitere Steuersenkungen. Und sehen Sie, meine Damen und Herren: Als beispielsweise vor Jahren Schulpolitik gemacht wurde und der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland noch Helmut Kohl hieß, gab es in den öffentlichen Kassen 100 Milliarden DM Mehreinnahmen. Dieses Geld ist nicht mehr da. Nun gibt es also weiterhin Menschen, die für Steuersenkungen plädieren. Das kann man alles vertreten. Wir halten diese Position für grundfalsch. Wer auf der einen Seite sagt, bei dieser Steuer- und Abgabenstruktur sei er für eine Schuldenbremse, muss doch auf der anderen Seite notwendigerweise eingestehen, dass er das Personal in den Schulen bei Weitem nicht in dem Maß vorhalten kann, wie es vom pädagogischen Standpunkt aus wünschenswert wäre. Ich kann nichts dafür, dass dieser Irrtum begangen worden ist. Ich will es hier nur einmal sagen: Die Schuldenbremse führt zu gewissen Konsequenzen. Man kann sie für richtig halten, aber dann muss man sie auch mittragen.
Unser Hauptanliegen ist, dass die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler verbessert wird. Auch dies ist bei einem stärker gegliederten Schulsystem weniger möglich als bei einem System, das zumindest organisatorisch etwas Spielraum bietet. Und auch bei Folgendem muss man kein Geistesriese sein. Wenn man eine Zwei-Säulen-Struktur hat -
Ich wundere mich, dass sich immer zwei bestimmte Abgeordnete dieses Hauses angesprochen fühlen. Ich meinte sie eigentlich gar nicht so sehr.
Also: Man muss kein Geistesriese sein, um zu erkennen, dass bei zwei Säulen Schulschließungen eher vermeidbar sind als bei einem breiter gegliederten Schulsystem. Zumindest dies müsste doch nachvollziehbar sein. Wir werden auf jeden Fall eine größere Wahrscheinlichkeit haben, Schulen nicht zu
schließen, als wir sie hätten, wenn das bisherige System beibehalten würde. So einfach ist die Rechnung, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN und bei den Regierungs- fraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)
Nun habe ich mir folgende Denksportaufgabe gestellt: Bei welcher Verfassung könnte eine Regierung, die eher links stünde, ihre Schulpolitik eher umsetzen, bei der Verfassung, die wir gegenwärtig haben, oder bei der Verfassung, die wir jetzt beschließen wollen? Da bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen: Es könnte sein, dass die neue Verfassung das, was eine linke Schulpolitik will, eher ermöglicht als die alte Verfassung. Deswegen verstehe ich es auch, dass beispielsweise der Philologenverband nach wie vor die Schulpolitik, für die ich hier stehe, kritisiert. Das war in diesem Land immer so, und es hat doch immerhin noch einen gewissen Reiz, wenn der Philologenverband uns bescheinigt, wir hätten Müller auf rote Krücken gebracht. Da Sie Humor haben, müssten Sie uns doch zugestehen, dass wir hier etwas zustande gebracht haben.
Kollege Commerçon, Sie hatten in Ihren Ausführungen einen etwas falschen Tonfall. Sie haben gesagt, die LINKE sei eingekauft worden. Das reizt mich natürlich.