Gemeinschaftsschulen exakt dieselbe Formulierung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Genau diese rechtssichere Formulierung gestehen Sie nur dem Gymnasium zu, nicht der Gemeinschaftsschule.
Deswegen ist es nun einmal falsch, von Gleichwertigkeit an dieser Stelle zu sprechen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie reden hier von Standorten und einer Standortgarantie. Als wir Sie darum gebeten haben, das schriftlich zu vereinbaren, haben Sie gesagt, das wollen Sie nicht schriftlich vereinbaren. Wenn Sie bereit wären, all das, was Sie hier heute behaupten, wirklich umzusetzen, hätten Sie es mit uns in einen Text gießen können. Dann hätten Sie es mit uns vereinbaren können. Sie waren bis zum Schluss nicht bereit, all das zu tun, meine sehr verehrten Damen und Herren. Auch deswegen können wir nicht zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, die Lehrerschaft an den Gemeinschaftsschulen. Die Lehrerinnen und Lehrer an den Gemeinschaftsschulen sollen weiterhin eine höhere Unterrichtsverpflichtung haben, sie sollen weiterhin im Durchschnitt schlechter als an den Gymnasien bezahlt werden. Wo, Herr Minister, besteht dort Gleichwertigkeit?
Zu den Sonderlasten, die Sie den Gemeinschaftsschulen aufdrücken: Die Gemeinschaftsschule wird eine Pflichtschule sein, anders als das Gymnasium, das eine Angebotsschule ist. Die Gemeinschaftsschule muss alle Kinder aufnehmen. Das ist auch gut. Es wird allerdings gleichzeitig dafür gesorgt, dass es eben keine durchgängige Unterrichtung im Klassenverband gibt - Sie haben das eben angesprochen -, sondern Selektion, und dass an der Gemeinschaftsschule von Anfang an eine Abschlussbezogenheit vorgesehen ist.
Auch an dieser Stelle zum Beleg noch einmal die GEW aus der gleichen Zeitschrift, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin. Es heißt dort: „Dass Schüler/ innen an Gymnasien einen Hauptschulabschluss oder einen mittleren Abschluss ohne Prüfung, an der Gemeinschaftsschule aber nur mit Prüfung erwerben können, signalisiert ganz bestimmt keine Gleichwertigkeit.“ So weit das Zitat von der GEW.
Im Übrigen, Herr Minister, schauen Sie sich einmal Ihre früheren Reden an. Genau das Gleiche haben Sie früher gesagt, als Sie GEW-Vorsitzender gewesen sind. Wenn wir so etwas gemacht hätten, hätten Sie sich doch auf den St. Johanner Markt gestellt und dagegen geschrien und hätten gesagt, das sei Verrat. Heute verweigern Sie genau das.
Ich sage, all dies wäre vielleicht im Zweifel noch allenfalls akzeptabel, aber dafür würden die Gemein
schaftsschulen einen Ausgleich brauchen. Darauf haben wir in den Verhandlungen gedrungen, auf einen Ausgleich, damit die Gemeinschaftsschulen zumindest in der Öffentlichkeit als gleichwertig wahrgenommen werden. Herr Minister, Sie reden heute in der Saarbrücker Zeitung wieder vom Vergleich mit Hamburg, Bremen und Sachsen. In Hamburg, Bremen und Sachsen werden genau diese Ausgleiche geschaffen. Genau dort sind die im Gesetz festgelegt. All das, was wir ins Gesetz schreiben wollten von kleineren Klassen bis zur höheren Verbindlichkeit steht dort im Gesetz, wurde dort zwischen allen Parteien vereinbart. Genau das haben Sie uns an dieser Stelle nicht schriftlich zugestanden. Deswegen können wir dieser Sache nicht zustimmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich zitiere zum dritten Mal die GEW. Da heißt es zum Abschluss dieses Artikels: „Sollten die Forderungen der GEW, der Oppositionsparteien“ - damals noch beide -, „der Verbände, Elternvertretungen und Bildungsinitiative nicht ernst genommen werden, so steht zu befürchten, dass der Gemeinschaftsschule der Makel der Restschule anhaften wird und somit der erhoffte Schulfrieden dann eher einer Friedhofsruhe gleicht“. Das ist nicht die Position, die die SPD beschrieben hat. Das hat die GEW, Ihre Gewerkschaft, beschrieben, Herr Minister. Das müssen Sie doch zumindest ernst nehmen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.
Dann kommt der Vorwurf der Fundamentalopposition. Ich sage einmal ganz ehrlich, mich interessiert nicht primär, was die anderen politischen Parteien hier zu sagen haben. Das interessiert mich nicht primär, wenn es um die Frage Fundamentalopposition geht, sondern es interessiert mich, was die Betroffenen sagen, und was die Experten sagen.
Ich zitiere den Realschullehrer-Verband: „CDU verrät ihre Ideale. Der Verband der Realschullehrer hat die Zustimmung der CDU zur Bildung einer Gemeinschaftsschule in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. VDR-Landeschefin Inge Röckelein warf der CDU vor, ‚verantwortungslos und - auf lange Sicht gesehen - politisch auch unglaublich dumm’ zu handeln. (...) Röckelein unterstrich, durch die ‚gegenseitige Anbiederung Jamaika und LINKE’ werde ‚in schamloser Weise Schule und damit Bildung unserer Kinder zum taktischen politischen Spielfeld degradiert’.“
Der VDR-Bundesvorsitzende Jürgen Böhm sieht darin eine Abkehr von den Prinzipien der Qualität der individuellen Förderung der Schülerinnen und
Schüler und der Leistungsorientierung. Die Wirtschaftsschullehrer: „Der Verband der Lehrer an Wirtschaftsschulen im Beamtenbund hat die geplante Verfassungsänderung zur Schulreform kritisiert.“
Der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband, Sie haben es angesprochen, hat sich geäußert - ich zitiere -: „‚Nicht überrascht’ zeigte sich auch der SLLV von der Absage des SPD-Landesvorstandes an die geplante Gemeinschaftsschule. ‚Kein Wunder bei den bisher bekannten Rahmenbedingungen!’ (...) ‚Auch wir wollen keine Mogelpackung mit Durchschnitts-Größen pro Klasse und Schule, sondern ein klares Bekenntnis zu keiner Klasse mit mehr als 25 Schülern!’“ Herbert Möser - er sitzt da, ich grüße Sie -: „Wenn die Gemeinschaftsschule das Ergebnis eines politisch gefärbten Schulkompromisses wird, brauchen wir sie nicht. Der SLLV will keinen faulen Schulkompromiss.“
Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule schreibt uns: „Mit großer Erleichterung haben wir die Entscheidung der SPD-Landtagsfraktion zur Kenntnis genommen, einer Verfassungsänderung in dieser Form nicht zuzustimmen. Die GGG begrüßt jede Änderung, die es mehr SchülerInnen ermöglicht, lange miteinander zu lernen, doch die vorliegende Reform scheint uns hierzu nicht geeignet zu sein“.
Noch einmal die GEW: „Bis jetzt ist noch unklar, was vor Ort drin ist, wo Gemeinschaftsschule drauf steht. Die Landesregierung muss ein klares Konzept für diese neue Schulform erarbeiten, das die bisher erfolgreichen Formen gemeinsamen Lernens ohne Abstriche gewährleistet und weiterentwickelt.“ - „Die Landesregierung will Erweiterte Realschulen und Gesamtschulen irgendwie zu Gemeinschaftsschulen zusammenführen. Die von der Landesregierung vorgelegten Eckpunkte sind aber nach Auffassung der GEW insgesamt noch unausgegoren.“ Peter Balnis, Ihr Nachfolger, er ist heute hier anwesend, sagt: „Ich habe Verständnis dafür, dass die SPD nach intensiver Prüfung und umfangreichen Debatten diesen Vorschlag nicht mitträgt.“ Die Gesamtlandeselternvertretung des Saarlandes äußert, sie sei ähnlich wie die SPD der Meinung, dass die bisherigen Pläne der Koalition in Sachen Gemeinschaftsschule zu unspezifisch bei der konkreten Ausgestaltung und daher noch nicht ausgegoren seien. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Fundamentalopposition sieht anders aus.
Der Philologenverband setzt noch eins drauf. Er wirft der CDU im Saarland bildungspolitische Prinzipienlosigkeit vor. Der Vorsitzende Meidinger sagt: „Ministerpräsident Müller läuft in der Bildungspolitik auf roten Krücken aus dem Sanitätshaus Lafontaine.“ Der Deutsche Philologenverband ist ja weit entfernt davon, der Sozialdemokratie nahe zu stehen. Meine
sehr verehrten Damen und Herren, die Wahrheit ist: Wir sind nicht in der Fundamentalopposition, Sie leiden unter einem fundamentalen Realitätsverlust über die Wahrnehmung in diesem Land.
Die FDP brüstet sich derweil damit, dass eine Aufstockung des Bildungsetats verhindert wurde, das steckt offenbar in dieser Position. Der Minister sagte gestern, wegen rückläufiger Schülerzahlen könne man sich die bisherige Zahl an Schulformen nicht mehr leisten. Wenn das, Herr Minister, keine versteckte Drohung ist, künftig mit der Sparquote zu argumentieren, dann weiß ich nicht, wie so etwas sonst zu verstehen sein soll. Zum Sparen in der Bildung sind wir nicht angetreten, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Erstaunlich ist nur, dass es Ihnen gelungen ist, die Linkspartei einzukaufen. Aber das müssen die mit sich selbst ausmachen. Die wissen auch, dass es um etwas anderes geht. Ich zitiere Herrn Lafontaine beim Politischen Aschermittwoch: „Wir mussten einen Kompromiss eingehen. Und Sie haben natürlich recht, das ist, wenn Sie so wollen, ein Blankoscheck, denn es könnte sein, dass die Koalition auf der Grundlage der Verfassungsänderung das eine oder andere, was sie jetzt öffentlich erklärt, nicht macht. Dafür haben wir keine Garantie.“ Anschließend wird überall erklärt, das sei eigentlich das Konzept der Schulstruktur der CDU, das Sie durchgesetzt hätten. Wenn das so ist - Herr Kollege Schmitt, Sie nicken jetzt wieder -, wenn das Ihr Konzept ist, sehe ich keinen Grund, warum die SPD zustimmen sollte.
Es ist aber auch gar nicht Ihr Konzept, es ist genauso wenig ein fortschrittliches Konzept. Was Sie hier vorgelegt haben, ist überhaupt kein Konzept. Sie stehen gar nicht hinter einer wirklichen Gemeinschaftsschule. Sie lavieren sich durch. Ihnen geht es an dieser Stelle nur um eins, es gibt nur einen Grund für Ihre Zustimmung. Wie schon bei der Koalitionsbildung gibt es nur den einen Grund, das ist der pure Machterhaltungswille. Alles andere interessiert Sie an dieser Stelle nicht.
Wegen der fortgeschrittenen Zeit verschone ich Sie von den Zitaten Ihres Kollegen Presser und sage abschließend nur noch mal Folgendes: Es gibt einen klaren Grund, warum wir nicht zustimmen. Wir sind für Qualitätsverbesserung, wir werden auch weiterhin für Qualitätsverbesserung sein. Wir sind für gerechte Bildungschancen und werden dafür auch weiter kämpfen. Wir wollen, dass die Bildung der Kinder unabhängig wird vom Geldbeutel der Eltern. Es gibt
einen wunderbaren Wettbewerb im deutschen Bildungssystem, der heißt „Schüler experimentieren“. Was Sie hier machen, ist mit Schülern experimentieren. Dafür werden wir unsere Hand nicht heben.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Commerçon. - Das Wort hat nun der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Klaus Meiser.
(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Bei anderen Rednern wird das Überziehen der Redezeit gleich von Ihnen moniert.)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Saarland hat ein gut funktionierendes Schulsystem. Auf dem Fundament der Grundschule bauen die weiterführenden Schulen auf. Das ist unser Ausgangspunkt. Diese Bestandsaufnahme ist auch Ausgangspunkt für die Befindlichkeit, die oft so formuliert wird: Eigentlich brauchen unsere Schulen Ruhe, warum also schon wieder Veränderungen? Das ist die eine Frage beziehungsweise Aussage. Die andere Aussage ist: Entscheidend sind doch nicht die Schulformen, entscheidend ist die Qualität der jeweiligen Schule.
Ich will mit dem zweiten Punkt beginnen und sagen, die Aussage ist grundsätzlich richtig. Ohne Zweifel steht und fällt die Qualität eines jeden Bildungsangebotes mit seinen Rahmenbedingungen. Deshalb will ich auch gerne, bevor ich über die Struktur rede, betonen: Selbstverständlich ist es richtig und gut, dass wir Schritt für Schritt in die Verbesserung der Qualität investieren. Das betrifft auch die Schulen in ihrer Ausstattung, ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Konjunkturpaket. Ich erinnere auch an Themen wie Klassengrößen, Klassenteiler, Schüler-Lehrer-Relation, wo wir selbstverständlich gemeinsam den Willen haben, gerade mit Blick auf die demografische Entwicklung Verbesserungen herbeizuführen. Ich glaube, das wird niemand dem anderen absprechen. Die Frage ist nur, wie schnell dies geschehen kann angesichts der Haushaltsnöte. Wir reden selbstverständlich über ganz wichtige Fragen wie Maßnahmen gegen den Unterrichtsausfall, die organisatorisch zu ergreifen sind, indem - wie der Minister es schon angekündigt hat - in den Folgejahren auch frei werdende Lehrer dagegen eingesetzt werden.
Ich will weiter erinnern an die Erweiterung der Ganztagsangebote mit einer Verbesserung der pädagogischen Betreuung, mit besserer Personalisierung und so weiter. Das heißt im Klartext. Wir sind bei der Frage der Verbesserung der Qualität der Schulen in einem Prozess, der stattfindet und stattfinden muss unabhängig davon, wie die Struktur heute und wie sie morgen aussieht.
Dann stellt sich natürlich die Frage, warum dann Veränderungen stattfinden. Da sage ich ganz deutlich, es sind nicht Veränderungen im Sinne eines ideologisch völlig neuen Schaffens, sondern es sind Veränderungen, die eine Fortschreibung, eine Verbesserung, aber auch ein Reagieren auf Entwicklungen bedeuten. Mit die wichtigste und schwierigste ist die demografische Entwicklung. Ich darf eine IstZahl in Erinnerung rufen. Zwischen 2010 und 2014 werden wir etwa 12.000 Schülerinnen und Schüler weniger in unseren Schulen haben. Wer die Medienberichterstattung der letzten Wochen verfolgt hat, konnte feststellen, wie dramatisch sich die Zahlen in den Schulformen zurückentwickeln, wie die Anmeldezahlen beispielsweise in unseren Erweiterten Realschulen sind. Wir wollen diese Schulen erhalten, sie sind uns lieb und wert. Aber die demografische Entwicklung verbunden mit veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen fordert uns doch heraus, auch an den Strukturen etwas zu tun.
Deshalb, Kollege Commerçon, will ich eines in Erinnerung rufen. In den Verhandlungen ist heftig gestritten worden, wie schnell Standards verbessert werden müssen, wie schnell die Schüler-Lehrer-Relation verbessert werden muss. Keine Frage. Aber ich darf doch heute festhalten - ich glaube, das wird auch der Debatte gerecht -, an der Grundsatzfrage, dass wir mit Blick auf die demografische Entwicklung ein Zwei-Säulen-Modell unter Einbeziehung natürlich auch der beruflichen Schulen brauchen und wir uns dorthin entwickeln wollen, bestand doch dem Grunde nach kein Zweifel, es sei denn, ich hätte alle Verhandlungsrunden falsch verstanden.
Sie haben immer nur gesagt, dass Sie in diesem System die Dinge klarer, detaillierter definiert haben wollen. Dann darf ich daran erinnern, dass auch 1996 die Opposition einmal das Vertrauen hatte und sich auch damit zufrieden gegeben hat, dass die Grundsatzentscheidungen miteinander vereinbart worden sind. Wir sind uns doch bei der Ausgestaltung der Schule und natürlich der anderen Ziele, die Sie zu Recht reklamieren, einig gewesen und sagen nur, dass wir angesichts der Finanzlage nicht so schnell handeln können, wie es wünschenswert wäre. Lediglich in diesem Punkt sind wir auseinander gewesen.
Deshalb finde ich es traurig, wenn heute der Eindruck entstehen könnte, wir lägen fundamental und grundsätzlich auseinander. Es ist nicht so. Im Übri
gen zeigt die derzeitige Entwicklung in immerhin zehn Bundesländern, dass man überall erkannt hat, dass wir uns beim Schulsystem konzentrieren müssen und dass wir uns diese differenzierte Form der Schulen wie in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr leisten können. Das gilt nicht in dem Sinne, dass eingespart wird, sondern in dem Sinne, dass die steigenden Mittel auf gute Schulen konzentriert werden. Das ist der Ausgangspunkt dafür, dass wir uns dem geänderten Rahmen anpassen und dass wir sagen, wir wollen Kontinuität in der Schule. Wir wollen nicht Ideologie in den Vordergrund stellen, wir wollen uns aber in dieser Kontinuität weiterentwickeln unter der klaren Überschrift „Wahlfreiheit und Schulfrieden“.