Protocol of the Session on February 17, 2011

Wahlen verstoßen und damit die Verfassung verletzt hat. Diese Verfassungsverstöße stellen unserer Meinung nach schwere Demokratieverstöße im Sinne von § 46 Abs. 2 des Landtagswahlgesetzes dar, insbesondere weil sie schwerwiegende und fortlaufend gravierende Verletzungen des Verbots der amtlichen Wahlbeeinflussung darstellen.

Der zweite Grund, den ich benannt habe, ist die Ausgestaltung des Stimmzettels. Auch hierzu einige Anmerkungen. Wir sind der Auffassung, dass die Ausgestaltung der amtlichen Stimmzettel zur in Rede stehenden Landtagswahl einen Verstoß gegen die Grundsätze einer demokratischen Wahl darstellt. Auf dem amtlichen Stimmzettel - das will ich nur noch einmal in Erinnerung rufen - ragte ein Orientierungspfeil, der die Wähler auf die richtige Spalte hinweisen sollte, bis in das Feld, das der Liste der CDU zugeordnet war. Im Wahlkreis Neunkirchen berührte er sogar fast den Kreis im CDU-Feld. Dieser Orientierungspfeil und damit der Stimmzettel insgesamt beinhaltete einen Aufforderungscharakter dergestalt, ein Kreuz im ersten der Kästchen als übliche Antwort auf die Frage nach der persönlichen Wahlpräferenz zu betrachten. Der Orientierungspfeil ist in seiner konkreten Ausgestaltung damit auch geeignet, zumindest unterbewusst das Wählerverhalten zugunsten einer Partei, hier zugunsten der CDU, zu beeinflussen. Ich finde es im Übrigen auch interessant, an den Ausführungen der Vorredner festmachen zu können, dass man schwerpunktmäßig gar nicht mehr auf die Frage eingeht, ob Wahlrechtsverstöße vorliegen, sondern dass man sich auf die Fragestellung der Verhältnismäßigkeit im weiteren und engeren Sinne konzentriert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die beiden Wahlrechtsverstöße jeweils für sich genommen, aber erst recht in der Gesamtschau sind nach unserer Auffassung auch geeignet, die Sitzverteilung im saarländischen Landtag zu beeinflussen. Diese Mandatsverschiebung ist aufgrund der Schwere der Verstöße, aber auch aufgrund der Tatsache, dass die Wahlergebnisse bei der Landtagswahl 2009 im Hinblick auf die konkrete Sitzverteilung knapp waren, eine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und nicht ganz fern liegende Möglichkeit und entspricht damit auch dieser Tatbestandsvoraussetzung.

Kolleginnen und Kollegen, aus all diesen Gründen haben wir erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Wahlen zum 14. Landtag des Saarlandes. Letztlich ist unserer Auffassung nach nur der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes als unabhängige Instanz in der Lage, diese Frage endgültig zu klären. Unsere Rechtsauffassung werden wir, wenn der Landtag mit entsprechender Mehrheit heute Gegenteiliges beschließt, wovon auszugehen ist, im Rahmen einer

Anfechtungsklage vor dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes vertreten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach all diesem Hin und Her scheint uns eine Entscheidung eines unabhängigen Gerichtes über die legitime Zusammensetzung dieses Parlaments als die beste Lösung. Eine Entscheidung, die Klarheit bringt und dann auch - so oder so - von allen zu akzeptieren ist. Dieser Weg ist im Interesse aller, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, aber auch im Interesse dieses Parlamentes. Denn schließlich geht es um die Legitimation unserer Arbeit als Gesetzgebungsorgan. Es geht um die Legitimation des Parlamentes als Verfassungsorgan, von dem aus alle andere staatliche Gewalt ihre eigentliche Legitimation ableitet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin im Übrigen der Auffassung - und an diesem Punkt sollten wir uns alle einig sein -, dass wir die Wahrung demokratischer Grundsätze, zumindest die Überprüfung solcher, nicht NPD-Funktionären überlassen sollten.

(Abg. Schmitt (CDU) : Das fällt Ihnen jetzt ein! Warum haben Sie direkt nach der Wahl keine Rechtsmittel eingelegt?)

Kolleginnen und Kollegen, die parlamentarische Arbeit ist in hohem Maße auf Akzeptanz durch die Wählerinnen und Wähler angewiesen. Eine solche Akzeptanz ist von vornherein ausgeschlossen, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl und damit auch an der rechtmäßigen Zusammensetzung des Parlamentes bestehen. Wir brauchen hier im Sinne der Demokratie Klarheit. Genau dafür werden wir an dieser Stelle auch sorgen. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD. - Abg. Schmitt (CDU) : Die SPD hatte zwei Jahre!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rehlinger. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Horst Hinschberger von der FDP-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Freie, gleiche und geheime Wahlen bilden das elementare Grundgerüst eines demokratischen Rechtsstaates. Da ist es richtig und wichtig, dass über die Einhaltung dieser Grundsätze auch gewacht wird. Dazu gehört, dass jeder Bürger das Recht hat, die Wahl anzufechten, wenn er Verletzungen der Wahlgrundsätze zu erkennen glaubt oder sich in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt. Darum ist es richtig, dass der Wahlprüfungsausschuss des Landtages diese Anfechtungen ernst nimmt und die dort vorgebrachten Rügen eingehend prüft. Ge

(Abg. Rehlinger (SPD) )

nau das hat der Wahlprüfungsausschuss versucht zu tun, meine Damen und Herren.

Um das Prüfverfahren geordnet, transparent und nicht willkürlich ablaufen zu lassen, haben wir zunächst - dies war einvernehmlich, was ich feststellen möchte, Frau Rehlinger - ein entsprechendes Verfahrensgesetz erarbeitet, ähnlich wie es bereits in vielen anderen Bundesländern verabschiedet ist. Die Aufgabe des Landtages ist es hier, anstatt einer gerichtlichen Instanz die Einsprüche zu prüfen und zu würdigen. Die Grundsätze einer richterlichen Entscheidung, die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit sind die Grundlage der Arbeit dieses Ausschusses. Ich will ganz deutlich sagen, ich habe an nahezu allen Sitzungen des Ausschusses teilgenommen und hatte immer den Eindruck, dass es diesen Konsens bei allen Teilnehmern im Ausschuss gab. Man war bemüht, ehrlich, offen, unvoreingenommen und unparteilich zu prüfen. Sie stellen es heute aber so dar, als wäre das Verfahren ein anderes gewesen, als sei es darum gegangen, sich Parteilichkeiten zuzuweisen. Das muss ich zurückweisen, Frau Rehlinger. Das gibt nicht die tatsächlichen Vorgänge im Ausschuss wieder.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir haben es für notwendig erachtet, einige Fragen im Bereich des Tatsächlichen zu klären. Dazu hielten wir Beweiserhebungen für erforderlich, um eine gründliche und gewissenhafte Prüfung durchzuführen, wie es die Bedeutung von Landtagswahlen aus unserer Sicht erfordert. Diese unsere Auffassung hat im Übrigen in der Anhörung auch der Rechtsanwalt Hans-Georg Warken, selbst Richter am Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, bestätigt. Die überwiegende Mehrheit im Ausschuss hat dann jedoch unter dem Eindruck der Entscheidung des Verfassungsgerichtes vom 31. Januar 2011 lieber schnell entscheiden wollen, worüber wir heute auch abstimmen werden.

Die inhaltliche Entscheidung des Ausschusses zu den vorgetragenen Anfechtungsgründen trifft die Überzeugung der FDP-Landtagsfraktion. Die Wahlanfechtung betreffend Listenaufstellung der Partei DIE LINKE war in allen Punkten nicht eindeutig und unwidersprochen belegt. Vielmehr standen sich jeweils gegensätzliche Aussagen gegenüber. Auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft konnten die Vorwürfe nicht untermauern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, Herr Kollege Theis hat dies bereits erwähnt, müssen bei Kandidatenaufstellungen elementare Rechtsverstöße vorliegen, um einen Wahlfehler bei der anschließenden Landtagswahl zu begründen. Dies ist eine richtige und weitschauende Entscheidung, denn wo kämen wir hin, wenn böswillige Querulanten durch regelwidriges Verhalten bei Listenaufstellungen der

Parteien ganze Landtags- oder Bundestagswahlen zu Fall bringen könnten?

Zum Anfechtungsgrund der unzulässigen Wahlwerbung. Inhaltlich hat der Verfassungsgerichtshof diese Frage bereits geklärt und sie wurde auch schon im Landtag diskutiert. Es stellt sich in der Tat die Frage, ob die Inserate, die von den Heldentaten der Vorgängerregierung kündeten, tatsächlich geeignet waren, die Zusammensetzung des Landtages überhaupt zu beeinflussen. Aus Sicht der FDP-Fraktion ist dies mit Sicherheit nicht der Fall. Auch der Beipackzettel zu den Besoldungsbescheiden hat nicht nur Risiken und Nebenwirkungen aufgezeigt, sondern sich mit Sicherheit nicht positiv für die Regierungspartei ausgewirkt.

Bleibt noch der Vorwurf, der Hinweispfeil auf dem Stimmzettel hätte zu weit in das Wahlfeld der CDU geragt und dadurch sei das Wahlergebnis beeinflusst worden. Das ist sehr weit hergeholt. Tatsächlich - das schauen Sie sich bitte noch einmal genau an - zeigt der Pfeil in die Spalte, in der sich die Kreise aller an der Wahl beteiligten Parteien befinden.

(Sprechen.)

Wir haben uns durch diesen Wahlzettel jedenfalls nicht beschwert gefühlt. Ich verstehe auch nicht, dass Sie sich so beschwert fühlen.

Im Übrigen hat die Anhörung der Sachverständigen keinen eindeutigen Hinweis erbracht, dass damit die Wahlentscheidung konkret beeinflusst worden wäre. Das haben Sie vorhin ja anders dargestellt, Frau Kollegin. Sie haben von einer konkreten Beeinflussung gesprochen. Das ist nicht der Fall, das hat diese Anhörung klar ergeben. Das möchte ich noch einmal festhalten.

(Beifall bei der CDU und der FDP.)

Wir verstehen wohl, dass die genannten drei Vorgänge bei der SPD Verärgerung ausgelöst haben. Bei nüchterner Betrachtung muss man jedoch erkennen, dass sie für die Begründung einer Neuwahl nicht ausreichen werden. Denn, liebe Genossen, wenn ich mir das erlauben darf -

(Zuruf von der SPD.)

Liebe Genossinnen und Genossen, richtig. Ich danke für den Hinweis, Herr Kollege Maas. Das ist mir ganz aus dem Auge geraten, was mir sonst nie passiert.

(Heiterkeit und vereinzelt Beifall.)

Ganz so doof, wie Sie uns jetzt glauben machen wollen, sind die Wähler im Land nicht. Wenn es um die Frage von Wahlrechtsverletzungen geht, kündige ich heute schon an, dass wir die Vorgänge rund um die Briefwahlen und dabei Ihre unermüdlichen Stimmensammler fest im Auge behalten werden.

(Abg. Hinschberger (FDP) )

Hier tut sich nämlich ein viel größerer Beeinflussungsfaktor für eine Wahl auf als in allen bisher vorliegenden Anfechtungsgründen.

(Zuruf.)

Ich lasse bei Bedarf gerne eine Zwischenfrage zu, Herr Kollege Lafontaine. - Ich fasse zusammen. Keiner der vorgebrachten Wahlanfechtungsgründe belegt einen derart schwerwiegenden Wahlfehler, der die zurückliegende Landtagswahl ungültig machen kann. Zweitens. Vor allem wird keine hinreichende Mandatsrelevanz, die zu einer anderen Sitzverteilung führen würde, begründet erkennbar. Drittens. Das Verfassungsgericht ist gehalten, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, denn eine einmal durch Wahl hervorgebrachte, eingesetzte und bereits tätig gewordene Volksvertretung genießt verständlicherweise auch einen gewissen Bestandsschutz. Ich empfehle Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Annahme des Beschlussvorschlages des Wahlprüfungsausschusses. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hinschberger. Das Wort hat nun die Abgeordnete Birgit Huonker von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE erachtet die Landtagswahl 2009 für gültig und bittet um Zustimmung zur Empfehlung des Wahlprüfungsausschusses. Bevor ich jedoch nachfolgend auf die Gründe eingehe, erlauben Sie mir noch ein paar einführende Bemerkungen.

Herr Kollege Theis, wir haben in sehr langen, intensiven Sitzungen lange darüber diskutiert, was wir wie wo tun müssen. Wir haben uns alle sehr intensiv damit beschäftigt. Daher fand ich die Polemik am Anfang und am Ende Ihres Beitrages nicht konstruktiv, auch nicht zielführend. Es sei Ihnen unbenommen, aber ich denke, es war nicht notwendig. Ich möchte auch auf diese Polemik nicht weiter eingehen, denn wir haben uns auch im Hinblick auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes intensiv damit beschäftigt.

Ich möchte auf die Gründe eingehen und komme zunächst zur Gestaltung der Wahlzettel. Es ist wohl jedem klar, dass dieser Wahlzettel nur einer Partei gefallen haben dürfte. Uns hat er jedenfalls nicht gefallen und eine Beeinflussung ist auch nicht auszuschließen. Das ist bereits begründet worden, ich möchte darauf nicht näher eingehen. Aber auch die Sachverständigen - auch wenn sie nach dem Urteil

des Verfassungsgerichtshofes nicht die richtigen gewesen sind - konnten zu der möglichen psychologischen Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler durch den Orientierungsfall keine aussagekräftigen Ausführungen machen. Daher lagen auch dem Ausschuss keine gesicherten Erkenntnisse darüber vor, ob eine ausreichende psychologische Beeinflussung stattgefunden hat, die zu einer Änderung der Sitzverteilung im Landtag geführt hätte.

Mit anderen Worten, wir konnten nicht sagen, wie viele Menschen sich durch den Orientierungspfeil haben beeinflussen lassen und ihre Stimme der CDU gegeben haben. Wir konnten aber auch nicht sagen, bei wie vielen Menschen dieser Orientierungspfeil genau das Gegenteil bewirkt hat, frei nach dem Motto: Ich lass mir doch von denen nicht vorschreiben, wie ich zu wählen habe, ich mach jetzt grad erst recht mein Kreuz woanders. Wir konnten es nicht nachvollziehen.

(Sprechen.)

Man befindet sich also im Bereich der Mutmaßung, sodass eine Wahrscheinlichkeit für die Mandatsrelevanz des Wahlfehlers in diesem Fall nicht angenommen werden konnte.

Ich möchte jetzt zur Wahlwerbung der damaligen CDU-Landesregierung kommen. Auch hier sind keine gesicherten Erkenntnisse darüber möglich, ob eine signifikante Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler vorgelegen hat. Die Frage, ob durch die unzulässige Wahlwerbung das Landtagswahlergebnis derart beeinflusst wurde, dass ohne sie eine andere Sitzverteilung im Landtag in Betracht kommt, ist durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 01. Juli 2010 nicht entschieden worden. In diesem Urteil stellt der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Wahlwerbung unzulässig war. Eine mögliche Beeinflussung der Sitzverteilung des Landtages kann daher weder ausgeschlossen noch angenommen werden. Auch hier können wir nicht beurteilen, inwieweit diese Werbung die Wähler tatsächlich beeinflusst hat, vor allem nicht, zu welchen Stimmverhalten die Wähler beeinflusst wurden. Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für die Mandatsrelevanz des Wahlfehlers nur aufgrund von Mutmaßungen kann auch hier nicht angenommen werden.

Ich komme jetzt zur Listenaufstellung der LINKEN im Wahlkreis Neunkirchen. Ich möchte zunächst betonen, dass wir die Auffassung vertreten, dass der Landtag nicht über die Gültigkeit und Zulässigkeit einer Listenaufstellung einer Partei entscheiden kann. Die Gefahr einer politischen Instrumentalisierung tritt bei der gegenseitigen Überprüfung der Listenaufstellung offen zutage. Herr Theis, es widerspricht nach meiner tiefen Überzeugung demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn die politische Mehrheit im Landtag über die Gültigkeit und Zuläs

(Abg. Hinschberger (FDP) )

sigkeit der Listenaufstellung einer politischen Minderheit, nämlich der Opposition, zu urteilen oder zu befinden hat. Meine Damen und Herren, hier wäre einem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

(Zuruf des Abgeordneten Lafontaine (DIE LIN- KE).)

Deshalb ist nur der Verfassungsgerichtshof dazu berufen, über eine angefochtene Listenaufstellung einer Partei zu entscheiden.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Da es sich der Landtag aber zur Aufgabe gemacht hatte, die Listenaufstellung der LINKEN zu überprüfen, nehmen wir zu den erhobenen Vorwürfen wie folgt Stellung. Die Vorwürfe sind teilweise bereits rechtlich nicht relevant, weil sie keinen Wahlfehler begründen.