Protocol of the Session on December 7, 2010

(Beifall von der LINKEN und Zurufe: Genau!)

Kommen wir zum Haushalt. Ich glaube, das ist ein ernstes Thema, mit dem wir uns auch ernsthaft auseinandersetzen sollten. Wir haben mit dem Haushaltsplan 2011 den ersten Haushaltsplan unter dem Diktat der Schuldenbremse. Ich meine, wir sollten uns diesbezüglich noch einmal einige Fakten vor Augen führen.

Die Schuldenbremse führt dazu, dass 80 Millionen Euro eingespart werden sollen. Diese Einsparungen sollen vor allem in drei Bereichen stattfinden, ers

tens und zum überwiegenden Teil im öffentlichen Dienst, zweitens im Baubereich, drittens bei den Sozialkosten. Trotz dieser Schuldenbremse haben wir aber auch im Haushaltsplan 2011 eine Neuverschuldung, einschließlich der Sondervermögen, von fast einer Milliarde Euro. Insgesamt haben wir einen Schuldenberg von zwölf Milliarden Euro. Das sind die Fakten, mit denen man sich auseinandersetzen muss.

Vor diesem Hintergrund wird immer gesagt - auch Herr Meiser hat es eben gesagt und auch Minister Jacoby -, die Schuldenbremse sei alternativlos, man könne nichts anderes machen. Es wird auf die Konsolidierungsbeihilfen in Höhe von 2,34 Milliarden Euro hingewiesen. Das hört sich ja zunächst einmal auch nach sehr viel an. Betrachtet man das aber vor dem gesamten Schuldenberg, relativiert sich dies erheblich. Die jährliche Konsolidierungsbeihilfe von 260 Millionen Euro entspricht gerade einmal etwas mehr als der Hälfte der anstehenden Zinszahlungen. Eine Konsolidierung, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird damit nicht erreicht.

Umgekehrt ist der Sozialabbau, den wir sehr konkret erleben, eine Realität der Schuldenbremse. Als Reaktion darauf hatten wir heute Morgen, und nicht nur heute Morgen, die Demonstrationen des öffentlichen Dienstes und aller Betroffenen. Es ist richtig, wie heute Morgen und auch bei anderen Kundgebungen gesagt wurde, dass man sich jetzt zur Wehr setzen muss. Wir sind im Jahr 1 der Schuldenbremse, und sie ist auf zehn Jahre angelegt. Was bedeutet das aber angesichts der Tatsache, dass man jetzt schon in der Situation ist, dem öffentlichen Dienst eine Nullrunde verordnen zu wollen, jetzt schon Leistungen kürzen zu wollen? Wie soll es denn weitergehen?

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Konsequenterweise bedeutet das doch, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes am Ende noch Geld mitbringen müssen, damit sie hier überhaupt arbeiten dürfen.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

In der Debatte um die Schuldenbremse, die wir ja nicht zum ersten Mal führen, ist von Ihrer Seite mehrfach darauf hingewiesen worden, dass sich im Grunde die Geschäftsgrundlage durch die Finanzund Wirtschaftskrise verändert habe. Nun haben Sie sicherlich insoweit recht, als die zur Grundlage gemachten Steuerschätzungen vor der Krise lagen. Die Schuldenbremse ist aber doch verabschiedet worden, als die Finanz- und Wirtschaftskrise bereits voll im Gange war.

In einer gewissen Weise haben Sie aber recht mit der Feststellung, dass sich die Geschäftsgrundlage

(Abg. Meiser (CDU) )

verändert hat. Die Lehre aus der Finanz- und Wirtschaftskrise müsste nämlich sein, dass man von der Schuldenbremse Abstand nimmt, dass man sie abschafft.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Warum? Betrachtet man sich die Entwicklung der Finanz- und Wirtschaftskrise und die heutige Entwicklung, kann man feststellen, dass die Krise ein Stück weit bewältigt worden ist - ganz weg ist sie noch nicht; das möchte ich hinzufügen -, dass sie ein wenig in ihren Folgen gemildert worden ist, indem man mit öffentlichen Ausgaben gegengesteuert hat. Man hat also die Konzepte angewandt, die gerade von Ihrer Seite, von den Regierungsfraktionen, über lange Zeit verteufelt worden sind. Die aus der Finanzund Wirtschaftskrise zu ziehende Lehre lautet also und das ist der entscheidende Punkt -, dass man in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gegensteuern muss, dass man dafür Handlungsspielräume benötigt, dass man dafür Mittel braucht. Diesbezüglich wirkt die Schuldenbremse verheerend. Meine Damen und Herren, die Schuldenbremse -

(Zurufe von der CDU und der FDP.)

Ich weiß natürlich, dass zwischen konjunkturellem und strukturellem Defizit unterschieden wird. Auch das weiß ich.

(Abg. Schmitt (CDU) : Ah!)

Es ist aber auch nachgewiesen, dass in einer längeren Phase wirtschaftlichen Rückgangs die Schuldenbremse prozyklisch und damit negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung wirkt. Das ist dabei der entscheidende Punkt.

Ein weiterer Aspekt ist zu bedenken. Die Schuldenbremse ist nicht Ausdruck einer wirklich nachhaltigen Finanzpolitik. Denn mit der Schuldenbremse wird die Finanzpolitik auf das Thema Schuldenstand reduziert.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : So ist es!)

Man muss aber auch die Frage der Staatsquote berücksichtigen. Man muss auch die Steuer- und Abgabenquote berücksichtigen. Betrachtet man das im europäischen Vergleich, kann man nur feststellen, dass wir erheblichen Nachholbedarf haben, gerade was die Steuerpolitik, die Abgabenquote und dergleichen angeht. Es wäre richtig gewesen, das mit ins Kalkül zu nehmen. Deshalb sind wir gegen die Schuldenbremse; sie wirkt wirtschaftspolitisch kontraproduktiv.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

In der Konsequenz heißt dies, dass eine Konsolidierung nicht allein über das Sparen oder eine Schuldenbremse erreicht werden kann, dass wir uns vielmehr der Einnahmeseite zuwenden müssen. Daher

ist, auch wenn Sie diesen Hinweis schon nicht mehr hören können, natürlich auch die Steuerpolitik gefordert. Gewiss, es gibt zwei Möglichkeiten, um zu einer Erhöhung der Einnahmen zu kommen, zum einen eine andere Steuerpolitik, zum anderen eine zuträgliche wirtschaftliche Entwicklung. Wir kommen aber an einer Veränderung des Steuersystems nicht vorbei, meine Damen und Herren.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD. - Zuruf von der FDP.)

Die FDP sagt das auch, meint aber eine andere Richtung als wir. Ich glaube, das ist völlig klar, und diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch gesellschaftlich durchgesetzt. Es ist ja auch eines Ihrer Probleme, verehrter Kollege Hinschberger, dass inzwischen auch die Bevölkerung nicht mehr so sehr auf Steuersenkungen steht, weil sie weiß, dass das für die gesellschaftliche Entwicklung verheerend ist. Das scheint mir einer der Gründe zu sein, weshalb Sie gewisse Probleme haben.

(Beifall bei der LINKEN. - Zuruf des Abgeordne- ten Hinschberger (FDP).)

Meine Damen und Herren, was wollen wir? Wir wollen eine grundsätzliche Veränderung in der Steuerpolitik, und zwar in der Richtung, dass diejenigen, die mehr haben, mehr Steuern zahlen sollen und diejenigen, die weniger haben, weniger. Dazu gehört auch das Thema Vermögenssteuer. Daran kommt man gar nicht vorbei. Dazu gibt es natürlich unterschiedliche Berechnungen. Heute Morgen, bei der Demonstration, wurde davon gesprochen, es seien nach Berechnungen des DIW für das Saarland 200 Millionen Euro mehr. Nehmen wir unseren Vorschlag zur Vermögenssteuer, die sogenannte Millionärssteuer. Dabei geht es um 5 Prozent auf Vermögen ab einer Million Euro. Das würde bundesweit insgesamt zu 80 Milliarden Euro führen, auf das Saarland entfielen entsprechend dem Königsteiner Schlüssel 800 Millionen Euro. Auch das muss man sehen.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Ich möchte auch noch ein, zwei Zahlen nennen, damit wir wissen, worüber wir reden. Wir hatten im Jahr 2009 in der Bundesrepublik Deutschland ein Vermögen von 11 Billionen - Billionen! - Euro. Wir haben reine Geldvermögen von 4 Billionen Euro. Auch das muss berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund muss man die Vermögenssteuer anpacken. Natürlich ist das nicht der einzige Punkt. Dazu gehören die Erbschaftssteuer, der Spitzensteuersatz, die Körperschaftssteuer, die Finanztransaktionen, die Finanzgeschäfte und dergleichen mehr. Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen ernst damit ist, im Hinblick auf die Zukunft des Saarlandes und die Konsolidierung des Haushaltes, dann hätte ich erwartet, dass Sie sich im Bundesrat unse

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

rer Initiative für eine Veränderung des Steuersystems anschließen und nach Bundesgenossen suchen. Ich glaube, das ist gar nicht so unmöglich, denn das Saarland ist nicht das einzige Bundesland mit einer Haushaltsnotlage, es gibt noch andere. In dieser Richtung, meine Damen und Herren, haben Sie alle Initiativen abgelehnt, zuletzt die für den Spitzensteuersatz.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Lassen Sie mich ein paar Punkte zum Thema wirtschaftliche Entwicklung ansprechen. Gegenwärtig haben wir eine Situation, die günstig ist und zu Steuermehreinnahmen von 110 Millionen Euro führt. Diese brauchen Sie auch dringend, um bestimmte Dinge abzumildern, die Sie gar nicht durchhalten konnten, wie zum Beispiel die Anträge auf Kitas, Kinderkrippen und dergleichen mehr, die Sie ablehnen wollten. Das muss mit diesem Geld bezahlt werden. Ich begrüße auch, dass es dafür benutzt wird.

Die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung ist nicht schlecht. Es werden vom Sachverständigenrat 3,7 Prozent Wachstum für 2010 und 2,2 Prozent Wachstum für 2011 vorausgesagt. Auch das Saarland profitiert erheblich von dem gegenwärtigen Aufschwung, nachdem es im vergangenen Jahr einen deutlichen Rückgang von fast 8 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt gegeben hat; im verarbeitenden Gewerbe ist die Bruttowertschöpfung um 25 Prozent gesunken. Es geht wieder aufwärts, aber es ist nicht ohne Risiken! Eines der zentralen Risiken liegt im Export, der dazu geführt hat, dass während der Finanzund Wirtschaftskrise die Bundesrepublik Deutschland stark betroffen war, insbesondere das Saarland. Der Export hat den Löwenanteil am Aufschwung, abgesehen von ein paar Lagereffekten, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte. Genau da liegt aber auch das Risiko. Wenn man sich anschaut, wo es herkommt, sieht man, dass es im Wesentlichen von den Schwellenländern und von China kommt. Dieser Aufschwung ist in keiner Hinsicht stabil und nachhaltig.

60 Prozent unserer Exporte gehen in die Länder der Europäischen Union. Bei der Eurokrise versuchen schon einige, einen starken Nord-Euro, andere, einen schwachen Süd-Euro oder sogar die Rückkehr zur D-Mark zu fordern. Was ich für absurd halte, um das deutlich zu formulieren. Hier liegen erhebliche Risiken. Vor allen Dingen deswegen, weil eine Politik gemacht wird, die den Ländern ein Spardiktat aufzwingt mit der Folge, dass bereits heute in vielen Ländern der Europäischen Union ein wirtschaftlicher Rückgang vorprogrammiert ist. Das erleben wir bereits in Griechenland, das Gleiche wird in Irland der Fall sein. Wir haben die Probleme in Spanien und Portugal, und Belgien steht sozusagen vor der Auflösung. Es gibt erhebliche Risiken und all das bleibt nicht ohne Einfluss auf das Saarland.

Ich bin sehr froh, dass wir auch positive Entwicklungen haben, Ford ist bereits genannt worden. Wobei bei Ford durchaus ein Wermutstropfen festzustellen ist, weil die neu eingestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hauptsächlich Leiharbeiter sein sollen. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall von der LINKEN.)

Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, müssen wir aber auch in der Wirtschaft umsteuern. Wir können uns nicht einfach darauf verlassen, dass es immer so weitergeht. Ich glaube, dass von saarländischer Seite entsprechende wirtschaftliche Impulse gesetzt werden müssen. Diese Impulse vermisse ich! Wenn ich mir die mittelfristige Finanzplanung anschaue, dann sehe ich nicht, wo das Saarland wirtschaftspolitisch hin will, wo die entscheidenden Punkte liegen. Wir sind uns alle einig, dass die Industrie ein zentrales Element der saarländischen Wirtschaft darstellt. Ich vermisse aber Initiativen bezogen auf ein industrielles Leitbild oder koordinierendes Vorgehen, davon ist nichts zu sehen.

Wenn ich mir die Schwerpunkte anschaue, die wirtschaftspolitischen Leuchttürme, wie zum Beispiel Sunpark Bostalsee, Rilchingen und Ähnliches, dann fürchte ich, dass wir möglicherweise wieder neue Untersuchungsausschüsse bekommen werden, aber nicht unbedingt wirtschaftspolitische Impulse.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen. - Zurufe der Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE) und Schmitt (CDU).)

Meine Damen und Herren, es ist völlig klar, um die Konsolidierung des Haushaltes zu erreichen, brauchen wir eine ganz andere Einnahmepolitik, gekennzeichnet durch eine völlig veränderte Steuerpolitik und durch wirtschaftspolitische Impulse.

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen Punkt eingehen. Aus Sicht der LINKEN sind fünf Punkte wesentlich, um dem Haushalt ein anderes Gesicht zu geben. Der erste Punkt ist das beitragsfreie dritte Kindergartenjahr. Sie reden immer von der sozialen Staffelung. Wir sind der Auffassung, dass diejenigen, die Geld haben, mehr Steuern zahlen sollen, dann kann an ein beitragsfreies Kindergartenjahr gedacht werden. Wir halten das für wichtig und zentral.

(Beifall von der LINKEN.)

Wir sind der Auffassung, dass die sozialen Kürzungen zurückgenommen werden müssen. Herr Meiser, wir instrumentalisieren nicht die Behinderten. Es waren die Behindertenverbände selbst, die diesen Protest initiiert haben.

(Beifall von der LINKEN.)

Wir sind dafür, dass in der Arbeitsmarktpolitik mehr gemacht wird. Darauf werden wir bei dem Einzelplan sicherlich näher eingehen. Bei der Bildung sind wir

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

uns vom Grundsatz her einig, dass das ein Schwerpunkt sein soll. Dann muss man es aber richtig machen und mehr Lehrer einstellen, insbesondere an den Berufsschulen. Das Saarland muss in der Industriepolitik und in der Wirtschaftspolitik mehr machen. Wir sind der Auffassung, dass dieser Haushaltsplan - so wie er heute vorliegt - keine Perspektiven im Hinblick auf die Konsolidierung aufweist, sondern die falschen Akzente setzt. Die Realität des sozialen Abbaus haben wir vor Augen, deswegen lehnen wir diesen Haushaltsplan auch ab.