Protocol of the Session on December 7, 2010

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Beitrag von Herrn Jung habe ich noch versucht mich zurückzuhalten, aber der Kollege Pauluhn hat mir doch Anlass gegeben, noch einmal ans Mikrofon zu treten.

(Sprechen bei der SPD.)

Er hat uns zwar am Schluss die Hand hingehalten, aber vorher hat er mit dieser Hand kräftig draufgeschlagen. Das bedarf einer Antwort.

Er wirft uns vor, zu sehr in der Vergangenheit zu wühlen. Ich kann verstehen, dass die Opposition sehr viele Probleme damit hat, wenn es um die Vergangenheit geht.

(Lachen bei der LINKEN.)

Die einen starten als SED, taufen sich drei Mal um, kommen als LINKE her und tun so, als wären sie eine Absplitterung der Heilsarmee.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsfraktio- nen. - Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Die SPD möchte nicht daran erinnert werden, dass sie 15 Jahre lang regiert und uns das eingebrockt hat, was wir heute haben. Man wirft uns Personalabbau bei der Polizei vor. Personalabbau im Saarland hat einen Namen: Lafontaine und SPD, meine Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Spre- chen und Unruhe bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn ich Polizisten - die von Ihnen ja so sehr unterstützt werden - den Namen Dr. Mandelartz nenne und den selbst ernannten Schulexperten Strube hinzufüge, dann gehen bei ihnen die Nackenhaare hoch.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir müssen heute ausbaden, was Sie angerichtet haben. Wir stellen in diesem Jahr mehr Polizeibeamte ein, als Sie in 15 Jahren insgesamt eingestellt haben. Auch das möchte ich hier feststellen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Anhal- tende Unruhe bei den Oppositionsfraktionen. )

Es werden Anforderungen gestellt, dass Kosten und Dienststellen erhalten werden sollen. Diese Stellen

haben wir wieder eingeführt, im Gegensatz zu Ihnen in den letzten Jahren. Dass die Situation bei der Polizei jetzt so ist, dass es wieder Posten gibt, haben wir zu verantworten!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Bevor weitere Forderungen aufgestellt werden, sollten wir einfach abwarten, was die Polizeistrukturreform bringt. Wir werden die Reform aus der Polizei heraus machen. Das war zu Ihren Zeiten anders, da wurde von oben oktroyiert. Wir haben dafür Polizeibeamte abgestellt, die die Strukturen von innen kennen. Sie werden sie ordentlich organisieren und alle Aspekte in Erwägung ziehen, die die Strukturkommission vorbringt. Dann werden wir entscheiden. Ich bedanke mich.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Mit liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ausschuss für Finanzen und Haushaltsfragen hat zu Einzelplan 03 einen Abänderungsantrag eingebracht, der uns als Drucksache 14/351 vorliegt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über diesen Abänderungsantrag. Wer für die Annahme des Abänderungsantrages Drucksache 14/351 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Abänderungsantrag Drucksache 14/351 mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen, bei Ablehnung der Oppositionsfraktionen.

Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 17 Kapitel 17 03. Wer für die Annahme des Einzelplans 17 Kapitel 17 03 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Einzelplan 17 Kapitel 17 03 mit Stimmenmehrheit angenommen ist, bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und Ablehnung der Oppositionsfraktionen.

Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 20 Kapitel 20 03. Wer für die Annahme des Einzelplans 20 Kapitel 20 03 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Einzelplan 20 Kapitel 20 03 mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen, bei Ablehnung der Oppositionsfraktionen.

Es ist über Kapitel 03 01 Einzelabstimmung beantragt. Wer für die Annahme des Kapitels 03 01 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass Kapitel 03 01 mit Stimmenmehrheit angenommen ist, bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und Ablehnung der Oppositionsfraktionen.

(Abg. Kuhn-Theis (CDU) )

Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 03 im Übrigen. Wer für die Annahme des Einzelplans 03 unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass Einzelplan 03 unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen, abgelehnt haben die Oppositionsfraktionen.

Wir kommen zur Übersicht 6: Einzelplan 06 - Ministerium Für Bildung -, Einzelplan 17 Kapitel 17 06 und Einzelplan 20 Kapitel 20 06 und 20 27.

Übersicht 6 - Ministerium für Bildung (Abän- derungsantrag: Drucksache 14/354)

Die Berichterstattung wurde zu Protokoll gegeben (siehe Anlage 8). Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Ulrich Commerçon für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten bereits gestern im Rahmen der Generaldebatte die Gelegenheit, das Thema Bildung ausführlich zu diskutieren. Das ist schön, gut und richtig, weil es eines unserer Schwerpunktthemen ist. Nichtsdestotrotz - ich glaube, das kann ich für alle sagen - war die mediale Resonanz auf die Inhalte der Generalaussprache gestern etwas gering, sodass wir das heute vertiefen müssen. Es soll keine Medienschelte sein. Es wäre aber schon schön, wenn nicht überall nur über Zwischenrufe berichtet würde, sondern wenn auch die inhaltliche Debatte etwas stärker zum Ausdruck kommen würde, weil sie eben stattgefunden hat. Ich glaube, das kann ich im Namen aller hier sagen.

Wir hatten eine harte Auseinandersetzung, das muss auch so sein. Diese war aber immer an der Sache orientiert. Deswegen bin ich ganz sicher, dass sich das in der morgigen Berichterstattung über die heutige Debatte auch zeigen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. Nachdem ich das von den anderen Kolleginnen und Kollegen gehört habe, wäre das eigentlich den Beifall des ganzen Hauses wert.

(Beifall des Hauses. - Zurufe.)

Vielen Dank. - Gestern hat in der Öffentlichkeit eine Debatte stattgefunden - weniger hier im Haus -, die sich mit den neuen PISA-Ergebnissen beschäftigt. Auch das ist eine wichtige Diskussion, das will ich nicht bestreiten. Auf der anderen Seite hat das, was gestern herausgekommen ist, niemanden sonderlich überrascht. Wir wissen, Deutschland hat im Bildungsbereich weiterhin einen großen Abstand zur

Spitze der OECD-Länder. Wir haben vor allem ungleiche Bildungschancen, wie kaum in einem anderen Land dieser Welt, je nach Einkommen und Sozialsituation des Elternhauses. Es ist so, dass die Ergebnisse nach wie vor sehr stark vom sozioökonomischen Hintergrund der Schulen abhängig sind. Beispielsweise macht der Leistungsabstand zweier Schüler mit ähnlichem Hintergrund in Deutschland mehr als 100 PISA-Punkte aus, je nachdem, ob der Schüler oder die Schülerin auf eine Schule mit günstigem oder mit ungünstigem Umfeld geht. In keinem Land hat ein sozial ungünstiges Schulumfeld einen derart starken Einfluss auf die Leistung der Kinder aus den sozial schwachen Familien. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, der so nicht weiter hinzunehmen ist.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Es sind insbesondere die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, also solche, bei denen beide Elternteile nicht in Deutschland geboren sind, die massiv schlechter abschneiden als andere. Deswegen der Appell, hören Sie auf, ausgerechnet an dieser Stelle zu sparen. Es sind in vielen Einzelbereichen kleine Sparvorschläge gemacht worden, aber das ist kontraproduktiv. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, auch ökonomisch Sinnvolles, müssten wir drauflegen. Das wird sich an anderer Stelle vierfach und fünffach auszahlen. Das muss doch wirklich der zentrale Punkt der Migrationsdebatte und der Integrationsdebatte in Deutschland sein. Dass es nicht noch an den Bildungschancen dieser Kinder scheitern darf, das zumindest müsste eine reiche Gesellschaft wie Deutschland doch hinbekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Gestern ist auch schon angesprochen worden - ich will das deswegen nur sehr kurz machen -, dass es hier unterschiedliche Lösungsansätze gibt. Diese Seite des Hauses, insbesondere der Minister, setzt darauf, das insbesondere durch eine Strukturreform zu ändern. Das kann man so sehen. Wir sehen das nicht ganz so, aber wir sind bereit, darüber zu reden.

Nur, Herr Minister, Sie sprechen davon - ich habe das noch einmal in einer Sonderveröffentlichung des „Wochenspiegel“ gelesen -, das bisherige dreigliedrige Schulsystem würde durch ein Zwei-Säulen-Modell ersetzt, Sie wissen ganz genau, wir haben im Saarland kein dreigliedriges Schulsystem. Das ist schlichtweg nicht so. Die Hauptschule - das war die entscheidende Strukturreform, die wir durchgeführt haben - in diesem Land wurde aus gutem Grund 1996/97 abgeschafft, weil sie zu einer Restschule geworden ist. Das haben Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf den Weg gebracht und gemeinsam mit der CDU damals durchgesetzt. Das

(Präsident Ley)

war die entscheidende Strukturreform, die wir gebraucht haben. Jetzt geht es darum, das auszufüllen. Deswegen ist für uns völlig klar, was wir wirklich brauchen. Das sind auf Grundlage dieser Schulstruktur vor allem Qualitätsverbesserungen im System, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir brauchen besseren Unterricht. Dafür brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer. Was Sie mit Ihrer Politik erreichen, ist, dass Sie die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer, nicht nur die Einstiegsgehälter, sondern insgesamt die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer immer weiter verschlechtern. Damit sorgen Sie dafür, dass diese Lehrerinnen und Lehrer zunehmend dem Land den Rücken kehren, nicht nur Ihnen auf Protestveranstaltungen, Herr Minister. Andere Länder, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, sind dankbar für die Art und Weise, wie Sie hier Politik betreiben. Nur für die saarländische Gesellschaft wird das immense nachteilige Folgen haben. Deswegen auch an dieser Stelle: Hören Sie auf, dort zu sparen, Herr Minister!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Was wir brauchen, sind kleinere Klassen. Wir brauchen ein Ende des strukturellen Unterrichtsausfalls in diesem Land und wir brauchen ein wohnortnahes Angebot an echten, an gebundenen Ganztagsschulen, weil wir nur dort in der Lage sind, diejenigen, die größte Schwächen von Hause aus mitbringen, wirklich so aufzufangen und zu fördern, dass sie ernsthafte Chancen haben. Das sind unsere Forderungen. Die stellen wir Ihnen entgegen. Wenn Sie unseren zustimmen, können wir Ihre mittragen. Das ist überhaupt kein Problem.

Nur, das sei auch noch einmal heute an dieser Stelle gesagt: Es muss eine wirkliche Rechtsgarantie dafür geben, dass wir kleinere Klassen bekommen, dass wir echte Ganztagsschulen als wohnortnahes Angebot bekommen und dass wir ein Ende des strukturellen Unterrichtsausfalls in diesem Land bekommen. Ansonsten brauchen wir gar nicht weiterzureden, denn das ist die große Erkenntnis aller Schulvergleiche, aller Bildungsvergleiche. Wenn wir das nicht schaffen, dann werden wir mit jeder Bildungsreform scheitern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD.)

Ich will gar nicht auf die einzelnen Dinge eingehen. Wir haben höhere Unterrichtsverpflichtungen an diesen Schulen.

(Zuruf der Abgeordneten Rink (CDU).)

Dann gehe ich doch darauf ein, Frau Kollegin. Wir haben 28,5 Unterrichtswochenstunden beispielsweise an den Erweiterten Realschulen und Gesamtschulen. Wir haben eine Klassenmesszahl von 29. Das ist mittlerweile im Bundesvergleich eine der schlechtesten Klassenmesszahlen. Wir haben eine formale mobile Lehrerreserve, die schon zu Beginn jedes einzelnen Schuljahres komplett ausgebucht ist, weil wir strukturelle Defizite haben.

Was machen Sie? Sie sagen auf der einen Seite, die demografische Rendite bliebe im System. Gleichzeitig streichen Sie an den Gymnasien 20 Lehrerstellen. Sie streichen an den Gesamtschulen eine Lehrerstelle, obwohl die GEW beispielsweise sagt, wir bräuchten dort 50 mehr. Sie streichen bei den Erweiterten Realschulen 52 Lehrerstellen und begründen das mit einer scheinheiligen Argumentation. Ich kann das nicht anders bezeichnen, Herr Minister. „Was über die demografische Rendite hinausgeht“, so haben Sie das selbst im Ausschuss gesagt, „wird eingespart.“

Sie bleiben die Antwort schuldig, was das sein soll, was über die demografische Rendite hinausgeht angesichts der Tatsache, dass wir massiven Unterrichtsausfall haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch an dieser Stelle ist völlig klar, Sie sparen an der Bildung. Das ist das zentrale Problem in der Bildungspolitik hier in diesem Land.