Ich will es noch mal in Erinnerung rufen. Der damaligen Abstimmung im Bundesrat, als die Steuerreform von Rot-Grün mit einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent beschlossen wurde, ging ja eine heftige Diskussion voraus. Jetzt zitiere ich jemanden, der nicht der SPD angehört, der damals Verantwortung getragen und gesagt hat, man sei getäuscht worden. Ich zitiere aus der Süddeutschen Zeitung vom 27. Juli 2000, unmittelbar nach der Abstimmung, den CDUMinisterpräsidenten Biedenkopf, damals Präsident des Bundesrates: „Hätte die Regierung rechtzeitig mitgeteilt, dass sie den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent zu senken bereit sei, hätten in jedem Fall auch die Länder Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen und - man höre und staune - Saarland zugestimmt.“ Das ist für mich ein Punkt, wo ich sage, ich bin froh, dass jetzt der eine oder andere zur Vernunft und zum Verstand zurückgekehrt ist. Aber ich würde mir dann auch etwas mehr Redlichkeit in der Debatte wünschen, wenn es darum geht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn es einem damals gar nicht tief genug gehen konnte.
Deswegen beklagen wir jetzt zum Teil auch einen Zustand, den man damals gar nicht schlimm genug haben konnte. Ich sage ganz bewusst: Ja, ich stimme dem Ministerpräsidenten zu, wenn er sagt, der Chef der Jamaika-Koalition im Saarland lehnt Forderungen nach Steuersenkungen ab, wie sie vom Koalitionspartner FDP kommen. „Auch wenn die Steuern stärker fließen als erwartet, gibt es keinen Spielraum für Steuersenkungen“, sagte Müller, und weiter: „Der Abbau der Schulden hat klar Priorität.“ Herzlichen Glückwunsch, dem schließen wir uns an und ich hoffe, Sie unterstützen daher auch unseren Entschließungsantrag, Herr Ministerpräsident.
Sie haben in diesem Zusammenhang auch davon geredet - zuletzt in der „Rheinischen Post“ vom 22. Juni 2010 -, dass der Spitzensteuersatz auf 48 Prozent angehoben werden soll. Und darauf - sozusagen on top - soll noch der sogenannte Reichenzuschlag. Ich kann Ihnen da nur zustimmen. Eine erste Nagelprobe, wie ernst Sie das nehmen, werden wir nachher erleben, Herr Ministerpräsident, ob das, was Sie sagen, ernst gemeint ist oder ob es nur das ist, was der eine oder andere in diesem Zusammenhang schon mal als „die Backen aufblasen und dann kneifen“ bezeichnet hat. So lautete nämlich die Überschrift über einen Artikel von Roland Pichler, nachzulesen in der Stuttgarter Zeitung vom 01. De
Ich darf noch mal auf das zurückkommen, was Sie in der „Rheinischen Post“ vom 22. Juni 2010 gesagt haben: „Fakt ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht und dies mittelfristig auch zu sozialem Unfrieden führen kann. Die Politik darf das nicht hinnehmen. Sie muss dafür sorgen, dass die Gesellschaft zusammenbleibt. Höhere Steuern für Spitzenverdiener sind ein Beitrag dazu.“ Herzlichen Glückwunsch, Herr Ministerpräsident, wir sind ganz nah bei Ihnen, auch wenn Ihnen das unangenehm sein sollte. Aber seien Sie gewiss, es ist in der richtigen Sache und deswegen auch nützlich, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Diese Diskussion wird ja zurzeit überall geführt, nicht nur in der SPD, bei den Gewerkschaften oder den Vertretern von Organisationen, die sich hinsichtlich der sozialen Schieflage in unserem Land darüber Gedanken machen, wie wir weiter finanzieren können, was wir als sinnvoll und notwendig ansehen. Nein, das sieht auch der Ministerpräsident so. Ich zitiere Herrn Müller aus dem „Handelsblatt“ vom 29. September 2010, das ist also erst ein paar Wochen her: „Unsere Steuerquote ist die niedrigste in Europa. Da sehe ich Spielraum. Bund und Länder hatten sich 2009 darauf verständigt, spätestens 2020 ausgeglichene Haushalte vorzulegen.“ Sie haben recht, wir geben Ihnen recht, wir stärken Ihnen den Rücken. Machen Sie ernst mit Ihrem Vorschlag, machen Sie eine Bundesratsinitiative, damit tatsächlich aus diesem Vorschlag etwas Vernünftiges wird. Alles andere wäre beschämend für einen Ministerpräsidenten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich einer solchen Kritik aussetzen wollen, Herr Ministerpräsident Müller.
Ich habe eben den Artikel von Roland Pichler vom 01. Dezember 2009 in der Stuttgarter Zeitung angesprochen. Darin heißt es: „Der Streit über das Wachstumsgesetz zeigt, dass einige Länder die Backen aufblasen - und dann kneifen.“ Das zeigt auf der anderen Seite die Gefährlichkeit der gesamten Diskussion, weil man oft von dem eingeholt wird, was man früher an anderer Stelle gesagt hat. Jetzt ist man zur Besinnung gekommen, dass die Einnahmeseite des Staates nicht weiter erodieren darf. Der gleiche Mann, der das jetzt sagt, hat vor nicht allzu langer Zeit noch etwas ganz anderes gesagt. „Es ist erst einige Monate her“, schreibt Herr Pichler, „da hielt der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) im Bundesrat eine bemerkenswerte Rede. Das Saarland gehört bekanntlich zu den finanzschwachen Ländern. Damit auch die ‚armen Schlucker’ der Schuldenbremse im Grundgesetz zu
stimmen konnten, erhält das Saarland zusätzlich Geld vom Bund und reicheren Ländern. Dies hielt Müller in der Bundesratssitzung vom 15. Mai 2009 nicht davon ab, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Hotellerie und Gastronomie zu fordern.“ Später heißt es dann: „Heute denkt Müller anders. Dabei ist der Wunsch des Saarländers in Erfüllung gegangen. Die Regierung will den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent senken“ - wir wissen, das ist tatsächlich so passiert „und damit das tun, was Müller immer angeregt hat. Doch von der Unterstützung der Länder ist plötzlich keine Rede mehr. Die Bedenken aus Schleswig-Holstein gegen die von der Bundesregierung geplanten Steuersenkungen gälten für das Saarland ‚hoch drei’, sagt der Ministerpräsident des kleinen Bundeslandes nun. Wie Schleswig-Holstein fordert auch das Saarland vom Bund einen Ausgleich. Am Sinn der Subventionen für Hoteliers kann man sicherlich zweifeln. Wenn Länderchefs aber zuerst die Backen aufblasen und dann die Rechnung beim Bund abzuladen versuchen, berührt dies die föderale Zusammenarbeit.“ Ich sage, dies berührt nicht nur die föderale Zusammenarbeit. Dies gefährdet die Glaubwürdigkeit eines jeden verantwortlichen Politikers und gerade eines Ministerpräsidenten, wie wir hier einen haben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Deswegen ist das hier - ich habe es eben schon einmal gesagt - eine Nagelprobe. Es ist die Nagelprobe, ob man tatsächlich zur Überzeugung gekommen ist, dass dieses Land ein Einnahmeproblem hat. Wenn man zu dieser Erkenntnis gekommen ist, dann muss man auch springen. Jetzt diskutieren wir ausdrücklich nicht über das Thema Vermögenssteuer. Wir diskutieren vielmehr über einen Vorschlag des Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden der CDU hier im Saarland, Herrn Peter Aloysius Müller.
Ich sage ganz bewusst, wenn man einen solchen Vorschlag unterbreitet und ihn auf den Punkt genau mit 48 Prozent sogar auch noch umschreibt, dann bin ich der Auffassung, muss man dieser Sache zustimmen. Alles andere führt dazu, dass man sich endgültig lächerlich macht und sich dem Vorwurf aussetzt, es geht einem nur um die schnelle Schlagzeile kurz vor einem Parteitag. Das wäre in der Tat beschämend. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Jost. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Schmitt von der CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Jost, vorab lohnt ein kleiner Blick in die Historie, weil Sie ja die Situation der Steuersenkung unter Rot-Grün so detailliert beschrieben haben. Dass die CDU damals nicht zugestimmt hat, hatte einen guten Grund - einen unter mehreren. Das war nämlich damals die Veränderung bei der Körperschaftssteuer und beim Wechsel der Systeme. Wir haben nämlich gesagt, dieser Systemwechsel, der dort verabredet wird, ist handwerklich unsauber gemacht und wird zu einer Erosion der Staatseinnahmen führen. Genau das ist erfolgt. Wir hatten einen Einbruch der Körperschaftssteuereinnahmen, wie wir ihn vorher noch nicht erlebt haben, bis hin zum Gegenteil. Der Staat hat damals in einem Jahr mehr Körperschaftssteuer zurückgezahlt, als er eingenommen hat. Das war handwerkliche Unsauberkeit. Die hatte die damalige Bundesregierung zu vertreten. Ich sage es noch einmal. Das Saarland hat damals im Bundesrat nicht zugestimmt.
Wissen Sie übrigens noch, was die SPD Saar uns damals empfohlen hat? Das geschah vor dem Hintergrund, dass Brandenburg, Bremen und Berlin damals von Großen Koalitionen regiert - zugestimmt haben. Man hat sie nämlich eingekauft und ihnen Hilfen versprochen, die es anschließend nie gegeben hat, für Bremen nicht und für Berlin auch nicht. Die SPD Saar in Person ihres damaligen und heutigen Landesvorsitzenden hat uns vorgeworfen, warum wir kein so gutes Geschäft gemacht hätten und warum wir damals der Steuerreform nicht vor dem Hintergrund dieser tollen Kompensationen zugestimmt hätten. Hätten wir damals auf Sie gehört, dann hätten wir der Senkung des Spitzensteuersatzes auf 43 Prozent zustimmen müssen. So weit ein kleiner Blick in die Historie zur Senkung des Spitzensteuersatzes.
Sie sagen: Groß die Backen aufblasen beim Wachstumsbeschleunigungsgesetz und dann nicht pfeifen. Mir ist völlig neu, dass das Saarland im Bundesrat dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugestimmt hätte. Haben wir nicht.
Haben wir nicht. Wir haben deswegen nicht zugestimmt, weil wir gesagt haben, wir können uns als Nehmerland und als Land, das in einer Haushaltsnotlage ist, eine solche Steuersenkung nicht leisten, es sei denn, der Bund wäre bereit, für die Länder, die in einer Haushaltsnotlage sind, Kompensationszahlungen zu erbringen. Wir haben demzufolge an dieser Stelle höchst konsequent gehandelt und genau das getan, was wir vorher gesagt haben. Also kann ich die Diskussion an dieser Stelle auch nicht nachvollziehen.
Übrigens ist der Spitzensteuersatz zu Zeiten der Großen Koalition für besonders hohe Einkommen wieder auf 45 Prozent erhöht worden. Dem hat das Saarland konsequenterweise auch wieder zugestimmt. Außerdem sind in dieser Zeit in ganz erheblichem Maß Steuerausnahmen abgeschafft worden. Das hat in der Folgezeit dazu geführt, dass sich die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte wieder ganz nachhaltig verbessert hat. Wir hatten im Jahr 2007 die höchsten Steuereinnahmen, die es in dieser Republik je gegeben hat. Wir hatten auch im Saarland wieder eine Neuverschuldung, die sich in Richtung eines ausgeglichenen oder zumindest verfassungsmäßigen Haushalts bewegt hat, nämlich in Höhe von 380 Millionen. Diesen Maßnahmen hat das Saarland im Bundesrat zugestimmt, konsequenterweise und immer orientiert an der Einnahmesituation dieses Landes.
Dass Sie heute diesen Antrag mit dem Spitzensteuersatz stellen, ist in Ordnung. Das hätten wir wahrscheinlich an Ihrer Stelle auch so gemacht. Aber es gibt eine ganz einfache Regelung.
Es gibt eine ganz einfache Regelung, die sich in jedem Koalitionsvertrag, egal in welchem Bundesland und auch im Bund, findet, die da lautet: Alle Koalitionspartner müssen im Bundesrat entweder einer Meinung sein oder es gibt eine Enthaltung oder es kann keine Bundesratsinitiative geben.
Und da bei uns einer der Koalitionspartner eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ablehnt, ist eine solche Bundesratsinitiative nicht möglich. Es gehört zu den einfachsten Dinge der Welt und entspricht jedem Koalitionsvertrag: Wenn es keine Einigkeit der Partner gibt, dann ist eine solche Bundesratsinitiative nicht möglich. Das ändert aber nichts daran, dass der CDU-Landesvorsitzende und Mitglied des Bundespräsidiums Peter Müller sowie die CDU-Landtagsfraktion eine moderate Erhöhung des Spitzensteuersatzes befürworten und auf Bundesebene und Landesebene dafür werben. Auch das ist gestattet und eine ganz normale Sache. Wir werden anschließend weiter dafür werben, sowohl bei unserem Koalitionspartner wie auch beim Bund.
Wir befürworten eine moderate Erhöhung des Spitzensteuersatzes vor dem Hintergrund notwendiger Sparmaßnahmen, die wir auch sehen, und hielten es für ein Gebot der Gerechtigkeit, wenn wir den Spitzensteuersatz moderat erhöhen würden, allerdings unter bestimmten Konditionen. Eine der Konditionen muss sein, dass wir die Progression eben nicht verschärfen, dass wir die Progressionskurve nicht noch steiler werden lassen als bisher.
Wir wollen auch keinen weiteren Anstieg des Mittelstandsbauches. Wir wollen dort langfristig zu moderaten Änderungen kommen. Im Rahmen eines solchen Gesamtkonzeptes werben wir für eine bessere Beteiligung der Besserverdienenden. Das ist unsere Position als CDU. Das ist die Position des Ministerpräsidenten und CDU-Landesvorsitzenden, für die wir weiter werben.
Ich möchte an dieser Stelle noch auf einige Dinge eingehen, die in letzter Zeit kursieren und wo auch ein Popanz aufgebaut wird. Ich sage Ihnen eines: Nicht die Erhöhung des Spitzensteuersatzes bringt dem Staat in erster Linie hohe Einnahmen. Es ist als Symbolwert sicher wichtig, ihn noch einmal zu erhöhen. Aber ich sage Ihnen: Den größten Rückgang bei den Steuereinnahmen hat die Senkung des Eingangssteuersatzes gebracht. Der ist auch unter RotGrün und unter der Großen Koalition gesenkt worden.
Aber wenn es Ihnen partout nur um die Staatseinnahmen geht - Sie sagen ja, wir reden hier über die Erosion der Staatseinnahmen -, dann müssten Sie das konsequenterweise eigentlich fordern. Tun Sie aber nicht. Jetzt sage ich Ihnen noch eines. Nicht das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat uns den größten Steuerrückgang gebracht, sondern das Bürgerentlastungsgesetz, beschlossen unter der Großen Koalition. Das war die Entlastung der Bürger von den Krankenversicherungsbeiträgen. Auch dies ist eine Tatsache.
Wir hätten damals über Kompensationen an anderer Stelle nachdenken können. Es gab auch vom Bundesfinanzministerium zunächst entsprechende Vorschläge. Aber man hat sich in der Situation, in der sich die Konjunktur damals befand, bewusst dafür entschieden, die Entlastung ohne Kompensationen an die Bürger weiterzugeben, um die Konjunktur zu stärken. Ich sage es aber noch einmal: Das war ein stärkerer Einnahmeverlust, als er von nachfolgenden Gesetzen wie dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz verursacht wurde.
Und wenn hier immer der Popanz aufgebaut wird, durch den Wegfall zum Beispiel der Vermögenssteuer habe es immense Einnahmeverluste gegeben, so sei an dieser Stelle bemerkt, dass diese Verluste durch die Erhöhung der Grunderwerbssteuer und der Erbschaftssteuer voll kompensiert wurden. Wenn Sie davon sprechen, dass wir die Einnahmesituation des Landes verbessern müssten, dann empfehle ich Ihnen auch einen Blick in das Haushaltsbegleitgesetz, in dem wir an einer Stelle ebenfalls zum Mittel der Steuererhöhung greifen, nämlich bei der Grunderwerbssteuer. Sie ist übrigens eine vermögensbezogene Steuer, deren Erhöhung Sie ja an anderer Stelle immer so kräftig fordern.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie ich Ihnen darlegen konnte, hat das Saarland in der Vergangenheit konsequent gehandelt, wenn es darum ging, seine Einnahmesituation nachhaltig zu verbessern.
Andere waren an dieser Stelle weniger glaubwürdig. Man hat uns damals sogar anderes empfohlen. Wir werben als CDU auch weiterhin für eine moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes. Ansonsten sind Koalitionsverträge wie sie sind. Im Bundesrat kann man nur gemeinsam handeln. Wir haben diese Einigkeit der Partner noch nicht. Deswegen können wir heute einer Bundesratsinitiative nicht zustimmen. Wir werben jedoch weiter für unsere Position. - Vielen Dank.