Protocol of the Session on October 28, 2020

(Beifall SPD)

An die Öffentlichkeit muss auch, dass die Erzeugerpreise, das, was die Ernährungswirtschaft zahlt, oftmals unter den Erzeugungskosten liegen. Die Landwirtschaft kann doch nur mit fairen Preisen fair produzieren. Das muss der Öffentlichkeit bewusst werden; denn wir alle zahlen für die billigen Lebensmittel einen verdammt hohen Preis. Die Demos Sonntagnacht haben doch gezeigt, dass die Landwirte untereinander Solidarität üben. Über dieses Thema muss in großer Runde diskutiert werden; die kleinen Gespräche reichen nicht aus.

An die Öffentlichkeit muss auch, dass die konservativen Kräfte im Europäischen Parlament gerade die GAP vom Green Deal entkoppeln. Hier wird eine historische Chance vertan, die Weichen für die Landwirtschaft neu zu stellen. Auch das muss an die Öffentlichkeit!

(Beifall SPD - Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Mehrheit haben sie doch nur mit den Sozialisten bekommen!)

- Alles klar, Herr Voß. Ihre Rede könnte ich wahrscheinlich schon jetzt halten.

Auch die Ergebnisse der Borchert-Kommission müssen an die Öffentlichkeit. Darüber muss diskutiert werden, auch hier in Schleswig-Holstein. Denn, Herr Minister, Sie haben doch Chancen und Möglichkeiten, die Ergebnisse dieser Kommission umzusetzen. Sorgen Sie bitte dafür, dass es passiert!

Meine Frage lautet ganz konkret: Haben Sie die sozioökonomische Beratung der Landwirtschaftskammer ausgeweitet? Haben Sie das Netzwerk „Landwirte in Not“ eingebunden? Haben Sie endlich eine Vorstellung davon, wie Sie die Coronahilfen der Bundesministerin verwenden wollen? - Auf diese Fragen erwarten wir endlich Antworten. Sorgen Sie dafür! Heraus aus den Hinterzimmern, hinein in die Öffentlichkeit, nur dann kann es gelingen. - Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Heiner Rickers das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, der „Schweinestau“ ist vom Minister richtig beschrieben worden. Zu den Ursachen gehören ASP und Corona. Es darf nicht geschlachtet werden. Demzufolge kann auch nicht verarbeitet werden. Das sogenannte fünfte Viertel, das für den internationalen Markt wichtig ist, kann nicht mehr in China abgesetzt werden. Die Dinge, die wir nicht essen - „Snuten un Poten“ nannte man das früher -, werden in China als Delikatessen angeboten zu Preisen, von denen unsere Erzeuger nur träumen können. Das hat das ganze System gestützt. Wir haben uns mit unserer Schweineerzeugung in Schleswig-Holstein nicht nur bundesweit, sondern sogar weltweit einen Namen gemacht. Schweinefleisch made in Germany ist überall gefragt. ASP hat dem einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Herr Minister, ich möchte mich bei Ihnen für Ihre ausgewogene Rede ausdrücklich bedanken. Sie basierte auf viel Hintergrundwissen. Auch den Ansatz, der Branche zu helfen, begrüße ich. Denn die Branche der Schweineerzeuger ist in Not; das haben Sie richtig dargestellt.

Die Ursachen aber haben Sie falsch beschrieben. Die Branche ist nicht deswegen in Not, weil das System so schlecht wäre. Die Schweineerzeuger sind freie Unternehmer, die bisher, ohne große Subventionen vom Staat zu bekommen, mit ihrer freiheitlichen Einstellung zu Markt und Wettbewerb dafür gesorgt haben, dass unter Beachtung höchster Standards beste Qualität, die weltweit Nachfrage findet, erzeugt wird - und das bei guten Arbeitsbedingungen. Die schon bisher hohen Tierschutzstandards in den Ställen werden weiter verbessert. Das wollte ich zunächst einmal feststellen. Damit will ich die Branche der schweinehaltenden Betriebe ausdrücklich loben.

Jetzt gilt es: Heran an die Problemlösung! Insofern bin ich von Ihrer Rede enttäuscht, Frau EickhoffWeber. Sie haben nämlich bis zum Ende nichts dazu gesagt, wie Sie den Bauern denn nun helfen wollen. Sie haben nur herumfabuliert, dass die Welt ein Stück weit schöner werden soll.

(Beifall CDU und FDP)

Sowohl auf Bundesebene - dort bin ich dabei gewesen - als auch auf Landesebene - darauf will ich

(Kirsten Eickhoff-Weber)

mich jetzt beziehen - haben natürlich auch interne Runden stattgefunden. Das ist wichtig: Wer, wenn nicht die Fachleute, soll zusammensitzen, wenn es Probleme gibt? Wer soll sonst an Lösungen arbeiten? Das kann nicht nur das Volk insgesamt sein, sondern auch und insbesondere diejenigen, die betroffen sind, und diejenigen, die Lösungen anbieten können. Betroffene und Experten sind zusammengerufen worden, und man hat auch versucht, Lösungen zu finden. Das ist natürlich nicht so einfach.

Es geht zum einen um Tierschutz; das ist schon angesprochen worden; ein Punkt dabei sind die übervollen Ställe. Weitere Themen sind die Qualitätskriterien und die damit verbundenen Preise. Sind die Schweine zu schwer, weil sie weiter gefüttert werden und dementsprechend zu stark wachsen, zahlt der Lebensmitteleinzelhandel ein Drittel weniger ein Drittel weniger! - für dasselbe Schwein, bloß weil es 3 kg mehr wiegt. Da ist die Solidarität schon nicht mehr gegeben.

Zudem sind auf den Höfen die Kapazitäten, was die Stallungen und die Liquidität angeht, erschöpft. Die Schweinebauern brauchen deshalb schlanke Genehmigungsverfahren. Es muss möglich sein, Ferkel auch einmal in einem Strohstall beziehungsweise in der Scheune unterzubringen, ohne dass der Nachbar dagegen klagen kann. Wichtig ist zudem, dass die Schweine abgenommen und geschlachtet werden. Vielleicht ist ein „Zwischenparken“ im Rahmen privater oder staatlicher Lagerhaltung möglich. Schließlich muss es möglich sein, dass die Leute trotz Corona unter Einhaltung entsprechender Schutzmaßnahmen wieder arbeiten dürfen.

Vieles ist schon getan worden, insbesondere in Niedersachsen. Von dort können wir uns einiges abgucken. Bedanken können wir uns bei der Bundesministerin und den zuständigen Ministern von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, den „Schweine-Hochburgen“; denn sie haben einiges bewegt.

Trotz der hohen Arbeits- und Qualitätsanforderungen ist eine Ausnahme in dem Sinne möglich, dass dort länger gearbeitet werden darf. Es gibt so etwas wie eine „Arbeitsquarantäne“. Davon haben Sie vielleicht noch nie etwas gehört. „Arbeitsquarantäne“ bedeutet: Selbst wenn in einem Betrieb Fälle mit positiven Coronatests vorkommen, darf weitergearbeitet werden. Allerdings darf man sich dann nur noch zwischen Arbeitsstätte und Wohnstätte bewegen; alles andere wird vom Arbeitgeber organisiert. Das sind für diejenigen, die in diesen Betrieben arbeiten, harte Einschnitte. Aber das wird alles zum Wohle des Tierschutzes, des Absatzes und

letztlich glücklicherweise der gesamten Landwirtschaft so geregelt.

(Beifall CDU und FDP)

Wir alle wissen: Tiere sind keine Maschinen. Man kann Schweine nicht abschalten. Man kann sie nicht wegstellen. Man muss sie füttern und versorgen - rund um die Uhr, im gesamten Jahr; „24/7“ sagt man so treffend. Manchmal ist die Belastung auf den Höfen derer, die Schweine halten, so immens groß, dass sie in Tränen ausbrechen. Das können wir alle nachvollziehen. Es reicht nicht aus, dass wir sie mit Maßnahmen unterstützen, sondern wir müssen sie natürlich auch mental unterstützen.

Wir sorgen dafür - das hat der Minister richtig beschrieben -, dass in Gebieten mit zu vielen Wildschweinen nach wie vor scharf gejagt wird. Es gibt etliche Sonderregelungen, was die Jagd angeht. Wir sorgen dafür, dass wir auf den Ernstfall vorbereitet sind, das heißt auf den Fall, dass die Schweinepest tatsächlich in Schleswig-Holstein ankommt. Wir sorgen bundesweit dafür, dass in Brandenburg abgestimmte Konzepte gelten, um letztlich auch dort wieder ASP-Freiheit hinzubekommen.

Die Hürden sind hoch. Zwölf Monate Freiheit - ich wiederhole es: zwölf Monate Freiheit -, keine ASP nachgewiesen in Deutschland, würden bedeuten, dass die Freiheit für den Handel in den Drittlandexport wieder möglich gemacht werden könnte. Diese Hürde von zwölf Monaten ist hoch; denn wir haben im September und auch im Oktober immer wieder einmal verendete Wildschweine in Brandenburg finden können, wie die Behörden und die örtlichen Jäger dort festgestellt haben. Deswegen wird uns das Problem noch einige Monate beschäftigen.

Bei Corona können wir etwas machen; das sehen Sie in Schleswig-Holstein. Es wird sowohl auf Bundesebene als auch im Land Schleswig-Holstein reagiert. Am Preis können wir im Moment nichts machen; wir können aber nach wie vor die gesamte Branche dazu auffordern, ein wenig mehr Solidarität aufzubringen.

Die spannende Frage ist, ob wir noch Ferkel aus Dänemark importieren wollen, wenn unsere Ferkelerzeuger in Schleswig-Holstein die Ställe voll haben und wir nicht ständig in ein Drittland exportieren dürfen, wohl aber die Dänen. Vielleicht sollte man mit den Dänen Gespräche darüber führen, ob sie ihre Schweine nicht zu Hause mästen und dann exportieren könnten. Das wäre eine Lösung; daran wird auch gearbeitet.

(Heiner Rickers)

Wir brauchen also auch mehr Solidarität von den Handelsunternehmen. Und wir brauchen Solidarität in der Lebensmitteleinzelhandelsbranche, nicht die Preise herunterzuknüppeln, obwohl dann das Qualitätsmerkmal von 105 kg Schlachtgewicht gerissen ist. Die Schweine wiegen nämlich dann auf einmal 107 kg. Als Kunde kann ich da jedoch keinen Unterschied feststellen. Alles in allem müssen wir auf allen Ebenen Unterstützung anbieten. Das hat der Minister richtig beschrieben.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Lassen Sie uns also zusammenhalten. - Meine Redezeit ist leider beendet. Ich fordere Sie alle dazu auf, zum Wohle der Landwirtschaft, der Schweineerzeuger, des Tierschutzes und natürlich auch der Wirtschaft gemeinsam an einem Strang zu ziehen, und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die derzeitige Krise in den Schweineställen und auf dem Schweinemarkt kann man als Folge einer Verkettung unglücklicher Umstände begreifen. So konnten wir es auch im „Bauernblatt“ lesen. Mit Sicherheit kommen hier viele nicht geplante Faktoren zusammen. Es gab eine Pandemie und eine Tierseuche. Man kann auch bestätigen, dass die Betriebe, die wir im Schweinebereich in unserem Land haben, auf höchstem technischem Niveau und fachlich hochqualifiziert arbeiten.

Man kann die Situation aber auch - das möchte ich hier einmal tun - als Folge struktureller Probleme begreifen, die durch Corona und ASP noch verschärft werden. Das hat letztlich dazu geführt, dass die schon lange bekannten Missstände bei den Arbeitsbedingungen und bei der Unterbringung der Leiharbeiter seit der Coronapandemie deutlich wurden und mit einer bisher nie gekannten Dringlichkeit angegangen wurden.

Diese Situation hat letztlich auch in den landwirtschaftlichen Betrieben dazu geführt, dass sie diese Versäumnisse ausbaden müssen, die letztlich die

Oligopolisten - das muss man wirklich sagen, denn die haben alle anderen Verarbeiter ziemlich an die Wand gedrückt - der Fleischbranche verursacht haben.

Jetzt wird wieder mit Hochdruck geschlachtet. Der Minister hat sehr deutlich gesagt, welche Facetten das hat, nämlich dass man auf der einen Seite diejenigen, auf deren Rücken das jetzt abläuft, bitten muss, wirklich intensiv mitzuarbeiten, zusätzliche Schichten zu schieben, damit dieser Stau abgearbeitet wird. Man muss zugleich sagen: Man wird auch weiterhin an diesen Missständen arbeiten müssen.

Die Schlachtkapazitäten in unserem Land sind knapp, das wissen wir. Wir wissen auch, dass die Unternehmen gut mitziehen; auch die anderen norddeutschen Unternehmen machen in dieser Notsituation das, was sie machen können.

Eines aber muss man sagen: Wir brauchen eine neue Überlegung, was die Schlachthofstruktur anbelangt. Wir müssen mehr über regionale und über dezentrale Verarbeitungsstätten reden. Das ist letztlich auch eine Grundlage für funktionierende Märkte, für stabile, für funktionierende Erzeugungsstrukturen.

Wir werden, wenn wir die Verwerfungen verhindern wollen, zu allgemeinverbindlichen Anpassungen bei der Erzeugung kommen müssen. Wir können nicht immer nur sagen, die Schweine sollen jetzt nicht mehr aus Dänemark kommen. Wir müssen auch überlegen, was es heißt, wenn man immer nur wieder reagiert und den Schweinezyklus abfeiert und zulässt, dass massenweise Unternehmen aufgeben. Das können wir so nicht mehr länger hinnehmen. Ich hoffe auch, dass Bundesministerin Klöckner es so gemeint hat, als sie Bauern und Bäuerinnen zu vorausschauendem Handeln aufgefordert hat. Die Grundlage dafür, dass die Gestaltung der Märkte überhaupt möglich ist, muss letztlich auch vorausschauend von der Bundesregierung und auf europäischer Ebene gelegt werden, anstatt zu blockieren.

Ja, es ist richtig und ist sehr klar gesagt worden: Die Situation in den Betrieben ist dramatisch. Wir müssen Tierleid verhindern. Es ist eine sehr problematische Situation, die sich durch diese Just-intime-Kette, die wir haben, in der alles eng genäht ist, ergeben hat. Wir wissen alle - Heiner Rickers hat das eben noch einmal geschildert -, dass man Schweine nicht einfach irgendwo „aufstauen“ kann, bis die strukturellen Probleme beseitigt sind.

Es ist auch Krisenmanagement angesagt. Deshalb ein herzliches Dankeschön an die Landesregierung,

(Heiner Rickers)

an den Minister und an alle Beteiligten dafür, dass sie intensiv nach Lösungen suchen und mit Hochdruck daran arbeiten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eines möchte ich betonen: Die Landesregierung bereitet sich mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit Jahren vorausschauend auf den hoffentlich nicht eintretenden Fall eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest vor, um diese zu verhindern oder in einer solchen Situation überhaupt reagieren zu können. Vor einigen Jahren wurde man noch belächelt, wenn man dieses Thema intensiv thematisiert hat. Es ist nähergekommen, es steht bereits vor der Haustür. Deshalb noch einmal vielen Dank an die vielen Mitarbeiter, die sich hier seit Jahren engagieren, um auf diesen Fall vorbereitet und handlungsfähig zu sein. Ich glaube, das darf man nicht unterschätzen.

Alle haben hier keine richtige Antwort auf die Frage geliefert, wie man in dieser Krise richtig reagieren kann, auch ich nicht. Aber ich glaube, die Konsequenzen werden jenseits der Gespräche gezogen werden müssen, um die Kette jetzt so gut es geht am Laufen zu halten. Man muss intensiv daran arbeiten, die Kette resilient aufzustellen. Ich glaube, dies ist unsere Verpflichtung den Verbrauchern und den Unternehmen gegenüber, damit wir bei dieser Thematik wirklich auf solideren Füßen stehen. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.