Protocol of the Session on October 28, 2020

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war ein Knieschuss, Kollege Vogel. Dies ist an dieser Stelle leider missglückt.

Das Jobticket ist etwas Gutes. Nachdem Sie das jetzt wahrscheinlich alles eingeräumt haben, bin ich bei dem Appell des Kollegen Kay Richert. Geben Sie sich einen Ruck! Sagen Sie zu dieser guten Sache Ja! Unterstützen Sie den Antrag und sorgen Sie mit für die Verkehrsunternehmen! Diese sind in dieser Zeit in einer besonders schwierigen Rolle. Das Vertrauen in den öffentlichen Personennahverkehr geht in Pandemiezeiten zurück. Das müssen wir konstatieren. Wir sehen zurzeit im Hamburger Umland Fahrgasteinbrüche um die 30 % bis 40 %, weil die Menschen sagen: „In diesen Zeiten will ich mich da nicht infizieren“, obwohl es - das sage ich an dieser Stelle auch einmal ganz deutlich - überhaupt kein Ausbruchsszenario im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs gibt.

Gerade in diesen Zeiten beobachten wir sehr sorgsam, dass die Verkehrsunternehmen leistungsfähig bleiben, um das Jobticket zu finanzieren. Ich weiß, dass die Verkehrsunternehmen gesagt haben, dass das jetzt in Coronazeiten schwierig ist. Ich sage den Verkehrsunternehmen aber auch: Keiner Branche wird ermöglicht, was wir für die Verkehrsunternehmen im öffentlichen Personennahverkehr schaffen, nämlich einen Rettungsschirm, der ihnen den kompletten Beförderungsentgeltausfall ersetzt. Vor diesem Hintergrund können die Verkehrsunternehmen guten Gewissens zustimmen. Sie sehen, dass sie auch in Pandemiezeiten von uns nicht im Stich gelassen werden.

Ich bitte Sie alle um Zustimmung und freue mich darüber, dass dieses Jobticket auf die Reise geht. Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer diesem Antrag mit der Drucksache 19/2505 so zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Stimmenthaltungen? - Gegenstimmen? - Damit ist der Antrag, Drucksache 19/2505, bei Enthaltung der Fraktion der SPD mit allen anderen Stimmen angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 auf:

Aktuelle Situation der schweinehaltenden Betriebe in Schleswig-Holstein infolge von Corona und Afrikanischer Schweinepest (ASP).

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2510

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht.

Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse somit zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen.

Ich erteile damit für die Landesregierung dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Jan-Philipp Albrecht, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die schweinehaltenden Betriebe in Schleswig-Holstein stehen gleich von zwei Seiten akut unter Druck. Einerseits ist da die Afrikanische Schweinepest, welche zwar bei uns nicht ausgebrochen ist, die aber große Unsicherheit in den Markt gebracht hat. Andererseits ist da die wieder zunehmende Dynamik der Coronapandemie, die zu Verzögerungen bei der Schlachtung und Zerlegung von Schweinen führt.

Das erstmalige Auftreten der ASP Anfang September 2020 in Brandenburg - aktuell hat das FriedrichLoeffler-Institut 94 Fälle bestätigt - hat zu Importverboten von deutschem Schweinefleisch in insgesamt 13 Drittstaaten geführt. Die dadurch bedingten Preisabschläge für Schlachtschweine und Ferkel haben die Marktsituation für die Schweinehalter deutlich verschlechtert. Lassen Sie mich aber klarstellen: Es handelt sich in der Folge nicht um ein Absatzproblem. Das Schweinefleisch aus Deutschland

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

wird jetzt vermehrt innereuropäisch vermarktet, wenn auch mit Abschlägen.

Schwerwiegender ist der Hilferuf aus der Branche mit Blick auf die Folgen der Coronapandemie. Der Bauernverband spricht von einem Überhang von 40.000 schlachtreifen Schweinen. Das sind die Schlachtungen einer Woche. Und dieser Verzug wird wohl weiter wachsen. Schon in der vorletzten Woche habe ich deshalb die Situation gemeinsam mit der Branche erörtert, um Ansätze zu einer Entlastung zu finden. Die Ursache des Problems liegt hauptsächlich außerhalb Schleswig-Holsteins, nämlich in Schlacht- und Zerlegebetrieben in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dort sind coronabedingt die Schlachtkapazitäten eingeschränkt. Rund die Hälfte der schlachtreifen Schweine aus Schleswig-Holstein geht dorthin. Unser einziger großer Schweineschlachthof in Schleswig-Holstein, in Kellinghusen, arbeitet an den Kapazitätsgrenzen und bemüht sich gemeinsam mit den kleineren Schlachtbetrieben im Land sehr um Entlastung der hiesigen Betriebe.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, derzeit, und das möchte ich betonen, liegen uns noch keine Meldungen zu Tierschutzproblemen vonseiten der Landwirte und der Amtstierärzte vor. Unser Vertrauensmann für Tierschutz, Professor Schallenberger, steht dennoch Betrieben in Not als neutraler Ansprechpartner zur Verfügung, und wir stehen als Haus mit den Veterinärbehörden im Austausch auch darüber, dass diese natürlich jederzeit zur Verfügung stehen müssen, da es entsprechende Schwierigkeiten geben könnte.

Vorrangig muss es jetzt aber darum gehen, die Kapazitäten für die Schlachtungen zu sichern und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten weiter auszubauen, um mögliches Leid der Tiere in überfüllten Ställen zu vermeiden und die extrem belastende Situation der Schweinehalterinnen und -halter zu entschärfen. Wir haben deshalb das Ministerium für Soziales und Arbeit gebeten, zu prüfen, ob am Standort Kellinghusen der Arbeitszeitraum vorübergehend ausgeweitet werden kann, um die Kapazität für einen begrenzten Zeitraum noch einmal anzuheben. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier zu einer Lösung kommen.

Meine Damen und Herren, das als Bitte zu formulieren, fällt mir bei Weitem nicht leicht, wissen wir doch alle um die ohnehin schwierigen Bedingungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Schlachtbetrieben. Auch die Erstellung eines Notfallplans für den Fall eines Coronaausbruchs in der

Belegschaft ist dringend notwendig. Als Landwirtschaftsminister fühle ich mich aber sowohl dem Tierschutz als auch der Situation in den Betrieben verpflichtet, und hier bedarf es jetzt konkreter Solidarität zwischen allen Beteiligten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Außerdem habe ich bereits Kontakt zu meiner Amtskollegin in Nordrhein-Westfalen und meinem Amtskollegen in Niedersachsen aufgenommen, und ich habe klargestellt, dass es eine nachrangige Schlachtung von Tieren aus Schleswig-Holstein nicht geben darf. Die Kollegin und der Kollege haben mir ihre Solidarität hierbei zugesichert. Genauso zeigen wir uns solidarisch und ermöglichen wohlgemerkt unter strengsten Hygieneanforderungen - die Schlachtung der im Verhältnis sehr kleinen Anzahl von Schweinen aus den ASP-Restriktionsgebieten in Brandenburg, denn genau darum muss es jetzt gehen, meine Damen und Herren, nämlich dass wir solidarisch für Wege sorgen, die Lasten der verschiedenen Krisen auf allen Schultern zu verteilen und sie nicht, wie das viel zu häufig der Fall ist, auf die landwirtschaftlichen Produktionsbetriebe abzuwälzen.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Auch die Branche leistet ihren Beitrag, zum Beispiel durch die Umstellung der Fütterung, um die Tageszunahmen zu verringern. Auch konnten freie Stallkapazitäten zwischen den Mästern vermittelt werden. Da die jetzt zu schlachtenden Schweine aber vor 300 Tagen in die Produktion gegangen sind, halten sich die kurzfristigen Reaktionsmöglichkeiten in Grenzen. Ich appelliere dennoch an die Verantwortung der Branche, jetzt zu bremsen, wo es möglich ist.

Um den Tieren in den Ställen unnötiges Leid zu ersparen und auch um die Betriebe in ruhiges Fahrwasser zu führen, habe ich die Branche bereits zu einem erneuten Gespräch am 11. November 2020 eingeladen. Wir werden dann und fortwährend die Lage beobachten, bewerten und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, und alle müssen dabei mithelfen. Gleichzeitig setzen wir die Präventionsarbeit zur Afrikanischen Schweinepest unnachgiebig fort. Darüber habe ich im Umwelt- und Agrarausschuss bereits zweimal ausführlich berichtet, und ich werde das auch gern weiterhin tun.

Meine Damen und Herren, klar ist aber auch, dass uns mit der Tierseuche einerseits und den Folgen der Coronapandemie andererseits die Schwächen der Just-in-time-Schweineproduktion aufgezeigt

(Minister Jan Philipp Albrecht)

werden. Deshalb ist es gut, dass wir im Rahmen unseres Dialogs zur Zukunft der Landwirtschaft bereits mit allen Beteiligten auch über die notwendigen Strukturveränderungen in der Tierhaltung sprechen, damit für diejenigen, die auch in Zukunft als Sauen- und Schweinehalterinnen und -halter tätig sein wollen, eine sichere Perspektive in unserem Land besteht. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der Minister hat die Redezeit um 1 Minute erweitert. Diese steht jetzt allen Fraktionen ebenfalls zu.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Sehr geehrter Herr Minister, ich danke für den Bericht.

Krisenmanagement? - Ja. Solidarität aller Beteiligten? - ja, aber keine Wege aus der Krise, denn diese Krise, die wir zurzeit erleben, ausgelöst durch Schlachtstau infolge der Coronainfektionen, ausgelöst durch die nicht mehr stattfindenden Exporte unter anderem nach China, diese Krise offenbart eine ganz grundsätzlich existenzielle Situation in der Landwirtschaft.

Die Expansion und Konzentration in der Fleischwirtschaft auf Kosten der Arbeitnehmer, der Tiere, der Umwelt und der Landwirtschaft hat stattgefunden. Es ist ein hochfragiles System, ein System, das sich fast anfühlt wie ein Industrieunternehmen. Und jetzt, wo die Exporte nicht mehr funktionieren, wo nicht mehr geschlachtet werden kann, wo der Stau in den Ställen besteht und Not in den Ställen und den Betrieben, wird all das auf dem Rücken der Landwirtinnen und Landwirte der schweinehaltenden Betriebe ausgetragen, auch hier in SchleswigHolstein.

Den Rückstau, den wir im Moment haben, können der deutsche und der europäische Markt nicht kompensieren. Herr Minister, da scheinen wir unterschiedliche Informanten und Informationsquellen zu haben, aber das ist die ganz klare Aussage. Das Schweinefleisch, das im Moment da ist und das wir produzieren, können wir allein gar nicht aufessen, zumal es immer noch zusätzliche Importe gibt.

Sie haben es dargestellt: Der Stau auf den Höfen führt natürlich zu großen Problemen im Bereich des Tierschutzes. Er führt zu betriebswirtschaftlichen Problemen, er führt aber auch zu echten Problemen bei den Landwirten. Haben Sie schon einmal einen Landwirt gesehen, der heulend zwischen seinen Ferkeln sitzt, weil er nicht weiß, wie es weitergehen soll, weil er nicht mehr weiß, was er tun soll? Denn die Ferkelimporte aus Dänemark sind ja nicht abgebrochen, sondern laufen noch weiter.

Wir haben die Landesregierung aufgefordert, auf einem Schweinegipfel mit allen Beteiligten nach Lösungen zu suchen. Ihre Antwort kam prompt: Man stehe im Austausch mit den Betroffenen. Die fortlaufende Abstimmung in der Sache sei wichtiger als ein öffentlichkeitswirksamer Schweinegipfel.

Bei Ihrem Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft kann es gar nicht öffentlich genug zugehen, da kann die Bühne gar nicht groß genug sein. Das ist ein Dialog, der noch nichts Konkretes für die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein gebracht hat und den Sie erst Ende 2021, wahrscheinlich auch öffentlichkeitswirksam, zu Ende bringen wollen.

Ich habe es hier schon einmal gesagt und wiederhole es gern: Wenn wir nicht endlich mit konkreten Lösungsansätzen für die Landwirtschaft in die Socken kommen, dann wird es 2040 einen Großteil der landwirtschaftlichen Vielfalt in Schleswig-Holstein nicht mehr geben.

Aus der „Schweinerunde“, in der Sie zusammengesessen haben, hören wir: Das alles hat nichts gebracht! - Weiter heißt es: Die Situation ist eine Vollkatastrophe. Der Ablauf der Schlachtung ist immer noch eine Katastrophe. Die Situation ist schlimmer als vor drei Wochen. - Und: Die Preise sinken weiter dramatisch. - Das heißt, die Bereitschaft der Schlachthöfe zu schlachten, wird eher sinken als steigen - unabhängig von der Coronalage.

Ihre Antwort? Am 19. Oktober 2020 konnten wir in der Presse lesen: Wir müssen versuchen, die Schweinehälften direkt in den Markt zu geben. Tritt das MELUND jetzt im Fleischhandel auf? Wo ist denn da die Einflussmöglichkeit des Ministers? Wie kann er dafür sorgen, dass Schweinehälften schneller in den Markt kommen? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.

Wenn wir von einem Schweinegipfel reden, dann geht es uns nicht darum, öffentlich Klabum zu machen, sondern darum, dass die Öffentlichkeit in die Beratung über diese hochkomplexe Situation einbezogen wird; denn die Öffentlichkeit muss doch am

(Minister Jan Philipp Albrecht)

Ende die Neuausrichtung der Landwirtschaft mittragen.

An die Öffentlichkeit muss auch, dass CDU und CSU das Gesetz für strengere Arbeitsschutzregeln in der Fleischindustrie im Bundestag torpedieren.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Unerhört!)

Es darf doch nicht sein, dass Abgeordnete vor der Lobby der Fleischbarone in die Knie gehen.

(Beifall SPD)