Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schweinehalter und Ferkelzüchter sind in einer bedrohlichen Lage. Die Nerven liegen blank. Vor ein paar Monaten noch waren es die strikten Regelungen der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, wegen der die Landwirte vor dem Aus vieler Betriebe warnten. Jetzt kommen noch fehlende Schlachtkapazitäten aufgrund von Corona und die drastisch gefallenen Absatzpreise aufgrund der Afrikanischen Schweinepest hinzu.
Wie den Medien zu entnehmen ist, stauen sich mittlerweile über 400.000 Schlachtschweine; das ist eine Schätzung des Verbands der Fleischwirtschaft. Neue Ferkel können nicht in Mastbetriebe aufge
nommen werden. Schlachtreife Tiere werden deshalb immer fetter. Das führt zu tierschutzrechtlich bedenklicher Enge in den Betrieben. Das Tierwohl ist in dieser Situation gefährdet. Es wäre ja auch wirklich schrecklich, wenn die Tiere einfach notgeschlachtet werden müssten. Deshalb fordern die Landwirte Hilfe und Antworten von der Politik.
Ich begrüße es wirklich sehr, dass wir das Thema heute im Landtag debattieren. Vor allem begrüße ich es, dass Minister Albrecht zu der Thematik im ständigen Austausch mit der Branche, mit seinen Kollegen aus NRW und Niedersachsen sowie mit unserem Agrarausschuss ist. Das Ganze findet auch nicht im Hinterzimmer statt, Frau Eickhoff-Weber.
Der Wegfall von Schlachtkapazitäten über einen gewissen Zeitraum wirkt bis heute nach - wie eine Vollbremsung auf der Autobahn auch noch einige hundert Meter und lange Zeit im rückwärtigen Verkehr nachwirkt. Aktuell arbeiten die meisten Schlachthöfe - natürlich unter Coronaauflagen wieder an ihren Kapazitätsgrenzen. Es müssen dabei logischerweise strenge Infektionsschutzmaßnahmen eingehalten werden.
Zur Coronaproblematik kommt dann seit Kurzem noch die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest. Die Schlachtbetriebe werden ihre Waren aus den Kühlhäusern nicht los, die vor dem Auftauchen der ASP an Drittländer wie China gegangen sind. Diese Drittländer haben vor allem auch Teile vom Schwein genommen, die hier keine Abnehmer mehr fanden. Heiner Rickers hat es ausgeführt.
Es wird derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, neue Absatzmärkte zu erschließen, aber die Anpassung eben dieser komplexen Prozesse benötigt Zeit. Währenddessen werden neue Ferkel geboren, sie wachsen auf und die Schlachtschweine werden, wie gesagt, immer größer und schwerer. Dieser Prozess lässt sich auch nicht so einfach anhalten wie ein Fließband in der Automobilwirtschaft, aber natürlich müssen wir sehen - der Minister hat darauf hingewiesen -, dass wir dort bremsen, wo es möglich ist. Aber ad hoc geht es natürlich nicht.
Die Frage ist natürlich, was die Landespolitik nun tun kann. Es ist, wie ich schon sagte, gut und richtig, dass unser Minister im ständigen Austausch mit der Branche steht. Nun gilt es, gemeinsam - also auch ministeriums- und länderübergreifend - pragmatische Lösungen zu finden. Wir unterstützen die Landesregierung dabei, alle Maßnahmen zu prüfen
und zu ergreifen, um alles Mögliche zu tun, das Tierwohl zu schützen sowie die Landwirte und ihre Familien zu unterstützen.
Welche Punkte gibt es da konkret? - Zum Beispiel die Prüfung von arbeitsschutzrechtlichen Möglichkeiten zur Erhöhung der Schlachtkapazitäten. Beim Schlachthof Kellinghusen ist das beispielsweise ein Weg, der zurzeit beschritten wird. Ebenso gilt es, einen Notfallplan für den Fall eines Covid-Ausbruchs in der Belegschaft zu erstellen. Coronabedingte Sperrzeiten bei Schlachthöfen könnten somit verkürzt werden.
Auch bei den gesetzlichen Standards beim Platzangebot im Stall sollte meiner Meinung nach geprüft werden, ob zumindest zeitweise EU-konforme Spielräume möglich wären, um Linderung zu schaffen, um Zeit zu gewinnen und um die Landwirte aus einem drohenden Rechtsbruch beim Tierwohl herauszubekommen.
Abschließend möchte ich daran appellieren, dass wir fest an der Seite der Schweinehalter stehen und uns auch zur Schweinehaltung bekennen sollten. Unsere Solidarität ist da sehr wichtig. Da gebe ich Herrn Minister absolut Recht. Wir sollten auch alle an einem Strang ziehen und uns klar verdeutlichen, dass die Landwirte unverschuldet in diese Lage geraten sind. Es nützt jetzt nichts, Generalkritik an der Fleischwirtschaft zu äußern oder, wie es Frau Eickhoff-Weber getan hat, die CDU-Bundestagsfraktion oder die EVP-Fraktion zu kritisieren oder Kritik am Minister wegen angeblicher Hinterzimmerpolitik zu üben. Das löst jetzt nicht das Problem. Wie das Problem gelöst werden kann, haben die Vorredner von CDU, Grünen und der Minister ausgeführt.
Sie, Frau Eickhoff-Weber, haben leider eine Chance verpasst, aber ich bin Ihnen zumindest dankbar, dass Sie diesen Tagesordnungspunkt heute in das Plenum eingebracht haben. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen, die wir ja regelmäßig im Ausschuss und auch weiter führen werden. - Vielen Dank.
Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 19/2510 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter des Sozialausschusses. - Wer übernimmt das heute in Vertretung für Herrn Kalinka? Das ist Herr Berichterstatter Wolfgang Baasch.
Herzlichen Dank. - Ich eröffne somit die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Frau Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Situation in der Alten- und Krankenpflege wird hier im Plenum eigentlich regelmäßig diskutiert. Es ist wichtig und gut, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir mit alten und kranken Menschen umgehen. Wir sollten dabei aber nicht nur reden, sondern auch handeln; denn der Bund hat uns in diesem Bereich der Kurzzeitpflege doch ein bisschen im Stich gelassen. Aber darauf gehe ich gleich noch ein.
Wir haben uns in der letzten Zeit bestimmt viermal mit der Kurzzeitpflege beschäftigt. Das ist auch nicht zu viel, das ist angemessen, denn genau diese Betreuungsart ist in Schleswig-Holstein ein wenig unterentwickelt, um das noch nett zu formulieren.
Wir haben in Schleswig-Holstein nur eingestreute Kurzzeitpflege - und das noch nicht einmal bedarfsgerecht. Wir brauchen mehr Geld für die Kurzzeitpflege. Der Grund, warum es keine Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein gibt beziehungsweise nur eingestreute Kurzzeitpflegeplätze in normalen Alten- und Pflegeheimen, ist, dass es nicht auskömmlich finanziert wird. Niemand sollte Geld mitbringen, um das durchzuführen. Die Menschen, die so eine Pflege anbieten, müssen damit auch auskommen; die Finanzierung muss auskömmlich sein. Es ist dringend notwendig, dass wir uns hier engagieren, wenn es der Bund nicht tut. Eigentlich hat Minister Spahn zur Mitte dieses Jahres eine Verbesserung der Situation in der Kurzzeitpflege angekündigt, jedoch ist bisher hier noch nichts gekommen. Daher ist es ganz gut, und ich danke den Abgeordneten, dass im Nachtragshaushalt 10 Millionen € für die Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellt werden. Das ist Geld, das dringend gebraucht wird, und es kommt sicher gut an. Wir sollten versuchen, in Schleswig-Holstein zusammen mit einem Träger die solitäre Kurzzeitpflege anzubieten.
Wirtschaftliche Gründe nannte ich bereits. Die Pflegekassen sind auch in der Pflicht. Da muss noch einmal neu nachgedacht werden. Ich denke, wir sollten gemeinsam mit den Trägern, mit dem Ministerium und den Pflegekassen eine Strategie entwickeln, um in Schleswig-Holstein eine Kurzzeitpflege auf den Weg zu bringen. Sie ist notwendig und hilft auch Menschen, wieder selber in die Häuslichkeit, in die Unabhängigkeit, in die Selbstständigkeit zu gelangen. Zurzeit ist es so, dass Menschen, die aus dem Krankenhaus kommen und weiterhin pflegebedürftig sind, in normalen Alten- und Pflegeheimen betreut werden. Das Problem ist dort, dass der Fokus nicht unbedingt auf die Verselbstständigung gelegt wird. Ich möchte da niemandem etwas vorwerfen, aber es ist erwiesen, dass in Kurzzeitpflegeeinrichtungen, in der solitären Kurzzeitpflege die Menschen nachhaltiger mobilisiert werden. Es sollte auch in Schleswig-Holstein ein Ziel sein, dass immer weniger Menschen pflegebedürftig werden, sondern mit therapeutischen Maßnahmen darauf vorbereitet werden, wieder selbstständig in der eigenen häuslichen Umgebung zu leben.
Das haben wir jetzt in mehreren Sitzungen besprochen, meine Damen und Herren. Ich finde es richtig, dass wir gemeinsam daran arbeiten wollen, diese Pflegeform in Schleswig-Holstein zu stärken be
ziehungsweise solitäre Kurzzeitpflege in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen. - Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was tun, wenn der Zustand der 75-jährigen Frau Hansen nach ihrer Operation zwar nicht mehr krankenhauspflichtig ist, sie sich aber in ihrer Wohnung im ersten Stock ohne Fahrstuhl noch nicht wieder allein versorgen kann? - Für diese Situation gibt es das gute Angebot der sogenannten Kurzzeitpflege. Mit Glück bemüht sich das Entlassmanagement der Klinik um einen Kurzzeitpflegeplatz. Mit Glück gibt es Angehörige, die sich vorrübergehend kümmern können. Mit Pech gibt es aber weit und breit keinen Kurzzeitpflegeplatz für Frau Hansen. Frau Hansen wird also nach Hause entlassen.
Nach etlichen Telefonaten bietet ein ambulanter Pflegedienst, der zufällig noch freie Kapazitäten hat, Frau Hansen zweimal täglich zwölf Minuten an. Die Tochter von Frau Hansen wohnt nicht in der Nähe. Wegen einer vorherigen Erkrankung der Mutter hat sie ihr Kontingent von zehn Arbeitstagen im Rahmen des Pflegezeitgesetzes bereits verbraucht. Die Pflegezeit von sechs Monaten kann sich die Tochter nicht leisten, weil sie von ihrem Gehalt als Teilzeitkraft in einem Supermarkt das ihr in diesem Fall zustehende zinslose Darlehen nicht zurückzahlen kann. Physiotherapeuten, die maßgeblich für eine schnelle Mobilisation und damit für die wiedergewonnene Selbstständigkeit beitragen könnten, werden nicht kontaktiert. Netterweise kümmert sich die Nachbarin um den Einkauf. Eine fiktive Geschichte? - Nein. Das ist bittere, alltägliche Realität in Schleswig-Holstein.
Aus der schriftlichen Anhörung wird das große Problem der fehlenden Kurzzeitpflegeplätze deutlich. Es darf bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung von Menschen nicht um Glück oder um Pech gehen. Das Land hat und muss mit seinem Sicherstellungsauftrag nachkommen, damit Bürgerinnen und Bürger ihren Anspruch auf Kurzzeitpflege auch durchsetzen können.
Wir haben laut AOK landesweit rund 1.700 Kurzzeitpflegeplätze in den 550 vollstationären Pflegeeinrichtungen als sogenannte eingestreute Kurzzeitpflegebetten bereitgestellt. Diese werden aber ebenfalls für die Verhinderungspflege benutzt. Pflegende Angehörige haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Auszeit, sei es, um sich von der dauerhaften Belastung von 24/7/365 zu erholen oder vielleicht auch, um sich selbst einer Behandlung zu unterziehen.
Klatschen und Sonntagsreden reichen zur Entlastung des größten Pflegedienstes in Deutschland nicht aus. Die möglichen vorhandenen Plätze werden eher für die Langzeitpflege genutzt, weil die Organisation rund um einen Kurzzeitpflegegast sehr aufwendig ist. Aber es kann doch wirklich nicht angehen, dass über die Hälfte derjenigen, die mit Glück einen Kurzzeitpflegeplatz ergattert haben, direkt in die Langzeitpflege überführt werden. Da wird die Idee, Kurzzeitpflege, ihrem Ursprung wirklich nicht gerecht.
Eine Verhinderungspflege, die für die pflegenden Angehörigen nicht planbar ist, verfehlt komplett das Ziel. Auch im Hinblick auf eine immer älter werdende Gesellschaft braucht es eine solitäre Kurzzeitpflege, dessen multiprofessionelles Team von Pflege, Therapeuten, Sozialberatung und Ärzten nur die eine Aufgabe hat, die Menschen wieder so zu mobilisieren, dass sie möglichst selbstständig oder mit Unterstützung in ihrem eigenen Umfeld leben können. Das entspricht auch dem Wunsch der meisten Menschen. Und dem sollten wir als Gesellschaft gerecht werden.
Wir haben das Thema seit zwei Jahren im Plenum. Letztes Jahr hat die Koalition unseren Antrag auf Schaffung von solitären Kurzzeitplätzen abgelehnt. In dem Alternativantrag von CDU, FDP und Grünen, der nun seit Januar vorliegt, steht nicht Verkehrtes drin. Deshalb haben wir im Sozialausschuss auch zugestimmt. Sie schauen dabei allerdings nur auf das Geld und nicht auf den Menschen.
- Ja, dann schau dir das einmal an. Es geht hier tatsächlich nur um die Finanzierung. Schaut euch das noch einmal an. Es geht um die Finanzierung der Kurzzeitpflege, aber nicht darum, was genau für die Menschen gut ist.