Protocol of the Session on September 23, 2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Die September-Steuerschätzung hat deutlich gemacht, dass der Weg aus der Coronakrise lang sein wird. Ja, wir erwarten bereits im nächstes Jahr ein erhebliches Wirtschaftswachstum, aber ohne weitere Steigerungen wird es lange dauern, bis wir unseren alten Einnahmepfad wieder erreicht haben werden.

Die entscheidende Frage ist jetzt natürlich, wie wir uns dieser Herausforderung stellen. Anzunehmen, dass die gesamten Steuerausfälle durch strukturelle Ausgabenkürzungen zu kompensieren wären, ist unseriös und fahrlässig. Ich muss, glaube ich, niemandem in diesem Hohen Hause verdeutlichen, dass gerade ich ein Anhänger äußerster Haushaltsdisziplin bin. Aber es wäre mit Blick auf die Sicherung von Arbeitskräften und zukünftigen Steuereinnahmen fahrlässig und töricht, gerade jetzt mit Haushaltskürzungen die konjunkturelle Erholung zu gefährden.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Lars Harms [SSW]: Na dann willkommen im Klub!)

Ich möchte auch betonen: Ausgaben und insbesondere Investitionen, die wir Freie Demokraten letztes Jahr als richtig erachtet haben, sind durch die Pandemie natürlich nicht falsch oder gar entbehrlich geworden. Vor der Pandemie bekannte Sanierungsbedarfe, die im aktuellen Infrastrukturbericht identifiziert und beziffert wurden, müssen wir weiterhin

angehen. Hierfür müssen selbstverständlich projektbezogene Kreditermächtigungen zur Verfügung gestellt werden. Für finanzielle Luftschlösser allerdings hatten wir weder vor noch nach Corona Sympathie oder Geld.

Es sollte zudem Konsens darüber bestehen, dass wir mittelfristig die Ausgaben natürlich an einen gegebenenfalls veränderten Einnahmepfad anpassen müssen. Das sieht bereits die Schuldenbremse vor. Diese Anpassung muss aber natürlich wachstumsund konjunkturpolitisch verträglich sein und kann bereits durch eine Reduzierung des jährlichen Ausgabewachstums erfolgen, wenn es uns gelingt, bei den Ausgaben nach 2020, 2021 gegenüber den dann wieder steigenden Einnahmen zurückzubleiben.

Was wir somit brauchen, ist deutlich geworden: zum ersten Wachstum, zum zweiten Wachstum und zum dritten noch mal Wachstum in unserem Land.

Uns Freien Demokraten ist wichtig, dass die Notkredite zum einen für konkret festgelegte Bedarfe verwendet werden, zum anderen müssen strukturelle Verbesserungen zukünftiger Steuerschätzungen selbstverständlich zwingend die Inanspruchnahme der Kredite reduzieren beziehungsweise die vorhandene Kreditermächtigung reduzieren. Ich betone hier einmal - ich glaube, das wurde noch gar nicht gesagt -: Eine Kreditermächtigung in Höhe von 4,5 Milliarden € bedeutet nicht, dass das Land diese auch vollständig in Anspruch nehmen wird.

(Lars Harms [SSW]: Doch!)

Sie ist der maximale Rahmen, den wir als Sicherheitsnetz für die Zukunft und Sicherheit unseres Landes heute und hier benötigen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Freie Demokraten haben immer die Auffassung gehabt, dass nur ein Land mit wirklich funktionierender Infrastruktur ein Land mit Zukunftsperspektive und somit wirtschaftlichen Chancen sein kann. Da wir dringenden infrastrukturellen Nachholbedarf haben, wäre es ein schwerer Fehler, den Rotstift jetzt gerade bei den Investitionen anzusetzen.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich betone eines: Wir werden an sämtlichen Ausgaben festhalten, die eine positive volkswirtschaftliche Rendite haben. Nur Wirtschaftswachstum kann uns letztlich auf den ursprünglichen Einnahmepfad zurückführen. Steuererhöhungen hingegen - mit solchen Phantasien spielen ja einige -, die wirt

(Lasse Petersdotter)

schaftliches Engagement behindern und Wachstum entgegenstehen, lehnen wir selbstverständlich weiterhin ab.

(Beifall FDP - Kay Richert [FDP]: Sehr gut!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre doch wirtschaftspolitischer Irrsinn, die Wirtschaft zunächst mit Hilfsprogrammen zu unterstützen und dann der zarten Pflanze der konjunkturellen Erholung durch Abschöpfen der Leistung wieder den Garaus zu machen.

(Beifall FDP)

Auch unseren Kommunen bleiben wir selbstverständlich ein verlässlicher Partner. Über das Kommunalpaket ist hinreichend gesprochen worden. Dank dieses Stabilitätspaktes können die Kommunen auch in diesen schwierigen Zeiten und darüber hinaus daran arbeiten, den Sanierungsstau auf ihrer Ebene abzubauen und ihre gesamten Bedarfe, beispielsweise in Schulen und im Straßenbau, weiterhin anzugehen und zu decken. Rund zwei Drittel der gesamtstaatlichen Investitionen - das dürfen wir nicht vergessen - werden nämlich auf kommunaler Ebene getätigt. Das sind Investitionen, die auch die Auftragsbücher unserer mittelständischen Wirtschaft in Schleswig-Holstein füllen.

(Beifall FDP, CDU und Lasse Petersdotter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sehr geehrte Damen und Herren, was können wir noch tun, um den Weg zum ursprünglichen Einnahmepfad zurückzufinden? - Ich möchte positiv enden.

(Christopher Vogt [FDP]: Endlich mal!)

Die Pandemie hat gezeigt, wozu unser Staatswesen in der Krise in der Lage ist und was wir alle für kaum möglich gehalten haben: Genehmigungen wurden schnell erteilt, Auflagen, wo es möglich war, gelockert und bürokratische Anforderungen teilweise in einem erheblichen Maße zurückgeschraubt. Hieran müssen wir doch anknüpfen. Insbesondere die Vereinfachung des Planungsrechtes müssen wir weiterhin fordern.

(Lars Harms [SSW]: Sehr gut! Dann macht das mal! - Beifall FDP und CDU)

- Ja, Lars, hilf uns!

Es gilt, die Innovationskraft unserer Unternehmer und den Mut, neue Geschäftsfelder anzugehen, weiter zu fördern.

Jetzt fehlt mir meine letzte Seite, es ist aber auch egal: Ich habe keine Angst um dieses Land. Ich bin

mir ziemlich sicher: Schleswig-Holstein wird gestärkt und mit viel mehr Kraft als vorher aus dieser Krise herausgehen. - Besten Dank.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lars Harms [SSW]: Sehr gut!)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht übertrieben festzustellen, dass durch die Coronapandemie die größte gesamtwirtschaftliche Krise ausgelöst wurde, die wir bislang erlebt haben. Wir werden auf absehbare Zeit mit deutlich weniger Einnahmen auskommen müssen. Es wird sehr große Anstrengungen brauchen, um wirtschaftlich einigermaßen wieder an das Niveau anknüpfen zu können, auf dem wir vor der Coronakrise waren. Das hat die September-Steuerschätzung deutlich gezeigt.

Bis 2024 werden dem Land Steuereinnahmen in Höhe von insgesamt 3,6 Milliarden € wegbrechen, davon allein in diesem Jahr rund 1 Milliarde €. Den Kommunen fehlen in diesem Jahr rund 559 Millionen €. Das sind dramatische Zahlen.

Nun mag man sagen, dass wir im Vergleich zu anderen Staaten immer noch recht glimpflich davongekommen sind, aber wer seinen Job verloren hat, in Kurzarbeit ist oder zwangsweise Stunden reduzieren muss, der sieht dies mit Recht anders. Es ist nun unsere Aufgabe als Politik, hier alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit sich die wirtschaftliche Lage wieder schrittweise erholen kann. Die Stichworte der Stunde sind hier: Kurzfristigkeit bei gleichzeitiger Nachhaltigkeit. Mitten in der aktuellen Krise helfen weder radikales Sparen noch exzessives Geldausschütten. Was wir brauchen, ist ein kurzfristig aufgestelltes Konjunkturprogramm mit nachhaltigem Effekt.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, genau das hat die Landesregierung gestern vorgelegt. Ich kann durchaus sagen, dass wir parteiübergreifend zu diesen Notkrediten in Gesprächen waren und sind. Dieses gemeinsame Vorgehen begrüßen wir sehr. Für uns war es in den Gesprächen unter anderem wichtig, dass nicht wieder bei den Minderheiten gespart wird, wie es noch vor einem Jahrzehnt der Fall war. Und

(Annabell Krämer)

wir wollten - genau wie andere auch - in die Krankenhausinfrastruktur investieren und die Kommunen unterstützen. Das geschieht mit dem Programm. Wir sehen also, hier besteht eine große Einigkeit.

Was unserer Auffassung nach noch fehlt, ist, dass wir auch in das größte Problem, das die Leute haben, investieren, nämlich in die Bereitstellung von preiswertem Wohnraum. Meine Damen und Herren, darüber sollten wir in den nächsten Tagen in der Tat noch einmal reden und sehen, ob da noch etwas machbar ist. Grundsätzlich aber, und das ist wichtig, sind diese Notkredite nötig, und sie finden auch unsere Zustimmung.

Bei aller Krisen-Kater-Stimmung müssen wir daran denken, dass auch die staatliche Infrastruktur weiterhin aufrechterhalten werden muss. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht. Und damit meine ich nicht nur Straßen und Wege oder öffentliche Gebäude und den Netzausbau. Ich meine vor allem den Rechtsstaat, die innere Sicherheit, das Gesundheitssystem, Kitas und Schulen sowie generell das Funktionieren von staatlichen Strukturen. Wir konnten es gerade hören: Das will die AfD offensichtlich nicht.

Die Coronapandemie hat uns hier die Lücken und Schwächen ganz klar vor Augen geführt: Wir haben immer noch zu wenig Lehrer; unsere Gerichte sind immer noch überlastet; unsere Polizei hat immer noch immens viel zu tun bei personeller Unterbesetzung. Unsere Krankenhäuser müssen stets auf den neuesten Stand gebracht werden; unsere Sportanlagen sind teilweise immer noch marode; wir haben immer noch zu wenig bezahlbaren Wohnraum, und die Kulturszene durchlebt zurzeit ihre schwerste wirtschaftliche Krise.

All dies sind Aufgaben, für die sich die AfD nicht interessiert und die mit Einsparungen nicht zu bewerkstelligen sind. Ich bin froh, dass die demokratischen Parteien durchaus ein Interesse daran haben, dass der Staat, die Kultur, der Sport und die anderen Bereiche noch funktionieren. Wir können froh sein, dass wir diese Einigkeit haben.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Natürlich müssen angesichts der Krise Land, Kreise und Kommunen jetzt den Gürtel enger schnallen. Neben der absolut notwendigen staatlichen Infrastruktur und der Hilfe für die Wirtschaft zur Sicherung von Arbeitsplätzen dürfen dabei jedoch die sogenannten freiwilligen Leistungen auf kommunaler Ebene nicht zu kurz kommen. Es kann nicht sein,

dass Sport und Kultur, Minderheiten, Soziales oder auch der Umweltschutz am Ende die Verlierer sind. Die Coronakrise hat wahrlich bereits genug Schaden angerichtet.

Deshalb muss uns insgesamt klar sein, dass wir zwar in Zukunft die Schuldenbremse wieder einhalten müssen, wir zum jetzigen Zeitpunkt aber trotzdem ein kurzfristiges Konjunkturprogramm brauchen, das die staatliche Handlungsfähigkeit stützt und weiterhin ermöglicht. Und ein solches Programm wird einen gewissen Umfang haben müssen. Wir vom SSW stehen daher für entsprechende Beratungen konstruktiv bereit.

Meine Damen und Herren, dieses konstruktive Bereitstehen bezieht sich nicht nur auf den Landtag. Wir machen das hier gemeinsam. Ich bin davon überzeugt, dass alle fünf demokratischen Parteien in diesem Landtag ein gemeinsames Programm auf die Beine stellen werden. Es geht aber auch um die Kommunen. Wir werden es den Kommunen mit einer Passage dieses Programms ermöglichen, außer der Reihe Kredite aufzunehmen, auch wenn sie nach den formalen Kriterien dazu möglicherweise nicht in der Lage wären. Das soll noch gesetzlich geregelt werden, und das finde ich ganz wichtig. Ich kann Ihnen jetzt schon zusagen, dass der SSW auch auf kommunaler Eben dafür geradestehen wird, dass Investitionen weiter getätigt werden können. Das ist auf kommunaler Ebene, für den Mittelstand, aber auch für das Aufrechterhalten von kommunalen Strukturen besonders wichtig. Insofern finde ich es gut, dass wir hier ein Signal setzen, das hoffentlich auch auf kommunaler Ebene gehört wird. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.