Protocol of the Session on August 26, 2020

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP - Zuruf Dr. Kai Dolg- ner [SPD])

Herr Habersaat, deshalb bin ich auch sehr froh, dass Sie sich im Rest Ihrer Rede an sehr konkreten Themen abgearbeitet haben. Das ist genau das, was hier passieren muss. Sie haben konkrete Punkte benannt, die zum Teil wirklich von vielen Eltern und von vielen Lehrerinnen und Lehrern kritisiert werden. Das sind die Punkte, über die wir uns austauschen sollten. Wir können dann auch darüber sprechen, wie man etwas besser machen kann. Deshalb danke ich Ihnen auch für den Rest dessen, was Sie hier vorgebracht haben.

(Martin Habersaat)

(Beifall Serpil Midyatli [SPD] und Regina Poersch [SPD])

Aber trotzdem muss ich sagen: Sie haben Herrn Koch kritisiert, dass er sich hier an der Opposition abgearbeitet und keine eigenen Perspektiven genannt habe. Sie haben sich wiederum - so finde ich ehrlich gesagt - in erster Linie an der Regierung abgearbeitet.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Guck mal in die Verfassung!)

- Ja, aber nur an wenigen Stellen haben Sie eigene Vorschläge gemacht. Sie sagen immer, Sie wollten sich einbringen und uns die Hand reichen. Das finde ich super. Ich bin auch sehr dankbar, dass Frau Prien diesen Vorschlag gemacht hat. Aber ehrlich gesagt habe ich im Frühjahr dieses Jahres an vielen Stellen genau diese Vorschläge, wie Sie es besser gemacht hätten, vermisst.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Die Bildung ist einer der Bereiche, die seit dem Ausbruch der Coronapandemie in unserem Land am meisten gelitten haben. Erst der Lockdown, der insbesondere die Eltern und Kinder vor große Herausforderungen gestellt hat, dann die schrittweise Öffnung von Schulen und Kitas, welche mit mindestens genauso viel Schwierigkeiten verbunden war. Der Kollege Kilian war es, so glaube ich, der einmal gesagt hat: Abwürgen ist leichter als anfahren. - Genau das haben wir in der Phase gemerkt, in der die Dinge wieder losgegangen sind, dass das mindestens genauso viele Schwierigkeiten bereitet.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Dazu gehört auch die kontrovers diskutierte Frage „Maskenpflicht: Ja oder nein?“ - Kritik wurde an unserer Ministerin laut: Den einen gingen die Maßnahmen zu weit, andere wünschten sich mehr Vorgaben von oben, wieder anderen ging es zu schnell, und sie fühlten sich nicht ausreichend informiert. Auch bei mir ist diese Kritik angekommen. Ich will nicht schönreden und sagen, dass es diese Kritik nicht gab. Ich will auch nicht sagen, dass es an mancher Stelle natürlich unterschiedliche Interessen gab.

Sie, Herr Habersaat, haben zu fast allen Themen gesagt, da hätte viel mehr von oben kommen müssen, viel mehr klare Vorgaben. Bei der Maskenpflicht hat es sich jetzt so herausgestellt, dass offensichtlich wirklich ein sehr großer Wunsch in der Bevölkerung besteht und bestand, diese Vorgabe zu bekommen. Aber wir müssen auch - ich glaube ganz

ernsthaft, dass wir auf eine zweite Welle zugehen; und es sieht gerade nicht besonders schön aus, was wir zu erwarten haben - an die Selbstverantwortung der Menschen appellieren.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Natürlich ist es an vielen Stellen gut, Vorgaben zu haben. Aber nur einmal ein Beispiel: In Quickborn, wo meine Kinder zur Schule gegangen sind, gibt es zwei Gymnasien. Das eine Gymnasium hat sich für eine Maskenpflicht ausgesprochen, als es die Empfehlung gab, das andere dagegen. In dem, in dem es die Maskenpflicht gibt, im Elsensee-Gymnasium, gibt es viele Räume, die nur oben eine Klappe zum Öffnen haben. Da gibt es Räume, in denen unterrichtet wurde - jedenfalls zu der Zeit, als meine Kinder da waren -, da konnte man die Fenster nicht vernünftig öffnen. Das heißt, dort ist unter Umständen eine andere Entscheidung gefallen, als an dem anderen Gymnasium, wo eventuell die Lüftungssituation eine andere ist. Warum sollen wir denn nicht den Menschen vor Ort auch die Möglichkeit geben, kluge Entscheidungen zu fällen, wie sie angemessen sind? Ich finde, das ist die richtige Entscheidung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Dann kommen wir zu der Kritik an der Schnelligkeit und der fehlenden Möglichkeit zum längerfristigen Planen. - Ja, das ist richtig ätzend. Das geht uns allen so, ob man eine Hochzeit plant und sich fragt, ob die überhaupt nächstes Jahr stattfinden kann, oder ob es dann geht - noch viel ernsthafter -, was mit meinem Betrieb ist, ob ich den überhaupt weiterführen kann. Wird die Schule nächste Woche auf haben oder nicht? Was ist, wenn mein Kind Schnupfen bekommt? - Ich kann den Frust der Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler in dieser Sache wirklich sehr gut nachvollziehen. Aber ich kann auch sagen, dass die Entscheidungen, die gefällt werden mussten, sehr schnell gefällt werden mussten, um die Pandemie einzudämmen. Sie müssen genauso schnell jetzt gefällt werden, wenn Gerichtsurteile vorliegen, wenn sich die Zahlen der Epidemie vielleicht entwickeln.

Es geht im Stakkato-Tempo. Ich kann das beurteilen, weil ich viele Entscheidungen mittreffen durfte und viele Gespräche miterlebt habe. Niemand von denjenigen, die da Entscheidungen getroffen haben, hat das leichtfertig gemacht, hat das mal eben so rausgeschossen, weil es nötig war. Häufig gab es auch nicht die Möglichkeit, sich möglichst breit ab

(Eka von Kalben)

zustimmen. Das ist wirklich ein ernsthaftes Problem. Sie hatten gesagt, dass die Schulleitungen sich nicht genügend eingebunden fühlten, dass sich die Landeselternbeiräte nicht genügend eingebunden fühlten und auch die Opposition nicht immer eingebunden worden sei, jedenfalls nicht in Gänze. Das ist ein Problem. Aber dem widerspricht manchmal auch die Schnelligkeit, in der Entscheidungen gefällt werden müssen. Das ist in der Krise so: Die Krise ist die Zeit der Exekutive. Das ist manchmal für uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier sehr ätzend, aber es ist so. Ich kann noch nicht einmal versprechen, dass es in Zukunft komplett anders sein wird. Frau Prien, ich bin sehr froh über die ausgestreckte Hand, auch in Richtung der Opposition. Als Teil der Regierungsfraktion unterstütze ich das, ich finde das sehr gut, wenn man sich Gedanken macht, was man langfristig machen will, gerade für den Lernsommer nächstes Jahr.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Aber ich kann auch nicht versprechen, dass es nicht trotzdem auch weiterhin schnelle Entscheidungen geben wird. Das ist einfach so. Wir müssen damit rechnen, dass es so bleibt.

Das führt gleichzeitig zu dem dritten Kritikpunkt, der schlechten Informationspolitik. Das geht damit ein bisschen einher. Es wird eine Entscheidung gefällt. Dann sagt die Presse natürlich: „Wir möchten wirklich schnell wissen, was ihr da entschieden habt!“ - berechtigterweise. Das Parlament muss schnell informiert werden, und dann kommt aber auch noch der Wunsch von Schulleitungen oder von Eltern oder von Lehrerinnen und Lehrern, das vielleicht vorher zu erfahren, vorher darüber zu sprechen, das vorher noch einmal rückzukoppeln. Es ist eine wirklich missliche Sache, wenn ich als Lehrerin morgens am Tisch in der Zeitung etwas zum ersten Mal lese, weil es auf anderem Weg nicht rechtzeitig bei mir angekommen ist. Das ist in den Ferien dann noch einmal doppelt schwierig, wenn nicht überall die Sekretariate besetzt sind und deshalb nicht überall alles weitergeleitet wurde. Auch ich weiß, dass es Eltern gab, die sehr frustriert waren, weil sie bis kurz vor Schulbeginn nicht wussten, was losgeht. Gleichzeitig hatte ich aber von der Parallelschule gehört: Wieso, wir haben schon vor einer Woche den Elternbrief von Frau Prien bekommen. Wieso habt ihr den nicht? - Das heißt, diese Lücke ist zum einen politisch bedingt, weil man wirklich sehr schnell die Entscheidung fällt, und zum anderen liegt das natürlich manchmal auch an den Informationsketten.

Da habe ich aber ausnahmsweise etwas Positives zu sagen. Mit der Einführung der Schulplattform Schulportal SH sollen alle Lehrkräfte eine DienstE-Mail-Adresse bekommen - Herr Habersaat, das hatten Sie gesagt: „Hoffentlich keine private!“, ich teile das -, sodass das Ministerium zukünftig dann auch die Lehrkräfte direkt informieren kann und nicht nur über stille Post von einem zum Nächsten.

(Tobias von der Heide [CDU]: Da kann man mal fragen, warum die das nicht haben!)

Ich gehe davon aus, dass das den Informationsfluss deutlich verbessern wird, und zwar bis zu den Eltern, weil dann die Lehrkräfte den Eltern entsprechende Informationen mitgeben können.

Es kam hier die Frage auf, warum es nicht schneller gehe, warum das in den Ferien nicht alles passiert sei. Natürlich kann man fragen, warum wir nicht schon vor einem Jahr die Laptops angeschafft haben, warum die Digitalisierungsplattform nicht schon vor fünf Jahren geschaffen worden ist. Ich gehe davon aus, dass das Bildungsministerium in den Sommerferien genauso intensiv gearbeitet hat wie das ganze Frühjahr über. Ich hoffe und wünsche mir sogar, dass die Menschen auch dort Gelegenheit hatten, zumindest zwei oder drei Wochen Urlaub zu machen. Ehrlich gesagt ist es ein bisschen Wohlfeil, wenn wir uns hier hinsetzen und sagen, das hätte alles schneller, früher besser sein müssen. Mein Eindruck ist, dass dort wirklich intensivst daran gearbeitet wird. Alle, die schon mal irgendwie ein Changemanagement begleitet haben, also die Veränderung einer ganzen Struktur, einer Veränderung durch Digitalisierung, können eigentlich nur staunen, wie schnell das in Schleswig-Holstein gelungen ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Kommen wir noch zum Thema Maskenpflicht, denn das ist wirklich ein Thema, das alle sehr umgetrieben hat, auch der Umgang damit. Die Debatte ist jetzt erst einmal beendet - erst einmal! -, aber ich bin mir sehr sicher, dass sie mit Sicherheit noch nicht ganz beendet sein wird, denn es wird immer diejenigen geben, die eine allgemeine Maskenpflicht, auch in Klassen, fordern, und diejenigen, die dagegen sind. Für beides gibt es berechtigte Gründe. So ist das bei Corona, und so ist das in der Demokratie.

Auch unter den Schülerinnen und Schülern gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wir hatten kürzlich eine Besuchergruppe und haben gesagt: Wir drehen das einmal um und lassen die Schülerinnen und

(Eka von Kalben)

Schüler zu Wort kommen, weil Politikerinnen und Politiker sowieso etwas zu viel reden. Wir haben also gefragt, wie sie das sehen.

(Zuruf: Na super!)

Vier Menschen haben sich gemeldet. Der Erste fragt sich: Warum soll ich in der Schule eine Maske tragen, wenn diejenigen, die ich damit eigentlich schütze, nämlich die ältere Generation, bei CITTI sitzt und ohne Maske rumläuft?

Die Zweite findet es schon vernünftig, wenn man sich gegenseitig schützt. Sie trifft beim Sport viele Menschen und möchte nicht schuld sein, wenn sich das Virus in der Schule verbreitet.

Ein dritter Schüler war sehr unsicher und weiß noch nicht, ob er dafür oder dagegen ist. Er befürchtet, dass das Maskentragen in der Schule ganz schön anstrengend sein kann.

Die vierte Schülerin ist ganz klar für eine Pflicht, weil ihre Mutter in der Pflege arbeitet und die Schwester lungenkrank ist. Sie muss aufpassen, dass sie sich nicht infiziert und macht sich Sorgen, weil sich auf dem Schulhof eben nicht alle an das Kohortenprinzip halten oder eine Maske tragen.

Wie können wir all diesen Wünschen gerecht werden? Wie setzen wir das um? Das können wir gar nicht.

(Zuruf SPD: Genau!)

Unsere Entscheidungen orientieren sich deshalb maßgeblich an den wissenschaftlichen Beratungen. Aber auch diese sind verschieden.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Genau!)

Da das Infektionsgeschehen dynamisch und nicht vorhersehbar und regional unterschiedlich ist, gibt es den Stufenplan mit Reaktionsmaßnahmen, die von den Schulen mit den Gesundheitsämtern abgestimmt werden. Das ist klug. Das schafft zumindest ein Stück weit Planbarkeit und Sicherheit in den Schulen.

Meine Damen und Herren, die ersten zweieinhalb Wochen im sogenannten Corona-Regelbetrieb haben wir nun schon hinter uns. Dazu wurde einiges gesagt, auch, dass es relativ wenige Infektionsfälle gegeben hat und dass die Hygienemaßnahmen eingehalten werden, dass Kohorten gebildet werden. Vieles ist in wirklich viel Arbeit vor Ort geleistet worden. Ich möchte mich daher ausdrücklich bei den Lehrkräften, bei den Schulleitungen, bei den Kommunalen, den Menschen vor Ort, die sich darum gekümmert haben, dass Hygienekonzepte ent

wickelt werden konnten, aber auch bei der Bildungsministerin und Ihrem Haus dafür bedanken, dass wir in Schleswig-Holstein flächendeckend Präsenzunterricht haben,

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

denn - es wurde von meinen Vorgängerinnen und Vorgängern schon gesagt, aber ich möchte es trotzdem noch einmal betonen - für Bildungsgerechtigkeit und Kindeswohl sind Präsenzunterricht und der Kontakt zu Gleichaltrigen unerlässlich. Das hat der letzte Lockdown leider deutlich gezeigt.

Meine Damen und Herren, natürlich läuft nicht alles perfekt, aber wir bekommen mit, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bildungsministerium, im UKSH und in den Kommunen viele Überstunden schieben und vieles möglich machen, um die Schulen bestmöglich zu unterstützen. In diesen Zeiten ist es schier unmöglich, es allen recht zu machen. Gut ist, was Bildung ermöglicht und die Menschen vor der Pandemie schützt.

Ich möchte einen Punkt ansprechen, der viele Menschen umtreibt, nämlich, dass mit dem Herbst die Schnupfenzeit Fahrt aufnehmen wird oder schon aufgenommen hat. Natürlich müssen wir jetzt alle Vorsicht walten lassen. Deshalb ist es richtig, dass Kinder mit potenziellen Coronasymptomen zu Hause bleiben müssen. Trotzdem muss ich sagen: Das ist ein Punkt, bei dem ich gespannt bin. Die Regierung hat angekündigt, sich noch einmal Gedanken darüber zu machen. Das ist ein Punkt, bei dem viele Eltern verzweifelt sind.

Alle Menschen, die Kleinkinder gehabt haben, wissen, dass eine laufende Nase sozusagen zum Alltagsgeschäft gehört. Wenn wir alle Kinder mit einer Rotznase zu Hause ließen, könnten wir die Krippen von vornherein schließen. Deshalb bin ich froh, dass es zu den jetzigen Handreichungen, die wichtig gerade für den Schulstart waren, noch Nachbesserungen und Klarstellungen geben wird.

Außerdem bin ich sehr froh, dass die Große Koalition gestern beschlossen hat, unseren Landtagsantrag aus Schleswig-Holstein umzusetzen und die Anzahl der Kinderkrankentage zu erhöhen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDIS 90/DIE GRÜ- NEN und SPD) - Zuruf Serpil Midyatli [SPD])