Protocol of the Session on August 26, 2020

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Unglaublich!)

Der Lernsommer galt für die Jahrgänge 1 bis 10, nicht für die Abiturientinnen und Abiturienten des kommenden Jahres. Warum nicht? Am Ende nahm etwa 1 % aller Schülerinnen und Schüler am Lernsommer teil. Für die war es super, keine Frage.

(Zuruf Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was ist aber mit denen, deren Lernlücken am Größten waren? Die haben Sie zu einem großen Teil nicht erreicht.

Herr Koch, dass Lehrkräfte die für sie geltenden Teilnahmebedingungen erst erfahren, nachdem die Teilnahmeanmeldungsfrist schon abgelaufen war, ist schlicht und ergreifend ein Verwaltungsfehler und nicht der besonderen Situation durch Corona geschuldet.

(Beifall SPD und SSW)

Jetzt blicken wir nach vorn: Es müssen schnell die Rahmenbedingungen für schuljahresbegleitende Angebote, für die kommenden Herbstferien und für die nächsten Lernsommer, gelegt werden. Wir bringen unsere Vorstellungen gern ein, wenn wir gefragt werden.

Thema fünf: Klassenfahrten.

(Martin Habersaat)

„Klassen- und Studienfahrten können unter den am Reiseziel jeweils geltenden Hygienebedingungen und einer entsprechend sicheren Anreisemöglichkeit stattfinden, wenn alle Teilnehmenden beziehungsweise Sorgeberechtigten einverstanden sind.“

- So weit, so simpel, so äußert sich das Ministerium. Die Diskussion an Schulen in Reinbek oder Pinneberg ist allerdings weniger simpel. Die Diskussion um Stornokosten müssen die Lehrkräfte nämlich nun mit den Eltern führen. Hilfe vom Land gab es für abgesagte Reisen im vergangenen Schuljahr. Was ist aber mit der Reise, die in den kommenden Wochen stattfinden sollte, die - lange geplant - vor Corona gebucht wurde und jetzt storniert wird? - Keine Hilfe des Landes.

Ja, die derzeitige Lösung ist rechtssicher. Sie motiviert aber absolut nicht zur Planung und Durchführung von Reisen und trägt auch nicht zur Rettung von Jugendherbergen und Schullandheimen bei. Mein Appell an Sie ist: Denken Sie da noch einmal dadrüber nach! Sie wollen doch eigentlich, dass die Lehrkräfte Klassenreisen antreten. Wenn Sie das wollen, werden Sie ein bisschen mehr tun müssen, als zu sagen: Ihr dürft es machen, seid aber selbst verantwortlich!

(Beifall SPD und SSW)

Punkt sechs: Schülerbeförderung. Es ist für Lehrkräfte schwer, Schülerinnen und Schülern die Bedeutung der Trennung in Kohorten zu vermitteln, wenn diese Schülerinnen und Schüler in vollgestopften Bussen an- und abreisen. Nase an Nase von Itzehoe nach Kaisborstel - da hilft auch der schönste Mund- und Nasenschutz nichts.

Aber dafür gibt es ja im Rahmenkonzept für das Schuljahr 2020/2021 eine Lösung. Da steht drin Herr Koch weiß es bestimmt -:

„Die Schulen klären gemeinsam mit Kreis beziehungsweise Schulträger, wie die Schülerbeförderung bei gegebenenfalls modifizierten Unterrichtszeiten erfolgen kann.“

Und was war der Beitrag der Landesregierung zur Lösung dieser Frage? Sind Sie auf das Angebot der Busunternehmen eingegangen? Haben Sie Abstände in Schulbussen gefordert, oder haben Sie es absichtlich unterlassen, weil Sie Konnexität gefürchtet haben?

(Beifall SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, wir werden den Reisebusunternehmen sowieso durch die Krise helfen

müssen. Denken Sie doch einmal darüber nach, ob Sie es nicht mit einer Lösung des vorliegenden Problems verbinden können.

(Beifall SPD und SSW)

Punkt sieben: das Digitalkonzept.

(Zuruf: Nein!)

Bis zu 100 Schulen pro Woche können an das neue Lernmanagementsystem itslearning angeschlossen werden. Wir haben 792 Schulen im Land. Wenn es also zu Beginn der Sommerferien losgegangen wäre, könnten wir in dieser Woche feiern, dass wir fertig sind - sind wir aber nicht.

Sieht man sich dort auch bei itslearning, fragten die „Kieler Nachrichten“ die Ministerin im Interview. Die Antwort: Ja, auch Unterricht per Video ist möglich. - Das Problem: itslearning stellt ab Werk durch die Integration von Microsoft Teams die Möglichkeit zur Verfügung, direkt aus der Lernplattform heraus eine Videokonferenz zu starten. Microsoft Teams wurde aber für Schleswig-Holstein herausgeschnitten. Der Open-Source-Strategie der Landesregierung zur Folge sollen Videokonferenzen eines Tages über Jitsi möglich sein - „sollen“, „eines Tages“! Das passt nicht zur gegebenen Antwort.

(Lebhafter Beifall SPD und SSW)

Ich glaube übrigens, dass wir uns bei manchem Open-Source-Angebot noch die Frage stellen werden, wo im Stressfall eigentlich der nötige Support, den man brauchen wird, herkommen soll.

(Zurufe CDU)

Dass Schleswig-Holstein eine Außenseiterrolle einnimmt, wenn es von den Kommunen einen Eigenanteil beim DigitalPakt fordert, habe ich oft genug erwähnt. Gut gefallen hat mir, dass Saskia Esken neue Gespräche im Bund angestoßen hat, was Unterstützung für digitales Lernen angeht: nach 500 Millionen € für Schülerendgeräte und 500 Millionen € für Administratoren jetzt noch einmal 500 Millionen € für Lehrergeräte.

Ich wünsche mir Antworten auf die Fragen: Wie wird dort die Datensicherheit gewährleistet? Wir wird der Zugang zum Landesnetz organisiert - nicht mit der Privatadresse der Lehrkräfte, wie ich hoffe?

Das alles kann natürlich ein positiver Impuls für die Schulen sein. Wenn aber Digitalisierung die räumliche Trennung der Schüler von ihnen möglich machen soll, wird die soziale Spaltung der deutschen Gesellschaft erneut sichtbar. PISA 2000 hat uns drastisch vor Augen geführt, wie stark der Zusam

(Martin Habersaat)

menhang zwischen Bildungs- und Lebenschancen und sozialer Herkunft der Schülerinnen und Schüler ist. Wir haben - zu einem großen Teil gemeinsam viele Schritte unternommen, um das aufzubrechen. Wir fallen aber gerade zurück. Durch die letzte Schulgesetznovelle haben Sie dies noch unterstützt, indem Sie außerschulische fachbezogene Leistungen in die Notenbildung einbeziehen. Wer hat, dem wird gegeben!

Frau Prien, Ihren guten Satz von der ausgestreckten Hand habe ich gehört. Dafür danke ich Ihnen. Ich erinnere aber auch an die Tatsache, dass es die Opposition und auch die größte Oppositionsfraktion war, die seit dem Ausbruch der Pandemie dieser Regierung die Hand gereicht hat und mit ihr über längere Zeit hinweg gemeinsam Maßnahmen erörtert und beschlossen hat, die wir auch in zahlreichen Korrespondenzen und Gesprächen den Menschen erklärt haben. Dadurch haben wir manche Kritik, die an die Regierung adressiert war, auch auf uns gezogen. Das heißt aber nicht, dass wir uns verpflichtet sehen, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag die Regierung auch dort zu unterstützen, wo wir Ihre Politik für falsch halten.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Koch, ich weiß, dass Sie kein Bildungspolitiker sind. Lassen Sie sich aber gesagt sein: Die „Alles-ist-gut“-Rhetorik, die Behauptung, alles sei sensationell perfekt und dass Schleswig-Holstein blühe, wird nicht reichen. Die Lage ist eine andere.

Frau Prien, Sie sagten neulich im Bildungsausschuss, Ihr Sohn gehe Gott sei Dank nicht in Schleswig-Holstein zur Schule.

(Birte Pauls [SPD]: Tja!)

Das kann ich gut verstehen. Meine beiden Söhne werden aber in einigen Jahren schleswig-holsteinische Schulen besuchen. Deshalb kann ich Ihnen zusagen, dass wir als Opposition unsere Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen - künftig auch wieder als Regierungsfraktion -, sodass auch Sie eines Tages Ihren Sohn guten Gewissens nach SchleswigHolstein umschulen könnten. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall SPD und SSW - Zurufe)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deren Fraktionsvorsitzende, die Abgeordnete Eka von Kalben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Habersaat, natürlich ist die Opposition aufgefordert, Kritik an der Regierung zu üben. Auch die Regierungsfraktionen sind in einem Parlament aufgefordert, die Regierung zu kontrollieren und zu gucken, ob alles so läuft, wie wir als gewählte Abgeordnete finden, dass es laufen sollte.

Aber, Herr Habersaat, Sie haben es vorhin angesprochen: Es gibt eben Grenzen, auch Grenzen des Anstands - wie wir damals in der Küstenkoalition erlebt haben, was unsere Bildungsministerin, Frau Wende, anging.

Ich finde, das ist kein Grund, selbst zu sagen: Na ja, die waren auch blöd, dann teilen wir jetzt auch unter der Gürtellinie aus. Das darf für mich nicht die Retourkutsche sein.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zu- rufe Birte Pauls [SPD] und Martin Habersaat [SPD])

- Das war genau der Anfang Ihrer Rede, Herr Habersaat,

(Martin Habersaat [SPD]: Lesen Sie noch einmal nach!)

dass Sie die Sachen relativiert haben, um darauf hinzuweisen, was die CDU-Jungs damals gemacht haben.

(Zurufe SPD)

Ich finde, das ist nicht der Umgang, den wir miteinander haben sollten, zu sagen: „Weil das passiert ist, machen wir das jetzt auch!“. Ich finde, wir sollten eine andere politische Kultur hier im Haus pflegen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ver- einzelt CDU und FDP - Zuruf Dr. Kai Dolg- ner [SPD])