Protocol of the Session on May 8, 2020

Der Gesetzentwurf legt aber auch fest, wie bei einem erwartbaren Mangel an Finanzkraft zu verfahren ist. Er sagt, dass, wenn die verfügbaren Mittel

nicht ausreichen - was zukünftig durchaus häufiger der Fall sein könnte -, eine ausgewogene Aufteilung der Mangellage auf Land und Kommunen durch eine beiderseitige Reduzierung der zur Verfügung stehenden Mittel geboten ist.

Bei der notwendigen Gesetzesnovelle geht es also im Kern um eine bedarfsgerechte, nachhaltige und faire Neuregelung des Finanzausgleichs für Städte, Kreise und Gemeinden - ein schwieriges Thema bei Anblick der über 300 Seiten Gesetzestext und Begründung und unverkennbar nicht gerade ein Musterbeispiel für Entbürokratisierung.

Dieses Gesetz schwitzt Verwaltungsaufwand und deutsche Bürokratie nahezu aus jeder Zeile. So steht es sogar Schwarz auf Weiß auf Seite 9 - ich zitiere -:

„Der Verwaltungsaufwand des Landes wird sich unter anderem durch die Berücksichtigung zusätzlicher Komponenten bei der jährlichen Berechnung der Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden und der Schlüsselzuweisungen an die Kreise und kreisfreien Städte und die Verfahren zur Auszahlung der Zweckzuweisungen erhöhen.“

Auf gut deutsch: mehr Verwaltung, mehr Bürokratie, ein echtes Booster-Gesetz zur Förderung von Verwaltungsaufwand und Bürokratie in unserem Land!

Immerhin hat die Landesregierung gegenüber der Presse bereits klargestellt, dass die Lasten der Coronakrise gesondert, also außerhalb dieser Reform, verhandelt werden sollten. Das ist gut und richtig, weil da - wie wir alle wissen - noch erhebliche Lasten auf uns zukommen werden.

Meine Damen und Herren, wir haben Ende 2017 gemeinsam ein Gesetz beschlossen, und zwar wohlgemerkt - auf Antrag der Regierungsfraktionen, welches den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu verzichten. So weit, so gut. Daraus ergibt sich hier und heute bei der Neuregelung des FAG allerdings auch die Verpflichtung, die Kommunen finanziell in die Lage zu versetzen, zukünftig auf Straßenausbaubeiträge verzichten zu können. Denn wie der Landesrechnungshof bereits damals anmerkte, besteht diese Wahlfreiheit der Kommunen aufgrund der schlechten finanziellen Situation der allermeisten Städte und Gemeinden im Land bislang de facto nur auf dem Papier.

Mit der Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs haben wir nunmehr die Pflicht, den Kommu

(Annabell Krämer)

nen die notwendigen Finanzmittel für eine möglichst landesweite Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zur Verfügung zu stellen. Doch den Willen dazu kann ich beim besten Willen in diesem Gesetzentwurf nirgendwo erkennen. Aber vermutlich ist das auch gar nicht beabsichtigt.

Die 59 Millionen €, die zukünftig pauschal für Infrastrukturmaßnahmen der Kommunen nach der bedarfsinduzierten Einwohnerzahl verteilt werden, dürften kaum ausreichend sein, um Straßenausbaubeiträge in Schleswig-Holstein flächendeckend abzuschaffen.

(Zurufe)

Es wäre auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.

Das Land stockt die Ausgleichsmasse für das Jahr 2021 immerhin um 54 Millionen € auf, und in den drei Folgejahren bis 2024 jeweils um weitere 5 Millionen € pro Jahr. Ob das allerdings ausreichend sein wird, um die strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden zu beenden, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.

(Wortmeldung Annabell Krämer [FDP])

- Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, sondern würde gern fortführen.

(Annabell Krämer [FDP]: Feige!)

Haus & Grund forderte bereits im Februar 2018, dass die Problematik der Finanzierung des kommunalen Straßenbaus im Rahmen der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs ganzheitlich und nachhaltig gelöst werden sollte. Ob dies zukünftig einzig und allein über die Berücksichtigung sogenannter bedarfstreibender Flächenlasten als nachhaltig gelöst betrachtet werden kann, vermag ich nicht zu beurteilen; ich glaube es eher nicht.

(Ole-Christopher Plambeck [CDU]: Wie ist denn Ihr Vorschlag?)

Vielleicht bringt ja die Anhörung im Finanzausschuss etwas Licht ins Dunkel der Verwaltungsabgründe dieses Gesetzentwurfs.

Eines ist jedoch schon heute klar erkennbar: Mit den darüber hinaus zusätzlich für den ÖPNV zur Verfügung gestellten 5 Millionen €, die ab 2021 ebenfalls dynamisiert werden, trägt auch dieses Gesetz einmal wieder eine grüne Handschrift. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Aber ich möchte nicht nur kritisieren, ich habe auch Gutes gefunden.

(Zurufe: Oh, oh!)

Der neue Vorwegabzug in Höhe von 7,5 Millionen € für kommunale Träger von Schwimmsportstätten etwa, um das Schwimmenlernen im ganzen Land zu fördern, ist schon lange eine originäre Forderung der AfD; das begrüßen wir ausdrücklich.

(Zurufe)

- Es ist schön, dass auch Sie das so sehen; Sie haben das ja auch gelobt. - Im Land zwischen den Meeren sollten alle Kinder frühzeitig schwimmen lernen. Daher Daumen hoch für diesen Absatz im Gesetzentwurf.

Auch die Einführung eines sogenannten Kinderbonus bei den Schlüsselzuweisungen an die Gemeinden begrüßen wir. Auch das scheint vernünftig zu sein.

Dass künftig jedoch 9 Millionen € Landesmittel im kommunalen Finanzausgleich nur dafür bereitgestellt werden sollen, um die Kürzungen der Bundesmittel bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen beziehungsweise Wirtschaftsmigranten zu kompensieren, findet hingegen nicht unsere Zustimmung. Sie haben es vermutlich geahnt, aber ich wollte es der Vollständigkeit halber erwähnen.

Das findet unsere Zustimmung erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass das Land selbst direkt etwa 25 Millionen € für Aufnahme- und Integrationsmaßnahmen vor Ort bereitstellt. Davon fließen etwa 10 Millionen € allein den Trägern der Maßnahmen für ihre Arbeit mit den Wirtschaftsmigranten direkt vor Ort zu. Eine ganze Flüchtlingsindustrie lebt mittlerweile von den Steuergeldern, die hier Jahr für Jahr aufs Neue verteilt werden; Kürzungen sind nicht in Sicht, und der Nachschub an Wirtschaftsmigranten dürfte ebenfalls nicht abreißen. Von daher: Daumen runter für diesen Teil.

Besser als der Status quo ist das, was Sie hier vorgelegt haben, sicherlich; der Weisheit letzter Schluss ist es aber ganz sicher noch nicht. Ich bin auf die Diskussion im Ausschuss gespannt. Eines kann ich schon heute sagen: Einem Gesetz, das einen Aufwuchs an Verwaltungsaufwand zur Folge hat, werde ich nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Vorsitzende Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Schleswig-Holstein wurde ab Übernah

(Jörg Nobis)

me der Regierung durch die damalige Küstenkoalition der seit Langem nahezu unveränderte kommunale Finanzausgleich grundlegend überarbeitet. In einem transparenten Dialog- und Reformprozess wurden alle Beteiligten und Interessierten intensiv eingebunden. Schließlich wurde im November 2014 das Gesetz zur Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs vom Schleswig-Holsteinischen Landtag verabschiedet und kommt seit dem 1. Januar 2015 zur Anwendung.

Das neue Finanzausgleichsgesetz führte zu deutlichen Veränderungen bei den Zuweisungen an die einzelnen Kommunen. Hiernach ist es dann zu einer Normenkontrollklage und einer Verfassungsbeschwerde gegen diese Neuregelung der damaligen Küstenkoalition gekommen.

Das Ergebnis war eindeutig: Mit dem Urteil vom 27. Januar 2017 wurden Kernstücke des neuen Regelwerks bestätigt. Unter anderem die vom SSW damals und heute sehr wichtigen Vorwegabzüge für Theater, Orchester und Büchereiwesen wurden durch das Landesverfassungsgericht bestätigt. Das Landesverfassungsgericht hat aber festgestellt, dass es einige wenige inhaltliche Probleme im Gesetz gab und dass es auch einiger Klarstellungen bedurfte, damit die Regelungen verfassungskonform sind.

Lassen Sie mich auf die bemängelten Punkte eingehen. Bei der vertikalen Verteilung der Mittel ist auch die heutige Landesregierung der Auffassung, dass das, was die Küstenkoalition auf den Weg gebracht hat, richtig ist. Der Verbundsatz wird trotzdem erhöht, weil man ursprünglich separat verteilte Mittel wie die Integrationspauschale nun in den Verbundsatz einrechnet. Die Integrationspauschale ist ja auch erst nach Schaffung des neuen FAG 2015 entstanden. Diese wie auch andere Dinge nun in das System einzurechnen, macht Sinn.

Auch bei der horizontalen Verteilung der Mittel ändert sich kaum etwas. Die prozentuale Verteilung zwischen Kreisen, Städten und Gemeinden wird nur noch einmal bestätigt, und die inhaltliche Begründung wird bestätigt. Das gleiche gilt für den Flächenansatz bei der Verteilung der Mittel, der auch die Flächenkreise mit ihren vielschichtigen Aufgaben angemessen berücksichtigt. Auch dies haben wir als SSW damals für richtig und notwendig gehalten und freuen uns darüber, dass diese Überlegungen weiter Bestand haben.

Dass es für Frauenhäuser und Schwimmbäder gesonderte Zuweisungen als Vorwegabzug gibt, macht ebenfalls Sinn und findet unsere Unterstützung.

Eine neue Anpassung erfolgt zudem dafür, dass die Kita-Kosten für die Eltern eingegrenzt werden und dass die Investitionskosten der Schulträger nun in die Schülerkostensätze eingerechnet werden. Diese Ergänzungen werden natürlich auch von uns begrüßt. Dagegen kann man nichts haben, genauso wenig wie gegen die Erhöhung der Dynamisierung der Vorwegabzüge für Theater, Büchereien und demnächst hoffentlich auch Schwimmbäder.

(Beifall FDP)

Allerdings - das ist ganz wichtig - haben diese Vorwegabzüge und ihre Dynamisierung eine mittelbare Wirkung: Da die meisten dieser Einrichtungen in den kreisfreien Städten und den kommunalen Zentren liegen, werden im Finanzausgleich diesen diese Einnahmen zugerechnet.

Die kreisfreien Städte haben genauso hohe Einnahmen wie bisher, aber dadurch, dass die Vorwegabzüge da sind und diese dynamisiert werden, haben sie weniger Geld ungebunden zur Verfügung als bisher. Sie können ihren anderen überregionalen Aufgaben nicht mehr gleich gut nachkommen. Nach unserer Auffassung muss deswegen über die Zuweisungen für übergemeindliche Aufgaben noch einmal nachgesteuert werden, damit die betroffenen kreisfreien Städte und die Zentralen Orte ihren bisherigen überörtlichen Aufgaben weiterhin gleich gut nachkommen können.

Was am Ende als Neuerung im Gesetzentwurf bleibt, sind Fragen, wie der grundsätzliche Finanzbedarf der Kommunen begründet und wie die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen ausgeglichen wird. Die Antwort hierauf ist sehr einfach: Diese Fragen werden mit zusätzlichem Geld beantwortet. Einerseits werden finanzielle Unterschiede zwischen den Kommunen mit Geld nivelliert, und andererseits wird durch die neue Gesamtsumme des Finanzausgleichs festgelegt, was für die Kommunen auskömmlich ist. Das ist nicht als Vorwurf zu verstehen, sondern eher als eine Tatsachenbeschreibung. Landesregierung und Kommunen haben sich darauf geeinigt, wie hoch der kommunale Finanzausgleich unter normalen Bedingungen sein muss. Sie haben damit den Grundbedarf festgelegt; wie es das Landesverfassungsgericht erwartet hat.

Das ist der eigentliche Unterschied zum bisherigen Gesetz. Man hat definitiv die Bestätigung der Kommunen bekommen, wie hoch der zusätzliche Finanzbedarf der Kommunen ist. Der zusätzliche Bedarf setzt sich im Wesentlichen aus der Erhöhung des Verbundsatzes von 54 Millionen € und der Einberechnung von Infrastrukturbedarfen in Höhe von

(Lars Harms)

59 Millionen € zusammen. Dann gibt es da noch kleine Punkte, wie 5 Millionen € extra für den ÖPNV oder 5 Millionen Sonderzuführung für die Jahre 2022 bis 2024. Alles in allem sind es um die 125 Millionen €, die zusätzlich entweder neu oder aus schon vorhandenen Bereichen ins System eingespeist werden.

Wir haben erstmalig gemeinsam mit den Kommunen festgelegt, was ein bedarfsgerechter kommunaler Finanzausgleich ist. Das ist die eigentliche Neuerung im System. Ob diese Mittel vor dem Hintergrund der Coronakrise auskömmlich sind, kann man mit Recht bezweifeln. Aber es muss klar sein, dass nicht am kommunalen Finanzausgleich gerüttelt werden kann, sondern diese zusätzlichen Lasten durch gesonderte Zahlungen - von wem auch immer - zu tragen sind. Da mag es Zuschüsse des Bundes geben, da mag es Zuschüsse des Landes geben, zumindest die des Landes können aber nur zeitlich begrenzt zur Bewältigung der Krise erfolgen. Klar sein muss, dass wir an den Grundsätzen der KFA-Regelung nicht mehr rütteln können und sollten.

Wir können feststellen, dass eines der wichtigsten Vorhaben der damaligen Küstenkoalition seine Bewährungsprobe bestanden hat. Wir haben damals ein gerechtes und verfassungskonformes System für einen neuen kommunalen Finanzausgleich geschaffen. Einige wenige Punkte sind noch durch das Landesverfassungsgericht hinterfragt und jetzt beantwortet worden.